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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 15.02.2001
Aktenzeichen: 2 Ws 10/01
Rechtsgebiete: StGB, LPG
Vorschriften:
StGB § 203 II Nr. 1 | |
LPG § 4 II Nr. 2 | |
LPG § 4 II Nr. 3 |
Zur Verletzung von Privatgeheimnissen durch Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft.
Geschäftsnummer: 2 Ws 10/01 Js 10/00 GenStA Koblenz
In dem Ermittlungsverfahren
gegen
1. Leitenden Oberstaatsanwalt ,
Staatsanwaltschaft ,
2. Staatsanwältin ,
Staatsanwaltschaft ,
wegen Verletzung von Privatgeheimnissen
hier: Antrag der .............. auf gerichtliche Entscheidung nach § 172 Abs. 2 StPO
-Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt -
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Vonnahme sowie die Richter am Oberlandesgericht Pott und Mertens
am 15. Februar 2001 beschlossen:
Tenor:
Der Antrag der Anzeigeerstatterin, gegen die Beschuldigten die Erhebung der öffentlichen Klage zu beschließen, wird als unbegründet verworfen.
Die durch das Verfahren über den Antrag veranlassten Kosten werden der Antragstellerin auferlegt.
Gründe:
Mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 13. September 2000 erstattete die Antragstellerin, Dozentin an der Universität M, bei der Staatsanwaltschaft M Strafanzeige wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung eines Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses (§ 174 c Abs. 2 StGB) sowie wegen Körperverletzung (§ 223 StGB) gegen den katholischen Weihbischof in . Zur Begründung führte sie an, sich im Januar 1999 mit der Bitte um Rat an gewandt zu haben, nachdem infolge ihrer Beschäftigung mit X und deren Visionen "bei ihr selbst völlig unverhofft Eingebungen aufgetreten seien, was sie seelisch beunruhigt habe". Der Bischof habe ihr Hilfe versprochen und sie zu diesem Zweck in der Folgezeit seelsorgerisch betreut. In diesem Rahmen habe er im Juni 1999 und im Januar 2000 einen Exorzismus an ihr durchgeführt, in dessen Folge sie jeweils mehrere Tage krank gewesen sei, gravierende physische und psychische Beschwerden gehabt und an Depressionen gelitten habe. Bei einzelnen Begegnungen und Gesprächen mit dem Bischof sei es, beginnend im August oder September 1999, auch zu sexuellen Übergriffen auf sie, jedoch nicht zum Geschlechtsverkehr, gekommen. Nachdem auch die Presse von der Anzeige Kenntnis erlangt hatte und dieserhalb zahlreiche Anfragen bei der Staatsanwaltschaft eingegangen waren, fand am 9. Oktober 2000 zur Unterrichtung der dort versammelten Medienvertreter ein Pressegespräch statt, an dem von seiten der Staatsanwaltschaft Mainz deren Behördenleiter .... und die zuständige Dezernentin ......... teilnahmen. Dabei zitierte die Dezernentin auf Weisung von Leitendem OstA ......... zum Verständnis des Verfahrens aus einem Brief der Antragstellerin an Beschuldigten, den dieser den Ermittlungsbehörden überlassen hatte. Das verlesene Zitat lautete wie folgt:
"Am Sonntag bin ich zu meinem lieben Weihbischof in den Palmsonntag-Gottesdienst gegangen. Anton, vom Heiligen Franz von Assisi liebevoll Bruder Anton genannt, wollte mit. Da Pferde ihre Seelen viel problemloser als wir Menschen spazierengehen lassen können, hat er sich gleichsam auf meine Schulter gesetzt."
Wegen der Verlesung der Briefstelle erstattete die Antragstellerin mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 20. November 2000 bei der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz Strafanzeige gegen Leitenden OstA ......... und Staatsanwältin ......... wegen Verletzung von Privatgeheimnissen (§ 203 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StGB). Mit Bescheid vom 4. Dezember 2000, zugegangen an demselben Tage, lehnte die Generalstaatsanwaltschaft die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen die Beschuldigten ab, da zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen § 203 Abs. 2 StGB nicht vorlägen. Gegen diese Entscheidung hat die Antragstellerin mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 3. Januar 2001, eingegangen an demselben Tage, beim Oberlandesgericht Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 172 Abs. 2 StPO gestellt, mit dem sie das Ziel einer Anklageerhebung weiterverfolgt.
Der Antrag ist fristgerecht angebracht und entspricht den besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 172 Abs. 3 StPO. In der Sache hat er jedoch keinen Erfolg. Die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz hat zu Recht ein strafrechtliches Einschreiten gegen die Beschuldigten abgelehnt (§ 152 Abs. 2 StPO).
Es kann dahinstehen, ob - wie die Generalstaatsanwaltschaft meint - schon der objektive Tatbestand des § 203 Abs. 2 StGB deswegen nicht erfüllt ist, weil es sich bei dem Inhalt der verlesenen Briefstelle nicht wie erforderlich um eine Tatsache (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 50. Aufl., § 203 Rdnr. 3), sondern lediglich um "religiöse Phantasien und traumhafte Erscheinungen (Visionen)" gehandelt habe, "die dem Tatsachenbegriff nicht zugeordnet werden können", oder ob als von den Beschuldigten mitgeteilte Tatsache schon der Umstand als solcher anzusehen ist, dass die Antragstellerin überhaupt einen Brief des verlesenen Inhalts geschrieben hatte, der zudem mögliche Rückschlüsse auf ihre damalige psychische Befindlichkeit zuließ. Denn ungeachtet dessen war das Verhalten der beiden Beschuldigten jedenfalls aus § 4 LPG gerechtfertigt. Die Vorschrift verpflichtet die Behörden, den Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben dienenden Auskünfte zu erteilen (§ 4 Abs. 1 LPG). Nur ausnahmsweise können Auskünfte verweigert werden, soweit etwa ein überwiegendes öffentliches oder ein schutzwürdiges privates Interesse verletzt würde (§ 4 Abs. 2 Nr. 3 LPG).
Die Voraussetzungen dieser hier einschlägigen Ausnahmevorschrift sind nicht gegeben. Danach ist zwischen dem in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verfassungsrechtlich verankerten Auskunftsanspruch der Presse und dem ebenfalls grundrechtlich geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin eine Abwägung vorzunehmen. Zu beurteilen ist dabei, ob das verfolgte öffentliche Interesse nach der Gestaltung des Einzelfalls den Vorrang verdient und ob der Eingriff in die Privatsphäre nach Art und Reichweite durch dieses Interesse gefordert wird und in angemessenem Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht (vgl. OLG Hamm in NJW 2000, 1278, 1279; OLG Schleswig in NJW 1985, 1090, 1091; Schünemann in Leipziger Kommentar, StGB, 11. Aufl., § 203 Rdnr. 149). Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände bejaht der Senat ein Überwiegen des Interesses der Öffentlichkeit. So musste das Verfahren gegen den Bischof schon aufgrund seiner Stellung in der Öffentlichkeit, aber ebenso aufgrund der Art des gegen ihn erhobenen Tatvorwurfs und der Person der Anzeigeerstatterin als habilitierte Dozentin an der Universität M in besonderer Weise die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und der Medien auf sich ziehen. Dessen musste sich von vornherein auch die Antragstellerin bewusst sein, durch deren Anzeige die Ermittlungsbehörde erst eingeschaltet worden war. Für das Verständnis des behaupteten Tatgeschehens waren Art und Inhalt der Visionen der Antragstellerin schon insoweit von Bedeutung, als deren Auftreten nach eigenen Angaben den eigentlichen Auslöser für ihre Kontaktaufnahme zu ........ und dessen spätere seelsorgerische Bemühungen bildete. Ein Eingehen auf die Thematik der Visionen im Rahmen des anberaumten Pressegesprächs war für die Beschuldigten damit nahezu unumgänglich. Dem davon berührten Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin wurde indes in ausreichendem Maße dadurch Rechnung getragen, dass sich die Verlesung des Briefes lediglich auf wenige einleitende Sätze beschränkte. Eine irgendwie geartete "Verunglimpfung" der Antragstellerin - wie in der Antragsschrift behauptet - vermag der Senat hierin nicht zu sehen. Angesichts der grundlegenden Bedeutung der Visionen für das Verfahren teilt der Senat auch die Auffassung der Antragstellerin nicht, der verlesene Text sei für die gegen ............. erhobenen Tatvorwürfe irrelevant. Wie die Antragstellerin hierzu an anderer Stelle selbst mitteilt, diente das zitierte Schreiben gerade dazu, die Möglichkeit zu geben, ihren psychischen Zustand zu beurteilen. Der Zusammenhang mit den erhobenen Tatvorwürfen lag damit auf der Hand. Nach allem war das Vorgehen der Beschuldigten aus § 4 Abs. 2 Nr. 3 LPG gerechtfertigt.
Der Auffassung der Antragstellerin, es bestehe "schon überhaupt kein Informationsanspruch", wenn eine "Geheimhaltungsvorschrift wie z.B. § 203 StGB" eingreife, vermag der Senat in dieser Verallgemeinerung nicht zu folgen. Zwar können gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 2 LPG Auskünfte gegenüber der Presse auch dann verweigert werden, wenn "Vorschriften über die Geheimhaltung entgegenstehen". Die Strafvorschrift des § 203 StGB fällt indes nicht darunter. Die gegenteilige Annahme würde zu Konsequenzen führen, die mit dem grundgesetzlich verankerten Informationsanspruch der Presse schlechterdings nicht mehr zu vereinbaren wären und diesen letztlich ad absurdum führen würden. Denn die Meinung der Antragstellerin, die absolute Auskunftsschranke aus § 4 Abs. 2 Nr. 2 LPG gelte auch dann, wenn Privatgeheimnisse betroffen seien, liefe darauf hinaus, dass durch § 203 StGB dem Schutz des Privatgeheimnisses absoluter Vorrang vor dem Informationsanspruch der Presse eingeräumt würde. Auskünfte über laufende Ermittlungsverfahren wären damit in der Regel unzulässig. Zudem wäre die Regelung des § 4 Abs. 2 Nr. 3 LPG, die den Schutz privater Interessen presserechtlich regelt, im Ergebnis gegenstandslos (vgl. hierzu ausführlich OLG Schleswig, a.a.0.; ferner Schünemann, a.a.0.).
Die Antragstellerin kann sich für ihre Rechtsauffassung letztlich auch nicht mit Erfolg auf die presserechtliche Kommentierung bei Löffler (vgl. Wenzel in Löffler, Presserecht, 4. Aufl., § 4 LPG Rdne. 111) berufen. Zwar heißt es dort, wie in der Antragsschrift zitiert, bezüglich privater Interessen komme es nicht darauf an, ob sie überwiegen, sondern nur darauf, ob sie schutzfähig sind. Sei das der Fall, würden die privaten Interessen als vorrangig gelten, so dass der Auskunftsanspruch entfalle und es insoweit dann keiner Interessenabwägung mehr bedürfe. Diese Auffassung erfährt indes im weiteren dadurch eine Relativierung, als es dort heißt, die Anerkennung eines privaten Interesses als schutzwürdig setze allerdings ihrerseits eine Interessenabwägung voraus. Je intensiver das private Interesse bereits Gegenstand öffentlicher Erörterungen gewesen sei, desto eher seien die Behörden auch zur Informationserteilung berechtigt (vgl. Wenzel, aaO).
Gemäß § 174 Abs. 1 StPO war der Antrag auf gerichtliche Entscheidung danach als unbegründet zu verwerfen. Die Kosten waren gemäß § 177 StPO der Antragstellerin aufzuerlegen.
Ende der Entscheidung
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