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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 12.04.2007
Aktenzeichen: 2 U 1616/06
Rechtsgebiete: ZPO, NachbG


Vorschriften:

ZPO § 511 Abs. 2 Nr. 1
ZPO § 522 Abs. 2
ZPO § 522 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 522 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 567 Abs. 1
NachbG § 21
NachbG § 23
NachbG § 23 Satz 2
NachbG § 24
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ Beschluss

(gemäß § 522 Abs. 2 ZPO)

Geschäftsnummer: 2 U 1616/06

in dem einstweiligen Verfügungsverfahren

Der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Richter am Oberlandesgericht Dr. Reinert, die Richterin am Oberlandesgericht Zeitler-Hetger und die Richterin am Landgericht Luther

am 12. April 2007

einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Berufung des Verfügungsklägers gegen das Anerkenntnisurteil des Amtsgerichts Cochem vom 16. November 2006 wird zurückgewiesen.

Der Verfügungskläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Gründe:

Die Berufung ist nicht begründet.

Der Senat hat gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO mit Hinweisverfügung des Vorsitzenden vom 26.02.2007 (GA 98) darauf hingewiesen, dass die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordern (§ 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Auch sind die Erfolgsaussichten der Berufung verneint worden. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Hinweisverfügung vom 26.02. 2007 Bezug.

Der Verfügungskläger hat mit Schriftsatz vom 05.04.2007 (GA 114) der Zurückweisung der Berufung in Anwendung des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO widersprochen. Die Ausführungen geben dem Senat zu einer abweichenden Beurteilung keine Veranlassung.

Bei den beschriebenen Schäden handelt es sich um Allmählichkeitsschäden, die im Laufe der Zeit aufgrund eines Reparaturstaus und Sanierungsbedarfs eingetreten sind. Auch die jetzigen Ausführungen reichen nicht, um eine Gefahr im Verzuge zu begründen. Vielmehr lässt sich den jetzigen Ausführungen des Verfügungsklägers entnehmen, dass sich der Zustand der streitgegenständlichen Fassade zunehmend verschlechtert hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.000,--€ festgesetzt.

Hinweisverfügung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO vom 26.02.2007 in Verbindung mit Zurückweisungsbeschluss vom 12.04.2007

1. Wendet sich der Gläubiger im Rahmen eines einstweiligen Verfügungs- oder Arrestverfahrens gegen die Anordnung einer Sicherheitsleistung im Urteil, ist dieses Begehren mit dem Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gemäß § 567 Abs. 1 ZPO und nicht mit der Berufung zu verfolgen. Beruht die Anordnung der Sicherheitsleistung jedoch nicht ausschließlich auf prozessualen Erwägungen (§ 938 ZPO), sondern auf der materiell-rechtlichen Bestimmung des § 23 Satz 2 des Nachbarrechtsgesetzes des Landes Rheinland-Pfalz und greift der Verfügungskläger die dem duldungspflichtigen Nachbarn auf Verlangen zu gewährende Sicherheitsleistung dem Grunde und der Höhe nach an, macht er damit Angriffe gegen einen materiell-rechtlichen Anspruch des duldungspflichtigen Nachbarn geltend. Dieser Begehren kann mit dem Rechtsmittel der Berufung verfolgt werden.

2. Ein Anspruch auf Duldung von Sanierungsmaßnahmen im Giebelbereich der angrenzenden Nachbarwand ohne Sicherheitsleistung nach § 24 Nachbarrechtsgesetz setzt eine gegenwärtige und unmittelbare Gefahr aus. Handelt es sich bei den Schäden jedoch nur um Allmählichkeitsschäden, die im Laufe der Zeit aufgrund eines Reparaturstaus und Sanierungsbedarfs eingetreten sind, liegen die Voraussetzungen für Gefahr im Verzug nicht vor.

Der Senat hat die Sache beraten. Er erwägt die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht. Die Berufung hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Die Gründe werden nachfolgend dargestellt. Dem Kläger wird eine Frist zur Stellungnahme gesetzt bis zum 15. März 2007. Es wird um Mitteilung gebeten, ob die Berufung aufrechterhalten bleibt.

I.

Die Berufung des Verfügungsklägers gegen das Anerkenntnisurteil des Amtsgerichts Cochem vom 16. November 2006 ist zulässig (§ 119 Abs. 1 Nr. 1 b) GVG, § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Das Amtsgericht hat ausweislich des Rubrums in dem einstweiligen Verfügungsverfahren durch Anerkentnisurteil entschieden. In der Sache handelt es sich um ein Teilend- und Anerkenntnisurteil, da die Klage zum Teil abgewiesen worden ist. Der Verfügungskläger hat in der mündlichen Verhandlung vom 09.11.2006 (GA 41) die Anträge aus der Antragsschrift vom 05.10.2006 gestellt und vorsorglich für den Fall der Anordnung einer Sicherheitsleistung beantragt, diese in Höhe von maximal 1.000,--€ festzusetzen. Der Senat legt diesen prozessualen Antrag dahingehend aus, dass der Verfügungskläger mit der Begrenzung der Sicherheitsleistung seinen Hilfsantrag konkretisieren wollte. Das Amtsgericht hat nach Anerkenntnis des Hilfsantrages durch den Verfügungsbeklagten durch Anerkenntnisurteil dem Hilfsantrag entsprochen und die "Klage bezüglich des Hauptantrags abgewiesen" (der weitergehende Antrag hätte aus Sicht des Amtsgerichts zurückgewiesen werden müssen).

Mit der Berufung begehrt der Verfügungskläger, unter Aufhebung des Anerkenntnisurteils den Rechtsstreit an das Amtsgericht Cochem zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (BB, GA 65), hilfsweise die Verurteilung, dass die ausgesprochene Duldung ohne Sicherheitsleistung erfolgt (Schriftsatz vom 19.12.2006, GA 80). Der Berufungsangriff erstreckt sich letztlich auf den Wegfall der Sicherheitsleistung.

Wendet sich der Gläubiger im Rahmen eines einstweiligen Verfügungs- oder Arrestverfahrens gegen die Anordnung einer Sicherheitsleistung im Urteil, ist dieses Begehren mit dem Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gemäß § 567 Abs. 1 ZPO und nicht mit der Berufung zu verfolgen (Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl. 2003, § 922 Rn.7; Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 921 Rn. 6; Musielack, ZPO, 5. Aufl., § 921 Rn. 8). Hier beruht die Anordnung der Sicherheitsleistung jedoch nicht ausschließlich auf prozessualen Erwägungen (§ 938 ZPO), sondern auf der materiell-rechtlichen Bestimmung des § 23 Satz 2 des Nachbarrechtsgesetzes des Landes Rheinland-Pfalz. Danach kann der duldungspflichtige Nachbar auf Verlangen eine Sicherheit in Höhe des voraussichtlichen Schadenbetrages verlangen. Greift der Verfügungskläger diese Sicherheitsleistung dem Grunde und /oder der Höhe nach an, wendet er sich gegen einen materiell-rechtlichen Anspruch des duldungspflichtigen Nachbarn. Dieser Angriff kann dementsprechend mit dem Rechtsmittel der Berufung - ungeachtet seiner sachlichen Berechtigung - verfolgt werden.

Die Statthaftigkeit der Berufung scheitert nicht an einer Beschwer des Verfügungsklägers. In Rechtsprechung und Schrifttum wird teilweise ein Beschwer verneint, wenn der Gläubiger selbst eine Sicherheitsleistung angeboten hat (OLG Köln, Beschluss vom 30.11.1958 - 9 W 124/58 - MDR 1959, 311; Stein-Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 921 Rn. 11; Münchener Kommentar, ZPO, 2. Aufl., § 921 Rn. 15). Wie bereits ausgeführt, hat der Verfügungskläger diese Sicherheitsleistung jedoch nur hilfsweise angeboten, mit seinem Hauptantrag jedoch die Duldungsverpflichtung des Nachbarn ohne Sicherheitsleistung erstrebt.

Wendet sich der Verfügungskläger mit seiner Berufung faktisch aus materiell-rechtlichen Gründen, zu Recht oder zu Unrecht, gegen die Anordnung der Sicherheitsleistung, dann bestimmt sich das wirtschaftliche Interesse der Sache am Maßstab der Höhe der angeordneten Sicherheitsleistung. Der Wert war dementsprechend, wie aus dem Streitwertbeschluss vom 26.02.2007 ersichtlich, auf 1.000,--€ festzusetzen. Die Berufung ist demnach gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zulässig.

II.

Die Berufung hat aber in der Sache keine Aussicht auf Erfolg. Gemäß § 21 des Nachbarrechtsgesetzes des Landes Rheinland-Pfalz müssen der Eigentümer und der Nutzungsberechtigte dulden, dass ihr Grundstück zwecks Errichtung, Veränderung, Reinigung, Unterhaltung oder Beseitigung einer baulichen Anlage auf dem Nachbargrundstück vorübergehend betreten wird und dass auf oder über dem Grundstück Leitern oder Gerüste aufgestellt sowie die zu den Bauarbeiten erforderlichen Gegenstände über das Grundstück gebracht werden, wenn und soweit das Vorhaben anders nicht zweckmäßig oder nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten durchgeführt werden kann und die mit der Duldung verbundenen Nachteile und Belästigungen nicht außer Verhältnis zu dem von dem Berechtigten erstrebten Vorteil stehen. Dabei ist das Recht mit möglichster Schonung des Nachbargrundstücks auszuüben. § 23 des Nachbarrechtsgesetzes bestimmt ferner, dass der bei der Ausübung des Rechts auf dem Nachbargrundstück entstehende Schaden ohne Rücksicht auf Verschulden zu ersetzen ist. Auf Verlangen ist der Ausübungsberechtigte jedoch verpflichtet, Sicherheit in Höhe des voraussichtlichen Schadensbetrages zu leisten. In einem solchen Fall darf das Recht erst nach Leistung der Sicherheit ausgeübt werden. Gemäß § 24 entfällt das Erfordernis der Sicherheitsleistung, wenn die Ausübung des Rechts nach § 21 zur Abwendung einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr erforderlich ist.

Soweit die Berufung, die ausgesprochene Duldung ohne Sicherheitsleistung begehrt, hat sie keine Aussicht auf Erfolg. Der Kläger macht unter Bezugnahme auf § 24 Nachbarrechtsgesetz ohne Erfolg geltend, die mit der Duldung einhergehenden Sanierungsarbeiten seien zur Abwendung einer gegenwärtigen Gefahr erforderlich. Er begründet dies damit, dass Undichtigkeiten im oberen Giebelbereich der an das Nachbargrundstück angrenzenden Giebelwand eingetreten seien, welche nach innen durchgeschlagen seien und im Falle des Unterlassens der Sanierung der Giebelwand in diesem Bereich zu einer Schädigung bzw. zu Kurzschlüssen der unmittelbar in diesen Bereich vorhandenen Elektroinstallation führen könnten.

Der Vortrag des Klägers, einschließlich seines erstinstanzlichen Vorbringens, reicht für die Annahme einer gegenwärtigen Gefahr nicht aus.

Gegenwärtig ist eine Gefahr, wenn ein Schadenseintritt so unmittelbar droht, dass es nach Vornahme der sonst vorgeschriebenen Anzeige (§ 22 Nachbarrechtsgesetz) möglicherweise zu spät wäre. Zu denken ist dabei etwa an Schäden, die durch Sturm oder Unwetter plötzlich entstanden und die unverzüglich auszubessern sind oder Sicherheitsvorkehrungen erfordern, um eine drohende Einsturzgefahr zu begegnen (Hülbusch/Bauer/Schlick, Nachbarrecht für Rheinland-Pfalz und das Saarland, 6. Aufl. 2005, § 24 Rn. 2). Der Verfügungskläger führt in seiner Antragsschrift vom 05.10.2006 aus, dass die angrenzende Giebelwand in höchstem Maße sanierungsbedürftig sei und im Giebelbereich neue Natursteine eingefügt werden müssten, um die vorhandenen Lücken zum Dachfirst zu schließen. Die Fugen der Natursteine auf dieser Giebelwand müssten komplett erneuert werden, da diese zum Teil brüchig und zum Teil nicht mehr vorhanden seien. Des Weiteren müsse das auf dieser Giebelwand befindliche Dach neu eingeschiefert werden, da dieses bisher nur mit Bitumenbahnen gegen Wind und Wetter geschützt sei. Der Verfügungskläger trägt weiterhin vor, dass im Rahmen seines letzten Besuchs im August 2006 festgestellt worden sei, dass aufgrund von Undichtigkeiten im oberen Giebelbereich der streitgegenständlichen Fassade Feuchtigkeitsschäden eingetreten seien. Es bestehe auch in Hinblick auf die anstehende Regenperiode und Frostperiode (Herbst/Winter 2006/2007) die Gefahr, dass die in die Wand eindringende Feuchtigkeit die Elektroinstallation beeinträchtige und die Gefahr von Kurzschlüssen begründe.

Der Verfügungskläger beschreibt hier keine gegenwärtige und unmittelbare Gefahr für das Gebäude. Auch besteht hier keine Gefahr, dass durch herabfallende Gegenstände Personen oder Sachen beschädigt werden könnten. Bei den beschriebenen Schäden handelt es sich vielmehr um Allmählichkeitsschäden, die im Laufe der Zeit aufgrund eines Reparaturstaus und Sanierungsbedarfs eingetreten sind. Die beschriebenen Gefahren sind nicht dergestalt, dass von einer Gefahr in Verzuge gesprochen werden kann. Nach Angaben des Verfügungsbeklagten führt der Verfügungskläger mit seinen Helfern bereits seit 3 Jahren Sanierungsarbeiten an dem Flachdach aus. Das Objekt des Verfügungsklägers befinde sich über Jahre schon in einem desolaten Zustand. Angesichts dieser Situation kommt die Ausnahmevorschrift des § 24 Nachbarrechtsgesetz nicht in Betracht. Der Verfügungskläger ist gehalten, die Arbeiten erst nach Erbringung der Sicherheitsleistung auszuführen.

2) Herrn Vorsitzenden zur Unterschrift

Ende der Entscheidung

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