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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 18.04.2000
Aktenzeichen: 2 Ws 226/00
Rechtsgebiete: StPO
Vorschriften:
StPO § 111 k | |
StPO § 462 a | |
StPO § 94 | |
StPO § 304 |
1.
Verletzter i.S.d. § 111 k StPO ist jeder, dem der Besitz an beweglichen Sachen unmittelbar entzogen worden ist. Übt ein Besitzdiener (§ 855 BGB) den (Mit-)Gewahrsam an beweglichen Sachen aus, ist nur der Geschäftsherr unmittelbarer Besitzer und damit Verletzter.
2.
Ansprüche Dritter stehen der Herausgabe beschlagnahmter Sachen an den Verletzten nur dann entgegen, wenn sie das Recht auf deren Besitz begründen.
3.
Die Absicht des rechtskräftig Verurteilten, ein Wiederaufnahmeverfahren zu betreiben, hindert die Herausgabe beschlagnahmter Sachen an den Verletzten nicht.
4.
Über die Herausgabe entscheidet nach Rechtskraft des Urteils das Gericht der letzten Tatsacheninstanz.
Geschäftsnummer: 2 Ws 226/00 8003 Js 20788/96 - StA Trier
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ Beschluss
In der Strafsache
gegen
R. Sch.,
wegen Diebstahls
hier: Herausgabe sichergestellter Sachen an den Verletzten gemäß § 111 k StPO
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Vonnahme sowie die Richter am Oberlandesgericht Pott und Mertens
am 18. April 2000 beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss der 7. Strafkammer des Landgerichts Trier vom 14. März 2000 wird als unbegründet auf seine Kosten verworfen.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Beschluss hat die 7. Strafkammer des Landgerichts Trier - dem Antrag der Staatsanwaltschaft Trier entsprechend - die Herausgabe der von dem Beschwerdeführer gestohlenen (insoweit ist er rechtskräftig verurteilt), bei ihm nach der Tat sichergestellten Geldscheine in der angeführten Stückelung mit einem Gesamtwert von 450 DM an den Geschädigten M. M. S. gemäß § 111 k StPO angeordnet. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Verurteilten, mit der er die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses erstrebt. Er ist der Meinung, die Strafkammer sei für die Entscheidung nicht zuständig gewesen, der Herausgabe der Geldscheine hätten Ansprüche Dritter, nämlich seine eigenen Ansprüche gegen den Geschädigten auf Zahlung von Arbeitslohn in Höhe von 168 DM, entgegengestanden und die Geldscheine würden zudem noch für Zwekke des Strafverfahrens, und zwar für ein von ihm angestrebtes Wiederaufnahmeverfahren, benötigt. Die Strafkammer hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Das nach § 304 StPO zulässige Rechtsmittel des Verurteilten ist nicht begründet.
Die angefochtene Entscheidung entspricht der Sach- und Rechtslage. Nach § 111 k StPO sollen bewegliche Sachen, die u.a. nach § 94 StPO beschlagnahmt oder sonst sichergestellt worden sind, dem Verletzten, dem sie durch die Straftat entzogen wurden, herausgegeben werden, wenn er bekannt ist, Ansprüche Dritter nicht entgegenstehen und die Sachen für Zwecke des Strafverfahrens nicht mehr benötigt werden. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben, wie nachfolgend näher dargelegt werden wird.
Die Strafkammer war - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - für die Entscheidung zuständig. Zwar ist in der Literatur umstritten, ob für die Entscheidung gemäß § 111 k StPO nach Rechtskraft des Urteils das Gericht des ersten Rechtszugs in entsprechender Anwendung des § 462 a Abs. 3 Satz 1 StPO (so: Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., § 111 k, Rdn. 9; Löwe-Rosenberg-Schäfer, StPO, 24. Aufl., § 111 k, Rdn. 20) oder das Gericht der letzten Tatsacheninstanz (so: Karlsruher Kommentar-Nack, 4. Aufl., § 111 k, Rdn. 7 m.w.N.; KMR-Müller, 21. Lieferung Oktober 1999, § 111 k, Rdn. 17) zuständig ist. Der Senat schließt sich der letztgenannten Meinung an, weil sie der Prozessökonomie Rechnung trägt und die größere Sachnähe des zuletzt entscheidenden Tatgerichts für sich beanspruchen kann. Die Auffassung der Gegenmeinung überzeugt dagegen nicht, da die von ihr analog herangezogene Vorschrift des § 462 a, Abs. 3 Satz 1 StPO auf die nachträgliche Gesamtstrafenbildung gemäß § 460 StPO zugeschnitten ist und deshalb auf die davon völlig verschiedene Regelungsmaterie des § 111 k StPO nicht - auch nicht analog - übertragbar ist.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 111 k StPO sind erfüllt. Die in Rede stehenden Geldscheine wurden nach der Tat bei dem Beschwerdeführer gemäß § 94 Abs. 1 StPO sichergestellt. Der Geschädigte S. ist auch Verletzter im Sinne des § 111 k StPO. Diese Stellung hat jeder, dem durch die Straftat der Besitz an beweglichen Sachen unmittelbar entzogen worden ist (vgl. LR, a.a.0., Rdn. 11; Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.0., Rdn. 5). Das trifft auf den Bierstandinhaber S. zu. Da der Verurteilte in dessen Gewerbebetrieb gearbeitet und in seiner Eigenschaft als Arbeitnehmer die tatsächliche Gewalt über die aus dem Getränkeverkauf eingenommenen Gelder ausgeübt hat, war er Besitzdiener im Sinne des § 855 BGB mit der Folge, dass trotz seines Mitgewahrsams an den Geldscheinen der Betriebsinhaber S. deren alleiniger und unmittelbarer Besitzer war. Der Besitz wurde ihm durch die Straftat des Verurteilten entzogen, wie sich aus dem rechtskräftigen Urteil der 2. kleinen Strafkammer des Landgerichts Trier vom 7. Mai 1999 ergibt (vgl. hierzu KK, a.a.0., Rdn. 4).
Ansprüche Dritter standen der Herausgabe der Geldscheine an den Geschädigten nicht entgegen. Zwar kann - wie der Beschwerdeführer unter Berufung auf die Kommentierung von Kleinknecht/Meyer-Goßner geltend macht - Dritter auch der Beschuldigte sein, wenn er - wie vorliegend der Verurteilte - behauptet, Ansprüche unabhängig von der Straftat zu haben (Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.0., Rdn. 8). Die vorliegend von dem Beschwerdeführer behauptete Lohnforderung ist aber kein berücksichtigungsfähiger Anspruch im Sinne des § 111 k StPO, da dazu nur solche (dingliche oder schuldrechtliche) Ansprüche zählen, die auf die herauszugebende Sache gerichtet sind und das Recht zu deren Besitz begründen können (vgl. KMR, a.a.0., Rdn. 8; LR, a.a.0., Rdn. 16; auch Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.0., Rdn. 8 im Anschluss an die vorzitierte Stelle). Die Forderung von Arbeitslohn kann aber ein Besitzrecht an den sichergestellten Geldscheinen unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründen.
Die Geldscheine werden - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - auch nicht mehr für Zwecke des Strafverfahrens benötigt. Eine nach § 94 StPO als Beweismittel sichergestellte Sache wird dann nicht mehr für Zwecke des Strafverfahrens benötigt, wenn der Grund der Sicherstellung entfallen ist (KK, a.a.0., Rdn. 3). Das ist spätestens mit der Rechtskraft des Urteils der Fall, weil dann keine Notwendigkeit für eine Beweisführung mehr besteht. Indem § 111 k StPO ausdrücklich erwähnt, dass die Sache nur herausgegeben werden soll, wenn sie für das Strafverfahren nicht mehr gebraucht wird, stellt die Vorschrift lediglich klar, dass mit der Herausgabe gegebenenfalls nicht bis zur Rechtskraft des Urteils gewartet werden darf, wenn sie schon vorher für das Verfahren entbehrlich ist (LR, a.a.0., Rdnr. 15). Die hiernach spätestens mit der Rechtskraft des Urteils eintretende Entbehrlichkeit der Sache wird nicht dadurch aufgehoben, dass der rechtskräftig Verurteilte die Durchführung eines Wiederaufnahmeverfahrens beabsichtigt. Unabhängig davon, dass der Beschwerdeführer vorliegend nur die vage Hoffnung hegt, durch seine Auslobung von 50.000 DM eine sich als Täter des verfahrensgegenständlichen Diebstahls bekennende Person zu finden und danach das Wiederaufnahmeverfahren betreiben zu können, vermag das Bestehen der bloßen Möglichkeit, zu einem unter Umständen in ferner Zukunft liegenden Zeitpunkt die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragen zu können, nicht den Ausschluss des Geschädigten vom Besitz der ihm gestohlenen Sachen auf unbestimmte Dauer zu begründen.
Soweit der Beschwerdeführer gegen die Herausgabe der Geldscheine an den Geschädigten einwendet, dieser wäre dadurch ungerechtfertigt bereichert, da er bereits mit dem an das Gericht übersandten anonymen Täterbekennungsschreiben 600 DM als Schadenswiedergutmachung erhalten habe, kommt diesem allein zivilrechtlich relevanten Vorbringen für die Beurteilung der Rechtsmäßigkeit der Entscheidung nach § 111 k StPO keine Bedeutung zu.
Die Entscheidung der Strafkammer war daher, da die Voraussetzungen des § 111 k StPO gegeben waren, rechtens.
Die Beschwerde des Verurteilten war hiernach mit der Kostenfolge aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO als unbegründet zu verwerfen.
Ende der Entscheidung
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