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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 17.02.2005
Aktenzeichen: 12 W 34/05
Rechtsgebiete: ZPO, StVG, BGB, StVO
Vorschriften:
ZPO § 114 Satz 1 | |
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 3 | |
ZPO § 411 a | |
ZPO § 569 Abs. 1 Satz 1 | |
ZPO § 572 Abs. 1 | |
StVG § 7 | |
StVG § 7 Abs. 2 n.F. | |
StVG § 9 | |
StVG § 17 | |
StVG § 18 n.F. | |
BGB § 253 n.F. | |
BGB § 254 | |
BGB § 847 a.F. | |
StVO § 3 | |
StVO § 3 Abs. 2 lit. a | |
StVO § 25 Abs. 3 |
Kommt eine Beweisaufnahme in Betracht und liegen keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Antragstellers ausgehen wird, so läuft es dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit zuwider, diesem wegen fehlender Erfolgsaussichten seines Begehrens in tatsächlicher Hinsicht die PKH zu verweigern. Dies ist der Fall, wenn ein noch unklarer Geschehnsablauf bei einem Verkehrsunfall vorliegt, der möglicherweise mit Hilfe eines Sachverständigengutachtens und der Auswertung von Indizien näher konkretisiert werden kann. Ein im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren eingeholtes Sachverständigengutachten, das im Haftpflichtprozess in Frage gestellt wird, besitzt hier nur bedingt Beweiswert. § 411 a ZPO ist darauf nicht anzuwenden, weil es nicht um ein gerichtlich eingeholtes Gutachten geht.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ BESCHLUSS
Geschäftsnummer: 12 W 34/05
in Sachen
wegen eines Schadensersatzanspruches aus einem Verkehrsunfall;
hier: sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen die teilweise Ablehnung des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Rechtsanwalts K..... aus K...... durch Beschluss des Landgerichts Koblenz vom 10. Dezember 2004 in der Fassung der Beschlüsse vom 20. Dezember 2004 und vom 7. Januar 2005.
Der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Richter am Oberlandesgericht Dr. Eschelbach als Einzelrichter
am 17. Februar 2005
beschlossen:
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen die teilweise Ablehnung des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Rechtsanwalts K..... aus K...... durch Beschluss der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 10. Dezember 2004 in der Fassung der Beschlüsse vom 20. Dezember 2004 und vom 7. Januar 2005 wird die angefochtene Entscheidung dahin abgeändert, dass dem Antragsteller Prozesskostenhilfe ohne Abzug einer Mithaftungsquote wegen aller angekündigten Klageanträge bewilligt und die Beiordnung des Rechtsanwalts K..... aus K...... hierauf erstreckt wird.
Eine Gerichtsgebühr wird nicht erhoben. Kosten werden nicht erstattet.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 128.049,56 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Antragsteller erstrebt die uneingeschränkte Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Rechtsanwalts K..... aus K...... für eine beabsichtigte Klage, mit der er die Verurteilung der Antragsgegner als Gesamtschuldner zur Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes über vorgerichtlich gezahlte 30.000 Euro hinaus, ferner den Ersatz materieller Schäden und die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für alle künftigen materiellen und immateriellen Schäden aus einem Unfall begehrt, der sich am 5. Januar 2004 gegen 17.30 Uhr auf der Strasse "R... B..." in M... ereignet hat.
Der am 27. November 1932 geborene Antragsteller kam bei Dunkelheit und regennasser Fahrbahn - offenbar beim Versuch der Überquerung der Strasse - als Fußgänger vor das vom Antragsgegner zu 1) geführte Fahrzeug, dessen Halterin die Antragsgegnerin zu 2) und das bei der Antragsgegnerin zu 3) gegen Haftpflicht versichert ist. Einzelheiten des Geschehensablaufs sind unklar, zumal der Antragsteller keine Erinnerung daran wiedergeben kann. Er wurde von dem Fahrzeug erfasst, mitgerissen und auf die Fahrbahn geschleudert. Er erlitt schwere körperliche Verletzungen in Form einer Beckenfraktur, eines Pneumothorax und eines Schädelhirntraumas. Er trug aber auch ein hirnorganisch bedingtes Psychosyndrom mit Ausfallerscheinungen, Affektlabilität und einer umfassenden Persönlichkeitsveränderung davon. Er ist zur eigenständigen Verrichtung von Handlungen des täglichen Lebens nicht im Stande, gilt als Pflegefall und wird durch seine Ehefrau, die als Betreuerin bestellt wurde, versorgt.
Der Antragsteller meint, dass die Antragsgegner nach §§ 7, 17, 18 StVG n.F. i.V.m. § 253 BGB n.F. uneingeschränkt für seine materiellen und immateriellen Schäden ersatzpflichtig seien. Auf ein Verschulden des Antragsgegners zu 1) komme es dafür nicht an. Ein Mitverschulden seinerseits sei nicht festzustellen, zumal er ausweislich des Beschädigungsbildes am Fahrzeug und seiner Endlage auf der Fahrbahn die Fahrspur des Antragsgegners zu 1) beim Aufprall bereits zur Hälfte überquert gehabt habe und für den Fahrzeugführer erkennbar gewesen sei. Der Antragsgegner zu 1) habe ihn infolge Unachtsamkeit übersehen und dieser sei zu schnell gefahren.
Die Antragsgegner sind dem Prozesskostenhilfeantrag entgegengetreten und haben ihre Haftung in Abrede gestellt (Bl. 28 GA). Sie haben behauptet, der Antragsgegner zu 1) sei zur Zeit des Unfalls mit 40 km/h gefahren. Der Antragsteller sei unvermittelt kurz vor dem Fahrzeug an einer Stelle auf die Fahrbahn getreten, an der die Sicht auf Fußgänger bei Dunkelheit durch Bäume und Sträucher neben dem Gehweg weiter erschwert gewesen sei. Der Antragsgegner zu 1) hätte den Unfall nicht verhindern können. Für ihn liege ein Fall höherer Gewalt im Sinne von § 7 Abs. 2 StVG n.F. vor. Im Übrigen würde selbst die Betriebsgefahr des Fahrzeugs hinter das Mitverschulden des Antragstellers zurücktreten, weil dieser die Gebote gemäß § 25 Abs. 3 StVO verletzt habe. Vorsorglich werde das Vorliegen eines unfallbedingten Psychosyndroms bestritten; der Antragsteller habe schon ein Jahr vor dem Unfall unter Demens gelitten.
Das Landgericht hat dem Antragsteller zunächst eine Frist zur Stellungnahme zu dem Vorbringen der Antragsgegner bis zum 15. Dezember 2004 gesetzt (Bl. 33 Rs. GA), aber schon am 10. Dezember 2004 über den Antrag entschieden (Bl. 34 ff. GA). Es hat dem Antragsteller Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Rechtsanwalts K..... hinsichtlich der beabsichtigten Feststellungsklage insoweit bewilligt, als es um eine Haftungsquote von 25 % geht; im Übrigen hat es den weitergehenden Antrag abgelehnt. Es hat ausgeführt, der Schmerzensgeldanspruch sei mit Blick auf die bereits erfolgte Zahlung in Ansehung des Mitverschuldens des Antragstellers erfüllt. Ein Verschulden des Antragsgegners zu 1) sei nicht anzunehmen. Eine Verletzung von § 3 StVO sei nicht feststellbar, zumal im Strafverfahren gegen den Antragsgegner zu 1) durch den technischen Sachverständigen Dr. Ing. B.... ausgeführt worden sei, den Spuren könne entnommen werden, dass die Kollisionsgeschwindigkeit im Bereich zwischen 40 und 50 km/h gelegen habe. Auch § 3 Abs. 2 lit. a StVO sei nicht verletzt, da nicht festzustellen sei, dass der Antragsgegner zu 1) den Antragsteller habe erkennen und rechtzeitig auf dessen Verhalten reagieren können.
Der Antragsteller trat in seiner Replik der Verwertung des im Strafverfahren eingeholten Sachverständigengutachtens entgegen und beanstandete dessen Ausführungen inhaltlich und zwar insbesondere bezüglich der Annahmen einer Entfernung des Kollisionsortes von der Endlage des Antragstellers von 9,4 m und hinsichtlich der Anknüpfungstatsachen zu den Beleuchtungs- und Sichtverhältnissen.
Der Antragsteller rügte nach der Zustellung der gerichtlichen Entscheidung am 14. Dezember 2004 unter Vorbehalt einer Beschwerdeeinlegung und Hinweis auf eine erwartete Neubescheidung die Teil-Ablehnung seines Antrags bereits vor Ablauf der Stellungnahmefrist (Bl. 47 GA). Das Landgericht beschloss hierauf unter Nachholung des rechtlichen Gehörs, dass es an seiner Erstentscheidung festhalte (Bl. 49 ff. GA).
Gegen diesen am 3. Januar 2005 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller mit einem am 7. Januar 2005 eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt. Dabei verweist er auf eine Verletzung von § 3 Abs. 2 lit. a StVO durch den Antragsgegner zu 1). Dieser sei mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren. Das dem widersprechende Sachverständigengutachten aus dem Ermittlungsverfahren sei auch deshalb für Zwecke des Haftpflichtprozesses unbrauchbar, weil es die Angaben des Antragsgegners zu 1) zu Grunde gelegt habe. Vor diesem Hintergrund seien die zugrunde gelegten Anknüpfungstatsachen anzuzweifeln.
Das Landgericht hat beschlossen, der sofortigen Beschwerde nicht abzuhelfen (Bl. 56 f. GA).
II.
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist zulässig. Die Gegenvorstellung vom 15. Dezember 2004 (Bl. 47 GA) kann zwar nicht als sofortige Beschwerde ausgelegt werden (vgl. OLG Karlsruhe OLG-Report Karlsruhe 2004, 342, 343). Das ist aber unschädlich, weil der Antragsteller nach der Neubescheidung sofortige Beschwerde eingelegt hat. Darauf, dass das Gesetz - unbeschadet der Regelungen für letztinstanzliche Gehörsverletzungen durch das Anhörungsrügengesetz vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3220) - eine Nachholung des rechtlichen Gehörs durch Neuentscheidung des erstinstanzlichen Gerichts außerhalb des Abhilfeverfahrens gemäß § 572 Abs. 1 ZPO nicht vorsieht (vgl. zur Korrektur von Gehörsverletzungen im Rechtsmittelverfahren BVerfGE 107, 395, 416), kommt es nicht an. Die im Zuge der ZPO-Reform eingeführte einmonatige Notfrist gemäß §§ 127 Abs. 2 Satz 3, 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist durch die hiernach eingelegte sofortige Beschwerde vom 5. Januar 2005 (eingegangen am 7. Januar 2005) jedenfalls gewahrt.
III.
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist begründet. Die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein weiteres Schmerzensgeld hinaus und die Zahlungsforderung hinsichtlich des bisherigen materiellen Schadens sowie die Beschränkung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Rechtsanwalts K..... aus K...... hinsichtlich der Feststellungsklage auf eine Haftungsquote von einem Viertel zu drei Vierteln zu Lasten des Antragstellers ist nicht gerechtfertigt, mag auch eine den Antragsgegnern günstige Entscheidung im Hauptsacheverfahren durchaus möglich sein.
1. Bei der Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist dem Bedeutungsgehalt des Gebots der Rechtsschutzgleichheit Rechnung zu tragen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebietet Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (BVerfGE 81, 347, 356). Dabei ist es unbedenklich, die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint (BVerfGE 81, 347, 357). Die Gerichte überschreiten jedoch den Entscheidungsspielraum, der ihnen bei der Auslegung des Merkmals der hinreichenden Erfolgsaussicht zukommt, wenn sie die Anforderungen an die Erfolgsaussicht überspannen. Nach überwiegender Meinung zu § 114 Satz 1 ZPO, hat ein Rechtsschutzbegehren bereits dann hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängt. Daher braucht Prozesskostenhilfe zwar nicht schon dann gewährt zu werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ihre Beantwortung aber im Hinblick auf die einschlägige gesetzliche Regelung oder die durch bereits vorliegende Entscheidungen gewährten Auslegungshilfen nicht als "schwierig" erscheint (BVerfGE 81, 347, 359). Liegt diese Voraussetzung dagegen vor, so läuft es dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit zuwider, dem Unbemittelten wegen fehlender Erfolgsaussicht seines Begehrens Prozesskostenhilfe vorzuenthalten (BVerfG NJW 2004, 1789, 1790). Die weitere Annahme zu § 114 Satz 1 ZPO, dass eine Beweisantizipation im Prozesskostenhilfeverfahren in begrenztem Rahmen zulässig ist, hat das Bundesverfassungsgericht zwar auch mehrfach unbeanstandet gelassen (BVerfG NJW 1997, 2745, 2746; NJW-RR 2002, 1069). Kommt jedoch eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht und liegen keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass sie mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Beschwerdeführers ausgehen wird, so läuft es ebenfalls dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit zuwider, dem Unbemittelten wegen fehlender Erfolgsaussichten seines Rechtsschutzbegehrens die Prozesskostenhilfe zu verweigern (BVerfG NJW-RR 2003, 1216, 1217).
2. Nach diesem Maßstab ist es im vorliegenden Fall nicht gerechtfertigt, dem Antragsteller nur für einen geringen Teil seines Begehrens Prozesskostenhilfe zu gewähren. Dabei ist nicht zu verkennen, dass sich die angefochtene Entscheidung durchaus im Rahmen dessen bewegt, was in der Hauptsache angemessen sein könnte (vgl. OLG Düsseldorf NZV 1994, 70 f.). Jedoch kann das Ergebnis der Hauptsache unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles nicht in diesem Sinne vorweggenommen werden.
a) Ein Fall höherer Gewalt im Sinne von § 7 Abs. 2 StVG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 (BGBl. I S. 2674) liegt nur vor bei einem außergewöhnlichen, betriebsfremden, von außen durch elementare Naturkräfte oder Handlungen betriebsfremder Personen herbeigeführtes und nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhergesehenes Ereignis, das mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch äußerste Sorgfalt nicht verhütet werden kann und das auch nicht im Hinblick auf seine Häufigkeit in Kauf genommen zu werden braucht (vgl. LG Itzehoe NJW-RR 2003, 1465, 1466 f.; LG Karlsruhe Schaden-Praxis 2004, 256 f.). Darum geht es hier nicht.
b) Auch unter dem geänderten § 7 Abs. 2 StVG kommt eine vollständige oder teilweise Befreiung des jeweiligen Anspruchsgegners von einer Haftung wegen eines Verkehrsunfalls beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs über den Mitverschuldenseinwand gemäß § 9 StVG, § 254 BGB in Betracht (vgl. LG Bielefeld NJW 2004, 2245 f.). Ob und in welchem Umfang das der Fall ist, kann hier nicht zum Nachteil des Antragstellers vorweggenommen werden. Im Hauptsacheverfahren ist anhand einer Reihe von Indizien auf den Ablauf des eigentlichen Unfallgeschehens zu schließen. Das Beweisergebnis ist noch so weit gehend offen, dass es nicht gerechtfertigt erscheint, jetzt bereits eine bestimmte Mithaftungsquote des Antragstellers anzunehmen.
Ein Fahrzeugführer ist verpflichtet, nicht nur die gesamte vor ihm liegende Fahrbahn, sondern auch die angrenzenden Straßenteile, insbesondere den Gehweg, darauf zu beobachten, ob Fußgänger im Begriff sind, die Fahrbahn zu überqueren. Setzt der Fahrzeugführer seine - gegebenenfalls überhöhte - Geschwindigkeit nicht herab und hält er sich nicht bremsbereit, obwohl er bemerken musste, dass ein Fußgänger sich anschickt, die Fahrbahn zu überqueren, so trifft ihn bezüglich der Verletzung, die der Fußgänger durch den Anstoß mit dem Fahrzeug erleidet, im Einzelfall sogar die alleinige Haftung (vgl. KG VRS 74 [1988], 257 ff.). Das verkehrsrechtliche Gebot an den Fahrzeugführer, vor einem Hindernis rechtzeitig anhalten zu können, bezieht sich andererseits nur auf solche Hindernisse, die sich bei Annäherung des Fahrzeugs bereits im Bereich der Fahrbahn befinden, nicht auf solche, die - wie ein unaufmerksamer Fußgänger - plötzlich in den Anhalteweg hineinlaufen (vgl. KG Urt. vom 6. März 1989 - 12 U 3045/88). Eine gesteigerte Sorgfaltspflicht besteht freilich gegenüber Kindern, Hilfsbedürftigen und älteren Menschen (vgl. KG Urt. vom 3. Juli 1989 - 12 U 4151/88).
Ein Fahrzeugführer muss zwar nicht damit rechnen, dass Fußgänger blindlings auf die Straße laufen. Bei Beachtung der Sorgfaltsanforderungen muss gegebenenfalls auch in Rechnung gestellt werden, dass der Fußgänger aufgrund seiner dunklen Kleidung in der Dunkelheit und bei Nässe schwer zu erkennen gewesen sein mag. Andererseits war das Überqueren der Fahrbahn für den Antragsteller an der Unfallstelle nicht verboten (vgl. OLG Hamm NZV 1998, 372 ff.). Immerhin hat er sich auch bei der Kollision ausweislich des Beschädigungsbildes am Fahrzeug der Antragsgegnerin zu 2) bereits jenseits der Mitte der Fahrspur des Antragsgegners zu 1) befunden.
Welche Schlüsse daraus auf den Ablauf, der bisher weithin unklar geblieben ist, ziehen lassen und in welchem Umfang das Ergebnis der Beweisschlüsse aus den feststellbaren Indiztatsachen rechtlich, auch mit Blick auf die Beweislastverteilung für die Haftung dem Grunde nach und den Mitverschuldenseinwand von Bedeutung ist, kann im Verfahren über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht einmal halbwegs zuverlässig vorweggenommen werden. Dabei kann auf das im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren eingeholte Gutachten des Sachverständigen Dr. Ing. B... nur bedingt zurückgegriffen werden. § 411a ZPO i.d.F. des 1. JuMoG (vgl. Hirtz/Sommer, 1. Justizmodernisierungsgesetz, 2004, S. 38 f.) ist nicht einschlägig, weil es nicht um ein "gerichtlich" eingeholtes Sachverständigengutachten geht. Mit Blick auf das Strafverfahren ist auch zu beachten, dass dort wegen der Unschuldsvermutung zugunsten des Beschuldigten mangels besserer Erkenntnisse von dessen Einlassung auszugehen war und die sich daraus ergebenden Anknüpfungstatsachen, hier vor allem zum genauen Kollisionsort in Relation zum Fundort der Brille und zur Endlage des Antragstellers (Bl. 65 BA), bei der Begutachtung zu Grunde gelegt werden mussten. Das muss im Haftpflichtprozess nicht mit demselben Ergebnis ebenso gehandhabt werden. Auch kann ein Gutachten keine ausreichende Entscheidungsgrundlage sein, wenn es nicht zu allen von den Parteien des Rechtsstreits in entscheidungserheblicher Weise aufgeworfenen Fragen Stellung nimmt (vgl. BGH NJW 2004, 2828, 2829 f.). Das betrifft hier vor allem die Feststellung der Anknüpfungstatsachen zu den gutachterlichen Ausführungen hinsichtlich der "Wurfweite" als Indiz für eine bestimmte Fahrgeschwindigkeit. Im Haftpflichtprozess gilt es aber auch noch die hier neu aufgeworfenen Fragen zur Erkennbarkeit des Fußgängers am Unfallort zu klären, die gegebenenfalls in ein Gutachten einfließen müssen. Dies lässt es ausgeschlossen erscheinen, dass der beabsichtigten Klage bereits auf der bisherigen Beweisgrundlage die Erfolgsaussicht in dem vom Landgericht angenommenen Umfang mit hinreichender Sicherheit abzuerkennen ist. Eine genaue Bestimmung des voraussichtlich feststellbaren Haftungsumfangs ist in einem solchen Zweifelsfall dann aber nicht Sache des Gerichts im Rahmen der summarischen Prüfung gemäß § 114 Satz 1 ZPO. Diese Prüfung kann erst bei der abschließenden Gesamtwürdigung der Beweise im Hauptsacheverfahren zuverlässig vorgenommen werden. Dabei wird möglicherweise auch zu erwägen sein, ob die von den Antragsgegnern behauptete Demens des Antragstellers vor dem Unfall Einfluss auf sein Verhalten als Fußgänger im Straßenverkehr genommen haben mag.
c) Eine mögliche Haftungsquote spielt von Rechts wegen keine zentrale Rolle für die Annahme, ein Schmerzensgeldanspruch bestehe nur bis zur Höhe von 25.000 Euro und sei insoweit durch die vorgerichtliche Zahlung erfüllt, wobei die verbleibende Überzahlung auch den Zahlungsantrag in der beabsichtigten Klage wegen materieller Schäden abdecken würde.
Nach dem zur Verbesserung des Opferschutzes neu geregelten Schmerzensgeldrecht (vgl. Jaeger ZGS 2004, 217 ff.), das nun nach Aufhebung von § 847 BGB a.F. und Neufassung von § 253 BGB auch im Fall der Gefährdungshaftung eingreift, kommt es für die Bemessung der Anspruchshöhe auf die Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldanspruchs an; die Genugtuungsfunktion (BGHZ 18, 149, 154, 157; 128, 117, 120 f.) tritt wohl noch weiter als bisher zurück (vgl. Christian Huber, Das neue Schadensersatzrecht, 2003, § 2 Rn. 30 ff.). In der Rechtsprechung ungeklärt ist vor diesem Hintergrund die Frage, ob die bisherigen Faktoren der Schmerzensgeldbemessung, wonach auch Abzüge im Falle eines Mitverschuldens gerechtfertigt sein können, weiterhin gelten. Auch das Ergebnis dieser Rechtsfrage darf nach dem Grundsatz der Rechtsschutzgleichheit (oben III.1.) - von der offenen Tatsachenfrage (oben III.2.b) abgesehen - nicht im Verfahren über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vorweggenommen werden.
Entfällt deshalb bei der vorläufigen Prüfung der Berechtigung der unbezifferten Leistungsklage und der Klage auf Feststellung der Ersatzpflicht der Antragsgegner für künftige immaterielle Schäden zunächst aus Gründen der Gewährung der Rechtsschutzgleichheit des Antragstellers im Rahmen der Prüfung gemäß § 114 Satz 1 ZPO eine annähernd genaue Einschätzung eines eventuellen Mitverschuldens des Antragstellers, dann kann eine halbwegs zuverlässige Anspruchsbegrenzung bezüglich der Schmerzensgeldforderung unterhalb der vom Antragsteller vorgestellten Summe im Prozesskostenhilfeverfahren nicht erfolgen. Fälle einer weitgehenden Zerstörung der Persönlichkeit des Unfallopfers verlangen hinsichtlich der Schmerzensgeldbemessung ohnehin nach einer eigenständigen Bewertung (BGHZ 120, 1, 4 ff.). Der angedeutete Schmerzensgeldbetrag könnte deshalb auch dann gerechtfertigt sein, wenn den Antragsteller ein Mitverschulden trifft.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.
Die Rechtsbeschwerde des Prozessgegners gegen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist nicht statthaft (BGH NJW 2002, 3554 f.). Deshalb kommt auch eine Zulassung nach § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 ZPO nicht in Betracht.
Ende der Entscheidung
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