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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 24.06.2002
Aktenzeichen: 14 W 363/02
Rechtsgebiete: ZPO, ZSEG, GKG


Vorschriften:

ZPO § 407 a
ZPO § 413
ZSEG § 3
ZSEG § 4
ZSEG § 8
ZSEG § 16
GKG § 5
Ein Sachverständiger muß im Rahmen der ihm obliegenden Vorprüfung (§ 407 a ZPO) ihm bekannte Umstände offenbaren, die Zweifel an seiner Unbefangenheit wecken können (hier: frühere private Tätigkeit für einen Beteiligten). Versäumt er den gebotenen Hinweis und wird er deshalb später erfolgreich wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, so verwirkt er seinen Entschädigungsanspruch, auch wenn ihm nur einfache Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist.

Für die Vorprüfung nach § 407 a ZPO kann der Sachverständige in der Regel keine Entschädigung verlangen, wenn er die erforderlichen Feststellungen ohne nennenswerten Arbeitsaufwand treffen kann.


OBERLANDESGERICHT KOBLENZ BESCHLUSS

14 W 363/02

In dem selbständigen Beweisverfahren

wegen: Entschädigung abgelehnter Sachverständiger,

hier: Beschwerde gegen den Kostenansatz

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Kaltenbach, sowie die Richter am Oberlandesgericht Dr. Menzel und Weller am 24. Juni 2002

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Kläger werden der Beschluss des Landgerichts Mainz vom 29.4.2002 sowie der Kostenansatz der Landesjustizkasse gemäß der Kostenrechnung vom 4. März 2002 aufgehoben.

Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Die Kläger wenden sich gegen den Ansatz von Gerichtskosten in Höhe von 1.335,10 DM, die von der Staatskasse an die beiden im selbständigen Beweisverfahren bestellten, später mit Erfolg abgelehnten Sachverständigen K. und B. gezahlt wurden.

Mit der Rechnung vom 4. März 2002 hat die Landesjustizkasse unter Berücksichtigung dieser Kosten der Sachverständigen sowie der Vorausleistungen der Kläger einen Überschuss zugunsten der Kläger von 1.470,90 DM (752,06 €) ermittelt und diesen zur Rückzahlung angewiesen.

Die Kläger sind der Auffassung, den Sachverständigen K. und B. habe eine Entschädigung nicht zugestanden, weil sie ihren gesetzlichen Verpflichtungen nicht nachgekommen seien bzw. verwertbare Leistungen nicht erbracht hätten. Sie haben dazu im Laufe des Verfahrens umfangreich vorgetragen und die beiden Sachverständigen mit Erfolg abgelehnt. Gegen den Ansatz der Kosten des schließlich als Gutachter tätigen Prof. Dr. Sch. wenden sich die Kläger nicht.

Die Erinnerung der Kläger vom 11.4.2002 gegen den Ansatz der Kosten hat das Landgericht mit Beschluss vom 29.4.2002 (218 f. GA) zurückgewiesen. Die erfolgreiche Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit führe nicht zur Verwirkung des Vergütungsanspruches. Grob fahrlässiges Verhalten sei keinem der beiden Sachverständigen vorzuwerfen.

II.

Die Beschwerde der Kläger ist zulässig und begründet (§ 5 GKG).

Da die Prozessparteien an dem Verfahren gemäß § 16 ZSEG, das die Festsetzung der einem Sachverständigen zustehenden Entschädigung regelt, nicht beteiligt sind, haben sie im Prozess bzw. im Beweisverfahren kein eigenes Antragsrecht. Gegen gerichtliche Entscheidungen, mit denen die Vergütung des Sachverständigen festgesetzt und angewiesen wird, haben sie daher zunächst kein Erinnerungs- oder Beschwerderecht. Sie sind vielmehr darauf angewiesen, etwaige Einwendungen gegen die Entschädigung des Sachverständigen dadurch geltend zu machen, dass sie den gerichtlichen Kostenansatz angreifen (Meyer/Höfer/Bach, ZSEG, 20. Aufl., § 16 Rn. 4.3; Senat ZWS 1985, 106, 109).

Entgegen der Annahme des Landgerichts steht den Sachverständigen K. und B. die abgerechnete Vergütung von 974,40 DM bzw. 360,70 DM nicht zu.

Im Einzelnen:

1. Mit der Rechnung vom 19.7.2000 hat der Sachverständige K. eine Vergütung von 974,40 DM abgerechnet und gezahlt erhalten für das Studium von Akten, die Vorbereitung und Durchführung eines Ortstermins und Fahrtkosten.

Er hat nach dem Ortstermin im Zusammenhang mit dem Antrag auf Ablehnung eingestanden, dass er für die Antragsgegnerin bereits 1998 und 1999 als Berater tätig war. Anlässlich des Ortstermins habe er nicht darauf hingewiesen, weil ihm diese Tatsache bedauerlicherweise nicht gegenwärtig gewesen sei.

Das Landgericht meint, der Sachverständige verliere seinen Entschädigungsanspruch nur, wenn er grob fahrlässig seine Ablehnung verursacht habe. Unter ausführlicher Darlegung der Umstände meint es sodann, dass dem Sachverständigen lediglich ein leicht fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen sei.

Mit diesem Ansatz verkennt das Landgericht, dass es nicht darum geht, ob der Sachverständige einen Ablehnungsgrund herbeigeführt hat. Vielmehr liegt das Versäumnis des Sachverständigen K. im Vorfeld des Beginns seiner Tätigkeit als Sachverständiger.

Gemäß § 407 a ZPO hat der Sachverständige bei der Entgegennahme des Auftrages unverzüglich zu prüfen, ob dieser in sein Fachgebiet fällt. Ebenso hat er aber schon in diesem Verfahrensstadium auf einen in seiner Person möglicherweise liegenden Ablehnungsgrund hinzuweisen, damit die Parteien entscheiden können, ob sie gleichwohl die Begutachtung durch ihn wünschen. Verschweigt der Sachverständige derartige Umstände, so liegt hierin ein Übernahmeverschulden, das, wenn es sodann zur erfolgreichen Ablehnung führt, den Entschädigungsanspruch entfallen lässt (Zöller-Greger ZPO, 23. Aufl., § 413, Rn. 4 und 7).

Wie das Landgericht ausführt, ist der Sachverständige K. im Raum Mainz ständig in einer Vielzahl von Verfahren gerichtlich und außergerichtlich tätig. Gerade deshalb oblag es ihm selbst oder durch geeignete informatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass er nicht Aufträge übernahm, in denen er möglicherweise befangen sein könnte. Diese Prüfung unterlassen oder aber nicht sorgfältig genug durchgeführt zu haben, gereicht dem Sachverständigen zum Vorwurf. Da bereits leichte Fahrlässigkeit bei der Übernahme des Auftrags schadet, stand/steht ihm ein Entschädigungsanspruch nicht zu.

2. Auch der Sachverständige B. war nicht zu entschädigen.

Anders als der Sachverständige K. hat der Sachverständige B. alsbald nach seiner Benennung (15.8.2000) und nach Hinweis der Antragsgegnerin vom 31.8.2000 mit Schriftsatz vom 22.9.2000 darauf hingewiesen, dass er für die Antragsgegnerin die Sanierung eines Neubaus durchgeführt hat. Daraufhin wurde auch er wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Für die bis dahin entfaltete Tätigkeit hat der Sachverständige B. 360,64 DM in Rechnung gestellt und vergütet erhalten. Dies war nicht richtig.

Da Sachverständige gemäß § 3 Abs. 1 ZSEG für ihre Leistung entschädigt werden und diese Leistung typischerweise in der Erstattung des Gutachtens liegt, besteht Einigkeit darüber, dass einem Sachverständigen für die Vorprüfung, ob er das erbetene Gutachten erstatten kann, eine Entschädigung jedenfalls dann nicht zusteht, wenn er ohne erheblichen Arbeitsaufwand feststellen kann, dass das von ihm erwartete Gutachten Fragen betrifft, die außerhalb seines Fachgebietes liegen. In Ausnahmefällen kann eine Entschädigung dann gewährt werden, wenn die Vorprüfung in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht eine der Begutachtung vergleichbare Leistung darstellt, beispielsweise wenn der Sachverständige eine fundierte Kostenschätzung mit erheblichem Zeitaufwand vornehmen soll (OLG Köln Rpfleger 1993, 375; BGH, Beschluss vom 23.4.2002 - X ZR 83/01 - Bundespatentgericht; Stein-Jonas-Leipold, § 413, Rn 2).

Nach diesen Grundsätzen ist nicht erkennbar, dass der Sachverständige B. eine entschädigungspflichtige Leistung erbracht hätte. Mit der Rechnung vom 16.10.2000 begehrt er Vergütung für 2,5 Arbeitsstunden und zwar für die Bestätigung des Akteneingangs, das Schreiben von Einladungen zum Ortstermin, das Einlesen in die Akten und die Rücksendung der Akten. Bei diesen Tätigkeiten handelt es sich um die typische, von jedem Sachverständigen auch bei privater Begutachtung vorzunehmende Vorprüfung, ob er den Auftrag überhaupt übernehmen kann. Eine "Leistung", für die eine Vergütung geschuldet würde, ist darin nicht zu sehen.

III.

Aufgrund vorstehender Ausführungen ist die Gerichtskostenrechnung der Landesjustizkasse vom 4. März 2002 wie folgt richtig zu stellen:

Gerichtskosten 327,50 DM zuzüglich Kosten Sachverständiger Sch. 3.021,50 DM abzüglich Zahlung der Kläger 6.155,00 DM Überschuss/Guthaben der Kläger 2.806,00 DM.

Der den Klägern zustehende Überschussbetrag erhöht sich daher von 752,06 € auf 1.434,68 €.

Die Beschwerde der Kläger hat somit Erfolg; der Kostenansatz sowie der die Erinnerung zurückweisende Beschluss des Landgerichts sind aufzuheben. Der Ausspruch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt aus § 5 Abs. 6 GKG.

Ende der Entscheidung

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