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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 28.03.2000
Aktenzeichen: 2 Ss 296/99
Rechtsgebiete: LPG RP


Vorschriften:

LPG RP § 19 II Nr. 2
Leitsatz:

Zur Verlegereigenschaft nach dem Landespressegesetz RP


Geschäftsnummer: 2 Ss 296/99 2010 Js 36070/98 - 8 Cs - StA Koblenz

In der Strafsache

gegen

M. H., geboren am 18............ in K.,

- Verteidiger: Rechtsanwalt B., wegen Vergehens nach dem Landespressegesetz

hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Vonnahme sowie die Richter am Oberlandesgericht Pott und Henrich am 28. März 2000 einstimmig gemäß § 349 Abs. 4 StPO

beschlossen:

Tenor:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts - Strafrichter - Neuwied vom 29. Juni 1999 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Neuwied zurückverwiesen.

Gründe:

Mit Urteil vom 29. Juni 1999 verwarnte das Amtsgericht - Strafrichter - Neuwied den Angeklagten wegen fahrlässiger Verletzung seiner Aufsichtspflicht als Verleger (§ 19 Abs. 2 Nr. 2 LPG). Die Festsetzung einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 100 DM blieb vorbehalten. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts ist der Angeklagte seit spätestens Anfang 1996 Mitgesellschafter des Verlages "S. GmbH" in Neuwied, an dem er 33 % des Gesellschaftskapitals hält. Während er zu ca. 75 % seiner Arbeitszeit in seinem Beruf als Bauingenieur tätig ist, übt er für den genannten Verlag derzeit eine beratende Tätigkeit aus. Geschäftsführer ist der Schriftsteller T. H. H.. H. ist Verfasser eines Esotherikromans mit dem Titel "J. d. S.", welcher in vorbezeichnetem Verlag erschien und zwischen dem 20. März 1996 und dem 3. März 1997 in einer Gesamtmenge von 224 Exemplaren ausgeliefert wurde. In dem Buch wird die Massenvernichtung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft gerechtfertigt und verharmlost, indem die Opfer des Holocaust letztlich zu Tätern erklärt werden, die durch den erlittenen Tod von in früherem Leben begangenem Unrecht aufgrund ausgleichender Gerechtigkeit Befreiung erlangten. Wegen des Buchinhalts im Einzelnen wird Bezug genommen auf die in den Urteilsgründen wiedergegebenen Passagen. An dem Buch, das "mit Wissen und Billigung des Angeklagten" erschien, war dieser im Wesentlichen wie folgt beteiligt (S. 3/4 U.A.):

"a) Anfrage bei der Druckerei in Augusburg zum Druckpreis,

b) Weiterleitung einer Anfrage dieser Druckerei an den Verlag, ob das Buch eventuell einen strafbaren Inhalt (nationalsozialistische Verherrlichung) habe, an den Autor und Geschäftsführer H. zur Beantwortung am 11. Januar 1997,

c) Einverständnis, dass das Buch vom Verlag S. GmbH herausgegeben wird,

d) Werbung für das Buch im Verlagsprospekt und

e) Vertrieb des Buches an die genannten Abnehmer."

Das Amtsgericht hat in dem Inhalt des Buches den Tatbestand der Volksverhetzung nach § 130 StGB als erfüllt angesehen. Aus der festgestellten Art der Beteiligung des Angeklagten am Erscheinen und Verbreiten des Druckwerks hat es darauf geschlossen, dass dieser - neben H. - Verleger im presserechtlichen Sinne sei; als solcher sei er seiner Aufsichtspflicht in fahrlässiger Weise nicht nachgekommen (§ 19 Abs. 2 Nr. 2 LPG). Gegen das Urteil hat der Angeklagte Revision eingelegt, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts geltend macht.

Das in zulässiger Weise angebrachte Rechtsmittel hat in der Sache einen jedenfalls vorläufigen Erfolg. Die Revision dringt mit der Verfahrensrüge durch, das Amtsgericht habe das Urteil auf das Buch "J. d. S." gestützt, dessen Inhalt jedoch als "schlicht bekannt" vorausgesetzt, ohne ihn zum Gegenstand der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung gemacht zu haben. Der dem Senat im Freibeweisverfahren zugängliche Akteninhalt bestätigt die Richtigkeit des Vorbringens. So verhalten sich die Sitzungsniederschriften vom 22. und 29. Juni 1999 zu einer irgendwie gearteten Einführung des Buches in die Hauptverhandlung nicht. Der Vorsitzende hat in seiner dienstlichen Stellungnahme vom 17. Januar 2000 eingeräumt, dass eine Verlesung nicht vorgenommen worden sei. Allerdings sei der Inhalt des Buches "im Rahmen einer rechtlichen Erörterung angesprochen worden". Der Annahme, dass auf diesem Wege alle in dem Urteil zitierten umfangreichen Passagen durch etwaigen, nicht in das Protokoll aufzunehmenden Vorhalt in das Verfahren eingeführt worden sein könnten (vgl. Urteil des Senats vom 12. Januar 1998 - 2 Ss 358/97 - m.w.N.), steht indes nicht nur das Revisionsvorbringen entgegen, wonach das Buch dem Angeklagten "nicht vorgehalten" und auch sonst "in keiner Weise zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht" worden sei. Vielmehr hat auch die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft auf Nachfrage erklärt, das Buch sei in der Hauptverhandlung nicht verlesen worden und sie könne sich auch an Vorhalte nicht erinnern. Sind aber die im Urteil getroffenen Feststellungen nicht durch die in der Hauptverhandlung selbst verwendeten Beweismittel und nicht durch Vorgänge gewonnen worden, die zum Inbegriff der Hauptverhandlung gehören, kann das Urteil wegen Verletzung des § 261 StPO keinen Bestand haben (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., § 261 Rdnr. 38 a). Gemäß § 354 Abs. 2 StPO hat der Senat die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Neuwied zurückverwiesen.

Für die neuerliche Entscheidung ist darauf hinzuweisen, dass der Senat die Auffassung des Amtsgerichts teilt, wonach H. mit dem Buch "J. d. S." die Leiden der Holocaust-Opfer verharmlost, das Andenken der unter der nationalsozialistischen Herrschaft ermordeten Juden verunglimpft und mit der Herausgabe und Verbreitung des Romans den Tatbestand der Volksverhetzung (§ 130 Abs. 2 bis 4 StGB) erfüllt hat, ohne sich auf die grundrechtlich geschützte Meinungsfreiheit bzw. auf die Freiheit von Kunst, Wissenschaft, Forschung und Lehre oder auf Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit (Art. 4 und 5 GG) berufen zu können.

Der Angeklagte könnte in diesem Zusammenhang aber allenfalls dann nach § 19 Abs. 2 Nr. 2 LPG bestraft werden, wenn er nicht schon nach den allgemeinen Strafgesetzen als Täter oder Teilnehmer an der Tat H.s anzusehen wäre. Diese Bestimmung ist schon nach ihrem Wortlaut subsidiärer Natur. Ist ein Verleger unmittelbar als Täter oder Teilnehmer des durch sein Verhalten ermöglichten Pressedelikts zu bestrafen, ist sie nicht (mehr) anwendbar (vgl. Löffler, Presserecht, 4. Aufl., LPG § 20 Rdnr. 150, 151). Demzufolge wird das Amtsgericht zunächst zu prüfen haben, ob der Angeklagte wegen Beihilfe zu der von H. begangenen Volksverhetzung nach den §§ 27, 130 Abs. 2 bis 4 StGB zu bestrafen ist. Wenn der Angeklagte das Buch selbst auch nicht gelesen hatte, wusste er um dessen mögliche strafrechtliche Relevanz zumindest aus der von ihm an H. zur Beantwortung weitergeleiteten Anfrage der Druckerei, ob das Buch wegen nationalsozialistischer Verherrlichung einen strafbaren Inhalt haben könne. Für den Gehilfenvorsatz genügt es, dass der Gehilfe die wesentlichen Merkmale der Haupttat erkennt; von deren Einzelheiten braucht er keine bestimmte Vorstellung zu haben. Der bedingte Vorsatz ist auch nicht schon deswegen ausgeschlossen, weil sich der Gehilfe von der Haupttat bewusst distanziert oder an ihr kein besonderes Interesse hat. Es genügt, wenn er den als möglich erkannten Eintritt des Erfolges der Haupttat in Kauf nimmt (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 49. Aufl., § 27 Rdnr. 8 m.w.N.). Verfolgungsverjährung wäre angesichts der fünf Jahre betragenden Verjährungsfrist noch nicht eingetreten (§§ 27 Abs. 2 Satz 2, 49 Abs. 1 Nr. 2, 78 Abs. 3 Nr. 4, 130 Abs. 2 bis 4 StGB, 22 Abs. 1 Satz 2 LPG).

Zu der erst bei Verneinung der Strafbarkeit nach allgemeinem Strafrecht zu erörternden Vorschrift des § 19 Abs. 2 Nr. 2 LPG ist anzumerken:

Die subsidiäre Haftung erfordert nicht die vorausgehende rechtliche Feststellung, dass der Verleger an dem zugrunde liegenden Delikt unbeteiligt ist. Er kann vielmehr auch dann nach § 19 Abs. 2 Nr. 2 LPG bestraft werden, wenn seine Beteiligung an dem Hauptdelikt ungeklärt bleibt (vgl. Löffler, a.a.0.).

Verleger im Sinne des Presserechts ist derjenige, der das Erscheinen und die Verbreitung eines Druckwerks bewirkt. Diese Tätigkeit erfordert ein aktives Tun, das auf das Erscheinen und die Verbreitung eines Druckwerks einen bestimmenden Einfluss nimmt. Bloß passives Dulden reicht hierzu begrifflich nicht aus (vgl. BayObLG in NJW 1976, 435, 436; Löffler, a.a.0., LPG § 8 Rdnr. 49). Im Falle eines erneuten Schuldspruchs nach § 19 Abs. 2 Nr. 2 LPG wird das Amtsgericht deshalb zu verdeutlichen haben, durch welche konkreten Handlungen im Einzelnen der Angeklagte aktiv an Herausgabe und Verbreitung des Buches beteiligt war und inwieweit sein Verhalten über bloßes Wissen und bloße Billigung hinausging, um ihn presserechtlich als "Verleger" ansehen zu können. Hilfreich für die Beurteilung der Verlegereigenschaft könnten dabei auch nähere Angaben zur Ausgestaltung der Befugnisse des Angeklagten nach dem Gesellschaftervertrag, zu Art und Umfang der von ihm ausgeübten "beratenden Tätigkeit" innerhalb der "S. GmbH" und zu seinen tatsächlichen und rechtlichen Einwirkungsmöglichkeiten auf die Tätigkeit des Geschäftsführers H. bei der Entscheidung über Herausgabe und Verbreitung eines Buches sein.

Ende der Entscheidung

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