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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 25.02.2003
Aktenzeichen: 3 U 771/02
Rechtsgebiete: ZPO, HGB, BGB


Vorschriften:

ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 253
ZPO § 319
ZPO § 325 Abs. 1
ZPO § 693 Abs. 2 a. F.
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
ZPO § 727
HGB § 15
HGB § 15 Abs. 1
BGB § 209 a. F.
BGB § 212 Abs. 1 a. F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 3 U 771/02

Verkündet Am 25.02.2003

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Kubiak, die Richterin am Oberlandesgericht Becht und den Richter am Oberlandesgericht Ritter auf die mündliche Verhandlung vom 21.01.2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 29.05.2002 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Mainz wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

Die Kläger verlangen von der Beklagten Zahlung von Mietzins für bestimmte Maschinen. Der schriftliche Mietvertrag hierüber weist als Mieterin die Firma H... C...... GmbH & Co. Produktions- und Service KG aus, deren Komplementärin die Beklagte war. Gegen die Kommanditgesellschaft erwirkten die Kläger in einem vorangegangenen Rechtsstreit am 25.05.1998 ein Versäumnisurteil -19 O 46/98 - Landgericht Darmstadt - über die Mietzinsforderung. Auf die tatsächlichen Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung wird Bezug genommen.

Die Kläger haben beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger 30.360,00 DM nebst 8 % Zinsen aus 2.200,00 DM seit dem 31.01.1995 sowie aus jeweils weiteren 2.200,00 DM seitdem 28.02.1995, dem 31.03.1995, dem 30.04.1995, dem 31.05.1995, dem 30.06.1995, dem 31.07.1995, dem 31.08.1995, dem 30.09.1995, dem 31.10.1995, dem 30.11.1995 und dem 31.12.1995 zu zahlen.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung verurteilt. Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt und trägt zur Begründung im Wesentlichen das vor, was sie bereits in erster Instanz vorgetragen hat. Insbesondere macht sie weiterhin die Einrede der Verjährung geltend.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie berufen sich weiterhin darauf, dass die Verjährung durch Zustellung der Klageschrift im Vorverfahren unterbrochen worden sei.

Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.

Die Klage ist zulässig. Es besteht Rechtsschutzbedürfnis. Das gegen die H... C....... GmbH & Co. Produktions- und Service KG ergangene Versäumnisurteils wirkt nicht gemäß § 325 Abs. 1 ZPO gegen die H... C....... GmbH. Denn es ist nicht dargetan, dass diese erst nach Eintritt der Rechtshängigkeit Rechtsnachfolgerin der Kommanditgesellschaft wurde. Für eine Umschreibung des Versäumnisurteils gemäß § 727 ZPO auf die Beklagte des vorliegenden Verfahrens besteht deshalb kein Raum. Die Kläger können den erstrebten Titel gegen die H... C....... GmbH auch nicht etwa auf dem Wege einer Urteilsberichtigung nach § 319 ZPO erreichen. Einen Berichtigungsantrag der Kläger hat das Landgericht Darmstadt durch Beschluss vom 01.08.2001 mit zutreffenden Gründen zurückgewiesen.

Das Landgericht hat die Beklagten zu Recht verurteilt, an die Kläger den verlangten Mietzins für die Zeit vom 01.01. bis zum 31.12.1995 zu zahlen (§535 Satz 2 BGB a. F., §§ 128, 161 Abs. 2 HGB).

Die Kläger sind, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, aktiv legitimiert, da sie die einzigen Gesellschafter der Vermieterin, der G... und P... GbR, sind. Die Beklagte haftet für den Anspruch aus dem Mietvertrag als Komplementärin und als Gesamtrechtsnachfolgerin der Mieterin. Gegen das Bestehen des Mietzinsanspruches werden keine erheblichen Tatsachen vorgetragen.

Der Anspruch der Kläger ist nicht verjährt, da die Verjährungsfrist durch die Einleitung des Verfahrens gegen die H... C....... GmbH & Co. Produktions- und Service KG mit Wirkung auch gegenüber der Beklagten unterbrochen wurde (§ 209 BGB a. F., § 693 Abs. 2 ZPO a. F.). Auch darin ist dem Landgericht zu folgen.

Der Rechtsstreit, in welchem die Kläger gegen die H... C....... GmbH & Co. Produktions- und Service KG ein Versäumnisurteil über die Forderung auf Zahlung der Miete für Januar bis Dezember 1995 erwirkten, wurde durch Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides am 16.12.1997 eingeleitet, d. h., zu einem Zeitpunkt, als die Verjährungsfrist hinsichtlich der Ansprüche noch nicht abgelaufen war (§ 196 Abs. 1 Nr. 6 BGB a. F.). Die Zustellung erfolgte "demnächst" i. S. des § 693 Abs. 2 ZPO a. F., nämlich am 13.01.1998.

Dem Landgericht ist weiterhin darin zu folgen, dass die Zustellung des Mahnbescheides an die H... C....... GmbH & Co. Produktions- und Service KG wirksam war, obwohl diese durch Kündigung der einzigen Kommanditistin aufgelöst worden war.

Dabei kann zu Gunsten der Beklagten unterstellt werden, dass der Komplementärin das Kündigungsschreiben am 27.06.1997 zuging. Da eine Löschung im Handelsregister noch nicht erfolgt und den Klägern nicht bekannt war, konnte sie diesen nicht entgegengesetzt werden (§ 15 Abs. 1 HGB).

§ 15 HGB ist im vorliegenden Fall anwendbar. Nach stdg. Rspr. findet die Bestimmung des § 15 HGB auf alle Rechtshandlungen Anwendung, bei denen der Handelnde die Möglichkeit hat, sein Verhalten auf seine Kenntnis von bestimmten Tatsachen einzurichten (BGH NJW 1979, S. 42), somit auch auf eine Klageerhebung und die dadurch veranlasste Zustellung (vgl. RGZ 127, S. 98, 99 f.; vgl. Baumbach/Hopt, HGB, 30. Aufl., § 15 Rdnr. 8).

Dass die beklagte H... C....... GmbH & Co. Produktions- und Service KG zur Zeit der Klageerhebung bereits aufgelöst war, hatte nicht zur Folge, dass die gegen sie gerichtete Klage keinerlei Wirkung gehabt hätte. Zwar gilt der Grundsatz, dass die gegen eine nicht existierende Partei gerichtete Klage unwirksam ist und daher verjährungsunterbrechende Wirkung gegen den wahren Rechtsträger nicht zu entfalten vermag (vgl. BGH NJW 2002, S. 3110, 3111 betr. einen Fall, in welchem gegen eine GmbH geklagt worden war, nachdem deren Verschmelzung bereits im Handelsregister eingetragen worden war). Da die Löschung der Kommanditgesellschaft aber noch nicht im Handelsregister eingetragen worden war, musste diese sich als fortbestehend behandeln lassen. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, bei Zustellung an eine nicht existente Person sei der Zweck der Zustellung, nämlich Kenntnisnahme des Adressaten von dem zugestellten Schriftstück, nicht zu erreichen. Handelt es sich bei dem Adressaten um eine juristische Person oder - wie hier - um eine Handelsgesellschaft, so kann von dem Schriftstück ohnedies nur die natürliche Person Kenntnis nehmen, die als Vertreter des Adressaten auftritt, für die H... C....... GmbH & Co. Produktions- und Service KG also Frau H........ A..... Deren Vertretungsbefugnis galt den Klägern gegenüber mangels Eintragung der eingetretenen Veränderung weiterhin fort.

Die Komplementärin musste, solange die Löschung der KG noch nicht im Handelsregister eingetragen war, damit rechnen, dass die Gläubiger der Gesellschaft von deren Fortbestand ausgehen würden und dass insbesondere Zahlungsaufforderungen, Mahnbescheide und Klagen an die H... C....... GmbH & Co. Produktions- und Service KG adressiert würden. Hierauf musste die Komplementärin sich einstellen, indem sie sich über die Posteingänge bei der aufgelösten Gesellschaft laufend informierte, so dass ihr auch die Zustellung des von den Klägern beantragten Mahnbescheides zur Kenntnis gelangen musste. Dem trägt die Bestimmung des § 15 Abs. 1 HGB Rechnung, wonach eine solche in das Handelsregister einzutragende Tatsache wie die Auflösung einer KG einem Dritten grundsätzlich nicht entgegengesetzt werden kann, solange sie nicht eingetragene und bekanntgemacht ist. Es folgt daher aus einer sinn- und zweckgerechten Auslegung des § 209 BGB a. F., dass auch die Klagezustellung an eine nicht mehr existente Schuldnerin, deren Löschung noch nicht eingetragen ist, zur Unterbrechung der Verjährung führt.

Die Beklagte kann auch nicht ernsthaft geltend machen, dass sie bzw. ihre Geschäftsführerin nicht im Stande gewesen sei, die an die Beklagte des Vorverfahrens gerichtete Post zu kontrollieren. Da die GmbH persönlich haftende Gesellschafterin der aufgelösten KG war, erfolgte die Zustellung des Mahnbescheides an die Geschäftsführerin der Beklagten des vorliegenden Rechtsstreits, die dadurch hinreichend gewarnt und von der Absicht der Kläger in Kenntnis gesetzt war, ihre Ansprüche aus dem Mietverhältnis gerichtlich durchzusetzen (vgl. dazu BGH NJW-RR 1991, S. 1033, 1034).

Auch eine unzulässige Klage hat unterbrechende Wirkung nach § 209 BGB a. F. (arg. § 212 BGB a. F.; vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Aufl. § 209 Rdnr. 5). Entgegen der Auffassung der Beklagten bedarf es hierzu nicht der anschließenden Heilung des Verfahrensmangels. Nur dann, wenn die Klage als unzulässig abgewiesen wird, gilt die Unterbrechung gemäß § 212 Abs. 1 BGB a. F. als nicht erfolgt (vgl. BGH NJW 1980, S. 2461, 2462). Außerdem gilt für den - hier nicht gegebenen - Sonderfall der fehlenden Zustellung einer Klageschrift i. S. des § 253 ZPO, d. h., des Fehlens einer Klageerhebung, dass die Unterbrechung der Verjährung erst mit der Heilung dieses Mangels eintritt (BGH LM Nr. 16 zu § 253 ZPO). Führt die wirksam erhobene Klage jedoch - wie im vorliegenden Fall - zur Verurteilung des Beklagten, so entfällt die verjährungsunterbrechende Wirkung nicht.

Die prozessrechtliche Frage, ob unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 HGB ein Rechtsstreit gegen eine nicht existente Person zulässig bzw. rechtlich möglich ist, muss streng von der materiellrechtlichen Frage getrennt werden, ob diese Person im Rahmen des § 209 BGB a. F. als Schuldner behandelt werden kann (vgl. auf der Klägerseite zur Unterscheidung in zulässige Prozessstandschaft und Berechtigung i. S. des § 209 BGB a. F.: BGH NJW 1980, S. 2461, 2462 f.). Nach Sinn und Zweck der Bestimmung des § 209 BGB a. F. kommt es darauf an, ob die Klage dem Schuldner den Rechtsverfolgungswillen des Gläubigers so deutlich macht, dass dieser sich darauf einrichten muss, auch noch nach Ablauf der ursprünglichen Verjährungsfrist in Anspruch genommen zu werden (BGH NJW 1981, S. 1953, 1954). Das ist bei der Klage gegen die H... C....... GmbH & Co. Produktions- und Service KG zu bejahen.

Zumindest als Komplementärin der Beklagten des Vorverfahrens muss die Beklagte des vorliegenden Rechtsstreits die durch den Vorprozess herbeigeführte Unterbrechung der Verjährung gegen sich gelten lassen (§ 159 Abs. 4 HGB a. F.)

Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts war daher zurückzuweisen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 15.522,82 Euro festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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