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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 10.09.2001
Aktenzeichen: 12 U 2006/99
Rechtsgebiete: SGB X, SGB IV, GVG, ZPO


Vorschriften:

SGB X § 116 Abs. 8
SGB X § 116 Abs. 1 mit 6
SGB IV § 18
SGB IV § 76 Abs. 2 Nr. 3
GVG § 13
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 12 U 2006/99

Verkündet am 10. September 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dierkes, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Wohlhage und den Richter am Landgericht Buddendiek

auf die mündliche Verhandlung vom 27. August 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 11. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Trier vom 30. November 1999 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Am 6. Februar 1997 stellte die Kinderärztin Dr. A.......... K..... bei der am 5. Januar 1997 geborenen Tochter C..... der Beklagten Spuren einer Kindesmisshandlung fest und veranlasste noch am selben Tag die Aufnahme des Säuglings in die pädiatrische Abteilung der Krankenanstalt der B............. in T..... Dort wurden bei dem Säugling subdurale Hirnblutungen, beidseitige Retinaeinblutungen sowie Hämatome an Rücken, Glutealregion und Oberschenkeln festgestellt. Die Blutungen wurden als typische Einwirkungsfolgen äußerer Gewalt auf den Säugling eingestuft, dabei die subduralen Blutungen und die Retinaeinblutungen als typische Folgen eines Schütteltraumas. Gegen die Beklagte wurde ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren wegen Kindesmisshandlung eingeleitet (8007 Js 14958/97 - StA Trier). In ihrer verantwortlichen Vernehmung als Beschuldigte am 8. Juli 1997 räumte die Beklagte ein, ihre Tochter einige Tage vor dem Aufsuchen der Kinderärztin "auf den Po geschlagen" zu haben. Anschließend habe sie die Tochter auch geschüttelt; daher stammten die Blutungen hinter den Augen. Als Begründung für die Schläge gab sie an, die Tochter habe so laut gebrüllt, dass ihr Kopf rot angelaufen sei. Sie habe gedacht, "sie brülle sich weg" und "sie gebe sich, wenn sie das mache". Nach dem Schlagen auf das Gesäß habe die Tochter zwar mit dem Schreien aufgehört; da sie aber noch immer einen roten Kopf gehabt habe, habe sie die Tochter geschüttelt. Sie, die Beklagte, "habe sich nicht mehr zu helfen gewusst und dem Kind wirklich nicht wehtun wollen". In der ersten Hauptverhandlung vor dem Schöffengericht beim Amtsgericht Trier räumte die Beklagte ihr Fehlverhalten ein, insbesondere auch, ihrer Tochter "einige feste Schläge gegeben zu haben", beantragte aber zum Nachweis dessen, dass sie sich zum Tatzeitpunkt in einer Überforderungssituation befunden habe, die ihre Schuldfähigkeit gemindert oder so weit gegangen sei, dass sie ohne Schuld gehandelt habe, ein psychologisches Sachverständigengutachten einzuholen. Ihre Überforderungssituation hatte sie damit begründet, dass sie tagelang nachts nicht habe schlafen können, weil ihre Tochter wenig geschlafen, viel gebrüllt und des Öfteren die ganze Flaschennahrung erbrochen habe. Das Schöffengericht beschloss daraufhin, die Klägerin durch das gerichtsmedizinische Institut der Universität des S......... auf ihre Schuldfähigkeit hin untersuchen zu lassen. Nachdem die Verteidigung auf die Beauftragung eines Sachverständigen verzichtet hatte, wurde die Beklagte nach Ablegung eines Geständnisses aufgrund der Hauptverhandlung des Schöffengerichts vom 16. Februar 1998 unter nicht näher begründeter Annahme einer verminderten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) wegen Misshandlung einer Schutzbefohlenen (§ 223b Abs. 1 und 2 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung für die Dauer von 2 Jahren zur Bewährung ausgesetzt wurde. Inzwischen ist diese Strafe durch Beschluss des Schöffengerichts Trier vom 23. Februar 2000 nach erfolgter Bewährung erlassen worden.

Die Tochter der Beklagten wurde wegen ihrer Verletzungen vom 6. Februar bis 18. März 1997 stationär behandelt. Hierfür berechnete die Krankenanstalt der Klägerin als gesetzlicher Krankenkasse mit den Rechnungen vom 3. und 24. März 1997 14.701,14 DM und 10.866,06 DM (Bl. 32-33 d.A.). Hinzu kamen für die verletzungsbedingte ambulante Behandlung des Kindes bei der Kinderärztin der gesetzliche Pauschalbetrag von 213,50 DM gemäß § 116 Abs. 8 SGB X mit § 18 SGB IV. Die Klägerin verlangt von der Beklagten Ersatz ihrer Gesamtaufwendungen in Höhe von 25.780,70 DM.

Sie hat im Wesentlichen vorgetragen:

Die Beklagte habe ihre Tochter vorsätzlich misshandelt und geschädigt. Zweifel an ihrer Schuldfähigkeit bestünden nicht. Auch bestehe keine sozialrechtliche Verpflichtung, der Beklagten die Klageforderung zu erlassen. Ob und inwieweit die Ersatzansprüche nach deren rechtskräftiger Titulierung auch durchgesetzt und vollstreckt werden, müsse zu späterer Zeit entschieden werden.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 25.780,70 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 20. März 1998 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat im Wesentlichen vorgetragen:

Einen die Klägerin legitimierenden Forderungsübergang habe es nicht gegeben, da bei ihr ein auch die Schadensfolgen umfassender Körperverletzungsvorsatz nicht bestanden habe; sie habe ihrer Tochter nicht wirklich wehtun wollen. Zudem habe sie sich damals in einer Überforderungssituation befunden, die sie außerstande gesetzt habe, ihr Tun als Unrecht anzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Im Übrigen würde ihre Inanspruchnahme unter Berücksichtigung ihrer wirtschaftlichen Situation auch eine besondere Härte bedeuten, welche die Klägerin sozialrechtlich zum Erlass dieser Forderung zwinge.

Das Landgericht hat gemäß Beweisbeschluss vom 17. März 1999 (Bl. 47-48 d.A.) zur Frage der Verantwortlichkeit der Beklagten das Gutachten des Prof. Dr. D...... von der psychiatrischen Klinik des Universitätsklinikums H......... vom 28. Juli 1999 eingeholt (Bl. 49-58 d.A.). Sodann hat es durch Urteil vom 30. November 1999 die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung verurteilt (Bl. 78-83 d.A.).

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung.

Sie vertieft im Wesentlichen ihren erstinstanzlichen Vortrag, meint, die beweisbelastete Klägerin habe einen Schädigungsvorsatz, der Voraussetzung für einen gesetzlichen Forderungsübergang sei, nicht nachgewiesen und beanstandet erneut das Sachverständigengutachten. Dieses sei unzulänglich und habe insbesondere auch nicht die Frage geklärt, ob eine den Vorsatz ausschließende Wochenbettpsychose vorgelegen habe. Außerdem sei bereits vom Zivilgericht mitzuentscheiden, ob die Erstattungsforderung sozialrechtlich wegen besonderer Härte als erloschen zu behandeln sei.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise,

ihr Vollstreckungsnachlass durch Bürgschaft einer Bank oder Sparkasse zu gewähren.

Sie vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen, hält den Schädigungsvorsatz der Beklagten aufgrund der Umstände für erwiesen und meint im Übrigen, beweispflichtig für nicht vorsätzliches Handeln sei die Beklagte.

Der Senat hat gemäß Beschluss vom 10. April 2001 das ergänzende Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. D...... vom 6. August 2001 eingeholt und den Sachverständigen auf Antrag der Beklagten zu seinem Gutachten und zu ihren Zusatzfragen ergänzend angehört.

Im Übrigen wird wegen des Sach- und Streitstandes auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Strafakte 8007 Js 14958/97 - StA Trier verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.

Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht die Beklagte für verpflichtet erachtet, die infolge der Misshandlung ihrer Tochter entstandenen Kosten der stationären und ambulanten medizinischen Versorgung von unstreitig insgesamt 25.780,70 DM der Klägerin zu ersetzen.

I.

Die Klägerin ist als gesetzliche Krankenkasse der Verletzten kraft Forderungsübergangs gemäß § 116 Abs. 1 mit 6 SGB X aktivlegitimiert, den Anspruch auf Ersatz der Behandlungskosten gegen die Beklagte als Schädigerin geltend zu machen. Dem steht das sog. Familienprivileg (§ 116 Abs. 6 SGB X), wonach bei nicht vorsätzlichen Schädigungen durch Familienangehörige der Übergang des Schadensersatzanspruchs auf den Versicherungsträger ausgeschlossen ist, nicht entgegen. Denn die Beklagte hat ihre Tochter vorsätzlich geschädigt. Zwar setzt der Anspruchsübergang voraus, dass der Vorsatz des Schädigers auch die Schadensfolgen umfasst hat, auf die der Versicherer Leistungen erbringt (BGH NJW-RR 1986, 106; OLG Zweibrücken, NJW-RR 1987, 1174). An einem solchen qualifizierten jedenfalls bedingten Schädigungsvorsatz mit billigender Inkaufnahme entsprechender Verletzungsfolgen kann aber hier nach den Gesamtumständen kein vernünftiger Zweifel bestehen. Der beschönigenden Erklärung der Beklagten, sie habe ihrer Tochter nicht wehtun wollen, steht die Tatsache entgegen, dass sie im Strafverfahren eingeräumt hat, ihrem Kind "einige feste Schläge gegeben zu haben" und dieses dann noch so geschüttelt zu haben, dass sie selbst erklärt hat, von daher würden die Blutungen hinter den Augen stammen. Das Bild wird abgerundet durch die aus den Strafakten ersichtlichen Farbfotos über den Verletzungsstatus des Kindes und die Feststellungen des dieses damals untersuchenden Oberarztes Dr. M...... der auf "einen riesengroßen dunkelblauen Fleck am Po bis zum Oberschenkel" hingewiesen und die aufgetretenen Blutungen (subdural und in die Retina) als typisch für die Einwirkung äußerer Gewalt gekennzeichnet hat; je jünger ein Kind sei, umso weniger Schütteln sei erforderlich, um solche gefährlichen Blutungen zu verursachen, die auch zu bleibenden Behinderungen oder gar zum Tode hätten führen können.

Ein Schädigungsvorsatz der Beklagten in Bezug auf die subduralen Blutungen und die Retinaeinblutungen lässt sich nicht mit dem Vorbringen der Berufung ausräumen, solche schwerwiegenden Folgen nach einem Schütteltrauma seien weithin unbekannt und auch der Beklagten nicht bewusst gewesen. Die Feststellung eines Schadensfolgevorsatzes erfordert nicht die Vorstellung des genauen in der medizinischen Wissenschaft beschriebenen und von der Beklagten durch einen Ausdruck aus dem Internet belegten Kausalverlaufs, der so selbst einem auf einem anderen Facharztgebiet tätigen Mediziner nicht notwendig geläufig zu sein braucht, wie der Sachverständige auch für seine Person bestätigt hat. Den Umfang der Schadensfolgen oder gar die dadurch ausgelösten Krankenversicherungsleistungen der Krankenkasse braucht sich der Schädiger nicht in allen Einzelheiten vorgestellt zu haben (BGH NJW-RR 1986, 106 Sp. 2 u.). Es reicht aus, dass er die Gefährlichkeit seines Verletzungsverhaltens erkannt und die daraus resultierenden auch in seiner Laiensicht naheliegenden Verletzungsfolgen billigend in Kauf genommen hat. Das bedarf für die als Folge ihrer festen Schläge auf den Gesäß- und Oberschenkelbereich aufgetretene "riesengroße dunkelblaue" Hämatombildung in diesem Bereich keiner weiteren Begründung und gilt auch für die als Folge des Schütteins des Säuglings entstandenen subduralen und retinalen Einblutungen im Kopfbereich. Der Sachverständige hat zur speziellen Frage des Schadensfolgevorsatzes (zur Schuldfähigkeit s. unter II.) ausgeführt, dass das Vorgehen der Beklagten beim Schütteln des Kindes diffus gefährlich war und dass die Beklagte dies ungeachtet ihrer durch eine gewisse Belastungssituation mit bedingten unbeherrschten Reaktionsweise auch erkannt und trotz bestehender Steuerungsfähigkeit das Kind heftig geschüttelt hat. Davon geht auch der Senat aus. Die Beklagte hat den Vorwurf der Anklage, ihre Tochter "derart geschlagen und geschüttelt zu haben", dass es zu den genannten Einblutungen pp. gekommen ist, vor dem Strafrichter "in vollständigem Umfang eingeräumt". Damit hat sie sich der ihr zur Last gelegten Vorsatztat einer rohen Misshandlung (§ 223b StGB a.F.) für schuldig bekannt. Berücksichtigt man, dass der Säugling der Beklagten zur Tatzeit gerade einen Monat alt und entsprechend zart und verletzungsanfällig war, so besteht für den Senat kein Zweifel, dass die Beklagte - mag es sich bei ihrem Verhalten letztlich auch nur um ein einmaliges "Ausrasten" in einer Stresssituation gehandelt haben - bei ihrer "Schlag- und Schüttelmisshandlung" auch im Kopfbereich Verletzungs- und Blutungseffekte jedenfalls billigend in Kauf genommen hat. Bezeichnenderweise hat sie schon in ihrer ersten Vernehmung im Ermittlungsverfahren am 8. Juli 1997 (bei dort noch versuchter Verharmlosung des Schlagens) erklärt, "die Blutungen hinter den Augen stammen daher, dass ich sie (den Säugling) geschüttelt habe" (mit beiden Händen vor sich haltend).

II.

Ein der Annahme des Schädigungsvorsatzes entgegenstehender Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit, der bei der Beklagten zur Tatzeit die freie Willensbestimmung ausgeschlossen hätte (§ 827 S. 1 BGB), lag bei der Beklagten nicht vor. Wenn das Schöffengericht bei der strafrechtlichen Beurteilung der Beklagten dieser eine verminderte Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens und ohne nachvollziehbare Erwägungen zugebilligt hat, dann handelte es sich dabei ersichtlich um eine Annahme zugunsten der Beklagten. Abweichend vom Strafverfahren, in dem die Beklagte durch ihren Verteidiger den ursprünglich gestellten Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Minderung oder gar den Ausschluss der Schuldfähigkeit zurückgezogen hatte, ist im vorliegenden Zivilrechtsstreit ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten des Prof. Dr. D...... zu der Frage eingeholt worden, ob sich die Beklagte zur Tatzeit in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befunden hat. Der Sachverständige hat aufgrund eigener Anamnese und Untersuchung der Beklagten diese Frage verneint. Daran hat er bei seiner ergänzenden Begutachtung festgehalten und insbesondere auch darauf verwiesen, dass es für die von der Beklagten erstmals in der Berufungsinstanz behauptete "Wochenbettpsychose" keinerlei Anhaltspunkte gebe.

III.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Klageforderung auch nicht gemäß § 76 Abs. 2 Nr. 3 SGB IV erloschen. Zwar darf der Versicherungsträger nach dieser Vorschrift, die auch für übergegangene bürgerlich-rechtliche Ansprüche gilt, einen solchen Anspruch erlassen, wenn die Einziehung nach Lage des einzelnen Falles für den Anspruchsgegner eine besondere Härte bedeuten würde. Ein solcher Erlass setzt aber einen Verwaltungsakt des Versicherungsträgers über den vollständigen oder teilweisen Erlass der Regressforderung voraus, der hier nicht ergangen ist. Die Klägerin hat bereits früher erklärt, dass zunächst der Regressanspruch als solcher tituliert werden müsse und sie im Übrigen bereit wäre, mit der Beklagten dann entsprechend ihren finanziellen Verhältnissen eine Zahlungsvereinbarung zu treffen.

Der Senat teilt nicht die von der Beklagten herangezogene vereinzelt vertretene Auffassung (Ahrens, VersR 1990, 177 Sp. 2), es müsse im Rahmen der Anspruchsprüfung mit entschieden werden, ob und in welchem Umfang ein Erlass zu gewähren sei, und in Höhe des Erlassbetrages sei ein Anspruch schlichtweg zu verneinen. Der natürlichen Ordnung der Dinge entspricht es vielmehr, zunächst einmal zu entscheiden, ob überhaupt ein Schadensersatzanspruch entstanden und auf die Klägerin übergegangen ist; denn nur dann käme ein Erlass erst in Betracht. Die Frage des Erlasses darf nicht mit der dem Zivilgericht zustehenden Entscheidung über das Bestehen des Anspruchs gleichgestellt werden. Zwar ist ein Sozialversicherungsträger bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 76 Abs. 2 Nr. 3 SGB IV nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, den Regress entsprechend zu beschränken (BGHZ 88, 296, 300; BSG NJW 1990, 342, 343). Die Entscheidung erfolgt jedoch durch Verwaltungsakt des Sozialversicherungsträgers, und die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit steht nicht den ordentlichen Gerichten zu, weil es sich nicht um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit i. S.v. § 13 GVG handelt, sondern um eine Streitigkeit öffentlich-rechtlicher Natur (BGHZ 88, 301). Für Streitigkeiten über eine Erlassentscheidung ist allein der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben (BSG NJW 1990, 342), dem wiederum die Kompetenz zur Entscheidung über die Vorabfrage fehlt, ob der zu erlassende Regressanspruch privatrechtlich überhaupt besteht. Demzufolge hat das ordentliche Gericht, jedenfalls solange nicht eine bestandskräftige Erlassentscheidung des Versicherungsträgers vorliegt, ohne Rücksicht auf die spätere Möglichkeit eines öffentlich-rechtlichen Forderungserlasses über die Regressforderung zu entscheiden.

Anzufügen bleibt, dass ein Erlass in der sozialrechtlichen Praxis nur unter strengen Voraussetzungen gewährt wird, wenn eine Anspruchsstundung oder andere vorübergehende Erleichterungen schlechterdings nicht ausreichend erscheinen.

IV.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO und diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens, der zugleich auch Wert der Beschwer der Beklagten ist, wird auf 25.780,70 DM festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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