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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 05.06.2001
Aktenzeichen: 2 Ss 156/01
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 263
Leitsatz:

Zur Frage des Vermögensschadens beim Gebrauchtwagenkauf im Falle der Täuschung über die Unfallfreiheit und die Anzahl der Vorbesitzer.


2 Ss 156/01 1003 Js 3082/00 StA Bad Kreuznach

In der Strafsache

wegen Betrugs

hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Vonnahme sowie die Richter am Oberlandesgericht Mertens und Henrich am 5. Juni 2001 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Tenor:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 3. kleinen Strafkammer des Landgerichts Bad Kreuznach vom 5. Februar 2001 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bad Kreuznach zurückverwiesen.

Gründe:

Das Amtsgericht Idar-Oberstein hat den Angeklagten am 5. September 2000 wegen Betrugs zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 100 DM verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das Landgericht Bad Kreuznach durch Urteil vom 5. Februar 2001 als unbegründet verworfen. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der bei dem Autohaus Kröninger in Birkenfeld beschäftigte Angeklagte dem Käufer Sch. beim Verkauf eines Werksfahrzeugs Audi A 6 zum Kaufpreis von 39.800 DM wider besseres Wissen verschwiegen, dass es sich um ein Unfallfahrzeug handelte und auf einen zweiten Halter nach der Firma Audi zugelassen war. Den Verkehrswert (Händlerverkaufswert) des Fahrzeuges hat die Strafkammer mit ca. 39.500 DM festgestellt. Zu der Frage, ob dem Käufer Sch. ein Vermögensschaden entstanden ist, hat die Strafkammer ausgeführt: "Auf dieser Grundlage ist festzustellen, dass der Kaufpreis, den Sch. gezahlt hat, in etwa dem wahren Wert des Fahrzeugs entspricht. Nach dieser Betrachtungsweise wäre ein Schaden nicht gegeben. Gleichwohl ist von einem Vermögensschaden auszugehen. Es ist nämlich der Wert des geschuldeten Fahrzeugs dem Wert des gelieferten Fahrzeugs gegenüberzustellen. Sch. hatte Anspruch auf Lieferung eines unfallfreien Wagens, der lediglich auf das Werk zugelassen war. Erhalten hat er einen Wagen mit zwei Haltern, der unfallbeschädigt war und zudem noch unsachgemäß repariert worden war. Durch die Entgegennahme dieses minderwertigen Wagens, dessen Wert sich auf rund 39.500 DM beläuft, hat er seinen Erfüllungsanspruch auf Lieferung eines Wagens, der 43.500 DM wert ist, aufgegeben. Deswegen beläuft sich sein Schaden auf rund 4.000 DM (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 50. Auflage, § 263 Rndr. 33)". Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

Das Rechtsmittel hat auf die Sachrüge hin einen zumindest vorläufigen Erfolg. Die von der Strafkammer getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung wegen Betrugs nicht. Ein Vermögensschaden des Käufers Sch. ist nicht hinreichend festgestellt.

Der Betrug ist kein bloßes Vergehen gegen die Wahrheit und das Vertrauen im Geschäftsverkehr, sondern eine Vermögensstraftat. Nicht die Täuschung an und für sich, sondern die vermögensschädigende Täuschung ist strafbar (vgl. BGHSt 16, 220, 221). Demgemäß erleidet der Kunde, der beim Kauf eines Gebrauchtwagens über Umstände, die den Verkehrswert (Marktwert) des Fahrzeugs maßgeblich mitbestimmen, getäuscht und dadurch zum Kaufabschluss bewogen wird, einen Schaden regelmäßig nur dann, wenn das Fahrzeug objektiv den vereinbarten Preis nicht wert ist. Für die Schadensbewertung ist grundsätzlich die objektive Sicht eines sachlichen Beurteilers maßgebend, die sich nicht an der Schadensbewertung des Getäuschten, sondern an den Marktverhältnissen auszurichten hat. Für einen Vermögensschaden reicht es nicht aus, dass der Käufer ohne die Täuschung durch den Verkäufer den Vertrag nicht abgeschlossen hätte; denn durch den Betrugstatbestand wird lediglich das Vermögen, nicht aber die Verfügungsfreiheit geschützt. Sind bei objektiv-abstrakter Betrachtung Leistung und Gegenleistung gleichwertig, kann ein Schaden im Sinne des Betrugstatbestandes nur vorliegen, wenn die Leistung, die der Täuschende erbringt, nach der Beurteilung eines sachkundigen, objektiven Beobachters für den Getäuschten nicht oder nicht in vollem Umfang zu dem vertraglich vorausgesetzten Zweck brauchbar ist und er sie auch nicht in anderer zumutbarer Weise verwenden kann (vgl. BGH a.a.O.; St 16, 321; BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 12; OLG Düsseldorf JZ 1996, 913; NJW 1991, 1841; OLG Hamm StV 1993, 76; BayObLG NJW 1987, 2452; OLG Karlsruhe NJW 1980, 1762; Tröndle/Fischer StGB, 50. Auflage § 263, Rnr. 35). Ein Vermögensschaden in diesem Sinne kann gegeben sein, wenn der Käufer aufgrund ganz besonderer individueller Bedürfnisse auf einen PKW mit besonderen Eigenschaften erkennbar großen Wert legt. Dies kann die Minderwertigkeit der Gegenleistung trotz eines an sich angemessenen Marktpreises ausnahmsweise begründen. Es muss sich dabei allerdings um ganz spezielle individuelle Bedürfnisse des Käufers handeln, die über das in der Regel bei jedem Gebrauchtwagenkäufer vorhandene allgemeine Interesse hinausgehen, ein unfallfreies Fahrzeug bzw. ein Fahrzeug mit nur einem Vorbesitzer zu erwerben (vgl. OLGe Düsseldorf und Hamm, jeweils a.a.O.). Dies folgt schon daraus, dass die Unfallfreiheit und die Anzahl der Vorbesitzer bei jedem Gebrauchtwagen ohnehin maßgeblich wertbestimmende Faktoren für den Marktpreis darstellen.

Diesen Anforderungen zur Feststellung eines Vermögensschadens wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Das sachverständig beratene Landgericht hat den Verkehrswert mit ca. 39.500 DM festgestellt. Es hat dabei alle maßgeblichen Faktoren berücksichtigt, so insbesondere auch den merkantilen Minderwert (für die Tatsache eines Unfallschadens), einen technischen Minderwert (der Unfallschaden war nicht korrekt behoben) sowie die Tatsache, dass das Fahrzeug vor dem Käufer Sch. bereits zwei Halter (und nicht nur einen) hatte. Damit entspricht der Verkehrswert dem Kaufpreis. Die Differenz von 300 DM, die unter 1 % des Kaufpreises liegt, ist zu vernachlässigen, da der Marktwert eines Gebrauchtwagens keine absolut feste Größe ist und immer eine gewisse Spannbreite aufweist.

Die von dem Landgericht angestellten Erwägungen vermögen die Strafbarkeit wegen Betrugs nicht zu begründen. Vorliegend geht es nicht um einen Erfüllungs-, sondern um einen Eingehungsbetrug. Auf das Erfüllungsgeschäft darf nicht abgestellt werden, da dies den Betrugstatbestand verändern würde (vgl. BGHSt 16, 220, 224).

Nach allem ist das angefochtene Urteil auf die Sachrüge hin, ohne dass es auf die erhobene Verfahrensrüge ankäme, aufzuheben. Ein Freispruch durch den Senat scheidet aus. Das Landgericht hat keinerlei Feststellungen zu einem evtl. persönlichen Schadenseinschlag bei dem Käufer Sch. getroffen. Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass eine erneute Hauptverhandlung insoweit zu weitergehenden Erkenntnissen führt.

Ende der Entscheidung

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