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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 28.10.2009
Aktenzeichen: 2 U 300/09
Rechtsgebiete: AGB Sparkassen, BGB, ZPO


Vorschriften:

AGB Sparkassen Ziff. 21.1
BGB § 676 f S. 1
BGB § 675
BGB § 667
BGB § 676 g Abs. 1
ZPO § 91 a
ZPO § 935
ZPO § 940
Nach Ziffer 21.1 der AGB stehen einer Sparkasse nur Pfandrechte an Werten zu, die im bankmäßigen Geschäftsverkehr durch den Kunden oder durch Dritte in ihre Verfügungsmacht gelangt sind. Mit dem Begriff "bankmäßige Geschäftsverbindung" werden Ansprüche beschrieben, die mit dem allgemeinen Geschäfts- und Rechtsverkehr zwischen der Bank und dem Kunden im Zusammenhang stehen und die eine in diesem Verhältnis erbrachte vertragstypische Bankleistung zur Grundlage haben. Resultieren an die Bank abgetretene Ansprüche - hier streitige Schadensersatzansprüche aus Anwaltshaftung - nicht aus einer vertragstypischen Bankleistung, kann dem Anspruch des Kunden aus Girovertrag kein Pfandrecht oder Zurückbehaltungsrecht entgegengehalten werden. (in Anknüpfung an BGH Urteil vom 28.10.1997 - XI ZR 26/97, ZIP 1997, 2194 = NJW-RR 1998, 190).
Gründe:

Der Senat hat die Sache im Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO beraten. Der Senat regt im Hinblick auf die zwischenzeitlich erfolgte Zahlung von 22.000,--€ an, dass die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklären. Dem Kläger wird zur Abgabe der Prozesserklärung eine Frist bis zum 17. November 2009 gesetzt. Dem Eintritt des erledigenden Ereignisses steht nicht entgegen, dass die Beklagte den Betrag von 22.000,--€ nur zur Abwehr der Zwangsvollstreckung, nicht aber als Erfüllung einer entsprechenden Verpflichtung geleistet hat. Dies mag im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens von Bedeutung sein, nicht aber im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens. Ohne Eintritt des erledigenden Ereignisses hätte die Berufung des Klägers durchaus Aussicht auf Erfolg. Dem Verfahren liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:

I.

Der Verfügungskläger unterhält bei der Verfügungsbeklagten ein Girokonto mit der Kontonummer xyz, das zum 17.07.2008 ein Guthaben über 56.381,77 € aufwies. Nachdem sich die Verfügungsbeklagte bereits im Juli geweigert hatte, an den Verfügungskläger einen Betrag von 14.000,- € auszuzahlen, erwirkte dieser bei dem Landgericht Bad Kreuznach eine einstweilige Verfügung, wegen deren Inhalt auf die Akten 3 0 ,,,, LG Bad Kreuznach Bezug genommen wird. Nunmehr hat der Verfügungskläger die Auszahlung weiterer 22.000 € begehrt.

Der Verfügungskläger hat hierzu vorgetragen, es handele sich hinsichtlich eines Betrages von 40.000,--€ um Fremdgeld. Das Geld sei ihm von der D. S.a. mit Sitz in der Schweiz treuhänderisch zur Verfügung gestellt worden, um damit die Ausführung umfangreicher Sanierungs- und Renovierungsarbeiten an dem Hausanwesen Heinrich-Str. 96 in E. zu bezahlen. Nunmehr habe ihn die Mandantschaft aufgefordert, einen Betrag von 22.000,--€ an die mit den Sanierungsarbeiten beauftragten Handwerksbetriebe auszuzahlen. Er sei auf die Erfüllung des Anspruchs dringend angewiesen. Über eigene Mittel verfüge er nicht.

Durch Beschluss vom 05.12.2008 hat das Landgericht im Wege der einstweiligen Verfügung die Verfügungsbeklagte verurteilt, an den Verfügungskläger 22.000,--€ zu zahlen. Die Verfügungsbeklagte hat nach Zustellung der einstweiligen Verfügung an den Verfügungskläger 22.000,--€ "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht" (GA 173) gezahlt.

Der Verfügungskläger hat beantragt, die einstweilige Verfügung vom 05.12.2008 aufrechtzuerhalten, hilfsweise, festzustellen, dass das Verfahren in der Hauptsache erledigt sei.

Die Verfügungsbeklagte hat beantragt, den Beschluss vom 05.12.2008 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen sowie Zurückweisung des Hilfsantrages.

Die Verfügungsbeklagte hat geltend gemacht, ihr stehe gegen den Verfügungskläger eine Schadenersatzforderung von mehr als 56.381,-- € zu, wovon ein Teilbetrag über 36.000,-- € vor dem Landgericht Mainz verfolgt werde. Insofern erkläre sie die Aufrechnung. Sie bestreite, dass der Verfügungskläger dringend auf die Auszahlung des Betrages angewiesen sei.

Das Landgericht hat mit Urteil vom 05.02.2009 den Beschluss der Kammer vom 05.12.2005 aufgehoben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger, der unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Verurteilung der Verfügungsbeklagten zur Zahlung von 22.000,--€ begehrt.

II.

Die Berufung des Klägers hätte ohne Eintritt des erledigenden Ereignisses, Zahlung von 22.000,--€ gemäß Überweisung vom 10.12.2008 (GA 173) Aussicht auf Erfolg gehabt.

Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung als nicht begründet angesehen und ausgeführt, dass der Verfügungskläger einen Verfügungsgrund bereits nicht glaubhaft gemacht habe.

Der Verfügungskläger hat vorliegend sowohl einen Verfügungsanspruch als auch einen Verfügungsgrund glaubhaft gemacht.

1) Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass der Verfügungskläger auf seinem Girokonto mit der Kontonummer xyz zum 17.07.2008 ein Guthaben von 56.381,77 € hatte. Der Verfügungskläger hat eine Kopie des Kontoauszugs zu den Akten gereicht (A 1, GA 10). Die Beklagte war aufgrund des Girovertrages gemäß § 676 f S. 1 BGB verpflichtet, eingehende Zahlungen auf dem Konto des Kunden gutzuschreiben. Die Beklagte hat gemäß §§ 675, 667 i.V.m. § 676 g Abs. 1 BGB Gutschriftbeträge an den Kunden auszuzahlen, sobald die Bank durch Organisationsakt die Daten der Gutschrift auf dem Konto mit nach außen erkennbaren Rechtsbindungswillen dem Kunden, etwa bei Ausdruck oder Abruf eines Kontoauszugs, zugänglich macht (vgl. Schwintowski/Schäfer, 2. Aufl. 2004, Bankrecht, § 7 Rn. 34 ff.). Der Verfügungskläger hat durch Vorlage des Kontoauszugs bereits glaubhaft gemacht, dass ihm ein Verfügungsanspruch zusteht. Ob es sich darüber hinaus bei einem Teilbetrag von 40.000,--€ um Fremdgeld handelt, das ihm treuhänderisch zur Verfügung gestellt worden ist, um die Ausführung umfangreicher Sanierungs- und Renovierungsarbeiten an einem Hausanwesen in Erfurt zu bezahlen, ist für die Geltendmachung des Verfügungsanspruchs unerheblich. Der Verfügungskläger hatte einen Anspruch auf Auszahlung eines Teilbetrages von 22.000,--€, den er für fällige Handwerkerrechnungen verwenden wollte.

Diesem Verfügungsanspruch steht bzw. stand nicht entgegen, dass sich die Beklagte eines Gegenanspruchs in Höhe von 43.960,22 € im Zusammenhang mit einer Schadensersatzklage gegen den Kläger aus Anwaltshaftung aus abgetretenem Recht berühmt hat. Dieser vermeintliche Anspruch war Gegenstand des beim Landgericht Mainz unter dem Az. 1 O xyz geführten Verfahrens. Das Landgericht hat zwischenzeitlich mit Urteil vom 16.07.2009 (GA 232) die Klage der hiesigen Beklagten und dortigen Klägerin, die zunächst auf Zahlung von 36.000,--€ gerichtet war (LU 5, GA 236), abgewiesen und ausgeführt, dass Schadensersatzansprüche wegen anwaltlicher Pflichtverletzung weder aus abgetretenem noch eigenem Recht der dortigen Klägerin zustünden, da sie unbeschadet ihrer Entstehung verjährt seien und der dortige Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben habe. Die Verfügungsbeklagte hat ihrerseits auch nicht dargelegt, warum sie bei einem vermeintlichen Gegenanspruch von 36.000,--€ bzw. 43.960,22 € einen Gesamtbetrag von 56.381,--€ am 14.08.2008 umgebucht und der Verfügungsmöglichkeit des Verfügungsklägers entzogen hat. Die Beklagte konnte demnach dem Anspruch des Klägers weder ein Pfandrecht noch ein Zurückbehaltungsrecht entgegensetzen.

Ungeachtet dessen war die Beklagte nach ihren eigenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht berechtigt, dem Kläger ein Pfandrecht oder Zurückbehaltungsrecht entgegenzuhalten. Zwar ist in Ziffer 21.1 der AGB der Beklagten (GA 38) geregelt, dass der Kunde der Sparkasse ein Pfandrecht an Werten jeder Art einräumt, die im bankmäßigen Geschäftsverkehr durch den Kunden oder durch Dritte für seine Rechnung in ihren Besitz oder ihre sonstige Verfügungsmacht gelangen (vgl. Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, 3. Aufl. Bd. 1., § 19 Rn. 30). Erfasst werden hiernach auch Ansprüche des Kunden gegen die Sparkasse aus Guthaben. Nach den allgemeinen Bankbedingungen ist ein Geldinstitut im Rahmen der "bankmäßigen Geschäftsverbindung" berechtigt Einbehalte vorzunehmen. Mit dem Begriff "bankmäßige Geschäftsverbindung" werden Ansprüche beschrieben, die mit dem allgemeinen Geschäfts- und Rechtsverkehr zwischen der Bank und dem Kunden in Zusammenhang stehen und die eine in diesem Verhältnis erbrachte vertragstypische Bankleistung zur Grundlage haben. Der BGH hat in diesem Sinne Ansprüche auf Erstattung von Prozesskosten, die in Rechtsstreitigkeiten zwischen einer Bank und ihrem Kunden entstanden sind, nicht als Ansprüche behandelt, die aus einer bankmäßigen Geschäftsbedingung resultieren (BGH Urteil vom 28.10.1997 - XI ZR 26/97, ZIP 1997, 2194 = NJW-RR 1998, 190). An die Bank bzw. eine Sparkasse abgetretene Ansprüche können zwar unter bestimmten Umständen auch aus einer bankmäßigen Geschäftsverbindung herrühren, etwa wenn der abgetretene Anspruch in banküblicher Weise im Wege eines Diskontgeschäfts oder einer Sicherungsabtretung erworben wurde (Schimansky/Bunte/Lwowski, aaO, § 19 Rn. 34, 38, 39 m.w.N.). Soweit die Abtretung allerdings geschehen ist, um die Realisierung der Forderung des Dritten mit den dem Pfandrecht unterworfenen Gegenständen oder Forderungen im Besitz der Bank, die von dieser als Sicherheit nicht benötigt werden, zu ermöglichen, ist der Anspruch nicht bankmäßig erworben und unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs auch die Aufrechnung unzulässig. Ein derartiger Erwerb ist nicht als bankmäßig anzusehen (Schimansky/Bunte/Lwowski, aaO, § 19 Rn. 39 m.w.N.). Ähnlich liegt die Situation hier. Die Beklagte hat an sie abgetretene Schadensersatzansprüche aus Anwaltshaftung geltend gemacht, die zum einen zwischen den Parteien höchst streitig waren, nicht aus einer vertragstypischen Bankleistung resultierten und zudem nach dem Urteil des Landgerichts Mainz im Verfahren 1 O 218/07 (GA 232) nicht bestanden haben.

Die Beklagte hatte demnach weder eine Forderung, die ihr ein Zurückbehaltungsrecht oder Pfandrecht gegenüber dem Kläger einräumte, noch eine Forderung, die aus einer bankmäßigen Geschäftsverbindung beruhte.

2) Entgegen den Ausführungen des Beklagten hat der Kläger auch ausreichend einen Verfügungsgrund glaubhaft dargelegt. Zutreffend ist zwar, dass eine Leistungsverfügung nur in begrenzten Ausnahmefällen möglich ist. Voraussetzung ist, dass der Gläubiger dringend der sofortigen Erfüllung seines Anspruchs bedarf und die Erwirkung bzw. das Zuwarten auf einen Titel im ordentlichen Verfahren unzumutbar ist.

Schließlich müssen die dem Verfügungskläger aus der Nichtleistung drohenden Nachteile schwerwiegend sein und außer Verhältnis stehen zu dem Schaden, den der Verfügungsbeklagte erleidet. Diese Voraussetzungen hat der Verfügungskläger hinreichend dargetan. Dabei ist hier zu berücksichtigen, dass die Prüfung des Verfügungsanspruchs hier keine besonderen Probleme bereitet. Der Anspruch selbst steht zwischen den Parteien außer Streit. Der Verfügungskläger hat aus dem Girovertrag mit Ausweisung des positiven Saldobetrages einen Anspruch auf Auszahlung seines Guthabens. Der Girovertrag ist seiner Natur nach darauf ausgerichtet, dass der Kunde jederzeit über die ihm gutgeschriebenen Beträge verfügen kann. Streit hat lediglich darüber bestanden, ob die Beklagte diesen Betrag wegen eines Gegenanspruchs einbehalten durfte. Das war nicht der Fall. Der Verfügungskläger hat auch glaubhaft gemacht, dass ihm bei Nichtleistung schwerwiegende Nachteile drohen. Er hat dargelegt, dass bei unterbliebener Auszahlung von Fremdgeldern der Verlust der Anwaltszulassung droht. Der Verfügungskläger müsste in diesem Falle wohl auch mit einem Ermittlungsverfahren wegen Untreue rechnen. Der Verfügungskläger hat schließlich auch dargelegt, dass er das Geld für ein Bauvorhaben in der Heinrichstraße 96 in E. benötigt. Dem steht nicht entgegen, dass der Verfügungskläger in dem vorausgegangenen Verfahren noch behauptet hat, das Geld für ein Bauvorhaben Heinrichstraße 8 in E. zu benötigen und eine entsprechend Rechung einer Inter-Bau vorgelegt hat (GA 60 3 O 209/08), im hiesigen Verfahren aber vorträgt, es handele sich um das Bauvorhaben Heinrichstraße 96 in E.. Der Verfügungskläger hat diesbezüglich nachvollziehbar darauf verwiesen, dass es sich um einen Schreibfehler handelt. Auch kommt es nicht entscheidend darauf an, ob der Verfügungskläger den Betrag von 22.000,--€ benötigt, um fällige Handwerkerrechnungen zu bezahlen oder im Rahmen der Gefahrenabwehr an der Außenfassade Sanierungsmaßnahmen durchführen muss. Der Beleg einer entsprechenden Aufforderung des Bauamtes der Stadt E. ist Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens nicht zwingend erforderlich. Der Verfügungskläger hat zudem ein Schreiben der I.-Bau vom 21.11.2008 (GA 183) vorgelegt, wonach mit Frist bis 05.12.2008 22.000,--€ für Handwerkerleistungen im Rahmen der Sanierung des Mehrfamilienhauses in Erfurt angefordert wurden.

Die dem Verfügungskläger aus der Nichtleistung drohenden Nachteile wiegen schwerwiegend und stehen außer Verhältnis zu den vermeintlichen Nachteilen, die damit für die Verfügungsbeklagte verbunden sind. Da diese über keinen Gegenanspruch verfügt, der zu einem Pfandrecht oder Zurückbehaltungsrecht führen könnte, droht ihr auch kein Schaden.

Allerdings ist aufgrund der Zahlung das Eilbedürfnis entfallen, weshalb der Antrag nunmehr aus prozessualen Gründen für erledigt erklärt werden muss.

Ende der Entscheidung

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