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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 19.01.2004
Aktenzeichen: 12 U 1412/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 141
ZPO § 448
1. Der Fairnessanspruch verlangt, dass im Zivilprozess nicht nur ein Zeuge der Gegenpartei, sondern auch die Partei angehört oder vernommen wird, wenn dieser keine förmlichen Beweismittel zur Verfügung stehen. Wird die Partei angehört oder vernommen, so ist es nicht schon zur prozessualen Gleichbehandlung geboten, ebenfalls den Prozessgegner als Partei anzuhören oder zu vernehmen.

2. Die aus Gründen der prozessualen Waffengleichheit erforderliche Befragung einer Partei muss nicht notwendigerweise als Parteivernehmung gemäß § 448 ZPO erfolgen; eine Anhörung gemäß § 141 ZPO kann ausreichen.

3. Das Tatgericht hat zur Feststellung der entscheidungserheblichen Umstände alle Tatsachen und Beweisergebnisse in einer Gesamtwürdigung zu berücksichtigen. Auch Parteivorbringen kann darin einbezogen werden. Das Gericht muss sich nur bewusst sein, dass Parteivorbringen ein anderes Gewicht besitzt als ein förmliches Beweismittel des Strengbeweisverfahrens. Nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung kann das Gericht dem Ergebnis einer Parteianhörung oder Parteivernehmung den Vorzug vor den Bekundungen eines Zeugen geben, wenn sich etwa aufgrund einer Inhaltsanalyse und weiterer Glaubwürdigkeitskriterien daraus eine tragfähige Urteilsgrundlage gewinnen lässt.


OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 12 U 1412/02

Verkündet am 19.01.2004

in dem Rechtsstreit

wegen eines Schadensersatzanspruchs aus einem Verkehrsunfall.

Der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dierkes und die Richter am Oberlandesgericht Dr. Wohlhage und Dr. Eschelbach

auf die mündliche Verhandlung vom 15. Dezember 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 30. September 2002 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt Ersatz ihrer materiellen und immateriellen Schäden aus einem Verkehrsunfall, der sich am 7. November 1997 gegen 13.25 Uhr auf zum Teil mit Laub bedeckter Fahrbahn der Landstraße 2.. im Bereich der Kreuzung zur Kreisstraße .. ereignet hat. Die etwa 5,50 m breite Fahrbahn wies dort eine nur schwach erkennbare Fahrbahnmittenmarkierung mit unterbrochenen Leitlinien auf.

Die Klägerin war Beifahrern im Pkw Alfa Romeo ihres Ehemanns. Dieser befuhr die Landstraße 2.. aus Richtung F. kommend in Richtung B. Der Beklagte zu 1) fuhr die Straße "Bo.", die in die Landstraße 2.. einmündet, und bog nach rechts in diese Straße ein. Der Ehemann der Klägerin kam dem Beklagten zu 1) entgegen, kam in seiner Fahrtrichtung nach rechts von der Fahrbahn ab, fuhr eine Strecke auf dem unbefestigten Seitenstreifen neben der Fahrbahn, kehrte dann auf die befestigte Fahrbahn zurück und überquerte diese, um schließlich jenseits der Gegenfahrspur nacheinander gegen zwei Bäume zu prallen. Die Klägerin, die nicht angeschnallt war, wurde aus dem Fahrzeug hinausgeschleudert. Sie wurde nicht unerheblich verletzt. Sie erlitt ein schweres HWS-Trauma, Prellungen und eine große Platzwunde, außerdem verschoben sich der vierte und fünfte Halswirbel.

Die Klägerin hat vorgetragen,

ihr Ehemann sei mit etwa 80 km/h gefahren. Der Beklagte zu 1) habe unmittelbar vor dem herannahenden Fahrzeug beim Einbiegen in die Landstraße 2... die Fahrbahnmitte überquert, so dass ihr Ehemann habe ausweichen und eine Vollbremsung durchführen müssen, um eine Kollision zu vermeiden. Dabei sei das Fahrzeug außer Kontrolle geraten. Wäre sie angeschnallt gewesen, so wäre es zu noch schlimmeren Verletzungen gekommen.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld von mindestens 15.338,76 Euro nebst 4% Zinsen seit dem 11. Juli 2000 zu zahlen,

2. die Beklagte zu 2) zu verurteilen, an sie 139,47 Euro nebst 4% Zinsen seit dem 11. Juli 2000 zu zahlen,

3. festzustellen, dass die Beklagte zu 2) verpflichtet ist, ihr sämtliche materiellen und immateriellen künftigen Schäden zu ersetzen, soweit diese durch das Unfallereignis vom 7. November 1997 noch entstehen und nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder einen anderen Dritten übergehen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben vorgetragen,

der Beklagte zu 1) habe vor dem Einbiegen in die Landstraße 2... angehalten. Er sei dann ohne Überschreitung der Fahrbahnmitte eingebogen, als noch kein Gegenverkehr in Sicht gewesen sei. Erst als er bereits auf die Landstraße 2... eingebogen gewesen und geradeaus gefahren sei, sei ihm das Fahrzeug des Ehemanns der Klägerin aufgefallen, das dann über den Randstreifen hinaus gefahren sei. Der Ehemann der Klägerin sei mindestens 110 bis 120 km/h schnell gefahren.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Ehemanns der Klägerin Andreas XX und des unfallaufnehmenden Polizeibeamten St., ferner durch Einholung eines verkehrsanalytischen Gutachtens des Sachverständigen B. Es hat den Beklagten zu 1) gemäß § 141 ZPO zum Unfallgeschehen angehört. Auf dieser Grundlage hat das Landgericht die Klage durch Urteil vom 30. September 2002 abgewiesen. Es hat ausgeführt, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme habe die Klägerin nicht zur Überzeugung des Gerichts bewiesen, dass das Unfallereignis ursächlich auf ein Verhalten des Beklagten zurückgehe. Zwar habe ihr Ehemann als Zeuge ihre Unfallschilderung bestätigt. Dem stehe die Äußerung des Erstbeklagten im Rahmen seiner Anhörung nach § 141 ZPO entgegen. Beide Aussagen seien "zunächst gleichgewichtig zu behandeln". Beide hätten die Geschehnisse nachvollziehbar dargelegt. Nachdem es der Klägerin obliege, die haftungsbegründende Kausalität zu beweisen, gehe dies allerdings zu ihren Lasten. Auch aus dem eingeholten Gutachten des Sachverständigen B. lasse sich die Kausalität eines Verhaltens des Erstbeklagten für den Unfall nicht begründen. Der Sachverständige habe objektiv festgestellt, dass ein Einbiegen in die Landstraße 2... technisch möglich sei, ohne über die Mittellinie zu fahren, wenngleich es ein ungewöhnliches Fahrverhalten gewesen wäre. Selbst wenn der Erstbeklagte beim Einbiegen die Mittellinie überfahren hätte, bestehe kein zwingender Zusammenhang zur Fahrweise des Ehemanns der Klägerin. In der Ermittlungsakte sei die Spur auf dem Seitenstreifen über eine Länge von 52,40 m festgestellt und dem klägerischen Fahrzeug zugeordnet worden. Der Zeuge St. habe dies glaubhaft bestätigt. Auf dieser Grundlage habe der Sachverständige ausgeführt, dass der Ehemann der Klägerin dann, wenn er - wie behauptet - mit 80 km/h gefahren sei, noch rechtzeitig hätte zum Stillstand kommen können, ohne dass es zu einer Kollision gekommen wäre. Auch dann, wenn man das Einbiegen des Erstbeklagten als Ursache des Fahrverhaltens des Ehemanns der Klägerin ansehen würde, könnte dies zu keinem anderen Ergebnis führen. Nach der Feststellung des Sachverständigen sei ein Ausweichen nicht erforderlich gewesen. Der Erstbeklagte wäre, wenn er beim Einbiegen die Fahrbahnmitte überquert hätte, sofort wieder auf seine Fahrbahn eingeschwenkt, noch deutlich bevor das klägerische Fahrzeug in seine unmittelbare Nähe gekommen wäre. Ein Verschulden des Erstbeklagten sei nicht festzustellen. Ein theoretisch denkbarer Verursachungsbeitrag falle auch bei einer Abwägung gemäß § 17 StVG gegenüber dem Verschulden des Ehemanns der Klägerin nicht ins Gewicht, so dass auch eine Gefährdungshaftung nicht durchgreife.

Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin

Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, das Urteil des Landgerichts habe die Äußerung des Erstbeklagten im Rahmen seiner Anhörung gemäß § 141 ZPO wie eine Zeugenaussage gewertet; das sei rechtlich fehlerhaft. Zur Herstellung der prozessualen Waffengleichheit wäre andernfalls ihre Parteivernehmung geboten gewesen, die vorsorglich auch beantragt werde. Die Abwägung von Mitverschuldens- und Verursachungsbeiträgen gemäß § 254 BGB, § 17 StVG sei rechtlich zu beanstanden. Das Landgericht habe die Pflichten des Erstbeklagten beim Einbiegen verkannt. Diese sei auf die Gegenfahrbahn gekommen, obwohl das Fahrzeug ihres Ehemann des für ihn erkennbar gewesen wäre. Für ihren Ehemann sei der Unfall durch normales Bremsen nicht vermeidbar gewesen. Dass sie nicht angeschnallt gewesen sei, habe sich nicht ausgewirkt.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagten zu verurteilen,

1. als Gesamtschuldner an sie ein angemessenes Schmerzensgeld von zumindest 16.000 Euro nebst 4% Zinsen seit dem 11. Juli 2000 zu zahlen,

2. die Beklagte zu 2) zu verurteilen, an sie 139,47 Euro nebst 4% Zinsen seit dem 11. Juli 2000 zu zahlen,

3. festzustellen, dass die Beklagte zu 2) verpflichtet ist, ihr sämtlichen materiellen und immateriellen zukünftigen Schaden zu ersetzen, soweit er durch das Verkehrsunfallereignis vom 7. November 1997 noch entstehen wird und nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder anderen Dritten übergegangen ist.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen

Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

Der Klägerin blieb nach der mündlichen Verhandlung des Senats nachgelassen, sich mit Blick auf den Zeitablauf seit dem Unfallgeschehen zur Zulässigkeit der Feststellungsklage ergänzend zu äußern. Sie hat in ihrem Schriftsatz vom 19. Dezember 2003 dazu Ausführungen gemacht, sich aber auch weiter gehend geäußert.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Hinsichtlich der Feststellungen des Landgerichts verweist der Senat gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die Gründe des angefochtenen Urteils.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Ein Beanstandungsgrund im Sinne von § 529 ZPO liegt nicht vor.

I.

Ein Verfahrensfehler liegt nicht vor. Das im Sinne von § 520 Abs. 2 und 3 ZPO zulässige Vorbringen der Prozesstatsachen durch die Klägerin legt die Angriffsrichtung ihrer Verfahrensbeanstandung hinreichend klar. Es lässt sich - ohne dass eine weiter gehende Bindung an die rechtliche Einordnung durch die Klägerin besteht - unter drei Gesichtspunkten prüfen, nämlich

- ob es gegen den Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit verstößt, dass der Erstbeklagte, nicht aber die Klägerin, als Partei gemäß § 141 ZPO angehört wurde,

- ob bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen anstelle einer Parteianhörung (§ 141 ZPO) eine förmliche Parteivernehmung (§ 448 ZPO) als weiter gehende, den förmlichen Beweismitteln des Strengbeweisverfahrens stärker angenäherte Form der Einbeziehung des Vorbringens der Partei geboten gewesen wäre, um diese der Zeugenaussage des Ehemanns der Klägerin gegenüberstellen zu können, und schließlich

- ob das Landgericht bei der Gesamtwürdigung der Beweise den Äußerungen des Erstbeklagten ein Gewicht beigemessen hat, das ihnen im Strengbeweisverfahren nicht zukommt.

Unter allen Gesichtspunkten greift die Verfahrensbeanstandung nicht durch.

1. Das Prinzip der prozessualen Waffengleichheit wurde nicht dadurch verletzt, dass der Erstbeklagte befragt, die Klägerin hingegen nicht als Partei angehört oder vernommen wurde. Der vor allem aus dem Anspruch auf ein faires Verfahren gemäß Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip und gemäß Art. 6 Abs. 1 MRK sowie aus dem Gebot der Gleichbehandlung gemäß Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitete Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit wäre vielmehr verletzt worden, wenn der Erstbeklagte nicht angehört worden wäre. Diesem stand kein Personalbeweis zum Beleg seiner Tatsachenbehauptungen zur Seite, während die Klägerin ihren Ehemann als Zeugen benennen konnte. Der Fairnessanspruch verlangt, dass im Zivilprozess nicht nur ein Zeuge der Gegenpartei, sondern gegebenenfalls auch die Partei gemäß § 141 oder § 448 ZPO angehört oder vernommen wird, wenn dieser keine anderen förmlichen Beweismittel zur Verfügung stehen (vgl. BVerfG NJW 2001, 2531). Dieser prozessrechtliche Gesichtspunkt ist entgegen der Auffassung der Klägerin vom Ansatz her nicht auf bestimmte thematische Fallgruppen, wie ein "Vier-Augen-Gespräch", etwa einer späteren Partei mit einem nachmaligen Erblasser ohne Beteiligung der späteren Gegenpartei im Prozess, beschränkt. In jeder vergleichbaren Konstellation ist zur Vermeidung der einseitigen Entscheidung zum Nachteil einer Partei, die keinen Zeugen für ihre Behauptung des streitigen Geschehensablaufs benennen kann, nach Einvernahme von Zeugen der Gegenpartei auch die Möglichkeit einer Form des Gegenbeweises einzuräumen. Dies besagt aber nicht, dass dann wiederum auch der Gegenpartei, die bereits einen Zeugen benennen konnte, aus Gründen der Waffengleichheit ein Anspruch auf förmliche Parteivernehmung (§ 448 ZPO) oder formlose Anhörung (§ 141 ZPO) zugebilligt werden muss. Dadurch würde formal der zuvor gewährte Ausgleich des ursprünglichen Beweisnachteils der Partei, die gar keinen Zeugen für die ihr günstigen Tatsachen benennen kann, relativiert. Dafür fehlt ein sachlicher Grund.

Nach den allgemeinen Grundsätzen müssen bestrittene, erhebliche Parteibehauptungen in der Regel mit den in der Zivilprozessordnung vorgesehenen Beweismitteln bewiesen werden. Die Frage, ob der Tatrichter seine Entscheidung auf bestrittenes Vorbringen einer Partei im Wege der Anhörung nach § 141 ZPO oder der Vernehmung nach § 448 ZPO stützen kann, stellt sich nur, wenn die Partei sich in Beweisnot befindet (vgl. BGHZ 110, 363, 365 f.; BGH NJW 1997, 1988 f.). Nach diesem Maßstab war die Klägerin nicht in einer Beweisnot, die eine zusätzliche Anhörung oder Vernehmung als Partei gebot. Darauf, ob die für ihre Behauptungen verfügbaren Beweismittel im Endergebnis der Beweiswürdigung ausreichend sind, kommt es insoweit nicht an.

Im Übrigen beruht das angefochtene Urteil nicht darauf, dass die Klägerin nicht als Partei vernommen oder angehört wurde. Das schriftsätzliche Parteivorbringen der Klägerin stand im Einklang mit den Angaben, die ihr Ehemann als Zeuge gemacht hat. Ein größerer Erkenntnisgewinn hinsichtlich anderer Tatsachen oder Geschehensdetails und ein anderes Ergebnis der Gesamtwürdigung aller Tatsachen und Beweisergebnisse sind nach einer Parteivernehmung der Klägerin nicht zu erwarten. Deshalb ist auszuschließen, dass das landgerichtliche Urteil auf der Nichtanhörung der Klägerin als Partei beruht.

2. § 448 ZPO ist ebenfalls nicht verletzt. Die aus Gründen der Waffengleichheit gebotene Befragung des Erstbeklagten musste, auch wenn damit seiner Beweisnot am ehesten hätte begegnet werden können, nicht notwendigerweise nach den Regeln der förmlichen Parteivernehmung erfolgen. Vielmehr kam auch eine Anhörung nach § 141 ZPO in Betracht (vgl. OLG Koblenz NJW-RR 2002, 630 f. m.w.N.).

3. Schließlich ist § 286 ZPO nicht dadurch verletzt, dass vom Landgericht die Äußerungen des Erstbeklagten, der als Partei gemäß § 141 ZPO angehört worden war, im Rahmen der Gesamtwürdigung der Tatsachen und Beweisergebnisse verwertet wurden. Das Gericht hat zur Feststellung der entscheidungserheblichen Umstände alle Tatsachen und Beweisergebnisse in einer Gesamtwürdigung zu berücksichtigen. Auch Parteivorbringen kann und muss in dieser Gesamtwürdigung Berücksichtigung finden, soweit es nach den Umständen des Einzelfalls von Belang sein kann. Das Gericht muss sich dabei nur der Tatsache bewusst sein, dass Parteivorbringen prinzipiell einen anderen Stellenwert besitzt als ein förmliches Beweismittel des Strengbeweisverfahrens. Da das Landgericht bereits in seinem Beweisbeschluss vom 10. September 2001 (Bl. 45, 47) - gesondert von den förmlichen Beweismitteln - die Anordnung der Anhörung des Beklagten zu 1) "gemäß § 141 ZPO" angeordnet und diese in der mündlichen Verhandlung vom 12. November 2001 in gleicher Weise "gem. § 141 ZPO" durchgeführt hat (Bl. 68 GA), besteht kein Zweifel daran, dass es sich der prozessualen Kategorie seiner Prozesshandlung bewusst war.

Nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung kann das Gericht im Einzelfall dem Ergebnis einer formlosen Parteianhörung (§ 141 ZPO) oder förmlichen Parteivernehmung (§ 448 ZPO) sogar den Vorzug vor den Bekundungen eines Zeugen geben, wenn sich namentlich aufgrund einer Inhaltsanalyse und weiterer Glaubwürdigkeitskriterien daraus im Abgleich mit der sonstigen Sachlage eine tragfähige Beweisgrundlage gewinnen lässt. Bedenken gegen den Beweiswert einer Parteianhörung oder einer Parteivernehmung sind in der Beweiswürdigung zu berücksichtigen (BVerfG NJW 2001, 2531 f.); sie begründen kein Verbot der Verwertung der daraus gewonnenen Tatsachen.

Bei der Gesamtwürdigung der Tatsachen und Beweise konnte demnach die Äußerung des Erstbeklagten, die er im Rahmen seiner Anhörung gemäß § 141 ZPO als Partei gemacht hatte, berücksichtigt werden. Dass dem vom Landgericht ein überhöhtes Gewicht beigemessen worden ist, lässt das Urteil schon deshalb nicht besorgen, weil das Landgericht die Gewichtung dieser Äußerung "zunächst" unter Abgleich mit den Ausführungen des Ehemanns der Klägerin vorgenommen hat. Es hat hiernach alle erhobenen Beweise geprüft und ist auf dieser Grundlage im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu seinem Endergebnis gelangt. Es hat eine mehrfach gestufte Haupt- und Hilfsbegründung seiner Entscheidung vorgenommen, die im Wesentlichen auf den objektiven Befunden und den Ausführungen des Sachverständigen hierzu beruht. Bei dieser Sachlage ist sicher auszuschließen, dass das Landgericht den Ausführungen des Erstbeklagten, die dieser bei seiner Anhörung gemäß § 141 ZPO gemacht hat, eine Bedeutung beigemessen hat, die ihnen als Parteivorbringen nicht zukommt.

II.

In der materiell-rechtlichen Bewertung ist kein Fehler zum Nachteil der Beklagten im Sinne von § 529 ZPO zu erkennen, auf dem das erstinstanzliche Urteil beruhen könnte.

1. Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Feststellungen im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bestehen nicht.

a) Das tatsächliche Vorbringen im Schriftsatz der Klägerin vom 19. Dezember 2003, soweit es über nachgelassene Bemerkungen zur Zulässigkeit der Feststellungsklage hinausgeht, ist verspätet und deshalb unbeachtlich (§ 531 ZPO n.F.).

b) Bedenken gegen die Richtigkeit dieser Annahme des Landgerichts, der Ehemann der Klägerin sei nach rechts von der Fahrbahn abgekommen, ohne dass dies zur Vermeidung einer Kollision mit dem Fahrzeug des Erstbeklagten erforderlich gewesen wäre, bestehen im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht. Denn die lange Spur neben der Fahrbahn und vor dem Bereich der Einmündung der Straße "Bo.", die dem Fahrzeug des Ehemanns der Klägerin zugeordnet wurde, und die Tatsache, dass der Erstbeklagte beim rechtwinkligen Einbiegen in die Landstraße 2... nur mit geringer Geschwindigkeit gefahren sein konnte, unterstreicht die Ausführungen des in gleicher Weise sachverständig beratenen Landgerichts.

Die Spurenzuordnung ist schon deshalb fehlerfrei, weil sie sich in die Angaben des Erstbeklagten, das entgegenkommende Auto sei bereits deutlich vor der Einmündung des Waldweges in die Landstraße auf den Randstreifen abgekommen, was der Ehemann der Klägerin - bei abweichenden Entfernungsangaben - im Grundsatz bestätigt hat, einfügt. Dass sich an die Fahrspur neben der befestigten Fahrbahn eine Schleuderspur des Fahrzeugs des Ehemanns des Klägers auf der Fahrbahn anschloss, rundet dieses Bild in einer Weise ab, die keinen vernünftigen Zweifel an der Spurenzuordnung lässt. Darauf, ob der Erstbeklagte, der im Bußgeldverfahren als Zeuge ausgesagt hatte, zu einem anderen Detailpunkt unklare oder widersprüchliche Angaben gemacht hatte, kommt es entgegen den (verspäteten) Äußerungen der Klägerin hierfür nicht an.

Durch dieses Beweisergebnis ist die Behauptung der Klägerin, der Erstbeklagte sei erst "unmittelbar" vor dem herannahenden Fahrzeug ihres Ehemanns unter Überschreitung der Fahrbahnmitte in der Gegenrichtung auf die Landstraße eingebogen, widerlegt. Nach Mitteilung des Sachverständigen war die Frage, ob der Erstbeklagte beim Einbiegen die Fahrbahnmitte überschritten hat, nicht eindeutig zu klären; darauf kam es vom Standpunkt des Landgerichts jedoch nicht an.

Nach den fehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts erfolgte das Ausweichen und das (gegebenenfalls) anschließende Bremsmanöver des Ehemannes der Klägerin, in erheblichem Abstand vor dem Einmündungsbereich des Weges Bodenheck in die Landstraße 2.... Das Ausweichmanöver, das zum Schleudern des Fahrzeugs des Ehemanns der Klägerin geführt hat, war auch dann, wenn der Ehemann mit einer Geschwindigkeit im Bereich der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gefahren war, nicht zur Vermeidung eine Kollision erforderlich.

2. Ein Mangel der rechtlichen Würdigung liegt im angefochtenen Urteil gleichfalls nicht vor. Ein Verschulden des Erstbeklagten im Sinne der Deliktshaftung nach §§ 823, 847 BGB ist zutreffend verneint worden. Dessen Ausweichreaktion war nicht erforderlich; sie mag darauf beruht haben, dass der Ehemann der Klägerin mit einer der Straßenlage unangepassten Geschwindigkeit gefahren ist und die Verkehrslage beim Einbiegen des Erstbeklagten wegen der kaum erkennbaren Fahrbahnmittenmarkierung fehlerhaft eingeschätzt hat. Er hat jedenfalls überreagiert. Demnach hat das Landgericht sein Verschulden zutreffend angenommen, ein Verschulden des Erstbeklagten aber fehlerfrei als nicht beweisen erachtet. Dass die Verschuldensfrage im Bußgeldverfahren gegen den dort freigesprochenen Ehemann der Klägerin im Ergebnis anders bewertet wurde, bindet die Zivilgerichte nicht. Ein Erörterungsmangel des angefochtenen Urteils liegt insoweit nicht vor, zumal das Gericht im Bußgeldverfahren sein schriftliches Urteil - unbeschadet aktenkundiger Notizen des Richters - nicht begründet hat.

Mit Blick auf das festgestellte Verschulden des Ehemanns der Klägerin und die Nichterweislichkeit eines - gegebenenfalls nur geringen - Verschuldens des Erstbeklagten ist auch die Abwägung im Rahmen von § 17 StVG nicht zu beanstanden, nach der auch die Betriebsgefahr des Fahrzeugs des Erstbeklagten hinter das Verschulden des Ehemanns der Klägerin zurücktritt.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

IV.

Ein Grund zur Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO besteht nicht. Das Urteil des Senats steht im Einklang mit sonstiger obergerichtlicher oder höchstrichterlicher Rechtsprechung. Es weicht im Übrigen nicht von den Ansätzen des Europäischen Gerichtshofs ab, so dass - auch zur Fortbildung des Rechts - eine Revisionszulassung nicht geboten erscheint.

V.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 19.139,47 Euro festgesetzt. Diese setzen sich aus einer Schmerzensgeldforderung von 16.000 Euro, einem geltend gemachten Anspruch auf Ersatz materieller Schäden von 139,48 Euro und einer Feststellungsklage bezüglich künftiger materieller und immaterieller Schäden der Kläger zusammen, deren Wert der Senat mit Blick auf den üblichen Streitwert und die dauerhafte Schädigung der Klägerin auf je 1.500 Euro bemisst. Dem entspricht die Beschwer der Zweitbeklagten; die Beschwer des Erstbeklagten beträgt 19.000 Euro.

Ende der Entscheidung

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