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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 06.12.1999
Aktenzeichen: 13 UF 340/99
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 1
BGB § 1360 a Abs. 4
BGB § 1361 Abs. 4
BGB § 394
ZPO § 92
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 313
Ein geleisteter Prozeßkostenvorschuß für eine Unterhaltsklage des getrennt leben Ehegatten kann nur ausnahmsweise ganz oder teilweise aus Billigkeitsgründen zurückverlangt werden. Etwa dann, wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des vorschußberechtigten Ehegatten wesentlich gebessert haben. Ist der Prozeßkostenvorschuß ganz oder teilweise zurückzuzahlen, so kann mit dem Rückzahlungsanspruch gegen die Forderung auf Zahlung rückständigen Unterhaltes aufgerechnet werden.
OLG Koblenz

Urteil

06.12.1999

13 UF 340/99 5 F 358/98 AG Lahnstein

abgekürzt gemäß § 543 Abs. 1 ZPO

Der 13. Zivilsenat - 1. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterinnen am Oberlandesgericht ... und ... auf die mündliche Verhandlung vom 15. November 1999 für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengerichts - ... vom 16. 4. 1999 teilweise abgeändert.

Die Zwangsvollstreckung aus dem vor dem Senat geschlossenen Vergleich vom 15. 6. 1998 - 13 UF 216/98 - wird in Höhe eines Betrages von 5.477,59 DM für unzulässig erklärt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 58 % und die Beklagte 42 %.

Von den Kosten der ersten Instanz tragen der Kläger 57 % und die Beklagte 43 %.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien sind getrenntlebende Eheleute. Der Kläger hatte sich mit Vergleich vom 15. 6. 1998 - 13 UF 216/98 OLG Koblenz - zur Zahlung von Trennungsunterhalt in Höhe von monatlich 1.000,00 DM ab 1. 2. 1997 sowie eines bis dahin aufgelaufenen Unterhaltsrückstands von 3.000,00 DM verpflichtet. Für dieses Verfahren hatte er an die Beklagte Prozesskostenvorschüsse in Höhe von insgesamt 10.388,65 DM (6.799,50 DM für die erste Instanz und 3.589,15 DM für das Berufungsverfahren) gezahlt. Nach der im Vergleich getroffenen Kostenregelung wurden die Verfahrenskosten gegeneinander aufgehoben. Der Kläger hat seine Verpflichtung aus dem Vergleich erfüllt bis auf einen Betrag von 12.748,14 DM. Wegen dieses Betrages betreibt die Beklagte die Zwangsvollstreckung. Der Kläger hat deswegen Vollstreckungsgegenklage erhoben. Er beruft sich auf Erfüllung (Zahlungen von 283,26 DM und 2.076,23 DM im Februar 1998) und rechnet im Übrigen mit seinem Anspruch auf Rückerstattung des geleisteten Prozesskostenvorschusses auf.

Das Amtsgericht hat der Klage insgesamt stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag - mit Ausnahme eines Teilbetrages von 283,26 DM - weiter verfolgt.

Das in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstandende Rechtsmittel der Beklagten ist in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang begründet.

Der Teilbetrag von 283,26 DM ist zwischen den Parteien nicht mehr im Streit. Hierbei handelte es sich um Unterhaltszahlungen des Klägers an die Beklagte für die Monate Januar und Februar 1998 in Höhe von jeweils 141,63 DM, die nach Ziffer 2 des Vergleichs vom 15. 6. 1998 anzurechnen waren, nachdem der Kläger den Nachweis der Zahlung erbracht hatte.

Eine Anrechnung des weiteren Unterhaltsbetrages von 2.076,23 DM ist dagegen nach dem Wortlaut des Vergleichs nicht möglich. Dieser Geldbetrag ist am 6. 2. 1998 als Unterhaltsnachzahlung für 1996 (1.376,67 DM) und 1997 (699,56 DM) an die Beklagte überwiesen worden. In dem später - am 15. 6. 1998 - abgeschlossenen Prozessvergleich haben die Parteien aber vereinbart, dass für die Zeit bis zum 31. 1. 1997 noch ein Unterhaltsrückstand in Höhe von 3.000,00 DM bestand. Alle vor Vergleichsabschluss erfolgten und im Vergleichstext nicht gesondert erwähnten Zahlungen auf den Zeitraum vor dem 31. 1. 1997 waren damit erledigt und konnten den mit 3.000,00 DM vereinbarten Rückstandsbetrag zum 31. 1. 1997 nicht schmälern. Für die Zeit ab dem 1. 2. 1997 verpflichtete sich der Kläger, Trennungsunterhalt in Höhe von monatlich 1.000,00 DM zu zahlen. Hierzu wurde ausdrücklich vereinbart, dass für 1997 keine Zahlungen des Beklagten anzurechnen seien. Eine Berücksichtigung der vor Vergleichsabschluss erfolgten Überweisung ist damit, auch soweit sie Rückstände aus dem Jahr 1997 betraf, nicht möglich.

Der Kläger kann aber mit seinem Anspruch auf (teilweise) Rückzahlung des geleisteten Prozesskostenvorschusses aufrechnen. Die Beklagte ist nämlich verpflichtet, die Hälfte (5.194,33 DM) des erhaltenen Vorschusses (10.388,65 DM) an den Kläger zurückzuerstatten.

Ebenso wie der Anspruch eines getrennt lebenden Ehegatten auf Prozesskostenvorschuss nach §§ 1360 a Abs. 4, 1361 Abs. 4 BGB unterhaltsrechtlicher Natur ist (vgl. BGH, NJW 71, 1262), lässt sich auch der Anspruch auf Rückzahlung eines geleisteten Prozesskostenvorschusses aus den Vorschriften des Unterhaltsrechts herleiten (vgl. BGH, NJW 90, 1476). Der Prozesskostenvorschuss kann - wie sonstiger Unterhalt - grundsätzlich nicht zurückgefordert werden (vgl. Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 4. Auflage, § 6 Rdnr. 34). Unter Berücksichtigung des Vorschusscharakters der Leistung kann der Prozesskostenvorschuss aber ausnahmsweise ganz oder teilweise aus Gründen der Billigkeit zurückverlangt werden, wenn die Voraussetzungen, unter denen er beansprucht werden konnte, nicht mehr bestehen, also etwa dann, wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des vorschussberechtigten Ehegatten wesentlich gebessert haben oder die Rückzahlung aus sonstigen Gründen der Billigkeit entspricht (vgl. BGH, NJW 90, 1476; NJW 85, 2263; NJW 71, 1262).

Vorliegend geht der Senat davon aus, dass aus Billigkeitsgründen die Rückerstattung der Hälfte des geleisteten Prozesskostenvorschusses zu erfolgen hat. Dabei reicht allerdings der Umstand alleine, dass die Beklagte nach der in dem vorausgegangenen Verfahren ergangenen Kostenentscheidung die Kosten teilweise zu tragen hat, auch unter Billigkeitsgesichtspunkten für eine Rückzahlungsverpflichtung nicht aus. Es müssen vielmehr weitere Umstände hinzukommen, die die Rückzahlung als billig erscheinen lassen (vgl. BGH, NJW 85, 2263). Davon ist hier auszugehen.

Die Einkommensverhältnisse der Beklagten haben sich nach Einleitung des Unterhaltsverfahrens, für das die Prozesskostenvorschüsse geleistet worden waren, verbessert. Die Parteien haben sich dort nämlich am 15. 6. 1998 dahin verglichen, dass der Kläger anstelle des bis dahin gezahlten monatlichen Unterhalts von 141,63 DM nunmehr monatlich 1.000,00 DM zahlt; zudem hatte er für die Vergangenheit eine Nachzahlung von rund 18.000,00 DM zu erbringen. Insoweit ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Unterhaltsnachzahlung lediglich Ersatz für einen erzwungenen Konsumverzicht der Beklagten in der Vergangenheit war, da der Kläger ihr den an sich geschuldeten Unterhalt zunächst vorenthalten hatte. Deshalb entspricht es nicht der Billigkeit, die Unterhaltsnachzahlung vorrangig zur Rückzahlung des Prozesskostenvorschusses zu verwenden.

Allerdings verfügt die Beklagte aufgrund des Vergleichs über monatlich rund 850,00 DM mehr als zu der Zeit, als die Prozesskostenvorschusszahlungen angeordnet (erste Instanz) bzw. freiwillig geleistet (zweite Instanz) wurden. Wegen dieser Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse kommt deshalb grundsätzlich die Rückzahlung des erhaltenen Vorschusses in Betracht. Der Senat hält im Hinblick auf die beiderseitigen Einkommens- und Vermögensverhältnisse jedoch lediglich die Rückzahlung der Hälfte des Vorschusses für der Billigkeit entsprechend. Die Beklagte verfügt neben dem laufenden Unterhalt von monatlich 1.000,00 DM nur noch über eine Rente von rund 1.500,00 DM netto. Damit ist sie ohne Gefährdung ihres eigenen angemessenen Unterhaltsbedarfs von zumindest 1.800,00 DM - daneben ist auch noch eine bis Oktober 2001 bestehende Ratenzahlungsverpflichtung auf ein Anschaffungsdarlehen im Zuge der Trennung (Möbel) bei der Volksbank Bonn Rhein-Sieg eG in Höhe von monatlich 300,00 DM zu berücksichtigen - nur in relativ geringem Umfang in der Lage, aus ihrem laufenden Einkommen die begehrte Rückzahlung zu leisten (monatlich rund 400,00 DM). Innerhalb eines Jahres könnte unter diesen Umständen etwa die Hälfte des erhaltenen Prozesskostenvorschusses zurückgezahlt werden. Dies hält der Senat für zumutbar und billig, wobei er auch in Betracht zieht, dass die Beklagte die Leistung tatsächlich über die ihr noch zustehende Unterhaltsnachzahlung erbringen kann, die zwar - wie ausgeführt - nicht vorrangig zur Vorschussrückzahlung einzusetzen ist, mit der aber keine sonstigen Verpflichtungen zu erfüllen sind, so dass der Beklagten letztlich das laufende Einkommen weiterhin ungeschmälert zur Verfügung steht.

Demgegenüber sind die Einkommensverhältnisse des Klägers nicht (mehr) so wesentlich günstiger als diejenigen der Beklagten, dass allein aus diesem Grund von der teilweisen Rückzahlung zum gegenwärtigen Zeitpunkt abzusehen wäre. Der Kläger lebt - neben seinen Renteneinkünften - von den Erträgnissen seines Kapitals, das zwar immer noch beachtlich ist, sich in den letzten Jahren aber doch verringert hat, u.a. auch wegen der Kosten, die aufgrund der Trennung der Parteien durch Unterhalts- und Scheidungsverfahren verursacht worden sind, und das sich möglicherweise durch noch zu leistende Steuernachzahlungen weiterhin verringern wird. Wenn auch die Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Klägers im Einzelnen nicht vollständig geklärt sind, erscheint es hier aber insgesamt billig und angemessen, nicht nur eine Partei mit den auf die Beklagte entfallenden Prozesskosten des Unterhaltsverfahrens zu belasten, sondern beide Parteien insoweit in gleichem Maße heranzuziehen und deshalb eine hälftige Rückzahlung des Prozesskostenvorschusses anzuordnen.

Mit dem Rückzahlungsanspruch hat der Kläger wirksam gegen die Forderung der Beklagten auf rückständigen Unterhalt aus dem Vergleich vom 15. 6. 1998 aufgerechnet. Ein Ausschluss der Aufrechnung nach § 394 BGB i.V.m. § 850 b Abs. 1 Nr. 2 ZPO kommt hier nach der Auffassung des Senats ausnahmsweise nicht in Betracht. Das sich aus § 394 BGB ergebende Aufrechnungsverbot ist nämlich mit Rücksicht auf den Schutzzweck der Norm zu begrenzen. Das Aufrechnungsverbot bezweckt die Vermeidung einer Notlage auf Seiten des Unterhaltsgläubigers durch Entziehung der für den Lebensunterhalt erforderlichen Mittel (ebenso für vergleichbare Fälle: OLG Hamm, FamRZ 99, 436; OLG Naumburg, FamRZ 99, 437). Vorliegend besteht die Besonderheit, dass einem Unterhaltsanspruch ein ebenfalls nach unterhaltsrechtlichen Grundsätzen zu behandelnder Anspruch (auf Rückzahlung eines geleisteten Prozesskostenvorschusses) gegenübersteht. Zudem betrifft der Unterhaltsanspruch, gegen den aufgerechnet wird, lediglich Zeiträume, die in der Vergangenheit liegen, so dass der laufende Unterhaltsbedarf der Beklagten durch die Aufrechnung nicht tangiert wird. Letztlich wird so die Situation vermieden, dass der Kläger einen bestimmten Betrag als Unterhaltsnachzahlung an die Beklagte leisten und diese wiederum einen Teilbetrag hiervon an den Kläger auf dessen Prozesskostenvorschuss-Rückforderungsanspruch zahlen müsste. Das Aufrechnungsverbot muss bei dieser Sachlage nach Treu und Glauben zurücktreten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 313 ZPO.

Beschluß:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 12.464,88 DM festgesetzt



Ende der Entscheidung

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