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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 30.07.2007
Aktenzeichen: 12 U 353/06
Rechtsgebiete: BGB, ZPO
Vorschriften:
BGB § 257 | |
ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1 |
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Geschäftsnummer: 12 U 353/06
Verkündet am 30.07.2007,
in dem Rechtsstreit
wegen eines Schadensersatzanspruches aufgrund der Verletzung von Pflichten aus einem Gewerberaummietvertrag.
Der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dierkes, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Eschelbach und die Richterin am Oberlandesgericht Kagerbauer
auf die mündliche Verhandlung vom 25. Juni 2007
für Recht erkannt:
Tenor:
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Einzelrichters der 16. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 6. Februar 2006 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt gefasst:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin
a) 336,56 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz pro Jahr aus 532,46 Euro für die Zeit vom 27. Dezember 2004 bis 17. Juni 2005 und aus 336,56 Euro seit dem 18. Juni 2005,
b) 679,50 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz pro Jahr aus 650 Euro für die Zeit vom 3. Oktober 2004 bis 6. Mai 2005 und aus 679,50 Euro ab dem 7. Mai 2005 und
c) 305,88 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz pro Jahr seit dem 7. Mai 2005 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an den Beklagten 6.300 Euro zu zahlen und zwar Zug um Zug gegen Freistellung der Klägerin von Schadensersatzansprüchen der Firma S. E.shop wegen verspäteter Übergabe des Ladenslokals in der L. Straße in N. bis zur Höhe von 7.000 Euro.
II. Die Anschlussberufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
III. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Von den Kosten des Verfahrens erster Instanz tragen die Klägerin ein Drittel, der Beklagte zwei Drittel.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die Parteien streiten um wechselseitige Ansprüche aus einem Mietvertrag über ein Ladenlokal in der L. Straße 111 in N. Zwischen den Parteien war am 23. April 2003 ein Mietvertrag über diese gewerblich genutzten Räume abgeschlossen worden. Der Beklagte sollte monatlich 2.100 Euro Mietzins zahlen und 130 Euro an Nebenkostenvorauszahlungen für die Überlassung der Nutzung des Ladenlokals im Erdgeschoss des Anwesens der Klägerin leisten; er hat außerdem eine Kaution von 6.300 Euro erbracht. Unter dem 20. November und 1. Dezember 2003 kündigte der Beklagte das Mietverhältnis zum 30. April 2004. Nach einem Hinweis darauf, dass die ordentliche Kündigung nur jeweils zum Quartalsende vorgesehen sei, erklärte der Beklagte, er wünsche die Beendigung des Mietverhältnisses zum 30. Juni 2004. Später erbat er sukzessive Verlängerungen bis zum 31. Juli und dann bis zum 30. September 2004. Schließlich wurde die Räumung des Mietobjekts zum 30. September 2004 vereinbart und am 23. August 2004 vom Beklagten nochmals die pünktliche Räumung zu diesem Termin bestätigt. Die Übergabe wurde zum 1. Oktober 2004 vereinbart. Daran hielt sich der Beklagte alsdann aber nicht und räumte das Ladenlokal erst am 31. Oktober 2004. Die Klägerin hatte das Ladenlokal unterdessen bereits am 24. August 2004 mit Wirkung vom 1. September 2004 an die S. E.shop GmbH & Co. KG für 2.750 Euro monatlich zuzüglich Nebenkostenvorauszahlung von 150 Euro vermietet. Wegen ihrer Kosten und Umsatzausfälle infolge der Unmöglichkeit, das Mietobjekt vertragsgemäß im Oktober 2004 nutzen zu können, macht die S. E.shop GmbH & Co. KG nach einer mitgeteilten Rechnung gegen die Klägerin Schadensersatzansprüche in Höhe von 7.810 Euro geltend, weshalb die Klägerin vom Beklagten Freistellung verlangt hat. Außerdem hat sie eigene Aufwendungen wegen einer nutzlosen Fahrt ihres Bevollmächtigten zum Übergabetermin, restliche Nebenkostenzahlungen für das Jahr 2003 abzüglich einer Gegenforderung (336,56 Euro), Schadensersatz wegen Reparaturarbeiten an der Mietsache und Zahlung der Mietzinsdifferenz für den Monat Oktober 2004 (zusammen 1.041,92 Euro) nebst Zinsen geltend gemacht. Der Beklagte hat mit der Widerklage die Herauszahlung der Mietkaution (6.300 Euro) nebst Verzugszinsen verlangt. Er hat die Nebenkostenabrechnung beanstandet und die Schadensersatzansprüche der Klägerin bestritten.
Das Landgericht hat durch Urteil vom 6.2.2006 der Klage und der Widerklage jeweils zum Teil stattgegeben. Es hat den Beklagten zur Zahlung von 336,56 Euro nebst Zinsen und 679,50 Euro nebst Zinsen verurteilt und die weiter gehende Klage abgewiesen. Auf die Widerklage hat es außerdem die Klägerin zur Zahlung von 6.300 Euro nebst Zinsen an den Beklagten Zug um Zug gegen Freistellung von Ansprüchen der Firma S. E.shop GmbH & Co. KG in Höhe von 448 Euro verurteilt und die weiter gehende Widerklage abgewiesen.
Das Landgericht hat ausgeführt, die Nebenkostenrestforderung der Klägerin sei begründet. Der Beklagte könne deren Berechtigung nicht pauschal bestreiten, nachdem ihm die Abrechnung zweimal mit der Post übersandt worden sei und er die Unterlagen habe einsehen können. Der Einwand gegen die Beteiligung an den Aufzugkosten gehe fehl, da diese Kosten vertraglich vom Beklagten geschuldet seien. Der Freistellungsanspruch der Klägerin, der dem Anspruch auf Kautionsrückzahlung einredeweise entgegengehalten werde, sei nur in Höhe von 448 Euro, den Kosten der vergeblichen Anfahrt des Mitarbeiters K. zum vereinbarten Übergabetermin, gerechtfertigt, aber im Übrigen hinsichtlich der Mehrkosten der Firma S. E.shop GmbH & Co. KG unsubstantiiert. Schadensersatzansprüche der Klägerin seien nur begründet, soweit es um eine Rechnung der Firma W. wegen einer vergeblichen Anfahrt eines vom Beklagten nicht hereingelassenen Handwerkers nach einer Wasserrohrbeschädigung gehe. Unbegründet seien die Klageforderungen hinsichtlich des Aufwendungsersatzes für eine ergebnislose Fahrt ihres Bevollmächtigten nach N., für den Ersatz eines defekten Lichtschalters und für eine Mietzinsdifferenz wegen der von der Firma S. E.shop GmbH & Co. KG nicht gezahlten höheren Oktobermiete. Eine schuldhafte Verursachung des Lichtschalterdefekts sei nicht dargelegt worden; für eine allgemeine Überwälzung der Kosten für solche Kleinreparaturen gebe der Formularmietvertrag nichts her. Ersatz vergeblicher Aufwendungen für die Fahrt des Bevollmächtigten zum Übergabetermin am 1. Oktober 2004 könne die Klägerin nicht verlangen, weil nicht erkennbar sei, dass sie Kosten ihres Bevollmächtigten übernommen hätte oder ihr diese in Rechnung gestellt worden wären. Berechtigt sei freilich der Anspruch auf Ersatz einer Mietzinsdifferenz, weil die Klägerin durch Vorlage des Mietvertrages mit der S. E.shop GmbH & Co. KG den erzielbaren höheren Mietzins belegt habe; dem könne der Beklagte nicht mit schlichtem Bestreiten entgegentreten. Die Widerklage sei begründet, weil die Mietkaution unstreitig hinterlegt sei. Dem sei nur in Höhe von 448 Euro die Forderung der Firma S. E.shop GmbH & Co. KG als Zug um Zug zu erbringende Gegenleistung entgegenzuhalten.
Gegen dieses Urteil richtet sich zunächst die Berufung der Klägerin (Streitwert: [6.300 - 448 =] 5.852 Euro + 305,88 Euro = 6.157,88 Euro), die zuerst als Zug um Zug gegen Kautionsrückzahlung zu erbringende Leistung des Beklagten ihre Freistellung von Forderungen der Firma S. E.shop GmbH & Co. KG in Höhe von 7.000 Euro (anstelle ausgeurteilter 448 Euro) erstrebt, ferner die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung weiterer 305,88 Euro nebst Zinsen (294,50 Euro wegen der Aufwendungen für die vergebliche Fahrt ihres Bevollmächtigten nach N. und 11,38 Euro für den Lichtschalter). Die Klägerin meint, das Landgericht habe § 257 BGB verkannt, indem es ihr die Darlegungslast für die Berechtigung der Forderung der Firma S. E.shop GmbH & Co. KG auferlegt habe. Die Begründung der Klageabweisung in den weiteren Punkten sei nicht tragfähig.
Gegen das Urteil richtet sich im Übrigen die Anschlussberufung des Beklagten, der damit die Klageabweisung im Umfang seiner Verurteilung und den Wegfall der Zug um Zug Gegenleistung zur Widerklageforderung erstrebt. Er meint, die Nebenkostenforderung sei nicht fällig. Weil der Umrechnungsschlüssel nicht nachvollziehbar sei, könne er der Klageforderung in diesem Punkt mit schlichtem Bestreiten wirksam entgegentreten. Das schlichte Bestreiten der Mehrmiete sei auch ausreichend, weil die von der Klägerin vorgelegten Kopien der Mietverträge keine (Original-) Urkunden seien, die alleine zu Beweiszwecken hätten verwendet werden dürfen. Es gebe keinen Anspruch auf höhere Mietzinsen. Hinsichtlich der Aufwendungen der Firma S. E.shop GmbH & Co. KG in Höhe von 448 Euro, die seinem Kautionsrückzahlungsanspruch entgegengehalten wurden, sei nicht Beweis erhoben worden. Auch im Übrigen habe die Firma S. E.shop GmbH & Co. KG nicht ernsthaft Forderungen an die Klägerin herangetragen.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Wegen der Feststellungen des Landgerichts nimmt der Senat gemäß § 540 Abs. 1 Nr.¨1 ZPO auf die Gründe des angefochtenen Urteils Bezug. .
II.
1. Die Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet.
a) Der Befreiungsanspruch ist im geltend gemachten Umfang gerechtfertigt. Die Klägerin hat nach dem unstreitigen Sachverhalt gegen den Beklagten einen Schadensersatzanspruch, weil er entgegen der Vereinbarung die Mietsache nicht zum 1. Oktober 2004 geräumt hat. Der von der Klägerin geltend gemachte Schaden besteht allein in ihrer Belastung mit einer Verbindlichkeit (vgl. BGH NJW 2007, 1809, 1811; Schubert in: Bamberger/Roth, BGB § 249 Rn. 179). Nicht zu folgen ist dem Landgericht darin, dass bei einem möglichen Schadensersatzanspruch die Darlegungslast dafür, dass der von der Firma S. E.shop GmbH & Co. KG geltend gemachte Anspruch der Höhe nach begründet ist, bei der Klägerin liege. Denn eine Verletzung der Freistellungsverpflichtung führt nicht dazu, dass der Freizustellende auf seine Gefahr zu prüfen hat, ob die Ansprüche des Drittgläubigers zu Recht bestehen. Der Gefahr, entweder eine unbegründete Forderung zu erfüllen oder sich wegen einer begründeten Forderung mit Klage überziehen zu lassen, soll der Freizustellende nach dem Sinn des Freistellungsanspruchs gerade enthoben sein (vgl. für einen vertraglichen Freistellungsanspruch BGHR BGB § 257 Freistellungsverpflichtung 1). Es genügt deshalb, wenn die Klägerin unter Vorlage der Rechnung der Firma S. E.shop GmbH & Co. KG substanziiert dargelegt hat, dass sie einem Anspruch im geltend gemachten Umfang ausgesetzt ist. Der Befreiungsanspruch umfasst sogar die Abwehr unbegründeter Ansprüche (vgl. OLG München NJW-RR 1995, 461, 462). Das schlichte Bestreiten des Beklagten ist demgegenüber wirkungslos.
Ist der Freistellungsanspruch demnach gerechtfertigt und die Mietkaution von der Klägerin daher nur Zug um Zug gegen Freistellung von ihrer Verbindlichkeit gegenüber der Firma S. E.shop GmbH & Co. KG zurückzuerstatten, dann befindet sich die Klägerin mit der Kautionsrückzahlung nicht im Verzug. Deshalb entfällt der Zinsanspruch des Beklagten.
b) Die Klägerin kann auch Ersatz nutzloser Aufwendungen wegen der vergeb-lichen Fahrt ihres Bevollmächtigten zum vereinbarten Übergabetermin vom Beklagten verlangen. Sie hätte selbst zu dem Termin anreisen und danach vergebliche Aufwendungen geltend machen können. Wenn sie stattdessen ihren Bevollmächtigten entsandt hat, ändert das nichts an der Entstehung des Ersatzanspruchs. Die Höhe des nach dem Maßstab der Zeugenentschädigung berechneten Anspruchs ist angemessen (§ 287 ZPO).
c) Der Lichtschalter war nach § 12 Abs. 1 des Mietvertrages zu ersetzen. Die Regelung ist eindeutig und sie setzt keine schuldhafte Beschädigung voraus. Dass der Schalter defekt war und ersetzt wurde, ist von der Klägerin hinreichend dargelegt und vom Beklagten nicht substanziiert bestritten worden.
2. Die Anschlussberufung des Beklagten ist unbegründet.
a) Die Nebenkostenforderung ist gerechtfertigt. Der Umrechnungsschlüssel nach in Quadratmetern berechneten Nutzflächenanteilen ergibt sich eindeutig aus der vorgelegten Aufstellung. Enthielte die Nebenkostenabrechnung einzelne nicht umlagefähige Positionen oder würde sie auf einem falschen Umlegungsmaßstab basieren, so würde es sich ausschließlich um - die formelle Ordnungsmäßigkeit der Abrechnung unberührt lassende - Fragen der inhaltlichen Richtigkeit handeln (vgl. OLG Düsseldorf WuM 2006, 381, 382 f.). Will der Mieter sich erfolgreich gegen eine Betriebskostennachforderung des Vermieters verteidigen, setzt dies in Ausübung seines Prüfungsrechts grundsätzlich die vorherige Einsichtnahme in die Berechnungsunterlagen voraus (vgl. OLG Düsseldorf OLG-Report Düsseldorf 2006, 747 f.). Ein pauschales Bestreiten einzelner Positionen ohne Einsicht in die Kostenbelege ist unzulässig (vgl. OLG Düsseldorf OLG-Report Düsseldorf 2006, 492 f.). Dem hat der Beklagte nicht Rechnung getragen.
b) Der Mietausfall in Höhe der Mietzinsdifferenz ist der Klägerin vom Landgericht zu Recht zugesprochen worden. Das schlichte Bestreiten des Beklagten genügt nicht seiner sekundären Darlegungslast. Auf die Beweiseignung von Fotokopien als Beweisurkunden, die freilich auch besteht, wenngleich der Beweiswert gegenüber dem Original reduziert sein mag, kommt es nicht an, weil es hier um die Darlegung der Berechtigung der Forderung geht.
Hatte die Klägerin nach ihrem nicht substanziiert bestrittenen Vortrag mit der Firma S. E.shop GmbH & Co. KG für Oktober 2004 einen höheren Mietzins vereinbart als mit dem Beklagten und ist die Realisierung dieser höheren Mietzinsforderung vom Beklagten durch Verletzung der Vereinbarung über die Räumung der Mietsache zum 1 Oktober 2004 schuldhaft vereitelt worden, dann hat die Klägerin insoweit einen Schadensersatzanspruch.
c) Der Freistellungsanspruch ist nach dem Gesagten begründet, also auch in dem Umfang, in dem ihn das Landgericht zuerkannt hat.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 91, 92 Abs. 2 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Ein Grund zur Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegt nicht vor.
Der Streitwert im Berufungsverfahren beträgt 8.297,80 Euro.
Ende der Entscheidung
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