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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 06.01.2000
Aktenzeichen: 2 Ws 816/99
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 153
Leitsatz:

1. Der Klageerzwingungsantrag ist nicht deshaslb unzulässig, weil er sich nicht mit allen Gründen des Einstellungsbescheides auseinandersetzt; es genügt, wenn er die (aus objektiver Sicht) tragenden Gründe abhandelt.

2. War die (falsche) Aussage noch nicht genehmigt worden, weil dies in einem nächsten Termin erfolgen sollte, der dann jedoch nicht mehr stattgefunden hat, so ist die Zeugenaussage und damit das Delikt noch nicht beendet.


Geschäftsnummer: 2 Ws 816/99 3156 Js 5887/99 StA Mainz

In dem Ermittlungsverfahren

gegen

1. Hans G, geboren am 6. Mai..............in I,

2. Jürgen M, geboren am 26..............,

- Verteidiger: Rechtsanwalt L, wegen uneidlicher Falschaussage u.a.

hier: Antrag des Dr. Ch...........auf gerichtliche Entscheidung nach § 172 Abs. 2 StPO

- Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte G v W................

hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Vonnahme sowie die Richter am Oberlandesgericht Mertens und Henrich am 6. Januar 2000 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Anzeigeerstatters, gegen die Beschuldigten die Erhebung der öffentlichen Klage zu beschließen, wird als unbegründet auf seine Kosten verworfen.

Gründe:

Der Anzeigeerstatter legt dem Erstbeschuldigten uneidliche Falschaussage und dem Zweitbeschuldigten Betrug zur Last. Der Zweitbeschuldigte soll in dem Verfahren 9 O 281/96 LG Mainz, in dem durch Urteil vom 4. Februar 1998 eine gegen den Zweitbeschuldigten gerichtete Schadensersatzklage des Anzeigeerstatters rechtskräftig abgewiesen wurde, falsch vorgetragen und der Erstbeschuldigte soll diesen falschen Vortrag als Zeuge bestätigt haben. Die Staatsanwaltschaft Mainz hat das Ermittlungsverfahren durch Verfügung vom 14. Oktober 1999 eingestellt. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz durch Bescheid vom 23. November 1999 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich der Antrag des Anzeigeerstatters auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 172 Abs. 2 StPO.

Der Antrag hat keinen Erfolg.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist an sich statthaft sowie fristgerecht angebracht worden (§ 172 Abs. 2 Satz 1 StPO) und entspricht auch den besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO. Entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft hat der Anzeigeerstatter die tragenden Gründe der Bescheide von Staatsanwaltschaft und Generalstaatsanwaltschaft hinreichend wiedergegeben (vgl. Bl. 90/91 GA). Einer Auseinandersetzung mit dem Hinweisbeschluss des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 4. August 1998 (5 U 464/98 = 9 O 281/96 LG Mainz) und dem Schreiben des Vorsitzenden des 5. Zivilsenats Vizepräsident des Oberlandesgerichts B vom 21. Juni 1999 bedurfte es nicht, da der Beschluss und das Schreiben für die strafrechtliche Beurteilung des Sachverhalts weitgehend ohne Belang sind.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist jedoch nicht begründet. Die Beschuldigten sind nicht hinreichend verdächtig, sich in der vorgeworfenen Weise strafbar gemacht zu haben. Es ist nicht zu erwarten, dass es im Falle einer Anklagerhebung zu einer Verurteilung der Beschuldigten kommen wird.

Was den Erstbeschuldigten betrifft, fehlt es bereits an einer tauglichen Aussage im Sinne des § 153 StGB. Die uneidliche Falschaussage nach § 153 StGB ist erst dann beendet, wenn der Richter zu erkennen gegeben hat, dass er von dem Zeugen keine weitere Auskunft über den Vernehmungsgegenstand erwartet, und der Zeuge, dass er seinerseits nichts mehr zu bekunden hat und das bisher Bekundete als seine verantwortliche Aussage gelten lassen will (BGHSt 8, 301, 306; NJW 1960, 731; BayObLG StV 1989, 251). Wann diese Voraussetzungen zu bejahen sind, ist eine Frage des Einzelfalls. Vorliegend war die Zeugenaussage des Erstbeschuldigten nicht beendet. Im Anschluss an das Diktat seiner Aussage auf einen Tonträger hatte der Prozessbevollmächtigte des Anzeigeerstatters die Vereidigung des Erstbeschuldigten beantragt. Das Gericht beschloss zunächst, dass er "zur Herbeiführung einer wahrheitsgemäßen Aussage auf seine Aussage vereidigt werden" soll. Sodann fasste das Gericht folgenden weiteren Beschluss: "Im Einvernehmen mit dem Zeugen und den Parteivertretern wird der Zeuge den Eid in dem sich anschließenden Termin zur Fortsetzung der Beweisaufnahme leisten, nachdem er Gelegenheit hatte, seine getätigte Aussage vorher in schriftlicher Form durchgelesen zu haben." Danach bestimmte die Richterin Termin zur Fortsetzung der Beweisaufnahme auf Freitag, den 25. Juli 1997; der Erstbeschuldigte bekannte sich zu diesem Termin als geladen. Aus dem zitierten Beschluss wird deutlich, dass die Aussage des Erstbeschuldigten als Zeuge nicht abgeschlossen war. Er sollte Gelegenheit erhalten, seine immerhin doch vierseitige Aussage zu überprüfen und gegebenenfalls zu berichtigen. Erst dann sollte er vereidigt werden. Eine Genehmigung seiner Aussage, wie sie § 162 Abs. 1 Satz 3 ZPO vorsieht, ist dem Protokoll nicht zu entnehmen, ebensowenig eine Verzichtserklärung nach § 162 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Dass sich die Richterin der Notwendigkeit einer solchen Genehmigung oder Verzichtserklärung bewusst war, folgt aus der Vernehmung der Zeugen H und I M im gleichen Termin. Am Ende der Vernehmung der Zeugen ist jeweils im Protokoll vermerkt: "Lt. diktiert u. genehmigt. Auf ein nochmaliges Vorspielen vom Tonträger wird allseits verzichtet." (H M) bzw. "lt. diktiert u. genehmigt. Auf ein Abspielen der Aussage vom Tonträger wird allseits verzichtet." (I M). Die sich an die Vernehmung des Erstbeschuldigten anschließende erneute Vernehmung der Zeugin IM schließt mit dem Vermerk: "Lt. diktiert u. genehmigt. Auf ein Vorspielen wird verzichtet."

Danach wird aus dem Protokoll der Sitzung vom 18. Juni 1997 deutlich, dass die Aussage des Erstbeschuldigten als Zeuge nicht abgeschlossen war und er seine Aussage in einem nachfolgenden Termin, der, aus welchen Gründen auch immer, allerdings nicht stattgefunden hat, noch genehmigen sollte. Auch ansonsten ist den Beiakten eine Genehmigungserklärung des Erstbeschuldigten nicht zu entnehmen.

Im Übrigen gilt Folgendes:

Es handelt sich um eine typische zivilprozessuale Auseinandersetzung, die ihre Ursache darin hat, dass die Vertragspartner es wider jegliche Vernunft versäumt haben, ihre mündlich getroffenen Abreden schriftlich zu fixieren. Erfahrungsgemäß tendieren dann die vernommenen Zeugen dazu, den Vortrag desjenigen zu bestätigen, der sie als Zeuge benannt hat, ohne dass objektive Anhaltspunkte dafür gegeben wären, welche Darstellung nun der Wahrheit entspricht. So liegt der Fall auch hier. Insoweit kann der Senat auf die ausführliche Beweiswürdigung in dem Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 4. Februar 1998 verweisen.

Vorliegend besteht lediglich die Besonderheit, dass der Anzeigeerstatter und der Zweitbeschuldigte Korrespondenz geführt haben, aus der sich nach Auffassung des Anzeigeerstatters gewichtige Anhaltspunkte für die Richtigkeit seiner Darstellung ergeben sollen. Insoweit verweist der Anzeigeerstatter auch auf den Hinweisbeschluss des 5. Zivilsenats vom 4. August 1998, in dem es heißt: "Allerdings spricht dann die Korrespondenz der Parteien (...) dafür, das Vorbringen des Klägers als bewiesen anzusehen." Diese Auffassung wird allerdings durch die nachfolgende Einschätzung, das Risiko des Klägers, dem Grunde nach zu obsiegen, betrage 2/5 zu 3/5, stark relativiert.

Nach Auffassung des Senats macht die zwischen dem Anzeigeerstatter und dem Zweitbeschuldigten geführte Korrespondenz eine Verurteilung des Zweitbeschuldigten nicht hinreichend sicher. Zunächst ist, auch im Hinblick auf den Hinweis des 5. Zivilsenats, darauf zu verweisen, dass es im Zivilprozess Beweisregeln gibt (vgl. etwa §§ 416, 440 ZPO sowie die Kommentierung von Zöller-Geimer, ZPO, 21. Aufl., § 440, Rdnr. 1 bis 3), die in dem Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 4. Februar 1998 möglicherweise nicht hinreichend beachtet wurden, im Strafprozess aber keine Rolle spielen. Der Senat verkennt nicht, dass der Zweitbeschuldigte dem Faxschreiben des Anzeigeerstatters vom 14. Januar 1996, in dem jener die aus seiner Sicht getroffene Vertragsabrede bestätigte, nicht widersprochen hat. Dies mag darauf hindeuten, dass das Faxschreiben die Vertragsabrede zutreffend wiedergibt, kann aber auch lediglich auf einer Nachlässigkeit des Zweitbeschuldigten in geschäftlichen Dingen oder sonstigen Gründen beruhen. Ebensowenig verkennt der Senat, dass der Zweitbeschuldigte selbst im Faxschreiben vom 5. Januar 1996 (richtig: 5. Februar 1996) vom Abschluss eines Werkvertrages spricht. Daraus folgt aber nicht zwingend, dass ein Werkvertrag mit dem Inhalt gemeint ist, wie ihn der Anzeigeerstatter behauptet. Mit der Formulierung kann auch laienhaft der Abschluss eines Werkvertrages unter einer auflösenden oder aufschiebenden Bedingung oder einer wie auch immer gearteten sonstigen Voraussetzung gemeint sein. Damit ließe sich auch durchaus das Vorbringen des Zweitbeschuldigten im Zivilprozess (Bl. 71/72 d. BA) in Einklang bringen. Die anderweitige Rechtsauffassung seines Prozessbevollmächtigten (Bl. 76 ff BA) ist insoweit ohne Belang.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass eine zur Anklageerhebung notwendige hinreichende Wahrscheinlichkeit der Verurteilung der Beschuldigten nicht zu bejahen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 177 StPO.

Ende der Entscheidung

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