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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 24.09.2007
Aktenzeichen: 12 U 1622/05
Rechtsgebiete: TKG 1996, ZPO, VwVfG


Vorschriften:

TKG 1996 § 6 Abs. 1 Nr. 1
TKG 1996 § 8
TKG 1996 §§ 50 ff.
TKG 1996 § 50 Abs. 1 Satz 1
TKG 1996 § 50 Abs. 3 Satz 1
ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1
VwVfG § 60 Abs. 1 Satz 1
Gestattungsverträge über die Sondernutzung öffentlicher Straßen zum Betreiben eines Breitbandkabelnetzes sind öffenltich-rechtlicher Natur. Eine grundlegende Änderung derjenigen Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen sind, ist Voraussetzung für eine Vertragsanpassung oder -kündigung. Eine solche Änderung kann mit dem Inkrafttreten des Telekommunikationsgesetzes zu verzeichnen sein.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 12 U 1622/05

Verkündet am 24.09.2007

in dem Rechtsstreit

wegen eines Vertrages eines Breitbandkabel-Netzbetreibers mit Gemeinden über die Straßennutzung.

Der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dierkes, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Eschelbach und die Richterin am Oberlandesgericht Kagerbauer auf die mündliche Verhandlung vom 20. August 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufungen der Klägerinnen gegen das Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 12. Oktober 2005 werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerinnen zu je einem Drittel zu tragen.

Von den Gerichtskosten des erstinstanzlichen Verfahrens haben die Klägerinnen zu 1) bis 3) und die Beklagte je ein Viertel zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Gemeinde H......... (frühere Klägerin zu 3) hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerinnen können die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der jeweils beizutreibenden Forderung abwenden, wenn nicht die Klägerinnen vor der Vollstreckung jeweils Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten aufgrund einer Feststellungsklage der Klägerinnen um die Fortgeltung von jeweils im August 1990 abgeschlossenen Gestattungsverträgen über die Benutzung der öffentlichen Wege und Straßen der Klägerinnen durch die Rechtsvorgängerin der Beklagten zum Betreiben eines Breitbandkabelnetzes. Die Verträge sahen unter anderem die unentgeltliche Straßennutzung für diesen Zweck vor, enthielten Klauseln über eine Anschluss- und Versorgungspflicht des Kabelnetzbetreibers gegenüber Jedermann im Verkabelungsgebiet sowie eine Regelung über Gebühren, die an die Klägerinnen zu zahlen sein sollten. Die Vertragsdauer war mit zehn Jahren sowie einer Verlängerungsoption von jeweils fünf Jahren für den Fall der Unterlassung eines Verzichts durch Erklärung binnen einem Jahr vor Ablauf des ersten Optionszeitraumes festgelegt. Die Beklagte wurde nach Inkrafttreten des Telekommunikationsgesetzes Lizenznehmerin des Bundes und erklärt unter dem 6., 13. und 16. Juli 2004 gegenüber den Klägerinnen die außerordentliche Kündigung des jeweiligen Gestattungsvertrages.

Dagegen haben sich die Klägerinnen jeweils mit der Feststellungsklage gewandt, zu der sie Haupt- und Hilfsanträge formuliert haben. Sie haben die Ansicht vertreten, ein Grund zur außerordentlichen Kündigung liege nicht vor. Die Beklagte ist den Klagen entgegengetreten.

Das Landgericht hat die Klagen durch Urteil vom 12.10.2005 abgewiesen. Es hat ausgeführt, das Rechtsverhältnis der Parteien sei privatrechtlicher Natur. Für die Klagen mit den jeweiligen Hauptanträgen hätten die Klägerinnen auch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung des Fortbestehens des Vertragsverhältnisses mit Blick auf notwendige Infrastrukturmaßnahmen und deren Finanzierung. Ein Recht der Beklagten zur außerordentlichen Kündigung der Gestattungsverträge wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage greife jedoch nicht ein, weil die Vertragsanpassung oder Vertragsbeendigung nach Maßgabe der vertraglichen Bestimmungen Vorrang genieße. Insoweit sei aber die Kündigung als Erklärung des Verzichts auf die Verlängerungsoption auszulegen, so dass die noch im Streit befindlichen Gestattungsverträge nach der vertraglichen Bestimmung über die Vertragsdauer inzwischen beendet seien.

Dagegen richten sich die Berufungen der Klägerinnen. Sie beanstanden die Auslegung der Kündigungserklärungen der Beklagten als Optionsverzicht.

Die Beklagte ist den Berufungen entgegengetreten. Sie betont, dass auch eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt sei, weil die Gestattungsverträge durch die neuen gesetzlichen Bestimmungen in §§ 50 ff. TKG 1996 überholt seien.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Hinsichtlich der Feststellungen das Landgerichts verweist der Senat nach § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die Gründe des angefochtenen Urteils.

II.

Die Berufungen der jetzigen Klägerinnen zu 1) bis 3) sind unbegründet. Das angefochtene Urteil trifft im Ausspruch zur Hauptsache im Ergebnis zu.

Das Landgericht hat allerdings die Rechtswegfrage falsch entschieden (vgl. BGHZ 162, 78, 80 ff.), jedoch ist das in der Berufungsinstanz für sich genommen nicht mehr zu beanstanden (§ 17a Abs. 5 GVG). Dagegen ist die öffentlich-rechtliche Natur der Gestattungsverträge auch für deren sachlich-rechtliche Bewertung von Belang. Die Natur eines durch Vertrag begründeten Rechtsverhältnisses bestimmt sich danach, ob der Vertragsgegenstand dem öffentlichen oder dem bürgerlichen Recht zuzuordnen ist. Über diese Zuordnung entscheidet, ob die Vereinbarungen mit ihrem Schwerpunkt öffentlich- oder privatrechtlich ausgestaltet sind und welcher Teil dem Vertrag das Gepräge gibt. Ein Vertragsverhältnis ist danach öffentlich-rechtlich, wenn sich die Vereinbarung auf einen von der gesetzlichen Ordnung öffentlich-rechtlich geregelten Sachverhalt bezieht. Dies ist der Fall, wenn die vertraglichen Regelungen bei einer gesetzlichen Gestaltung Normen des öffentlichen Rechts wären oder wenn sich der Vertrag in einem engen und untrennbaren Zusammenhang mit einem nach Normen des öffentlichen Rechts zu beurteilenden Sachverhalt befindet. Liegt diese Voraussetzung vor, dann ist es unerheblich, ob die Vertragsparteien in einem hoheitlichen Verhältnis der Über- und Unterordnung stehen oder sich als juristische Personen gleichberechtigt gegenüber treten (vgl. BGHZ 162, 78, 81). Im vorliegenden Fall ging es bei der vertraglichen Regelung um die Zuweisung eines Sondernutzungsrechts an öffentlichen Straßen. Das ist eine öffentlich-rechtliche Angelegenheit.

Liegt deshalb ein öffentlich-rechtlicher Vertrag vor, so beurteilt sich dessen Kündigung nach § 60 Abs. 1 Satz 1 VwVfG oder der entsprechenden landesrechtlichen Regelung. Eine grundlegende Änderung derjenigen Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen sind, ist danach Voraussetzung für eine Vertragsanpassung oder -kündigung. Eine solche Änderung ist hier mit dem Inkrafttreten des Telekommunikationsgesetzes zu verzeichnen. Sie ist auch nicht allein durch Vertragsanpassung zu erreichen, sondern wegen der umfassenden und abschließenden gesetzlichen Regelung ein ausreichender Grund für eine Vertragskündigung.

Nach der auch im Sinne von Art. 28 Abs. 2 GG verfassungskonformen Regelung (BVerfG NVwZ 1999, 520 ff.) des § 50 Abs. 1 Satz 1 TKG 1996 (§ 68 Abs. 1 Satz 1 TKG 2004) ist der Bund befugt, Verkehrswege, zu denen auch öffentliche Wege und Plätze zählen, für die öffentlichen Zwecken dienenden Kommunikationslinien unentgeltlich zu benutzen, soweit nicht dadurch der Widmungszweck der Verkehrswege dauernd beschränkt wird. Der Bund übt diese Nutzungsberechtigung nicht selbst aus, da Dienstleistungen im Bereich der Telekommunikation nach Art. 87f Abs. 2 Satz 1 GG als privatwirtschaftliche Tätigkeiten durch die aus dem Sondervermögen Deutsche Bundespost hervorgegangenen Unternehmen unter Einschluss der Klägerin und durch andere private Anbieter erbracht werden. Gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 TKG 1996 (§ 68 Abs. 1 Satz 1 TKG 2004) überträgt er die Nutzungsberechtigung auf die in § 6 Abs. 1 Nr. 1 TKG 1996 bezeichneten Lizenznehmer im Rahmen der Lizenzerteilung nach § 8 TKG 1996. Die Verlegung neuer und die Änderung vorhandener Telekommunikationslinien bedürfen nach § 50 Abs. 3 Satz 1 TKG 1996 der Zustimmung des Trägers der Wegebaulast. Diese ist zu erteilen, wenn die Telekommunikationslinie den Widmungszweck des Verkehrsweges nicht dauernd beschränkt sowie den Anforderungen der Sicherheit und Ordnung und den anerkannten Regeln der Technik genügt. Sie begründet zwischen dem Baulastträger und dem Lizenznehmer ein öffentlich-rechtliches Benutzungsverhältnis nach Maßgabe der Vorschriften des Telekommunikationsgesetzes, das einen Rückgriff auf die Regelungen des allgemeinen Straßenrechts ausschließt und sich damit sowohl von der Sondernutzung im straßenrechtlichen Sinne als auch von der privatrechtlich ausgestalteten Benutzung deutlich abhebt. Das Gesetz enthält mit allem ein Sonderregime (BVerwG NVwZ 2000, 316, 317 f.), das durch vertragliche Regelungen im vorliegenden Fall nicht unterlaufen werden darf. Es liegt auch eine abschließende Regelung vor, die wegen der generellen Unentgeltlichkeit der Straßennutzung zum Beispiel einer Gebührenerhebung entgegensteht (vgl. OVG Lüneburg Urt. vom 13. Juni 2002 - 10 L 1791/00 - TMR 2002, 483 ff.; VGH München NVwZ-RR 2002, 87 ff.). Andererseits geht auch das Telekommunikationsgesetz davon aus, dass eine Anschließungspflicht besteht, so dass es auch dafür nicht der vertraglichen Regelung bedarf. Vor diesem Hintergrund ist bereits das Feststellungsinteresse der Klägerin auch hinsichtlich ihrer Hauptanträge und nicht nur - wie das Landgericht es angenommen hat - hinsichtlich der Hilfsanträge fraglich. Rechte Dritter werden durch das Gesetz gewahrt; dafür ist das Fortbestehen der vertraglichen Regelung nicht erforderlich. Infrastrukturelle Maßnahmen werden vom Gesetz berücksichtigt und geregelt; auch dafür bedarf es des Vertragsverhältnisses nicht. Wofür die vertraglichen Regelungen sonst noch Bestand haben sollen, wenn das (Bundes-) Gesetz, an welches die Klägerinnen nach Art. 20 Abs. 3 GG, 28 Abs. 1 Satz 1 gebunden sind, eine abschließende Regelung enthält, ist nicht ersichtlich.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92, 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 712 ZPO. Bei der Kostenentscheidung ist zu berücksichtigen, dass alle Klägerinnen jeweils aufgrund eines eigenständigen Vertragsverhältnisses geklagt haben und insoweit nicht als Gesamtgläubigerinnen aufgetreten sind. Sie sind dann auch kostenmäßig nicht Gesamtschuldnerinnen, soweit sie zur Kostentragung verpflichtet sind.

Ein Grund zur Zulassung der Revision im Sinne von § 543 Abs. 2 ZPO besteht nicht.

Der Streitwert im Berufungsverfahren beträgt, nachdem die Gemeinde Hüffenhardt im Berufungsverfahren nicht mehr Partei ist, vom Ausgangspunkt der Wertbemessung der Klägerinnen und der entsprechenden Wertfestsetzung in erster Instanz 75.000 Euro (3 x 25.000 Euro), weil die Klagen verschiedene Gegenstände betreffen.

Ende der Entscheidung

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