Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 14.01.2003
Aktenzeichen: 3 U 1685/01
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, VOB/A, GO, LKO, VOB/B


Vorschriften:

BGB § 125 Satz 2
BGB § 127
BGB § 324 a. F.
BGB § 649 Satz 2
ZPO § 519 Abs. 3 Nr. 2 a. F.
VOB/A § 28 Nr. 2 Abs. 1
GO § 49 Abs. 1
LKO § 43 Abs. 1
LKO § 43 Abs. 2
VOB/B § 5 Nr. 4
VOB/B § 8 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES TEIL- UND GRUNDURTEIL

Geschäftsnummer: 3 U 1685/01

Verkündet am 14.01.2003

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Kubiak sowie die Richter am Oberlandesgericht Mille und Ritter auf die mündliche Verhandlung vom 26.11.2002

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 17.09.2001 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz wird verworfen, soweit sie sich gegen Ziff. 1 des Urteilsspruches (Verurteilung zur Zahlung von 1.898,69 DM nebst Zinsen) richtet.

Der mit dem Klageantrag zu 2) geltend gemachte Zahlungsanspruch wird dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von dem beklagten Landkreis Zahlung von Werklohn abzüglich ersparter Aufwendungen aufgrund eines Vertrages über die Durchführung von Malerarbeiten.

Anlässlich der Neuerrichtung des P....-J......-Gymnasiums in A........ führte der beklagte Landkreis eine öffentliche Ausschreibung durch. Der Klägerin wurde bezüglich der Malerarbeiten am 15.06.1998 der Zuschlag erteilt. Die Mitteilung hiervon erhielt sie am selben Tage durch Telefonanruf eines Mitarbeiters des vom Beklagten beauftragten Architekten. Einen später zugesandten schriftlichen Vertrag unterzeichnete die Klägerin nicht, weil es inzwischen zu Differenzen zwischen den Parteien gekommen war. Mit Schreiben der Rechtsanwälte des Beklagten vom 16.10.1998 wurde die Klägerin aufgefordert, bis zum 22.10.1998 mit den Arbeiten zu beginnen. Diese waren am 19.10.1998 jedoch bereits zu 2/3 bis 3/4 von einer vom Beklagten beauftragten Fremdfirma ausgeführt worden.

Die Klägerin hat mit der Klage Zahlung des für die ausgeschriebenen Leistungen vorgesehenen Werklohns abzüglich ersparter Aufwendungen sowie eines weiteren Betrages als Werklohn für ausgeführte Arbeiten aufgrund eines zusätzlichen Vertrages geltend gemacht.

Die Klägerin hat beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.898,69 DM nebst Zinsen in Höhe von 1 % über dem Lombardsatz der Deutschen Bundesbank seit dem 21.11.1998 zu zahlen;

2. den Beklagten zu verurteilen, an sie weitere 131.349,66 DM nebst Zinsen in Höhe von 1 % über dem Lombardsatz der Deutschen Bundesbank seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und im Wesentlichen vorgetragen, bezüglich der ausgeschriebenen Leistungen sei ein Vertragsverhältnis zwischen den Parteien nicht zustande gekommen, weil die Klägerin den schriftlichen Werkvertrag nicht unterzeichnet habe.

Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben und dazu ausgeführt, der Klageantrag zu 1) sei mangels substantiierten Bestreitens durch den Beklagten begründet. Hinsichtlich des zweiten Klageantrags gelte: Die Klägerin habe einen Zahlungsanspruch nach § 324 BGB a. F. Ein Vertrag sei zwischen den Parteien bereits aufgrund des Zuschlags und der telefonischen Mitteilung hiervon an die Klägerin wirksam zustande gekommen. Einer schriftlichen Auftragserteilung bedürfe es nicht. Hinsichtlich der Höhe sei von der Rechnung der Klägerin auszugehen, da der Beklagte hierzu nicht substantiiert vorgetragen habe.

Der beklagte Landkreis trägt zur Begründung seiner Berufung vor, zu einem Vertragsschluss mit der Klägerin sei es nicht gekommen, weil ihr die Mitteilung von der Zuschlagserteilung entgegen Ziff. 16 der Bewerbungsbedingungen nicht innerhalb der Zuschlagsfrist in Schriftform zugegangen sei. Außerdem verstoße die Klägerin gegen Treu und Glauben, wenn sie sich im vorliegenden Rechtsstreit auf die Wirksamkeit des Vertrages berufe, obwohl sie die Erfüllung zunächst mit der Begründung abgelehnt habe, dass mit ihr kein wirksamer Vertrag abgeschlossen worden sei.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, ein Schriftformerfordernis sie nicht vereinbart worden, so dass der Werkvertrag mit ihr auch ohne schriftliche Mitteilung wirksam sei. Zudem seien beide Parteien zunächst übereinstimmend davon ausgegangen, dass der Vertrag wirksam sei. So habe sie bereits Arbeiten auf der Baustelle ausgeführt.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die von ihnen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsätze und Urkunden (bis Bl. 184 GA) Bezug genommen.

Der Beklagte hat seinen Vortrag zur rechtlichen Würdigung des Sachverhalts in einem Schriftsatz vom 06.01.2003 (Bl. 192 ff. GA) ergänzt. Auch hierauf wird verwiesen.

Entscheidungsgründe:

1. Die Berufung ist unzulässig, soweit sie sich gegen Ziff. 1 des Urteilsspruches des Landgerichts richtet, weil sie insofern nicht ordnungsgemäß begründet worden ist (§§ 519, 519 b Abs. 1 ZPO a. F.).

Der Beklagte trägt in der Berufungsbegründung keine Gründe dafür vor, weshalb das Urteil des Landgerichts hinsichtlich Ziff. 1 angefochten wird (§ 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO a. F.). Unter Ziff. 1 ist der Beklagte zur Zahlung eines Werklohns in Höhe von 1.898,69 DM nebst Zinsen verurteilt worden, und zwar für Anstreicharbeiten an Kellerdecken des Bauvorhabens. Diese Arbeiten waren nach dem Inhalt der Entscheidungsgründe unstreitig nicht Gegenstand der Ausschreibung, sondern wurden aufgrund eines zusätzlich erteilten Auftrages durchgeführt. Der Vortrag in der Berufungsbegründung greift jedoch allein die Ausführungen des Landgerichts betreffend das Zustandekommen eines Vertrages aufgrund der Ausschreibung an und macht hilfsweise geltend, die Klägerin verstoße gegen Treu und Glauben, indem sie sich auf diesen Vertrag berufe. Hinsichtlich Ziff. 1 fehlt es also an der erforderlichen Begründung nach § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO a. F., so dass die Berufung in diesem Umfang zu verwerfen war.

2. Die gegen Ziff. 2 des Urteilstenors gerichtete Berufung ist zulässig. Sie hat dem Grunde nach auch in der Sache Erfolg.

Die unter Ziff. 2 vom Landgericht zugesprochene Klageforderung ist dem Grunde nach gerechtfertigt. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung von Werklohn aus dem Vertrag, der aufgrund des Zuschlages vom 15.06.1998 mit dem Beklagten abgeschlossen worden ist (§ 631 Abs. 1 BGB a. F.)

Dem Landgericht ist darin zu folgen, dass der Werkvertrag durch die mündliche Bekanntgabe des Zuschlags gemäß § 28 Nr. 2 Abs. 1 VOB/A zustande kam. Der Zuschlag wurde der Klägerin aufgrund ihres im Rahmen der öffentlichen Ausschreibung abgegebenen Angebotes durch Beschluss des Kreistages bzw. des Vergabeausschusses vom 15.06.1998 erteilt und am selben Tage der Klägerin telefonisch mitgeteilt. Dies geschah innerhalb der Zuschlagsfrist, die am 24.07.1998 ablief (Bl. 198 GA; in der Berufungsbegründung irrtümlich mit "24.06.1998" angegeben). Der Vertrag kommt nach allgemeiner Meinung mit der Bekanntgabe des Zuschlages an den Bieter zustande (Ingenstau/Korbion, VOB, 14. Aufl., A § 28 Rdnr. 11; ebenso Ziff. 16 der vom Beklagten verwendeten Bewerbungsbedingungen für die Vergabe von Bauleistungen).

Dass der Werkvertrag mit dem Beklagten nicht schriftlich geschlossen wurde, steht der Wirksamkeit des Vertrages nicht entgegen.

Zwar ist für einem Vertrag mit einer Gemeinde oder einem Landkreis - wie im vorliegenden Fall - nach § 49 Abs. 1 GO bzw. § 43 Abs. 1 LKO die Schriftform vorgeschrieben. Bei Nichteinhaltung von Formvorschriften des Gemeinderechts verstößt es jedoch nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gegen Treu und Glauben, wenn die Gebietskörperschaft sich bei Verstoß gegen solche Formvorschriften auf die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts beruft, obwohl der mit der Formvorschrift bezweckte Schutz deshalb bedeutungslos geworden ist, weil das nach den öffentlichrechtlichen Vorschriften für die Willensbildung zuständige Organ der Körperschaft den Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts gebilligt hat (BGH NJW 1994, S. 1528; NJW 1973, S. 1494, 1495). Ein solcher Fall ist hier gegeben. Die maßgebliche Willensbildung erfolgt bei einer Ausschreibung durch die Erteilung des Zuschlags. Hierfür war im vorliegenden Fall der Kreistag bzw. der Vergabeausschuss zuständig. Nachdem der Zuschlag an die Klägerin in öffentlicher Sitzung wirksam beschlossen worden war, stand es für den Beklagten also aufgrund einer Entscheidung seines zuständigen Organs intern fest, mit wem und mit welchem Inhalt der Werkvertrag zustande kam. Der Beklagte bedurfte deshalb keines Schutzes mehr vor einer inhaltsgleichen Verpflichtungserklärung mit Außenwirkung. Die Schutzfunktion der o. bez. Formvorschriften war damit gegenstandslos geworden, so dass es rechtsmissbräuchlich ist, wenn der Beklagte sich auf deren Nichtbeachtung beruft.

Die Mitteilung des Zuschlages an die Klägerin ist entgegen der Auffassung des Beklagten nicht deshalb unverbindlich, weil sie nicht durch den Landrat oder einen Kreisdeputierten erfolgte. Der Zuschlag stellt nach § 28 Nr. 2 Abs. 1 VOB/A die Willenserklärung dar, mit der das Angebot des Werkunternehmers angenommen wird (Ingenstau/Korbion aaO.). Diese Annahmeerklärung führrt allerdings erst mit dem Zugang beim Bieter zum Vertragsschluss (§ 130 Abs. 1 BGB). Es bedarf in diesem Zusammenhang keiner Erörterung, ob der Kreistag bis zum Zugang berechtigt ist, den einmal erteilten Zuschlag wieder rückgängig zu machen, und ob im Hinblick darauf, dass der Landkreis nach außen durch den Landrat vertreten wird, die vom Landtag abgegebene Annahmeerklärung, um dem Bieter gegenüber Wirkung zu erlangen - grundsätzlich in eine Erklärung des Landrats transformiert werden muss. Denn jedenfalls ist dieser hier in zulässiger Weise durch einen Dritten tätig geworden.

Erklärungen, durch die der Landkreis verpflichtet werden soll, können statt durch den Landrat oder seinen ständigen Vertreter auch durch Bevollmächtigte wirksam abgegeben werden (§ 43 Abs. 2 LKO). Als solcher trat im vorliegenden Fall der bauleitende Architekt bzw. dessen Mitarbeiter auf, der der Klägerin am 15.06.1998 telefonisch die Erteilung des Zuschlags mitteilte. Soweit die Form nach § 43 Abs. 2 LKO bei der Bevollmächtigung nicht eingehalten wurde, ist auch das unschädlich. Die vorangegangenen Ausführungen zu § 43 Abs. 1 LKO gelten entsprechend. Sollte der Mitarbeiter des Architekten ohne Vollmacht gehandelt haben, so wurde die Mitteilung des Zuschlages an die Klägerin spätestens dadurch genehmigt (§ 177 Abs. 1 BGB), dass der bauleitende Architekt mit dem Inhaber der Klägerin am 25.06. und 22.07.1998 Baustellengespräche führte, in denen konkrete Absprachen über den Bauablauf und den Baubeginn getroffen wurden. Die Genehmigung wurde innerhalb der bis zum 24.07.1998 laufenden Zuschlagsfrist erteilt.

Dass der Klägerin eine schriftliche Mitteilung des Zuschlages nicht zuging, hat auch nicht im Hinblick auf Ziff. 16 der Bewerbungsbedingungen die Unwirksamkeit des Werkvertrages zur Folge. Zwar sah diese Bestimmung - in Übereinstimmung mit den Richtlinien des Vergabehandbuches - vor:

"Das Vertragsverhältnis beginnt mit der Erteilung des Zuschlags und nach Zustellung des Auftragsschreibens."

Darin ist jedoch entgegen der Rechtsansicht des Beklagten nicht die Vereinbarung der konstitutiven Schriftform zu erblicken. Denn die Schriftform soll allein der Klarstellung und Beweissicherung dienen und ist deshalb nicht Wirksamkeitsvoraussetzung.

Ziff. 16 der Bewerbungsbedingungen stellt eine rechtsgeschäftliche Formvorschrift dar, die im Rahmen des vertragsähnlichen Rechtsverhältnisses Geltung hat, welches durch die Teilnahme des Bieters an der Ausschreibung begründet worden ist. Da es sich nicht um eine gesetzliche Formvorschrift handelt, hat ihre Nichtbeachtung nicht zwangsläufig Nichtigkeit zur Folge, sondern ihre Tragweite ist durch Auslegung zu ermitteln. Nur, wenn die Auslegung zu keinem Ergebnis führt, greift die Bestimmung des § 125 Satz 2 BGB ein. Im vorliegenden Fall kann nach dem Sinn der Bestimmung jedoch ausgeschlossen werden, dass der Werkvertrag nur dann Wirksamkeit erlangen sollte, wenn die Mitteilung von der Erteilung des Zuschlags dem Bieter schriftlich zuging. Das ergibt sich aus den Besonderheiten des Vertragsschlusses im Ausschreibungsverfahrens.

Der Inhalt des Werkvertrages liegt bei einer Ausschreibung in Form des schriftlichen Gebotes vor, welches durch den Zuschlag nur noch angenommen zu werden braucht (§ 28 Nr. 2 Abs. 1 VOB/A). Wenn dem Bieter dann die Mitteilung von der Zuschlagserteilung in Schriftform zugehen soll, so kann dies also keine Warnfunktion haben und auch keine beweiskräftige Festlegung des Vertragsinhalts bezwecken, sondern nur den Klarstellung und dem Beweis dafür dienen, dass der Vertrag zwischen den Parteien rechtsverbindlich geworden ist. In einem solchen Fall ist nicht anzunehmen, dass konstitutive Schriftform gewollt war (vgl. dazu Erman/Palm, BGB, 10. Aufl., § 125 Rdnr. 7). Da außerdem mit dem Zuschlag bereits eine Erklärung des zuständigen Organs - hier: des Kreistags oder des Vergabeausschusses - vorliegt, die für den Außenvertreter - hier: den Landrat - bindend ist, besteht für den Verwender der Bewerbungsbedingungen objektiv kein Interesse daran, bei nur mündlicher Mitteilung dem bereits gebilligten Werkvertrag die Wirksamkeit zu versagen. Die Schriftform sollte daher keine konstitutive Wirkung haben.

Wollte man in Ziff. 16 der Bewerbungsbedingungen aber doch ein Bestimmen der konstitutiven Schriftform gemäß §§ 127,125 Satz 2 BGB sehen (vgl. auch Ingenstau/Korbion A § 28 Rdnr. 29), so haben die Parteien auf deren Einhaltung jedenfalls stillschweigend verzichtet: Beide Seiten haben sich nach dem Zuschlag mehrfach übereinstimmend zur Wirksamkeit des Werkvertrags bekannt.

Schriftformklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen können von den Vertragsparteien stillschweigende aufgehoben werden. Eine solche stillschweigende Aufhebung ist anzunehmen, wenn die Parteien die Maßgeblichkeit der formlos getroffenen Vereinbarung übereinstimmend gewollt haben, und zwar selbst dann, wenn sie an den Formzwang nicht gedacht haben (vgl. z. B. BGH WM 1982, S. 902). Das gilt vor allem für mündliche Verträge, durch die ein schriftlicher Vertrag geändert wird. Wenn die Parteien sich durch Vereinbarung einer im Gesetz nicht vorgesehenen Schriftform gebunden haben, kann diese Bindung nur bestehen bleiben, solange und soweit die Vertragsparteien keinen anderen Willen zum Ausdruck bringen (BGH NJW 1065, S. 293). Es besteht aber kein Grund, dieses Prinzip nicht auch im Rahmen einer Ausschreibung anzuwenden deren Bedingungen - wie hier - die Schrittform versehen und denen der Bieter sich durch Teilnahme an der Ausschreibung unterworfen hat.

Erforderlich ist eine beiderseits als verbindlich gewollte Übereinkunft. Eine solche ist darin zu erblicken, dass die Parteien nach dem Zuschlag durch Erklärungen zur Durchführung und Handlungen wie gemeinsame Begehungen der Baustelle und Anlegung einer Musterfläche übereinstimmend zum Ausdruck brachten, dass die im Leistungsverzeichnis der Ausschreibung vorgesehenen Arbeiten von der Klägerin ausgeführt werden sollten, dass also der Werkvertrag mit der Klägerin wirksam sein sollte. Sowohl der Bevollmächtigte des Beklagten, der bauleitende Architekt, - mit Schreiben vom 29.07.1998 (Bl. 91 GA) - als auch die Klägerin - mit Schreiben vom 30.07.1998 (Bl. 91 GA) - haben noch sechs Wochen nach Erteilung des Zuschlags keinen Zweifel daran gelassen, dass des Werkvertrags wirksam sein sollte. Diese einmal erzielte Übereinkunft wurde nicht dadurch wieder beseitigt, dass die Klägerin später die abweichende Rechtsansicht vertrat, der Vertrag sei wegen Formmangels ungültig.

Aber selbst wenn die Parteien sich nicht auf eine Aufhebung der Schriftformklausel geeinigt hätten, so wäre der Beklagte doch zumindest nach Treu und Glauben daran gehindert, sich auf Formnichtigkeit zu berufen (§ 242 BGB).

Da es sich bei Ziff. 16 der Bewerbungsbedingungen um eine gewillkürte Formvorschrift handelt, finden die strengen Grundsätze, die in der Rechtsprechung für gesetzliche Formvorschriften und deren Unbeachtlichkeit nach Treu und Glauben entwickelt worden sind, nicht uneingeschränkt Anwendung. So kann ein Verstoß gegen gewillkürte Schriftform bereits dann nach Treu und Glauben unbeachtlich sein, wenn die Vertragspartner den Rechtsschein eines wirksamen Vertrages haben entstehen lassen (BGH NJW-RR 1987, S. 1073, 1074). Das war hier der Fall.

Nachdem der Beklagte der Klägerin den Zuschlag erteilt, diese die formlose Mitteilung hiervon unstreitig erhalten hatte und beide Parteien erste Schritte zur Durchführung des Vertrages ergriffen hatten, konnte der Beklagte der Klägerin die Durchführung des Vertrages redlicherweise nicht mehr deshalb verweigern, weil der Zuschlag ihr nicht in Schriftform bekanntgegeben worden war. Allerdings hat Ziff. 16 der Bewerbungsbedingungen eine andere Funktion als die weiter oben behandelten gemeinderechtlichen Formvorschriften. Während diese als Regelung der Vertretungsmacht des jeweiligen Organs der Kommune verstanden werden müssen (vgl. BGH NJW 1960, S. 1805,1807) und deren Schutz vor Überschreitungen der Vertretungsmacht gewährleisten sollen, hat die Bestimmung über die schriftliche Mitteilung von der Zuschlagserteilung, wie bereits ausgeführt, Klarstellungs- und Beweisfunktion. Ein Interesse des Beklagten besteht aber nur an der klaren und beweiskräftigen Feststellung, dass der Zuschlagsempfänger durch den Zugang der Mitteilung verpflichtet worden ist. Hinsichtlich Vertragsinhalt und Vertragspartner dagegen bedarf es, da hierüber durch den protokollierten Zuschlag bereits entschieden worden ist, keiner Klarstellung und keines Beweises mehr. Hat der Zuschlagsempfänger - wie hier - den Zugang einer mündlichen Mitteilung der Zuschlagserteilung innerhalb der Zuschlagsfrist bestätigt, besteht für die Kommune kein Interesse mehr daran, dass ihm die Mitteilung auch schriftlich zugeht. In diesem Fall stellt es deshalb einen Rechtsmissbrauch dar, wenn die Kommune sich dennoch auf den Formverstoß beruft. Der Einwand des Beklagten, der Werkvertrag sei mangels Schriftform nicht wirksam, ist daher unbeachtlich.

Der Beklagte trägt zu Unrecht vor, es verstoße gegen Treu und Glauben, wenn die Klägerin ihren Werklohnanspruch geltend mache, nachdem sie sich zuvor darauf berufen habe, der Werkvertrag sei nicht zustande gekommen.

Die im Vorfeld des Prozesses getätigten Äußerungen der Klägerin zur Rechtslage stehen einer Geltendmachung des Anspruchs nicht entgegen. Nachdem zwischen den Parteien in der ersten Zeit nach der Zuschlagserteilung Einigkeit darüber bestanden hatte, dass die Klägerin beauftragt sei, entstanden Differenzen über die Frage, ob mit den Arbeiten am 03.08.1998 - so der bauleitende Architekt in seinem Schreiben vom 29.07.1998 (Bl. 91 GA) - oder 12 Werktage nach Aufforderung - so die Klägerin in ihrem Schreiben vom 30.07.1998 (Bl. 95 GA) - zu beginnen sei. In der Folgezeit lehnte die Klägerin die Unterzeichnung des ihr vom Beklagten übersandten schriftlichen Vertrages mit der Begründung ab, dass dieser einen Nachlass ohne Einhaltung einer Zahlungsfrist vorsehe, dass die in dem Vertrag vorgesehenen Fristen bei Übersendung des Vertragstextes bereits abgelaufen gewesen seien und dass der bauleitende Architekt in ungerechtfertigter Weise Zwangsmaßnahmen angedroht habe (Schreiben der Klägerin an den Beklagten vom 19.08.1998; Bl. 71 GA). Erst im Rahmen dieses Streites machte die Klägerin geltend, es sei kein wirksamer Vertrag mit ihr zustande gekommen, während der Beklagte darauf beharrte, dass ein solcher bestehe (Schreiben der Rechtsanwälte des Beklagten vom 08.10.1998; Bl. 74). Dieser zutreffenden Rechtsansicht des Beklagten hat sich die Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit angeschlossen, während der Beklagte nunmehr davon abgerückt ist.

Unter diesen Umständen ist es der Klägerin auch nach den Grundsätzen des venire contra factum proprium nicht verwehrt, die Erfüllung des Werkvertrages zu verlangen (§ 242 BGB). Denn unsere Rechtsordnung lässt es grundsätzlich zu, dass eine Partei ihre Rechtsansicht ändert (BGH NJW 1997, S. 3377, 3379). Widersprüchliches Verhalten ist erst dann rechtsmissbräuchlich, wenn dadurch für den andren Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen wurde oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen (BGH aaO. S. 380). An beidem fehlt es hier.

Soweit die Klägerin es ablehnte, den ihr vom Beklagten übersandten schriftlichen Vertrag zu unterzeichnen, war sie im Recht. Denn der darin vorgesehene unbedingte Preisnachlass entsprach nicht dem Angebot der Klägerin, wonach er nur für den Fall fristgerechter Zahlung gewährt werden sollte. Ein abgeänderter Vertragstext wurde ihr auf ihre Rüge vom 19.08.1998 (Bl. 71 GA) nicht übersandt.

Aber auch aufgrund der seinerzeit von der Klägerin geäußerten Rechtsansicht, es sei kein Auftrag erteilt worden, durfte der Beklagte, da er selbst an dem Vertrag festhielt, nicht darauf vertrauen, dass für ihn keine vertraglichen Pflichten bestünden. Vielmehr war der Beklagte rechtskundig dahin beraten worden, dass der Vertrag wirksam sei (vgl. Schreiben der Rechtsanwälte S...... und Kollegen vom 08.10.1998; Bl. 74 ff GA). Dem Landkreis standen überdies die Mittel zur Verfügung, welche die VOB für den Fall der Nichteinhaltung eines Vertrages bereitstellt. Tatsächlich machte der Beklagte hiervon Gebrauch, indem er der Klägerin eine Frist zur Vertragserfüllung setzte, wartete jedoch entgegen § 8 Nr. 3 VOB/B mit der anderweitigen Vergabe des Auftrags nicht bis zum fruchtlosen Ablauf dieser Frist. Nach Setzung der Frist traten auf Seiten der Klägerin keine neuen Umstände ein, die den Beklagten hätten veranlassen können den Werkvertrag als hinfällig zu betrachten. Die nachteiligen Rechtswirkungen, die dem Beklagten aus seinem Verhalten erwachsen, sind deshalb nicht unbillig.

Der Beklagte kann dem Werklohnanspruch nicht die Einrede des nicht erfüllten Vertrages entgegenhalten. Denn die der Klägerin obliegende Leistung wurde infolge eines Umstandes unmöglich, welche der Beklagte zu vertreten hat (§ 324 Abs. 1 BGB a. F.).

Die von der Klägerin nach dem Leistungsverzeichnis geschuldeten Werkleistungen wurden unstreitig von einem dritten Unternehmer ausgeführt, der nach dem 15.06.1998 von dem bauleitenden Architekten im Namen des Beklagten beauftragt worden war. Dadurch wurde es der Klägerin objektiv unmöglich, diese Malerarbeiten auszuführen. Ob in dem Verhalten des Beklagten bzw. seines Bevollmächtigten eine stillschweigende Kündigung des mit der Klägerin geschlossenen Vertrages zu erblicken ist mit der Folge, dass der Klägerin ein Anspruch nach § 649 Satz 2 BGB zustünde, bedarf keiner Prüfung. Denn im Ergebnis wäre in diesem Fall Werklohn in gleicher Höhe geschuldet wie nach § 324 BGB a. F.

Die Unmöglichkeit der Leistung ist vom Beklagten zu vertreten, da es sein Bevollmächtigter war, der den Dritten mit den Malerarbeiten beauftragte. Zwar war der Klägerin zuvor mit Schreiben der Rechtsanwälte des Beklagten vom 16.10.1998 gemäß § 5 Nr. 4 VOB/B eine Frist bis zum 22.10.1998 gesetzt worden, mit den vertraglich geschuldeten Arbeiten zu beginnen. Die Klägerin mag sich zu dieser Zeit in Verzug befunden haben. Am 19.10.1998, also vor Ablauf der gesetzten Frist, waren die Arbeiten jedoch zum überwiegenden Teil anderweitig fertiggestellt. Der Beklagte bestreitet nicht, dass an diesem Tag die Klägerin an der Baustelle erschien, um ihre Arbeit aufzunehmen, dass damals aber der andere Malerbetrieb mit der Durchführungen der Arbeiten beschäftigt war und sie auch zu etwa 2/3 ausgeführt hatte. Zur Erteilung des Auftrags an einen Dritten war der Beklagte aber nicht vor Ablauf der Frist berechtigt (§ 8 Nr. 3 VOB/B).

Die Klägerin hat gegen den Beklagte daher Anspruch auf Zahlung des vereinbarten Werklohns abzüglich der ersparten Aufwendungen (§ 324 Abs. 1 BGB a.F.).

Der Anspruch der Klägerin ist fällig, da sie eine prüfbare Rechnung vorgelegt hat, in der die ersparten Aufwendungen, nach Positionen des Leistungsverzeichnisses aufgegliedert, konkret angegeben sind (Bl. 43 - 63 GA).

Der Klageantrag zu 2) ist dem Grunde nach gerechtfertigt.

Über die Höhe der ersparten Aufwendungen wird noch zusätzlich Beweis zu erheben sein.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

Zurück