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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 01.09.2009
Aktenzeichen: 14 W 553/09
Rechtsgebiete: RVG
Vorschriften:
RVG § 15a | |
RVG § 60 Abs. 1 S. 1 |
2. Der Gesetzgeber wollte mit der Einführung des § 15a RVG im Kern eine Rechtsprechung bei aus seiner Sicht unveränderter Gesetzeslage ändern und nicht das Gesetz selbst, so dass § 60 Abs. 1 S. 1 RVG nicht anwendbar ist (ebenso OLG Stuttgart v. 11.08.2009, 8 W 339/09 gegen LAG Hessen v. 07.07.2009, 13 Ta 320/09).
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ BESCHLUSS
Hinweis: Der Senat hat die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zugelassen.
Geschäftsnummer: 14 W 553/09
In Sachen wegen Kostenfestsetzung
hier: Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr Der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Kaltenbach sowie die Richter am Oberlandesgericht Weller und Goebel ohne mündliche Verhandlung am 01.09.2009 beschlossen: Tenor: 1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichtes Koblenz vom 26.02.2009 teilweise geändert. Die von den Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten werden auf 1.224,60 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag von 1.224,60 EUR seit dem 28.01.2009 festgesetzt. 2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Im übrigen tragen die Beklagten die Kosten des Beschwerdeverfahrens. 3. Der Beschwerdewert wird auf 305,15 EUR festgesetzt. 4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen. Gründe: I.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. 1. Gegen die Form und Frist der Beschwerde sind keine Einwendungen zu erheben. Wie nachfolgend zu zeigen sein wird, übersteigt der Beschwerdewert die maßgebliche Grenze des § 567 Abs. 2 ZPO. 2. Der angefochtene Beschluss ist schon deshalb zu ändern, weil der Rechtspfleger zumindest bei seiner Nichtabhilfeentscheidung die jüngste Rechtsprechung des Senates zur Anrechnung der Geschäftsgebühr bei Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht berücksichtigt hat (Senat v. 23.06.2009, 14 W 380/09). Tatsächlich kommt es hierauf allerdings nicht mehr an, weil aufgrund der Einführung des § 15a RVG der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr die Grundlage entzogen ist. 3. Im vorliegenden Verfahren ist die Geschäftsgebühr nach § 15a Abs. 2 RVG in der Fassung vom 04. August 2009 (BGBl. I 2009, 2449, 2470, Art 7 Abs. 4 Nr. 3) im Kostenfestsetzungsverfahren nicht mehr anzurechnen. Die Vorschrift ist nach Art 10 S. 2 des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften am Tage nach der Verkündung und somit am 05. August 2009 in Kraft getreten. § 15a Abs. 1 RVG regelt das Innenverhältnis zwischen Anwalt und Auftraggeber. Es wird klargestellt, dass aufeinander anzurechnende Gebühren zunächst unabhängig voneinander in voller Höhe entstehen. Der Anwalt kann grundsätzlich jede abzurechnende Gebühr in vollem Umfang geltend machen. Allerdings bewirkt die Zahlung einer Gebühr, dass im Umfang der Anrechnung die andere Gebühr erlischt. Dem Anwalt stehen nicht beide Gebühren zu, sondern insgesamt nur der um die Anrechnung verminderte Gesamtbetrag. Im vorliegenden Fall ist eine Geschäftsgebühr angefallen, wobei dahinstehen kann, ob nach Nr. 2300 VV RVG oder nach Nr. 2503 VV RVG. Ebenso unstreitig ist im Rechtsstreit eine 1,3-Verfahrensgebühr entstanden. In beiden Fällen (Nr. 2300 oder Nr. 2503 VV RVG) sieht das Gesetz eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr des nachfolgenden Rechtsstreites vor (Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG und Nr. 2503 Abs. 2 VV RVG). Nach § 15a Abs. 1 RVG kann der Rechtsanwalt nunmehr jede Gebühr zunächst ungekürzt fordern, was zur Konsequenz hat, dass im Kostenfestsetzungsverfahren die Geschäftsgebühr nicht mehr auf die Verfahrensgebühr anzurechnen ist. § 15a Abs. 2 RVG schränkt das Forderungsrecht allerdings auf Einwand eines Dritten, im Verhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und dem Mandanten also des erstattungspflichtigen Prozessgegners, ein. Danach kann sich ein Dritter auf die Anrechnung berufen, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat, wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Dass die Beklagten die außergerichtlich bei der Klägerin angefallene Geschäftsgebühr beglichen haben, wird nicht behauptet. Ausweislich der Klageschrift sowie der weiteren bestimmenden Schriftsätze und der Schadensberechnungen (Bl. 2, 3, 64, 93, 94, 132-135 GA) ist die Geschäftsgebühr im vorliegenden Verfahren auch nicht geltend gemacht worden. Es besteht auch kein Anhalt, dass die Geschäftsgebühr bereits in dem verfahrensbeendenden Vergleich mit tituliert wurde. Die von dem Vergleich erfassten Ansprüche hat der Bevollmächtigte der Beklagten in seinem Schriftsatz vom 15.08.2008 zusammengefasst (Bl. 133 GA). Die Geschäftsgebühr hat hier keine Erwähnung gefunden Die Regelung des § 15a RVG findet nach Auffassung des Senates in allen noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Kostenfestsetzungsverfahren Anwendung, da sie am 05.08.2009 unmittelbar in Kraft getreten ist (ebenso OLG Stuttgart v. 11.08.2009, 8 W 339/09; OVG Nordrhein-Westfalen v. 11.08.2009, 4 E 1609/08; a.A. LAG Hessen v. 07.07.2009, 13 Ta 302/09) § 60 Abs. 1 RVG steht einer solchen Sichtweise nicht entgegen. Nach § 60 RVG ist die Vergütung nach bisherigem Recht zu berechnen, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit im Sinne des § 15 RVG vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung erteilt oder der Rechtsanwalt vor diesem Zeitpunkt gerichtlich bestellt oder beigeordnet worden ist. Dem reinen Wortlaut folgend, wäre für die Anwendung des § 15a RVG damit auf den Zeitpunkt der Erteilung des Auftrages abzustellen, wobei an dieser Stelle dahin stehen könnte, ob auf den die Geschäftsgebühr oder den die Verfahrensgebühr auslösenden Zeitpunkt der Auftragserteilung abzustellen ist. Es kann aber nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, dass die in § 15a RVG niedergelegten Grundsätze von Anfang an seiner Intension entsprochen haben und aus seiner Sicht der Bundesgerichtshof (BGH NJW 2008, 1323, Tz. 6 ff., BGH WuM 2008, 618, Tz. 4; BGH NJW-RR 2008, 1095, Tz. 4; BGH AGS 2008, 441; BGH AGS 2008, 377 jeweils m.w.N.) einer vom wahren Willen des Gesetzgebers abweichenden Auslegung den Vorzug gegeben hat (BT-Drks. 16/12717, S. 67/68). Ziel der Einführung von § 15a RVG war also nicht eine Änderung des Gesetzes, sondern eine Änderung der Rechtsprechung. Der Gesetzgeber wollte den unverändert vorhandenen Begriff der Anrechnung klären (BT-Drks. 16/12717, S. 68). Der Gesetzgeber führt wörtlich aus: "Da die Geschäftsgebühr für die außergerichtliche Vertretung nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr für die Vertretung im Prozess anzurechnen ist, mindert sich der Anspruch auf die Erstattung der Verfahrensgebühr entsprechend. Eine kostenbewusste Partei müsste deshalb die außergerichtliche Einschaltung eines Rechtsanwaltes ablehnen und ihm stattdessen sofort Prozessauftrag erteilen. Soweit Rahmengebühren anzurechnen sind, wird das Kostenfestsetzungsverfahren überdies mit einer materiell-rechtlichen Prüfung belastet, für die es sich nicht eignet. Beides läuft unmittelbar den Absichten zuwider, die der Gesetzgeber mit dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz verfolgt hat." (Hervorhebung durch den Senat) Wollte aber der Gesetzgeber mit der Einführung des § 15a RVG im Kern eine Rechtsprechung bei aus seiner Sicht unveränderter Gesetzeslage ändern und nicht das Gesetz selbst, so ist dieser Fall von § 60 Abs. 1 S. 1 RVG nicht erfasst (im Ergebnis ebenso OLG Stuttgart v. 11.08.2009, 8 W 339/09; OVG NRW v. 11.08.2009, 4 E 1609/08; Hansens, AnwBl. 2009, 535; Schons, AGS 2009, 216; Kallenbach, AnwBl. 2009, 442). Die abweichende Auffassung des LAG Hessen (v. 07. Juli 2009, 13 Ta 302/09) überzeugt den Senat nicht. Eine solche Sichtweise ist auch im Ergebnis sachgerecht, weil sie einen von der Praxis einhellig als unbefriedigend erachteten Zustand beseitigt und eine klare Zäsur schafft, statt über Jahre eine gesplittete Kostenfestsetzung mit der jeweils erforderlichen Feststellung der Auftragserteilung und den hierbei auftretenden weiteren Streitfragen zu belasten. Die Berechnung der Kosten im vorliegenden Fall ergibt sich nach diesen Rechtsgrundsätzen wie folgt:
Zu erstattende Gerichtskosten | 164,25 EUR | |
Außergerichtliche Kosten | ||
Kosten der Klägerseite | ||
1,3 Verfahrensgebühr aus 13.000 EUR | 683,80 EUR | |
1,2 Terminsgebühr aus 13.000 EUR | 631,20 EUR | |
1,0 Einigungsgebühr aus 13.000 EUR | 526,00 EUR | |
Auslagenpauschale | 20,00 EUR | |
Zwischensumme | 1.861,00 EUR | |
zzgl. 19% Umsatzsteuer | 353,59 EUR | |
Gesamtbetrag | 2.214,59 EUR | |
zzgl. Kosten der Beklagtenseite | 2.402,37 EUR | |
Außergerichtliche Kosten insgesamt | 4.616,96 EUR | |
Hiervon hat die Klägerseite 25% zu tragen | 1.154,24 EUR | |
die eigenen Ausgleichsfähigen Kosten betragen | 2.214,59 EUR | |
so dass zu erstatten sind | 1.060,35 EUR | 1.060,35 EUR |
Insgesamt sind damit zu erstatten | 1.224,60 EUR |
4. Die Kostenentscheidung folgt Nr. 1812 GKG-KV und § 91 ZPO.
5. Die Rechtsbeschwerde war gem. § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2, Abs. 3 Satz 1 ZPO zuzulassen, da die Anwendung des § 15a RVG auf "Altfälle" bislang höchstrichterlich nicht entschieden wurde, die Rechtssache damit grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts sowie die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Hinblick auf den Beschluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 7. Juli 2009, Az. 13 Ta 302/09, eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
Ende der Entscheidung
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