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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 13.07.2006
Aktenzeichen: 10 U 803/05
Rechtsgebiete: ZPO, VVG


Vorschriften:

ZPO § 138
ZPO § 522 Abs. 2 Satz 2
VVG § 47
Grobfahrlässige Unkenntnis des Fehlens der Empfangszuständigkeit des Agenten für eine Kündigung liegt nicht schon voraussetzungslos immer vor, wenn die Beschränkung bei sorgfältiger Lektüre den AVB entnommen werden kann. Vielmehr sind die Gesamtumstände des Einzelfalls, insbesondere der laufenden Geschäftsverbindung zu berücksichtigen, möglicherweise auch die konkrete Fassung der AVB.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ BESCHLUSS

(gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO)

Geschäftsnummer: 10 U 803/05

In dem Rechtsstreit

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weiss, die Richterin am Oberlandesgericht Zeitler-Hetger und die Richterin am Landgericht Dr. Beckmann

am 13. Juli 2006

einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 3. Zivilkammer/Einzelrichter des Landgerichts Bad Kreuznach vom 6. Mai 2005 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Gründe:

Die Berufung ist nicht begründet.

Der Senat hat mit Hinweisbeschluss gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO vom 15. Dezember 2005 darauf hingewiesen, dass die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung habe, auch die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordere und die Berufung auch keine Aussicht auf Erfolg habe.

Der Kläger hat Einwendungen gegen die Zurückweisung der Berufung erhoben.

Der Senat sieht keine Veranlassung zu einer abweichenden Beurteilung. Er hält an seinem Hinweis fest und nimmt auf ihn auch zur Begründung seiner abschließenden Entscheidung Bezug (§ 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO).

Die von der Klägerin in ihrer Stellungnahme vom 20. Februar 2005 vorgetragenen Argumente führen nicht zu einer neuen Sicht der Dinge.

Insbesondere stellt die im Hinweisbeschluss dargestellte Beurteilung der Rechtslage unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 24. März 1999 (BGH VersR 1999, 710) keine - wie die Klägerseite einwendet - Abweichung von obergerichtlicher Rechtsprechung dar: Der Senat hat sich gerade auf die vom Bundesgerichtshof entwickelten Gedanken gestützt und diese unter Berücksichtigung der in der Berufungsinstanz maßgeblichen Tatsachenfeststellung des Landgerichtes auf den vorliegenden Fall im Einzelnen angewendet. Dabei ist der Senat auch auf die inhaltlichen Bedenken der Klägerseite eingegangen und hat sich mit ihnen auseinander gesetzt. Es wird insoweit auf den Hinweisbeschluss Bezug genommen.

Die nunmehrige Stellungnahme der Klägerin enthält dem gegenüber keine neuen Gesichtspunkte, sondern vielmehr eine erneute Nuancierung der bereits vorgebrachten Argumente und Sichtweisen.

Die von der Klägerseite zitierte Rechtsprechung bekräftigt den auch vom Senat nicht in Abrede gestellten Ausgangspunkt, dass es grundsätzlich den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit begründen kann, wenn der Versicherungsnehmer sich nach Erhalt der Versicherungsbedingungen von deren Inhalt keine Kenntnis verschafft.

Gleichwohl sind auch hier, wie stets, die Umstände des Einzelfalles für die abschließende Bewertung maßgeblich - worauf auch der Bundesgerichtshof in der im Hinweisbeschluss zitierten Entscheidung (VersR 1999, 710 ff.) hinweist.

Ergeben sich aus den tatsächlichen Umständen des konkreten Versicherungsverhältnisses Anhaltspunkte dafür, dass die Unkenntnis des Versicherungsnehmers von der beschränkten Vertretungsmacht des Versicherungsvermittlers trotz Erhalt der Versicherungsbedingungen ausnahmsweise nicht als grob fahrlässig (in objektiver oder subjektiver Hinsicht) zu bewerten ist, so kann ihm diese entsprechend § 47 VVG auch nicht entgegen gehalten werden.

Im vorliegenden Fall hatte das Landgericht - wie im Hinweisbeschluss ausführlich dargelegt - in nicht zu beanstandender Weise Tatsachenfeststellungen zu den Umständen der behaupteten Unkenntnis des Beklagten getroffen, deren Bewertung der Senat teilt.

Der Senat hat hierzu im Hinweisbeschluss ausgeführt:

"...weist der Senat darauf hin, dass gegen die Annahme einer groben Fahrlässigkeit im vorliegenden Fall auch die Tatsache spricht, dass nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Beklagten, der gemäß § 138 ZPO als zugestanden gilt, der Beklagte mit der Prämienerhöhung nicht einverstanden war und seit November 2003 versucht hat, mit der Klägerin zu einer Einigung zu kommen, teilweise auch über die Versicherungsagentur M.... Auch der von der Klägerin benannte Zeuge W... hat erklärt, dass der Beklagte im Dezember in K... oder bei der Hauptverwaltung angerufen habe, wobei das so ablaufe, dass er einen Besuchsauftrag erhalte und dann den Vermittler verständige. Dies sei hier Herr M... gewesen. Soweit er wisse, habe Herr M... Herrn R... ein Änderungsangebot zugeschickt. Dass der Beklagte durch diese Vorgehensweise in seiner Fehlvorstellung, der Zeuge M... habe eine Empfangsvollmacht für vom Versicherungsnehmer gegenüber dem Versicherer abzugebende Erklärungen, bestärkt wurde, bedarf keiner näheren Ausführungen."

Nach Auffassung des Senates liegen somit in dem konkret zu entscheidenden Sachverhalt Umstände vor, die zumindest die für die Annahme grober Fahrlässigkeit erforderliche subjektive Vorwerfbarkeit der Unkenntnis entfallen lassen. Die Klägerin hat durch ihr - aufgrund nicht zu beanstandender Tatsachenfeststellung feststehendes - Verhalten mit dazu beigetragen, dass bei ihrem Versicherungsnehmer, dem Beklagten, zumindest eine Unklarheit über die Zuständigkeit für die Entgegennahme der Kündigung entstehen konnte. Bei einer Gesamtwürdigung ist dessen Unkenntnis der tatsächlichen Verhältnisse daher nach Auffassung des Senates zumindest nicht als subjektiv grob fahrlässig einzustufen.

Ob darüber hinaus auch bereits objektiv, aufgrund der konkreten Formulierung der Empfangszuständigkeiten in den AVB der Vorwurf der grob fahrlässigen Unkenntnis entfiele, kann dahingestellt bleiben (Regelung von Kündigung und Empfangszuständigkeit an verschiedenen Stellen ohne klarstellenden Hinweis bei der Kündigungsregelung, §§ 17 und 20 der AVB, entsprechend §§ 13 und 16 der MB/KK 94)..

Aus den dargelegten Gründen ist der Senat nach wie vor der Ansicht, dass die Berufung weder Aussicht auf Erfolg, noch dass der vorliegende Fall grundlegende Bedeutung hat oder die Rechtsauffassung des Senates von in der Rechsprechung entwickelten Grundgedanken abweicht.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.837,67 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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