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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 20.05.1999
Aktenzeichen: 5 U 1660/98
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 464 | |
BGB § 823 II |
(Hinweis auf Sanierungsbedürftigkeit eines Kaufobjekts reicht nicht aus bei Arsenbelastung des Grundstücks - Kenntnis bei vorbehaltloser Kaufpreiszahlung)
Der Verkäufer einer Immobilie ist offenbarungspflichtig, wenn der Boden des Grundstücks teilweise mit Arsen belastet ist. Er genügt dieser Pflicht nicht, wenn er im notariellen Vertrag ausführt, das Kaufobjekt sei sanierungsbedürftig.
Erlangt der Käufer zwischenzeitlich Kenntnis von der Kontaminierung des Grundstücks und setzt ihm nun der Verkäufer hinsichtlich des Kaufpreises, da er Gewährleistungsansprüche ablehnt, eine Frist mit Ablehnungsandrohung, worauf der Käufer den Kaufpreis vorbehaltlos zahlt, so steht dessen früheren Gewährleistungsansprüchen nunmehr § 464 BGB (Annahme der Sache in Kenntnis des Mangels) entgegen.
Ansprüche aus unerlaubter Handlung (Betrug) scheitern, wenn der Käufer vor der Verfügung über den Kaufpreis den Mangel kennt.
OLG Koblenz Urteil 20.05.1999 - 5 U 1660/98 - 1 O 284/97 LG Koblenz
In dem Rechtsstreit hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch die Richter am Oberlandesgericht Kaltenbach, Dr. Menzel und Weller auf die mündliche Verhandlung vom 29. April 1999 für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 20. August 1998 wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit von 14.000 DM abwenden, sofern die Beklagte vor der Vollstreckung nicht eine entsprechende Sicherheit leistet.
Die Sicherheiten dürfen auch durch selbstschuldnerische, unwiderrufliche Bürgschaft eines als Steuerbürge zugelassenen inländischen Kreditinstituts erbracht werden.
Gründe
Der Kläger begehrt Minderung des Kaufpreises für ein Hausgrundstück, dessen Boden stellenweise mit Arsen verseucht ist.
Er erwarb das Anwesen von der Beklagten durch notariellen Vertrag vom 17. Mai 1994. Das Kauf Objekt ist in dem Vertrag, der einen Gewährleistungsausschluss enthält, als "sanierungsbedürftig" bezeichnet. Weiter wurde vereinbart, dass Besitz und Nutzungen, Gefahr und Lasten mit dem Tag der Kaufpreiszahlung auf den Kläger übergehen sollten.
Die Kaufpreiszahlung erfolgte am 3. August 1994. Zuvor hatte der Kläger der Beklagten durch Schreiben vom 7. Juli 1994 Folgendes mitgeteilt (Bl. 53 GA):
"Ich habe den bis zum 01.07.1994 zu zahlenden Kaufpreis aus o.g. Kaufvertrag bislang nicht bezahlt, da ich festgestellt habe, daß es sich bei der Immobilie um eine solche handelt, die im Altlastenkataster des Kreises Mettmann geführt wird. Auf dem Grundstück sind Kontaminierungen vorhanden, die auch nach Aufbringen von Schutzmaßnahmen die Immobilie in erheblichem Maße in ihrer Nutzbarkeit und ihrem Wert einschränken.
Dieser Umstand ist im Kaufvertrag nicht erwähnt. Aus diesem Grunde möchte ich, vor weiteren Schritten von meiner Seite, mit Ihnen kurzfristig ein Gespräch über den Kaufpreis führen. Ich werde mich in dieser Angelegenheit mit Ihnen in den nächsten Tagen zur Vereinbarung eines Termines in Verbindung setzen."
Der Kläger hat vorgetragen, die Beklagte habe ihn über die Arsenbelastung arglistig im Unklaren gelassen. Wegen der Kontaminierung sei die beabsichtigte weitere Bebauung des Grundstücks ausgeschlossen. Der Minderwert betrage mindestens 160.000 DM. Diesen Betrag nebst Zinsen müsse die Beklagte daher erstatten.
Die Beklagte hat erwidert, schon bei der ersten Besichtigung habe der von beiden Parteien eingeschaltete Makler den Kläger auf die Kontaminierung hingewiesen (Bl. 39/40 GA). Beim Vertragsschluss sei der Kläger daher umfassend informiert gewesen.
Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Minderung scheitere an § 464 BGB. Das Schreiben des Klägers vom 7. Juli 1994 belege Kenntnis, gleichwohl habe er am 3. August 1994 den gesamten Kaufpreis vorbehaltlos gezahlt. Auch ein Anspruch aus unerlaubter Handlung scheide aus. Denn die Beklagte habe Anfang der 90er Jahre Sanierungsmaßnahmen durchgeführt und hiernach von der zuständigen Behörde die Mitteilung erhalten, gegen die weitere Nutzung bestünden keine Bedenken. Eines Hinweises auf die Altlast habe es daher nicht bedurft.
Mit seiner Berufung wiederholt der Kläger den erstinstanzlichen Antrag, hilfsweise bittet er um Vollstreckungsschutz durch Bankbürgschaft. Das Landgericht habe einen Vorbehalt bei der Auflassung vermißt und dabei übersehen, dass diese schon in dem notariellen Vertrag vom 17. Mai 1994 erklärt sei. Die Arsenbelastung sei ihm zwar vor der Eigentumsumschreibung zufällig bekannt geworden, nicht jedoch die daraus sich ergebenden Konsequenzen in Bezug auf künftige Bau- und Umbauvorhaben. Im Übrigen enthalte das Schreiben vom 7. Juli 1994 ebenso einen Vorbehalt wie ein nachfolgendes Schreiben der in seinem Namen handelnden Bauunternehmerin. Von einem vermuteten Verzicht auf die Minderung könne daher keine Rede sein.
Schließlich habe die Beklagte die Arsenbelastung auch in Täuschungsabsicht verschwiegen und hafte daher aus unerlaubter Handlung.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und meint, eines Hinweises auf die Arsenbelastung des Grundstücks habe es nicht bedurft, gleichwohl sei ein derartiger Hinweis erfolgt. Jedenfalls habe der Kläger zwischen Abschluss des Kaufvertrages und der Kaufpreiszahlung Anfang August 1994 umfassend Kenntnis erlangt, ohne bei der Annahme der Kaufsache einen Vorbehalt zu erklären. Daher sei er mit allen in Betracht kommenden Ansprüchen ausgeschlossen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Kläger ist nicht berechtigt, einen Herabsetzung des Kaufpreises zu verlangen (1.). Ebensowenig steht ihm gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung zu (2.).
1.
Nach § 462 BGB kann der Käufer wegen eines Mangels, den der Verkäufer nach §§ 459, 460 BGB zu vertreten hat, entweder Rückgängigmachung des Kaufes (Wandelung) oder Herabsetzung des Kaufpreises (Minderung) verlangen.
Folgt man dem Prozessvortrag der Beklagten, war der Kläger schon vor Abschluss des Kaufvertrages durch den Makler Ramjoue über die Kontaminierung des Grundstücks informiert worden (vgl. Bl. 39/40 GA). Gegebenenfalls kannte der Kläger den Mangel bei dem Abschluss des Kaufvertrages, so dass die Beklagte schon nach § 460 Satz 1 BGB nicht gewährleistungspflichtig wäre.
Nichts anderes ergibt sich jedoch, wenn man entsprechend dem Prozessvortrag des Klägers davon ausgeht, dass ihm bei Abschluss des notariellen Kaufvertrages am 17. Mai 1994 die Arsenbelastung des Grundstücks nicht bekannt war.
a) Allerdings kann der Beklagten nicht darin gefolgt werden, eines Hinweises auf die Giftkontaminierung des Grundstücks habe es nicht bedurft.
Soweit die Beklagte dabei auf die "erhebliche Publizität der Sanierungsmaßnahme" abhebt, die durch zahlreiche Presseveröffentlichungen Anfang der 90er Jahre belegt ist (Bl. 35-38 GA), ist das schon deshalb nicht stichhaltig, weil die Berufungserwiderung nicht aufzeigt, dass der Kläger diese Publikationen kannte.
Die Auffassung des Landgerichts, die Beklagte habe den Kläger auch nicht ohne Weiteres auf die Arsenkontamination hinweisen müssen, teilt der Senat nicht. Denn diese Eigenschaft der Kaufsache war für den Erwerber sehr wohl von Bedeutung. Bei Altlasten besteht die Besorgnis, dass vermeintlich dauerhaft sichere Sanierungen das Problem doch nicht endgültig behoben haben. Vor diesem Hintergrund sind Folgekosten für den Erwerber wegen der Altlast nicht auszuschließen, weshalb den Verkäufer eine Offenbarungspflicht trifft.
Dieser Offenbarungspflicht ist hier nicht deshalb genügt, weil in § 4 des Vertrages unter der Überschrift "Sachmängel" davon die Rede ist, dem Erwerber sei bekannt "dass das Kaufobjekt sanierungsbedürftig ist". Das bezog sich nach Auffassung des Senats nicht auf die Altlast. Denn die Beklagte trägt vor, diese sei Anfang der 90er Jahre dauerhaft und endgültig saniert worden. Vor diesem Hintergrund ist mit der im Kaufvertrag erwähnten Sanierungsbedürftigkeit des Kaufobjekts ersichtlich nur der Zustand des Wohngebäudes gemeint. Auch der allgemeine Gewährleistungsausschluss erfasst den hier in Rede stehenden Mangel der Kaufsache nicht, weil die Beklagte insoweit eine Hinweis- und Aufklärungspflicht traf.
b) Gleichwohl scheitern sämtliche kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüche des Klägers an § 464 BGB. Nach dieser Vorschrift behält der Käufer einer mangelhaften Sache, der den Mangel kennt, die in §§ 462, 463 BGB bestimmten Ansprüche nur dann, wenn er sich seine Rechte wegen des Mangels bei der Annahme vorbehält. Einen derartigen Vorbehalt hat der Kläger hier versäumt und damit auf die Geltendmachung der Gewährleistung verzichtet.
Im Einzelnen:
Am 6. Juli 1994 sprach der als Vertreter des Klägers ausgewiesene Zeuge K. bei der Unteren Wasserbehörde des Kreises Mettmann vor und wurde von dort von dem Dezernenten Sch. umfassend über die Altlastenproblematik und die insoweit Anfang der 90er Jahre getroffenen Maßnahmen unterrichtet. Das entnimmt der Senat der Gesprächsnotiz, die der Zeuge Sch. über seine Unterredung mit dem Zeugen K. gefertigt hat (Bl. 134 GA). Das erstmals in der mündlichen Verhandlung des Berufungsverfahrens erfolgte Bestreiten ist unsubstantiiert und zudem verspätet (Bl. 145 GA).
Die am 6. Juli 1994 erlangten Informationen veranlassten den Kläger zu seinem Schreiben an die Beklagte vom 7. Juli 1994 (Bl. 53 GA). Danach sah der Kläger "die Immobilie in erheblichem Maße in ihrer Nutzbarkeit und ihrem Wert" eingeschränkt.
Gleiches ergibt sich aus dem nachfolgenden Schreiben des vom Kläger eingeschalteten Bauunternehmens vom 14. Juli 1994 an den Makler R. (Bl. 41/42 GA). Dort ist namens des Klägers von der "Giftbelastung ... der verkauften Immobilie" die Rede. Weiter heisst es, die vom Kläger angesprochenen Banken seien wegen der Giftbelastung zu einer Finanzierung nicht bereit. Wegen der Umweltbelastungen sei "die Immobilie für eine Nutzung fast auszuschließen" (Bl. 42 GA).
Deutlicher konnte die nunmehr beim Kläger vorhandene Kenntnis nicht zum Ausdruck gebracht werden. Das Schreiben der Bauunternehmung belegt im Weiteren auch die von der Berufung vermisste Kenntnis der Auswirkungen in Bezug auf künftige Bau- und Umbauvorhaben.
Der Makler R. hat das ihm am 18. Juli 1994 zugegangene Schreiben der Bauunternehmung alsbald an die Beklagte weitergeleitet, was sich aus deren nachfolgender Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung ergibt, die vom 21. Juli 1994 datiert (Bl. 51 GA). Da die im Kaufvertrag bestimmte Zahlungsfrist (1. Juli 1994) verstrichen war, mußte der Kläger mit Zugang des Anwaltsschreibens der Beklagten vom 21. Juli 1994 davon ausgehen, dass die weitere Nichtzahlung oder die vom ihm angekündigte Teilzahlung den unverzüglichen Rücktritt der Beklagten vom Kaufvertrag auslösen würde.
Vor diesem Hintergrund lag in der vollständigen und vorbehaltlosen Kaufpreiszahlung am 3. August 1994 die Annahme der Kaufsache in Kenntnis ihres Mangels, was die Rechtsfolgen des § 464 BGB hat.
Die Berufung will das nicht gelten lassen und meint, der Vorbehalt liege bereits in den vorausgegangenen Schreiben vom 7. und 14. Juli 1994. Dem kann nicht gefolgt werden. Der Kläger verkennt, dass die Beklagte zeitlich nachfolgend im Anwaltsschreiben vom 21. Juli 1994 sein Minderungsbegehren zurückgewiesen hatte. Vor diesem Hintergrund konnte die vollständige Kaufpreiszahlung am 3. August 1994 aus dem allein maßgeblichen Empfängerhorizont der Beklagten nur dahin verstanden werden, dass der Kläger in Kenntnis des Mangels sich gleichwohl für umfassend zahlungspflichtig hielt. Ansonsten hätte er bei der Zahlung einen Vorbehalt machen oder darauf hinweisen müssen, dass die Zahlung ohne Aufgabe des Rechtstandpunkts erfolge, den er in den Schreiben vom 7. und 14. Juli 1994 vertreten hatte.
Angesichts des Kenntnisstands des Klägers im August 1994 hat er die ihm als Erfüllung angebotene und als mangelhaft erkannte Leistung als Erfüllung angenommen, so dass ihn die Beweislast trifft, wenn er die Leistung nunmehr nicht als Erfüllung gelten lassen will (§ 363 BGB). Auf den Zeitpunkt der Auflassung kommt es daneben nicht an, weil § 464 BGB auf den Annahmezeitpunkt abstellt. Aus den missverständlichen Erwägungen auf Seiten 7/8 UA der landgerichtlichen Entscheidung (Bl. 94/95 GA) kann daher nichts zu Gunsten des Klägers hergeleitet werden.
Sein Minderungsverlangen scheitert an § 464 BGB.
2.
Einen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB hat das Landgericht im Ergebnis ebenfalls zu Recht verneint.
Unterstellt man den Klagevortrag als zutreffend, hat die Beklagte den Kläger auf die offenbarungspflichtige Arsenkontamination nicht hingewiesen. Darin lag gegebenenfalls ein Unterdrücken wahrer Tatsachen, was beim Kläger zu einem entsprechenden Irrtum führte.
Indes beruhte die nachfolgende Vermögensverfügung vom 3. August 1994 (Kaufpreiszahlung) nicht mehr auf diesem Irrtum, weil der Kläger mittlerweile umfassend informiert war. Fehlt es damit an der kausalen Verknüpfung zwischen dem dritten Tatbestandsmerkmal des § 263 StGB (Vermögensverfügung) und dem durch die Täuschungshandlung verursachten Irrtum, scheidet ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB aus.
Soweit ein Eingehungsbetrug in Betracht kommen könnte, lässt sich nicht feststellen, dass der angeblich versäumte Hinweis auf die Arsenbelastung den Kläger gegebenenfalls veranlasst hätte, den Kaufvertrag vom 17. Mai 1994 nicht oder nur zu einem geringeren Kaufpreis abzuschließen. Die Kaufpreiszahlung vom 3. August 1994 indiziert, dass die Immobilie dem Kläger auch in Kenntnis der Altlast 800.000 DM wert war.
3.
Die Berufung war daher mit den Nebenentscheidungen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO zurückzuweisen.
Streitwert und Beschwer des Klägers: 160.000 DM.
Ende der Entscheidung
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