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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 04.11.2004
Aktenzeichen: 10 W 698/04
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 138 |
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ BESCHLUSS
Geschäftsnummer: 10 W 698/04
LG K. 3 O 324/04
in dem Rechtsstreit
Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts K. hat durch den Richter am Oberlandesgericht Dr. Reinert als Einzelrichter am 4. November 2004 beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts K. vom 11. Oktober 2004 wird zurückgewiesen.
Gründe:
Die sofortige Beschwerde ist nicht begründet.
I.
Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten Ansprüche aus einem Girokonto- und einem Darlehensvertrag geltend.
Die Klägerin schloss im Jahre 1996 mit der Beklagten und deren früheren Ehemann einen Darlehensvertrag über insgesamt 280.000,--DM. Im Jahre 2003 traten Probleme bei der Rückführung der Darlehensverbindlichkeiten auf. Die Klägerin kündigte im März 2004 gegenüber der Beklagten die Geschäftsverbindung aus wichtigem Grund. Das Girokonto stand zu diesem Zeitpunkt mit 2.079,48 € im Soll, das der Beklagten gewährte Darlehen valutierte noch mit 10.064,30 €. Das von der Klägerin finanzierte Objekt wurde zwischenzeitlich veräußert. Der offen gebliebene Restsaldo wurde zur Hälfte von dem früheren Ehemann der Beklagten beglichen, Zahlungen der Beklagten blieben aus.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, der seinerzeit geschlossene Darlehensvertrag sei von Anfang an wegen eines krassen Missverhältnisses zwischen dem Verpflichtungsumfang und der finanziellen Leistungsfähigkeit der Beklagten sittenwidrig. Die Beklagte habe bei Darlehensaufnahme über keine Einkünfte verfügt, sei während der Dauer der Ehe keiner Berufstätigkeit nachgegangen und habe ihre drei Kinder versorgt. Die gesamte Schuldenlast habe 280.000,--DM betragen, der Wert des Hausgrundstückes aber nur bei höchstens 120.000,--DM bis 130.000,--DM gelegen.
Das Landgericht hat den Antrag der Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer sofortigen Beschwerde.
II.
Das Landgericht hat zu Recht den Antrag der Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen, da die Rechtsverteidigung keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 114 ZPO).
Es sind aufgrund des vorgelegten Prozessstoffes keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass der zwischen den Parteien und dem früheren Ehemann der Beklagten geschlossene Darlehensvertrag wegen krasser Überforderung der nicht berufstätigen Ehefrau sittenwidrig und damit nichtig ist (§ 138 BGB). Eine Sittenwidrigkeit lässt sich insbesondere nicht aus den von der Rechtsprechung zur Bürgenhaftung und Mithaftung mittelloser Ehefrauen und naher Verwandten entwickelten Grundsätzen herleiten.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Bürgschaft unwirksam, wenn deren Verpflichtungsumfang die finanzielle Leistungsfähigkeit des Bürgen erheblich übersteigt und weitere Umstände hinzukommen, durch die ein unerträgliches Ungleichgewicht zwischen den Vertragspartnern hervorgerufen wird, welches die Verpflichtung des Bürgen auch unter Berücksichtigung der berechtigten Belange des Gläubigers als rechtlich nicht hinnehmbar erscheinen lässt. Solche Umstände können darin liegen, dass die Entscheidungsfreiheit des Bürgen in anstößiger Weise beeinträchtigt wurde und der Gläubiger sich dies zurechnen lassen muss (BGH Urt. V. 18.12.1997 - IX ZR 271/96 - NJW 1998, 597, 598 = ZIP 1998, 196, 197; BGHZ 125, 206, 210 f. = NJW 1994, 1278; BGHZ 128, 230, 232, 234 = NJW 1995, 592; BGHZ 132, 328, 330 = NJW 1996, 2088; BGH Urt. V. 18.1.1996 - IX ZR 171/95 - ZIP 1996, 495 = NJW 1996, 1274). Dies betrifft zum einen Fälle, in denen Hauptschuldner und Bürge durch Verwandtschaft, Ehe oder eine auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft persönlich eng miteinander verbunden sind. Zum anderen können diese Voraussetzungen auch dann gegeben sein, wenn zwischen dem Bürgen und dem Hauptschuldner eine entsprechende persönliche Beziehung nicht besteht (BGH ZIP 1998, 196, 197; Urt. V. 16.1.1997 - IX ZR 250/95 - ZIP 1997, 446; vgl. auch Senatsurteile vom 21. Juni 2002 - 10 U 1116/01 und vom 7. April 2000 - 10 U 753/98). Bürgschaften von Kindern und Lebenspartnern des Hauptschuldners können auch dann als sittenwidrig angesehen werden, wenn ein krasses Missverhältnis zwischen dem Haftungsumfang und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Bürgen besteht, d.h. dessen finanzielle Mittel, bezogen auf die Höhe der gesamten Hauptschuld, praktisch bedeutungslos und ein berechtigtes Interesse des Kreditgebers an einer Verpflichtung in dem vereinbarten Umfang unter keinem Gesichtspunkt anerkannt werden kann (BGHZ 132, 328, 330 f. = NJW 1996, 2088 = ZIP 1996, 1126). Eine Bürgschaft kann schon deshalb nichtig sein, weil der wirtschaftlich krass überforderte Bürge aus Geschäftsunerfahrenheit ohne wesentliches Eigeninteresse gehandelt hat (BGHZ 125, 206, 210 f = NJW 1994, 1278). Jedoch sind dabei alle im Zeitpunkt des Vertragsschlusses erkennbaren Umstände zu berücksichtigen (BGH NJW 1998, 597, 598 = ZIP 1998, 196, 197; BGH NJW 1996, 1274 = ZIP 1996, 520).
Das Landgericht führt zu Recht aus, dass diese Grundsätze vorstehend keine Anwendung finden. Zum einen handelt es sich um eine gemeinsame Darlehensaufnahme mit einer gesamtschuldnerischen Verpflichtung der damaligen Eheleute S. und nicht nur um eine Bürgschaft für eine fremde Schuld. Zum anderen hat die Beklagte nicht nur aus rein emotionaler Verbundenheit der Darlehensaufnahme zugestimmt, sondern im Hinblick darauf, dass sie selbst hälftiges Miteigentum erworben hat, auch ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Darlehensaufnahme gehabt. Sie hat damit einen Gegenwert für ihre Mithaftung erworben. Der Einwand, das Haus sei den Preis nicht wert gewesen, kann der Klägerin als Darlehensgeberin nicht entgegengehalten werden. Die Darlehensgeberin trifft hinsichtlich der Werthaltigkeit des finanzierten Objekts keine Aufklärungs- oder Beratungspflicht, soweit sie nicht ausnahmsweise gegenüber dem Darlehensnehmer über ein Sonderwissen verfügt. Es steht auch der Klägerin frei, welchen Gesamtschuldner sie in Anspruch nimmt. Es bleibt der Beklagten unbenommen im Innenverhältnis gegenüber ihrem Ehemann Rückgriff zu nehmen, soweit die Voraussetzungen hierfür vorliegen.
Die Beschwerde war aus den dargelegten Gründen zurückzuweisen.
Ende der Entscheidung
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