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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 04.10.2005
Aktenzeichen: 12 U 1236/04
Rechtsgebiete: StVG, ZPO, StVO


Vorschriften:

StVG § 7 Abs. 2 a.F.
ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1
StVO § 2 Abs. 2
Der Begriff "unabwendbares Ereignis" im Sinne von § 7 Abs. 2 StVG a.F. meint nicht die absolute Unvermeidbarkeit des Unfalls, sondern ein Ereignis, das auch bei der äußersten möglichen Sorgfalt nicht abgewendet werden kann. Hierzu gehört ein sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln erheblich über den Maßstab der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hinaus. Dabei darf sich die Prüfung nicht auf die Frage beschränken, ob der Fahrer in der konkreten Gefahrensituation wie ein "Idealfahrer" reagiert hat, vielmehr ist sie auf die weitere Frage zu erstrecken, ob ein "Idealfahrer" überhaupt in eine solche Gefahrenlage geraten wäre. Eine übermaßige Bremsreaktion gegenüber einem entgegen kommenden Fahrzeug, das in einigem Abstand vor der späteren Unfallstelle eine Kurve geschnitten hatte, bis zur Kolision aber wieder auf seine Fahrspur zurückgekehrt war, steht der Annahme der Unabwendbarkeit des Unfalls entgegen.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 12 U 1236/04

Verkündet am 04.10.2005,

in dem Rechtsstreit

wegen eines Schadensersatzanspruches aus einem Verkehrsunfall.

Der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dierkes, die Richterin am Oberlandesgericht Frey und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Eschelbach auf die mündliche Verhandlung vom 12. September 2005

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 16. September 2004 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 1.057,25 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 891,26 Euro seit dem 11. Dezember 2001 und aus weiteren 157,47 Euro seit dem 19. März 2002 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen haben der Kläger vier Fünftel, die Beklagten als Gesamtschuldner ein Fünftel zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall, der sich am 6. November 2001 gegen 11.40 Uhr auf der B... Strasse in S... ereignet hat. Die Ehefrau des Klägers fuhr mit dessen Pkw Ford Sierra CLX auf dem Weg zum Einkaufen nach der Arbeit in einer Rechtskurve auf der insgesamt 6,10 m breiten Strasse, als der vom Erstbeklagten geführte Tanklastzug mit Mercedes Benz Actros Zugmaschine und Sattelauflieger, der bei der Zeitbeklagten gegen Haftpflicht versichert ist, in der Kurvenlage entgegenkam. Der Pkw kollidierte nach einem Bremsmanöver seitlich mit dem Tanklastzug und wurde schwer beschädigt. Es entstand Totalschaden bei einem gutachterlich angenommenen Wiederbeschaffungswert von 4.100 DM brutto und einer Wiederbeschaffungsdauer von 14 Tagen, für die vom Sachverständigen eine Nutzungsausfallentschädigung von 66 DM pro Tag veranschlagt wurde.

Der Kläger hat die alleinige Haftung der Beklagten angenommen mit der Behauptung, der Lkw habe ohne verkehrsbedingten Grund die Gegenfahrbahn zur Hälfte in Anspruch genommen und sei innerorts wesentlich zu schnell gefahren, nämlich etwa 60 bis 70 km/h. Der Kläger hat in erster Instanz neben dem Wiederbeschaffungswert von 4.100 DM und Sachverständigenkosten von 622,68 DM pauschale Unkosten von 50 DM, Abschleppkosten von 500,83 DM, Kosten für Abmeldung des Unfallfahrzeugs und Anmeldung des Ersatzfahrzeugs von 276,77 DM, Verschrottungskosten von 230 DM und Mietwagenkosten von 4.708,53 DM geltend gemacht, zusammen 10.488,81 DM (5.362,84 Euro).

Die Beklagten haben die Abweisung der Klage beantragt. Sie haben behauptet, der Erstbeklagte sei weder auf die Gegenfahrbahn gekommen noch zu schnell gefahren. Vielmehr sei die Ehefrau des Klägers einem parkenden Fahrzeug ausgewichen, habe dann beim Anblick des Tanklastzuges eine unnötige und überzogene Abwehrbremsung vorgenommen und sei auf der Fahrspur des Lkws mit diesem in einer Streifkollision zusammengeprallt. Sie habe den für den Erstbeklagten unabwendbaren Unfall alleine verursacht und verschuldet. Im Übrigen seien die Mietwagenkosten übersetzt.

Das Landgericht hat die Klage durch Urteil der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer vom 16. September 2004 abgewiesen. Es ist davon ausgegangen, dass der Unfall für den Erstbeklagten ein unabwendbares Ereignis gewesen sei. Das Vorbringen zu einer Geschwindigkeitsüberschreitung durch den Erstbeklagten sei aufgrund der Auswertung der Tachoscheibe widerlegt. Danach habe die Fahrgeschwindigkeit des Lastzuges 135 m vor der Unfallstelle noch 47 km betragen und sei danach bis zum Einfahren in die Kurve auf 41 km/h reduziert worden. Nicht bewiesen sei ferner, dass der Lkw auf die Gegenfahrbahn gelangt sei. Die Zeuginnen B..., Ehefrau des Klägers, und T..., Führerin des nachfolgenden Pkws, hätten zwar den Eindruck gehabt, dass der Lkw auf ihre Fahrspur geraten sei, weil er die Kurve geschnitten habe. Nach der Auswertung der Sachbeweise durch Sachverständige, deren Gutachten in der vorliegenden Sache, im Parallelprozess mit umgekehrtem Rubrum und im Strafverfahren eingeholt worden seien, sei unbeschadet der Möglichkeit, dass der Lastzug unmittelbar vor der Kollision in der Kurve ausweislich einer Reifenspur etwa 30 cm oder mehr über die Fahrbahnmitte geraten sei, davon auszugehen, dass die Zeugin B... eine überzogene Abwehrbremsung durchgeführt habe und danach in der Kurve geradeaus und über die Fahrbahnmittenmarkierung fahrend mit dem Lkw kollidiert sei. Das ergebe sich aus der Ausrichtung der Bremsspur. In dieser Lage sei die Kollision für den Erstbeklagten unabwendbar gewesen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, der sein Klageziel weiter verfolgt und die Beweiswürdigung des Landgerichts beanstandet. Nach den Aussagen der vernommenen Zeuginnen habe der Tanklastzug die Kurve geschnitten; das habe das Landgericht festgestellt, aber nicht zutreffend bewertet. Daraus ergebe sich ein nicht verkehrsbedingt veranlasster Verstoß des Erstbeklagten gegen das Rechtsfahrgebot, der die Annahme der Unabwendbarkeit ausschließe. Nachträglich aufgestellte Behauptungen des Erstbeklagten zu parkenden Fahrzeugen auf der einen oder anderen Fahrspur seien widerlegt. Zudem sei der Lkw zu schnell gefahren, weil er nach den gutachterlichen Ausführungen nicht mehr auf "halbe Sicht" gefahren sei. Diese Fahrgeschwindigkeit sei auch eine Mitursache für das Kurvenschneiden gewesen. Die Zeugin B... treffe dagegen kein Verschulden, weil ihre Bremsreaktion wegen des die Kurven schneidend entgegen kommenden Tanklastzuges im innerörtlichen Verkehr im Ansatz richtig gewesen sei.

Die Beklagten beantragen die Abweisung der Berufung. Sie verweisen darauf, dass die Zeuginnen L..., T... und S... das eigentliche Unfallgeschehen nicht gesehen hätten und die Zeugin B... danach anerkanntermaßen unter Schock gestanden und gefragt habe: "Was ist passiert?" Ihre Angaben seien daher nicht verwertbar. Ihre Behauptung, der Lkw sei mit einer Geschwindigkeit von 60 bis 70 km/h gefahren, sei nachweislich falsch. Das folge aus der Auswertung der Tachoscheiben. Auch die Angabe der Zeugin B..., sie sei vor der Kollision sehr weit rechts gefahren, sei unzutreffend, wie es aus der Bremsspurzeichnung hervorgehe; danach habe sie noch vor ihrem Bremsmanöver einen deutlichen Abstand zum rechten Fahrbahnrand gehabt und hätte ungehindert rechts am Tanklastzug vorbeifahren können, selbst wenn dieser die Kurve geschnitten und nur mit dem Auflieger eine Radbreite auf die Gegenfahrspur geraten wäre. Die Zeugin B... habe nachträglich eine Ablaufschilderung konstruiert. Der Erstbeklagte habe bei der Anhörung klar bekundet, der Unfall habe sich auf seiner Fahrspur ereignet. Das folge auch aus der Fahrzeugendstellung. Die Reifenspur, die andeute, dass er mit einem Hinterrad über die Fahrbahnmittenmarkierung geraten sei, liege weit vor der Kollisionsstelle; ein Zusammenhang mit dem eigentlichen Unfallgeschehen bestehe nicht.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen. Wegen der Feststellungen des Landgerichts wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die Gründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache einen Teilerfolg. Das Vorbringen der Beklagten im Schriftsatz vom 19. September 2005 ist weder zuzulassen noch sachlich durchgreifend. Einer erneuten Befragung des Erstbeklagten bedarf es im Berufungsrechtszug nicht. Die Annahme des Vorliegens eines unabwendbaren Ereignisses im angefochtenen Urteil unterliegt durchgreifenden Bedenken. Es ist auch ein unfallursächliches Verschulden des Erstbeklagten in der Form des Schneidens der Kurve anzunehmen (§ 2 Abs. 2 StVO). Der Erstbeklagte hat dadurch, dass er vor der Kollisionsposition die Fahrbahnmitte überschritten hat, zu einer Fehlreaktion der Ehefrau des Klägers beigetragen. Jedoch überwiegt das Verschulden der Ehefrau des Klägers, die ihrerseits nicht äußerst rechts gefahren ist und bei objektiv bestehender Möglichkeit des gefahrlosen Passierens des Lkws eine überzogene Abwehrbremsung durchgeführt hat, welche dann letztlich zur Streifkollision im Bereich der Fahrbahnmitte geführt hat. Das rechtfertigt auch mit Blick auf die Betriebsgefahr des Tanklastzuges die Annahme einer Haftungsverteilung von 30 : 70 zu Lasten des Klägers, aber nicht seine vollständige Abweisung mit der Klage. Seine Nutzungsausfallforderung ist indes zu reduzieren, so dass der Erfolg der Klage im Endergebnis weiter absinkt.

Es ist nach den Gutachten, die im Parallelprozess, im Strafverfahren und in der vorliegenden Sache eingeholt worden sind, davon auszugehen, dass der Tanklastzug in räumlicher Nähe zur Kollisionsstelle die Kurve "geschnitten" hat. Das folgt aus der Reifenspur, die eine Überschreitung der Fahrbahnmitte von jedenfalls 30 cm andeutet. Unterstrichen wird dieser Befund durch die Endstellung des Lkws mit einem Seitenabstand des Führerhauses von der Fahrbahnmitte von einem Meter und einer Positionierung des Hinterrades des Sattelzuges an der Fahrbahnmitte (Bl. 81 GA). Daraus ist zu entnehmen, dass der Lkw vor der Kollision und unweit des Kollisionsortes die Fahrbahnmitte überschritten hatte, mag er auch bei der Kollision selbst bereits wieder auf seine rechte Fahrspur zurückgekehrt gewesen sein. Das entspricht ferner dem - freilich subjektiv überschätzten - Eindruck der Zeuginnen B... (Bl. 67 f.GA) und T... (Bl. 68 f. GA; Bl. 28 der Strafakte 3829 Js 488/02). Die Zeugin B... war durch das Unfallereignis geschockt, weshalb ihre Angaben nur geringen Aussagewert besitzen. Ein Beweisverwertungsverbot besteht indes nicht; die Aussage der Zeugin B... ist nur wegen der Beeinträchtigung der Wahrnehmungs- und Erinnerungsfähigkeit der Zeugin im Rahmen der Gesamtwürdigung aller Tatsachen und Beweise vorsichtig zu bewerten. Sie wird durch die Angaben der Zeugin T... unterstützt und erscheint unter Beachtung einer nachvollziehbaren subjektiven Überzeichnung im Ansatz zutreffend. Die Zeugin T... fuhr hinter dem klägerischen Pkw und hatte ebenfalls den Eindruck, dass der Lkw die Kurve geschnitten hat. Der Eindruck, den das große Fahrzeug in der Kurvenfahrt innerorts vermittelt (vgl. die Lichtbilder Bl. 121, 143 in der Akte 9 O 240/02), erklärt, dass und warum die Zeuginnen mit ihrer Angabe, der Lkw habe etwa die Hälfte ihrer Fahrspur mit in Anspruch genommen, die objektive Lage überschätzt haben. Tatsächlich war die Inanspruchnahme ihrer Fahrspur durch das Großfahrzeug im Gegenverkehr geringer als befürchtet; vorhanden war sie andererseits durchaus. Der Oberbau des Sattelzuges vermittelt auf erste Sicht den Eindruck eines die Strasse füllenden Fahrzeugs. Erst der genaue Blick auf die Fahrbahn, insbesondere die Draufsicht aus der Vogelperspektive in den Unfallskizzen zum gerichtlichen Sachverständigengutachten (vgl. Bl. 88, 164 GA), zeigt, dass objektiv ein gefahrloses Passieren entgegen dem Eindruck aus der Frontale möglich war. Hat der Erstbeklagte aber tatsächlich die rechte Fahrspur nicht vollständig eingehalten, obwohl ihm das nach dem Gutachten des Sachverständigen Dipl. Ing. B... möglich gewesen wäre, so war er bereits deshalb kein "Idealfahrer". Ein unabwendbares Ereignis lag schon deshalb nicht vor. Der Begriff "unabwendbares Ereignis" im Sinne von § 7 Abs. 2 StVG a.F. meint nicht die absolute Unvermeidbarkeit des Unfalls, sondern ein schadenstiftendes Ereignis, das auch bei der äußersten möglichen Sorgfalt nicht abgewendet werden kann. Hierzu gehört ein sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln erheblich über den Maßstab der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hinaus (vgl. BGHZ 113, 164, 165; 117, 337, 340;). Der Begriff des unabwendbaren Ereignisses im Sinne von § 7 Abs. 2 StVG verlangt eine sich am Schutzzweck der Gefährdungshaftung für den Kraftfahrzeugbetrieb ausrichtende Wertung (vgl. BGHZ 105, 65, 69; 117, 337, 341). Diese Wertung hat unter Berücksichtigung der konkreten Verkehrsumstände zu erfolgen. Dabei darf sich die Prüfung nicht auf die Frage beschränken, ob der Fahrer in der konkreten Gefahrensituation wie ein "Idealfahrer" reagiert hat, vielmehr ist sie auf die weitere Frage zu erstrecken, ob ein "Idealfahrer" überhaupt in eine solche Gefahrenlage geraten wäre. Der sich aus einer abwendbaren Gefahrenlage entwickelnde Unfall wird nicht dadurch unabwendbar, dass sich der Fahrer in der Gefahr nunmehr - zu spät - "ideal" verhält (BGHZ 117, 337, 341). Hatte der Erstbeklagte vor der Unfallstelle die Kurve geschnitten und dadurch die - wenngleich überzogene - Bremsreaktion der Ehefrau des Klägers ausgelöst, dann war er in der eigentlichen Kollisionslage nicht mehr in der Situation des "Idealfahrers", mag er auch dann wieder ganz auf seiner Fahrspur gefahren sein. Auf die zweifelhaften Angaben des Erstbeklagten zum Ausweichen gegenüber geparkten Fahrzeugen (Bl. 188 GA; Bl. 15 der Strafakte 3829 Js 488/02) kommt es nicht an. Jedenfalls hat der Erstbeklagte mit einer Inanspruchnahme der Gegenfahrspur die Abwehrbremsung der Ehefrau des Klägers, die zum Wegfall der Steuerungsfähigkeit geführt hat, mit verursacht. Da eine verkehrstechnische Notwendigkeit dafür nicht bestand, ist auch von einer schuldhaften Verletzung einer Verkehrspflicht auszugehen.

Auf die Fahrgeschwindigkeit des Lkws kommt es hier haftungsrechtlich im Ergebnis nicht an. Die Fahrgeschwindigkeit war - unbeschadet der Frage, ob der Erstbeklagte noch auf "halbe Sicht" anhalten konnte (s. dazu der Sachverständige Hennemann in Bl. 159, 162 GA) - für den Unfall nicht kausal. Es lag auch allenfalls eine marginale Überschreitung der Grenze zum Anhalten auf halbe Sicht vor, die sich mit Blick auf den Ablauf und die Reaktionszeit nicht ausgewirkt hat.

Die Ehefrau des Klägers hat den Unfall allerdings mitverschuldet, weil sie ihrerseits nicht weit genug rechts gefahren ist und eine überzogene Bremsreaktion beim Anblick des Tanklastzuges durchgeführt hat. Ihr Fahrzeug befand sich 1,1 bis 2 m vom rechten Fahrbahnrand (Bl. 136 f. GA). Der Durchlass war auch beim Kurvenschneiden des Lkws auf der 6,10 m breiten Strasse mit 2,5 m und mehr noch groß genug, um gefahrlos vorbei zu fahren (so der Sachverständige Dipl. Ing. B... in Bl. 140 a.E. GA). Erklärlich wird die überzogene Reaktion der Ehefrau des Klägers auch aus dem Umstand, dass es sich um eine junge Frau mit wenig Fahrerfahrung gehandelt hat, die zudem aufgrund ihrer Kriegserlebnisse im Kosovo "etwas ängstlich und vorsichtig" ist (Bl. 192 GA). Sie hat sich daher schon beim Anblick des Tanklastzuges in der innerörtlichen Lage "heftig erschrocken" (vgl. Bl. 44 der Strafakte 3829 Js 488/02).

Wägt man alle Umstände ab, dann gelangt man dazu, dass der Erstbeklagte mit geringfügigem Kurvenschneiden auf breiter Strasse den Unfall verursacht und verschuldet hat, wobei ihn aber wegen der geringen Kursabweichung und der verbleibenden Möglichkeit für den Gegenverkehr, gefahrlos vorbeizufahren, nur ein geringer Vorwurf trifft: Ins Gewicht fällt andererseits die höhere Betriebsgefahr des Lkws. Die Ehefrau des Klägers hat den Unfall durch ihren Fahrfehler in Form einer objektiv unnötigen und überzogenen Bremsreaktion und die partielle Nichtbeachtung des Rechtsfahrgebots gemäß § 2 Abs. 2 StVO in größerem Umfang mitverschuldet. Danach erscheint eine Haftungsverteilung von 30 : 70 angemessen.

Beim Schadensumfang ist im Kern nur der vom Kläger geltend gemachte Nutzungsausfall streitig. Mietwagenkosten gehören regelmäßig zu den Kosten der Schadensbehebung (BGH VersR 1974, 90; 1985, 283, 284; 1985, 1092; 2005, 241, 242). Mietwagenkosten sind grundsätzlich aber nur insoweit zu ersetzen, als dies tatsächlich zur Herstellung des Zustands erforderlich ist, der ohne die Schädigung bestehen würde. Zur Herstellung erforderlich sind nur die Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf (vgl. BGHZ 61, 346, 349 f.; 132, 373, 375 f.; 154, 395, 398; 155, 1, 4 f.). Hat der Kläger die Möglichkeit der Nutzung eines alten Pkw Ford Sierra CLX verloren, der erkennbar einen Totalschaden erlitten hatte, dann sind nur die vom Sachverständigen auf 14 x 66 DM = 924 DM veranschlagten Kosten angemessen, nicht die geltend gemachten und den Wiederbeschaffungswert übersteigenden 4.708,53 DM für einen Mercedes (§ 287 ZPO).

Der ersatzfähige Schaden beträgt danach 4.100,00 DM Wiederbeschaffungswert, 622,68 DM Sachverständigenkosten, 276,77 DM Kosten für die Fahrzeugab- und Anmeldung, 230 DM Verschrottung, 50 DM Unkosten, 924 DM Mietwagen, zusammen 6.203,45 DM = 3.171,77 Euro (statt 5.362,84 Euro). Davon sind 30 % ersatzfähig, das ergibt 1.057,25 Euro.

Darauf sind auch die gesetzlichen Verzugszinsen ab den angemahnten Zahlungszeitpunkten zu erstatten (§§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92, 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil ein Zulassungsgrund nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegt.

Der Streitwert im Berufungsverfahren beträgt 5.362,84 Euro.

Ende der Entscheidung

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