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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 10.11.2000
Aktenzeichen: 13 WF 664/00
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
§ 1610 Abs. 2 BGB |
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ BESCHLUSS
Geschäftsnummer: 13 WF 664/00 41 F 115/00 AG Westerburg
in der Familiensache
wegen Kindesunterhalts (Ausbildungsunterhalt),
hier: Prozesskostenhilfe.
Der 13. Zivilsenat - 1. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richterinnen am Oberlandesgericht und
am 10. November 2000
beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - W vom 20. Oktober 2000 in der Fassung des Teilabhilfebeschlusses vom 25. Oktober 2000 teilweise abgeändert.
Dem Beklagten wird zu den Bedingungen des Beschlusses des Amtsgerichts vom 25. Oktober 2000 Prozesskostenhilfe zur Verteidigung gegen die Klage insgesamt bewilligt.
Gründe:
Die gemäß § 127 Abs. 2 ZPO zulässige Beschwerde des Beklagten ist in vollem Umfang begründet. Seine beabsichtigte Rechtsverteidigung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 114 ZPO.
Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Finanzierung seiner im Sommer 1999 aufgenommenen (weiteren) Ausbildung.
Die nach den §§ 1601 ff. BGB bestehende Unterhaltspflicht der Eltern umfasst nach § 1610 Abs. 2 BGB auch die Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf. Geschuldet wird danach eine Berufsausbildung, die der Begabung und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den beachtenswerten Neigungen des Kindes am ehesten entspricht und sich in den Grenzen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern hält. Eltern, die ihrem Kind eine solche Berufsausbildung gewährt haben, sind daher nicht verpflichtet, auch noch die Kosten einer weitere Ausbildung zu tragen (vgl. BGH, NJW 95, 718; Kalthoener/Büttner, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 6. Aufl., Rnr. 322 ff.; Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 4. Aufl., § 2 Rnr. 56 ff. m.w.N.).
Abweichend von diesen an üblichen und objektiven Kriterien orientierten Grundsätzen können Eltern ausnahmsweise zur Finanzierung einer weiteren, zweiten Ausbildung verpflichtet sein, wenn die erste Ausbildung auf einer deutlichen Fehleinschätzung der Begabung des Kindes beruhte oder die Eltern das Kind gegen seinen Willen in einen unbefriedigenden, seiner Begabung und Neigung nicht hinreichend Rechnung tragenden Beruf gedrängt haben. Gleiches gilt, wenn dem Kind die angemessene Ausbildung versagt worden ist und es sich aus diesem Grund zunächst für einen Beruf entschieden hat, der seiner Begabung und seinen Neigungen nicht entspricht (vgl. BGH, MDR 2000, 217, 218).
Diese Voraussetzungen liegen ersichtlich nicht vor; hierauf beruft sich der Kläger auch nicht. Auch die vorgelegten Zeugnisse sprechen eher für eine Begabung des Klägers auf praktischem als auch theoretischem Gebiet.
Abgesehen von diesen eng begrenzten Ausnahmefällen kommt eine weitergehende Unterhaltspflicht der Eltern nur dann in Betracht, wenn die weitere Ausbildung zweifelsfrei als eine bloße in engem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stehende Weiterbildung zu dem bisherigen Ausbildungsweg anzusehen ist und von vorneherein angestrebt war oder während der ersten Ausbildung eine besondere, die Weiterbildung erfordernde Begabung deutlich wurde (vgl. BGH, NJW 1995, 718, 719). Insbesondere in einem Fall wie dem vorliegenden, wo das in Ausbildung befindliche Kind nach Erlangung des Hauptschulabschlusses zunächst eine Lehre erfolgreich absolviert, dann die Berufsaufbauschule und die Fachoberschule besucht und letztlich ein Studium anstrebt, ist darauf abzustellen, dass die einzelnen Ausbildungsabschnitte nur dann eine einheitliche, von den Eltern zu finanzierende Berufsausbildung darstellen, wenn schon zu Beginn der praktischen Ausbildung erkennbar eine Weiterbildung einschließlich eines Studiums angestrebt wird (vgl. BGH, FamRZ 1991, 320). Dieser Fall ist nicht vergleichbar mit der Ausbildungsvariante "Abitur-Lehre-Studium". Hat nämlich ein Kind auf dem herkömmlichen schulischen weg das Abitur und damit die Zugangsberechtigung zum Studium erlangt, müssen die Eltern regelmäßig von vorneherein mit einer Hochschulausbildung rechnen. Eine solche Vorausschau ergibt sich demgegenüber nicht ohne Weiteres in den Fällen, in denen das Kind nach Erreichen eines Hauptschulabschlusses eine Lehre erfolgreich abgeschlossen hat (vgl. BGH,NJW 1995, 718).
Vorliegend hat der Kläger nach seinen eigenen Angaben die weitere Ausbildung nicht von vorneherein angestrebt. Vielmehr hat er bereits in der Klageschrift vorgetragen, dass er sich mehr als ein Jahr nach Abschluss seiner Ausbildung zum Tischler (Gesellenprüfung 19. Juli 1997) auf Grund "einer Berufsberatung beim Arbeitsamt im November 1998" entschieden habe, seine Berufsausbildung durch den Besuch weiterführender Schulen fortzusetzen. Damit fehlte es offensichtlich an einem anfänglich gefassten einheitlichen Plan für die Ausbildung, denn der Kläger hat nicht bereits mit dem Eintritt in die praktische Ausbildung zum Tischler die Absicht verfolgt, nach deren Abschluss weiterführende Schulen zu besuchen und zu studieren, sondern diesen Plan erst ein gutes Jahr nach Beendigung der Lehre gefasst. Eine deutliche Begabung in theoretischer Hinsicht, die die schulische Weiterbildung nahelegte, hat sich weder in der Hauptschule noch in der anschließenden Lehre gezeigt; diese hat der Kläger zwar in der "Fertigkeitsprüfung" mit "gut", in der "Kenntnisprüfung" aber nur mit "ausreichend" bestanden.
Da der Kläger mit der abgeschlossenen Ausbildung zum Tischler über eine angemessene Vorbildung zu einem Beruf verfügt, die von beiden Eltern finanziert worden ist - der bis zum 11. Juli 1996 minderjährige Kläger hat im Haushalt des Beklagten gelebt und erhielt von diesem zumindest Betreuungsunterhalt, nach Erlangung der Volljährigkeit Naturalunterhalt zumindest in Bezug auf die Wohnungsgewährung; die Mutter zahlte Barunterhalt in Höhe von 202,96 DM in 1994 und 150,31 DM in 1995 -, ist der Beklagte nicht verpflichtet, eine auf einem späteren Entschluss des Klägers beruhende Weiterbildung zu finanzieren.
Von daher kommt es auch nicht darauf an, ob der im Zuge der Weiterbildung aufgenommene Besuch der Berufsaufbauschule der allgemeinen Schulbildung zuzurechnen ist, da hiermit bereits die Zweitausbildung begonnen wurde. Zudem führt der sich an eine abgeschlossene Berufsausbildung anschließende Besuch einer weiterführenden Schule nicht zu einem eigenen qualifizierten Berufsabschluss. Er ist lediglich notwendige Vorstufe zum Fachhochschulstudium (vgl. BGH, NJW 95, 718, 720).
Dem Beklagten war demgemäß insgesamt Prozesskostenhilfe zur Verteidigung gegen die Klage zu bewilligen.
Ende der Entscheidung
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