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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 26.10.2000
Aktenzeichen: 2 Ss 220/00
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 206 a
StPO § 467 I
StPO § III 2 Nr. 2
Leitsatz:

Nach dem Tod des Angeklagten ist das Strafverfahren nicht von selbst beendet. Hierzu bedarf es vielmehr eines Beschlusses nach § 206 a StPO. Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse. Die notwendigen Auslagen werden ihr nicht auferlegt, wenn der Angeklagte während des Revisionsverfahrens verstirbt und seine Revision offensichtlich unbegründet gewesen wäre.


Geschäftsnummer: 2 Ss 220/00 2040 Js 15525/99 - 29 Cs 837/99 - StA Koblenz

In der Strafsache

gegen

R. W. M.,

- Verteidiger: Rechtsanwalt Dr. P. -

wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr

hier: Einstellung des Verfahrens wegen Todes des Angeklagten

hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Vonnahme sowie die Richter am Oberlandesgericht Pott und Henrich

am 26. Oktober 2000 beschlossen:

Tenor:

1. Das Verfahren wird eingestellt.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse.

3. Die notwendigen Auslagen des Angeklagten werden der Staatskasse nicht auferlegt.

Gründe:

Das Amtsgericht Koblenz verurteilte den Angeklagten am 26. Juni 2000 wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 35 Tagessätzen zu je 40 DM. Ferner entzog es ihm die Fahrerlaubnis, zog seinen Führerschein ein und wies die Verwaltungsbehörde an, ihm vor Ablauf von drei Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Gegen das Urteil legte der Angeklagte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 27. Juni 2000 Berufung ein. Mit weiterem Schriftsatz vom 28. Juli 2000 ließ er erklären, das Rechtsmittel solle als Revision durchgeführt werden. Mit Zuschrift vom 13. September 2000 beantragte die Generalstaatsanwaltschaft deren Verwerfung gemäß § 349 Abs. 2 StPO. Mit Eingabe vom 15. September 2000 hat der Verteidiger nunmehr beantragt, das Verfahren gemäß § 206 a StPO einzustellen und die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen, da sein Mandant zwischenzeitlich verstorben sei. Zum Beleg hat er die Ablichtung einer Sterbeurkunde der Stadt Koblenz vom 28. August 2000 nachgereicht, wonach der Angeklagte am 27. August 2000 verstorben ist.

Nach dem Tod des Angeklagten war das Verfahren durch förmlichen Beschluss gemäß § 206 a StPO einzustellen. Die Frage, ob es im Falle des Todes eines Angeklagten eines konstitutiven, förmlichen Beschlusses nach § 206 a StPO bedarf oder ob das Verfahren ohne förmliche Einstellung von selbst beendet ist, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten (vgl. zum Meinungsstreit Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., § 206 a Rdnr. 8). Der Senat schließt sich insoweit dem Bundesgerichtshof an, der unter Aufgabe früherer Rechtsprechung (BGHSt 34, 184) nunmehr der ersten Meinung beigetreten ist (vgl. Beschluss vom 8. Juni 1999 - 4 StR 595/97 - abgedruckt in NJW 1999, 3644). Für das Erfordernis eines konstitutiven Beschlusses spricht neben den weiteren vom Bundesgerichtshof angeführten Erwägungen insbesondere das Argument, dass eine förmliche, der Rechtskraft fähige Einstellung den Erfordernissen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit Rechnung trägt. Außerdem muss ein Rechtsmittel zulässig sein (§ 206 a Abs. 2 StPO), wenn etwa die an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten nach den Umständen des Falles Zweifel am Tod eines Angeklagten haben. Ginge man von einer Selbstbeendigung des Verfahrens aus, stünde etwa dem Staatsanwalt, der im Gegensatz zum Richter derartige Zweifel hegt, kein Rechtsmittel gegen dessen Unterlassen zu, das Verfahren weiter zu betreiben; eine reine Untätigkeitsbeschwerde ist der StPO fremd (vgl. BGH, a.a.0.; Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.0., § 304 Rdnr. 3). Schließlich ermöglicht es die förmliche Einstellung nach § 206 a StPO, dass zu treffende Nebenentscheidungen über Kosten-, Auslagen- und Entschädigungsregelungen letztlich nicht dem Zufall überlassen bleiben (vgl. BGH, a.a.0.).

Der Senat hält an seiner früheren, unter anderem auf die jetzt aufgegebene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHSt 34, 184) gestützten Auffassung, wonach ein Strafverfahren durch den Tod des Angeklagten ohne förmliche Einstellung beendet wird (vgl. Beschluss vom 29. Oktober 1996 - 2 Ws 724/96 -), nicht mehr fest.

Das angefochtene Urteil ist damit gegenstandslos. Der Aufhebung bedarf es nicht (vgl. BGH in wistra 1999, 426).

Die Verfahrenskosten waren gemäß § 467 Abs. 1 StPO der Staatskasse aufzuerlegen.

Gemäß § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO hat der Senat jedoch davon abgesehen, der Staatskasse auch die notwendigen Auslagen des Angeklagten aufzuerlegen. Voraussetzung der Freistellung der Staatskasse von den notwendigen Auslagen eines Angeklagten ist, dass er ohne das Vorliegen des Verfahrenshindernisses (hier Tod des Angeklagten) mit Sicherheit rechtskräftig verurteilt worden wäre (vgl. Franke in Karlsruher Kommentar, StPO, 4. Aufl., § 467 Rdnr. 10 a; OLG Köln in NJW 1991, 506, 507). Hiervon geht der Senat aus. Denn dass der Angeklagte eine Trunkenheitsfahrt im Sinne des § 316 StGB begangen hat, steht nach den insoweit fehlerfreien Feststellungen des Amtsgerichts Koblenz in dem Urteil vom 26. Juni 2000 fest. Ob diese Feststellungen auch die Annahme einer Vorsatztat tragen, kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, da gemäß § 316 Abs. 2 StGB die fahrlässige Begehungsweise ebenfalls unter Strafe gestellt ist. Der Senat teilt auch die Auffassung des Amtsgerichts, dass Strafklageverbrauch im Hinblick auf den rechtskräftig gewordenen Strafbefehl vom 8. Juli 2000 (2010 Js 27116/99 StA Koblenz) nicht eingetreten ist. Ein und dieselbe Tat im Sinne des § 264 StPO, die zum Strafklageverbrauch geführt hätte, hätte nur dann vorgelegen, wenn die mit dem Strafbefehl geahndeten und die in dem Erkenntnis vom 26. Juni 2000 abgeurteilten Handlungen nicht nur äußerlich ineinander übergegangen wären, sondern wenn sie nach den ihnen zugrunde liegenden Ereignissen bei natürlicher Betrachtung unter Berücksichtigung ihrer strafrechtlichen Bedeutung auch innerlich derart unmittelbar miteinander verknüpft gewesen wären, dass der Unrechts- und Schuldgehalt der einen Handlung nicht ohne die Umstände, die zu der anderen Handlung geführt haben, richtig hätte gewürdigt werden können und ihre getrennte Würdigung und Aburteilung in verschiedenen Verfahren als unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorgangs empfunden worden wäre (vgl. BGHSt 35, 14, 17). Dies ist indes hier nicht der Fall. Denn die von der Verteidigung hierzu vorgetragene, für Strafklageverbrauch sprechende Version, zu der Trunkenheitsfahrt sei es gekommen, nachdem der Angeklagte nach einem Streit mit dem Zeugen Cakir in dessen Gaststätte (Gegenstand des Strafbefehls) von diesem mit einem Messer bedroht worden sei und deshalb in Panik mit seiner Ehefrau die Flucht zu seinem Fahrzeug ergriffen habe, ist von den hierzu vernommenen Zeugen weder in deren polizeilicher Vernehmung noch in der Hauptverhandlung bestätigt worden.

Tritt - wie hier - das Hindernis erst nach Erlass eines mit zulässiger Revision angefochtenen auf Verurteilung lautenden Urteils ein, und ergibt die allgemeine Überprüfung durch das Revisionsgericht, dass die gegen das Urteil geführten Angriffe offensichtlich unbegründet sind, so besteht in der Regel kein Anlass, die Auslagen des Beschwerdeführers ganz oder auch nur teilweise der Staatskasse zu überbürden (vgl. Hilger in Löwe/Rosenberg, StPO, 25. Auflage, § 467 Rdn. 58; BGH in wistra 1999, 426).

Ende der Entscheidung

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