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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 18.01.2001
Aktenzeichen: 5 U 619/00
Rechtsgebiete: BGB, ZPO
Vorschriften:
BGB § 862 Abs. 1 Satz 2 | |
BGB § 862 Abs. 1 | |
BGB § 1004 Abs. 1 | |
ZPO § 890 | |
ZPO § 708 Nr. 10 | |
ZPO § 711 |
Geschäftsnummer: 5 U 619/00 16 O 471/99 LG Koblenz
Verkündet am 18. Januar 2001
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
in dem Rechtsstreit
wegen Wildplakatierens
hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch die Richter am Oberlandesgericht Kaltenbach, Dr. Menzel und Weller auf die mündliche Verhandlung vom 21. Dezember 2000
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Das Versäumnisurteil des Senats vom 9. November 2000 wird teilweise aufgehoben und wie folgt neu gefasst:
Unter Zurückweisung des weitergreifenden Rechtsmittels des Beklagten wird das Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 21. März 2000 teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:
a. Der Beklagte wird verurteilt, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass Werbeplakate für seine mobile Diskothek "F." nicht auf Werbeträgern angebracht werden, deren Nutzungsrecht der Klägerin zusteht,
b. für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen diese Verpflichtung wird dem Beklagten ein Ordnungsgeld bis zu 500.000 DM und für den Fall, dass es nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.
2. Im übrigen bleibt das Versäumnisurteil aufrecht erhalten.
3. Der Beklagte hat die gesamten Kosten des Rechtsstreits zu tragen mit Ausnahme der Kosten, die durch die Säumnis der Klägerin im Termin vom 9. November 2000 entstanden sind. Diese Kosten fallen der Klägerin zur Last.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung -- auch mittels Bankbürgschaft eines als Steuerbürge zugelassenen, inländischen Kreditinstituts -- oder Hinterlegung von 6000 DM abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung entsprechende Sicherheit leistet.
5. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die klagende Firma für Außenwerbung nimmt den Beklagten, der eine mobile Diskothek betreibt, auf Unterlassung in Anspruch. Sie sieht sich durch unerlaubtes Plakatieren auf ihren Werbeträgern gestört.
Die Klägerin behauptet, ihr stehe seit 1994 das ausschließliche Nutzungsrecht an Werbeträgern zu, die Ende 1999 von nicht bekannten Mitgliedern oder Helfern des Junggesellenvereins V. (bei M.) mit Plakaten beklebt wurden. Über den Hinweisen auf Ort und Zeit einer Veranstaltung des Junggesellenvereins befindet sich auf dem Oberteil der Plakate der großformatige Aufdruck
"Mobile Discothek F.",
darunter ein Aufkleber mit dem Hinweis
"Ballermann Party" (Bl. 10 -- 17 GA).
Der Beklagte hatte diese Werbeplakate dem Junggesellen-Verein vertraglich zur Verfügung gestellt (siehe zum Inhalt des Formularvertrages Bl. 42 GA).
Die Klägerin hat vorgetragen, obwohl der Beklagte die Plakate nicht selbst angebracht habe, sei er Störer.
Der Beklagte hat erwidert, er habe alles Erforderliche getan, um wildes Plakatieren zu verhindern.
Das Landgericht hat dem Beklagten untersagt, Werbeträger der Klägerin mit Plakaten zu bekleben oder dies durch andere zu veranlassen. Zur Begründung hat die Einzelrichterin ausgeführt, die Besitzstörung der Klägerin (§§ 1004, 862 BGB) habe der Beklagte zurechenbar herbeigeführt. Denn er habe nicht alle erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen getroffen, um wildes Plakatieren zu verhindern.
Dagegen wendet sich der Beklagte mit der Berufung. Das Nutzungsrecht an den Plakatwänden stehe nicht der Klägerin, sondern der S. GmbH zu. Erst nach Prozessbeginn habe die S. GmbH das Nutzungsrecht an den Werbeträgern auf die Klägerin übertragen (Bl. 136 GA). Daher fehle die Sachbefugnis und die Wiederholungsgefahr.
Im übrigen sei der Vorstand des Junggesellenvereins ausdrücklich darauf hingewiesen worden, Plakate nur auf den von den Gemeinden zur Verfügung gestellten Flächen anzubringen. Jedwedes Plakatieren in M. habe er untersagt. Mehr könne nicht verlangt werden.
Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung. Ihre Anspruchsberechtigung ergebe sich aus einer 1994 getroffenen Vereinbarung mit der ursprünglich nutzungsberechtigten S. GmbH. Diese Vereinbarung sei allerdings erst im Juni 2000 ... -- nach Prozessbeginn -- schriftlich fixiert worden (Bl. 136 GA). Die -- in erster Linie bestrittenen -- Vorkehrungen des Beklagten gegen wildes Plakatieren seien gegebenenfalls nicht ausreichend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Da die Klägerin im ersten Verhandlungstermin säumig war, ist dort die Klage auf die Berufung des Beklagten abgewiesen worden. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrem frist- und formgerecht eingelegten Einspruch.
Entscheidungsgründe:
Auf den Einspruch musste das Versäumnisurteil weitgehend aufgehoben werden. Denn die Berufung des Beklagten ist nur wegen des zu weit gefassten Klageantrages begründet; im Kern hat das Landgericht jedoch zu Recht der Klage stattgegeben.
Der Unterlassungsanspruch der Klägerin ergibt sich aus § 862 Abs. 1 Satz 2 BGB. Danach kann der Besitzer auf Unterlassung klagen, wenn zu besorgen ist, dass er durch verbotene Eigenmacht in seinem Besitz gestört wird. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
Im einzelnen:
1. Die Klägerin ist als derzeitige Besitzerin der Werbetafeln anspruchsberechtigt (§ 862 Abs. 1 BGB).
a. Eigentümerin der Werbetafeln, die mit Plakaten des Beklagten beklebt wurden, ist die Stadt M.. Sie hat das Nutzungsrecht 1956 für zunächst 15 Jahre auf die S. GmbH übertragen (Bl. 6--8 GA) und diesen Vertrag später verlängert (Bl. 9 GA). Ursprünglich war daher allein die S. GmbH anspruchsberechtigt.
Durch die schriftliche "Betriebsüberlassungsbestätigung" vom 23. Juni 2000 (Bl. 136 GA) hat die S. GmbH ihr Nutzungsrecht an die Klägerin abgetreten.
Ob diese Abtretung mündlich schön 1994 erfolgt war, kann dahinstehen. Denn es ist unstreitig, dass die Klägerin aufgrund des Vertrages vom 23. Juni 2000 seit diesem Zeitpunkt nutzungsberechtigt ist (Bl. 136 GA).
b. Der Beklagte meint, diese Vereinbarung begründe nur ein obligatorisches Recht, weshalb der Klägerin ein dinglicher Abwehranspruch nicht zustehe.
Dem kann nicht gefolgt werden. Die Klägerin ist durch die Vereinbarung vom 23. Juni 2000 (Bl. 136 GA) Rechtsnachfolgerin der S. GmbH geworden. Spätestens damit hat die Klägerin auch den Besitz der Werbetafeln erlangt (§ 854 Abs. 2 BGB) und ist damit anspruchsberechtigt. Auf Unterlassung kann auch der Besitzer klagen (§ 862 Abs. 1 Satz 2 BGB).
2. Zutreffend weist die Berufung allerdings darauf hin, dass der Klägerin damit bei Klageerhebung im Oktober 1999 sämtliche Anspruchsvoraussetzungen fehlten. Diese sind ihr erst nach dem Urteil erster Instanz durch die Betriebsüberlassungsvereinbarung vom 23. Juni 2000 zugefallen. Daraus hätte der Beklagte nach Offenlegung kostensparende Konsequenzen ziehen können (§ 93 ZPO). Hierauf hat der Senat in der mündlichen Verhandlung hingewiesen.
Der Einwand des Beklagten, er dürfe selbst bei einem Scheitern seiner Berufung nicht mit den gesamten Kosten einer Klage belastet werden, deren Erfolg sich erst aus neuen Tatsachen nach der erstinstanzlichen Entscheidung ergebe, ist daher nicht stichhaltig.
3. Allerdings fehlt bei dieser Sachlage die vom Landgericht angenommene Wiederholungsgefahr gegenüber der Klägerin.
Das verhilft der Berufung gleichwohl nicht zum Erfolg. Denn es ist allgemein anerkannt, dass ein Unterlassungsanspruch auch bei drohender Erstgefahr gegeben ist (vgl. die Nachweise bei Gursky in Staudinger, BGB Neubearbeitung 1999, Randnummer 207 zu § 1004).
Gegenüber der Klägerin besteht die Gefahr der Erstbegehung. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass eine Erstbegehungsgefahr begründet, wer sich des Rechts berühmt, bestimmte Handlungen vornehmen zu dürfen (vgl. BGH NJW -- RR 1992, 618, 619 m. w. N.).
So liegt es hier. Nach den Erörterungen in der mündlichen Verhandlung des Berufungsverfahrens beabsichtigt der Beklagte weiterhin, die Werbeplakate für seine mobile Diskothek in derselben Weise in den Verkehr zu bringen wie im September/Oktober 1999. Die vom Senat in der mündlichen Verhandlung aufgezeigten Abhilfe- und Sicherungsmaßnahmen hält der Beklagte für zu aufwendig und nicht realisierbar. Daher besteht die naheliegende Gefahr, dass die von dem Beklagten zum Zwecke des Verteilens (vgl. den von ihm benutzten Formularvertrag Bl. 42 GA) ausgegebenen Werbeplakate künftig von nicht zu identifizierenden Dritte, den unmittelbaren Störern, unter Missachtung des ausschließlichen Nutzungsrechts der Klägerin auf deren Werbeträgern angebracht werden.
Entgegen dem Berufungsvorbringen des Beklagten unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt daher wesentlich von dem Fall, den das Oberlandesgericht Köln (NJW 1964, 2019) entschieden hat. Dort waren weitere neue Störungen nicht zu besorgen; es ging um einen Schadensersatzanspruch für eine zurückliegende Störung.
4. Der Beklagte ist mittelbarer Handlungsstörer im Sinne von §§ 862 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB.
Mittelbarer Handlungsstörer ist, wer das störende Verhalten zwar nicht selbst unmittelbar vornimmt, es jedoch adäquat ursächlich veranlasst und in der Lage ist, die Störung zu verhindern. Dabei obliegt es dem derart in Anspruch Genommenen, darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen, dass er alles ihm billigerweise Zuzumutende unternommen hat, das störende Verhalten zu verhindern oder abzustellen
(vgl. BGH NJW 1982, 440 unter III. 1. der Entscheidungsgründe; OLG Saarbrücken NJW -- RR 1987, 500 ff; OLG Karlsruhe Urteil vom 7. März 1979 -- 1 U 21/78 -- Wildplakatieren betreffend; Senat in NJW -- RR 1988, 142 m.w.N.).
Von diesen Voraussetzungen ausgehend hat das Landgericht den Beklagten zu Recht als mittelbaren Handlungsstörer angesehen.
Im einzelnen:
Als Betreiber der mobilen Diskothek "F." verfolgt der Beklagte mit der Weitergabe der von ihm beschafften Plakate an die jeweiligen Partyveranstalter den Zweck, den wirtschaftlichen Erfolg seines Unternehmens zu sichern. Durch den öffentlichen Aushang der Plakate mit dem großformatigen Hinweis auf die mobile Diskothek des Beklagten sollen möglichst viele Besucher angelockt werden. Von der Zahl der Besucher und dem sonstigen Publikumsinteresse hängt der Erfolg der jeweiligen Veranstaltungen ab. Das beeinflusst letztlich auch die Vergütung, die der Beklagte mit seinem Geschäftsbetrieb erzielen kann. Vor diesem Hintergrund hat er ein mindestens ebenso starkes Interesse an der Verbreitung seiner Plakate wie die jeweiligen Veranstalter der "Ballermann -- Partys".
Den Einwand der Berufung (Bl. 166 GA), anders als im Fall BGHZ 106, 229 ff habe der Beklagte niemals einen Auftrag erteilt, die Werbeplakate zu verteilen, hält der Senat für widerlegt. Im Formularvertrag, den der Beklagte ständig benutzt, heißt es unter anderem
"Die Plakate werden vom Veranstalter verteilt" (Bl. 42 GA).
Das ist zwar nicht als Verpflichtung formuliert, führt jedoch zum selben Ergebnis wie in der zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Die Mutmaßung der Berufung, die Plakate sollten anders verwendet werden als für öffentliche Werbezwecke, hält der Senat für fernliegend.
Da öffentliche Werbeflächen begrenzt sind, besteht für die Plakatkleber ein erheblicher Anreiz, Plakate auf vorhandenen Werbeträgern, Verteilerkästen, Brückenpfeilern öder Mauerflächen überall dort anzubringen, wo Publikumsverkehr herrscht.
Allerdings hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz dies für den "ländlichen Raum" anders gesehen als in Großstädten (Urteil vom 15.8.2000 -- 3 U 1689/99 -- Bl. 138 -- 143 GA). Im ländlichen Raum bestünden ausreichende Gelegenheiten,
"in Abstimmung mit den ortsansässigen Geschäften und Unternehmen bzw. den jeweiligen Kommunalverwaltungen"
zu werben. Mit Wildplakatieren sei daher nicht zu rechnen.
Das überzeugt den erkennenden Senat nicht. In größeren Gemeinden und Großstädten ist die Zahl der "ortsansässigen Geschäfte und Unternehmen" (so der 3. Senat aaO) erheblich höher als im ländlichen Raum, so dass in Städten mit wildem Plakatieren überhaupt nicht zu rechnen wäre, wenn die Auffassung des 3. Zivilsenats zuträfe. Dass Plakatkleber von Geschäft zu Geschäft ziehen, um dort die Erlaubnis zum Aufhängen eines Plakats zu erbitten, erscheint dem erkennenden Senat wünschenswert, aber wenig lebensnah. Ein Plakat unerkannt unter Verletzung fremder Rechte anzukleben, ist weitaus einfacher und weniger zeitaufwendig, als Ladeninhaber und sonstige Gewerbetreibende anzusprechen und in mühevoller Überzeugungsarbeit dahin zu bringen, den Aushang eines Plakates zu dulden. Das gilt hier um so mehr, als nicht jeder Ladeninhaber der Auffassung sein dürfte, dass die im Schaufenster oder an der Tür des Geschäftslokals angebrachte Werbung für eine "Ballermann -- Party" zum Stil seines Hauses passt.
Ob der Verteiler von Werbeplakaten, der das Anbringen vor Ort Dritten überlässt, Störer ist, kann nicht danach unterschieden werden, ob die geplante Werbung im ländlichen Raum oder in einer Großstadt erfolgen soll. Denn damit würde ein Tatbestandsmerkmal entscheidungserheblich, das zu diffus erscheint. Obwohl mit den örtlichen Verhältnissen vertraut, sieht der erkennende Senat sich schon im vorliegenden Fall außerstande, die Frage überzeugend zu beantworten, ob die Stadt M. noch zum "ländlichen Raum" im Sinne der Rechtsprechung des 3. Zivilsenats gehört.
Hinzu kommt, dass der Beklagte des vorliegenden Verfahrens nicht einmal behauptet, er sei davon ausgegangen, die Veranstalter der "Ballermann -- Party" würden derart besonnen und rücksichtsvoll vorgehen wie vom 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz angenommen. Gegebenenfalls wäre nämlich unverständlich, dass er den Vorstand des Junggesellenvereins darauf hingewiesen hat, in M. dürfe auf den dort vorhandenen gewerblich genutzten Plakatwänden nicht plakatiert werden (Bl. 160 GA). Niemand erteilt Verbote für Handlungen, mit denen er nicht rechnet. Das Verbot des Beklagten belegt daher, dass er die mit der unkontrollierten Weitergabe der Plakate heraufbeschworene Gefahr kannte.
Das Verbot war gegebenenfalls nicht ausreichend, um der Gefahr wilden Plakatierens wirksam zu begegnen. Ob die vom Beklagten unmittelbar angesprochenen Vereinsmitglieder die Vorgaben des Beklagten beachten und weitergeben würden war ebenso ungewiss wie die Beachtung dieser Anweisungen durch die Helfer vor Ort.
Das gilt um so mehr, als das mit dem plakativen Hinweis
"Ballermann -- Party"
angesprochene Publikum und dementsprechend auch die Mitglieder eines Junggesellenvereins, dem hier das Plakatieren oblag, nicht überall in dem Ruf stehen, jederzeit und ohne Einschränkungen auf die Rechte und sonstigen Belange anderer Rücksicht zu nehmen.
Vor diesem Hintergrund war und ist der Beklagte verpflichtet, der von ihm mit der Weitergabe der Plakate heraufbeschworenen Gefahr wirksam zu begegnen. Er muss daher durch weitergreifende Anordnungen und Maßnahmen sicherstellen, dass wildes Plakatieren unterbleibt.
Als Schutzmaßnahme kommt beispielsweise in Betracht, die einzelnen Plakate an unauffälliger Stelle mit fortlaufenden Nummern zu kennzeichnen und vertraglich dafür zu sorgen, dass jeder Plakatkleber die ihm übergebenen Plakate mit den jeweiligen Nummern quittiert; zugleich kann mit dem Veranstalter für jeden Fall wilden Plakatierens eine Vertragsstrafe vereinbart werden. Auf diese Weise kann bei einem Verstoß jedes Plakat unschwer dem unmittelbaren Störer zugeordnet werden. Dieser Umstand und die drohende Vertragsstrafe würden zur Überzeugung des Senats die derzeit wegen des äußerst geringen Entdeckungsrisikos fehlenden Hemmungen der unmittelbaren Störer wieder herbeiführen.
Kann nach alledem als mittelbarer Störer derjenige angesehen werden, der in adäquater Weise eine Beeinträchtigung durch eine Willensbetätigung veranlasst und -- soweit Dritte unmittelbar das fremde Nutzungsrecht verletzen -- die rechtliche Möglichkeit hat, diese Einwirkung zu verhindern (so der BGH im "Haltestellenfall" JZ 1961, 498 ff mit krit. Anm. Pleyer), ist der Beklagte hier anspruchsverpflichtet.
Eine derartige Willensbetätigung hat allerdings der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz in dem bereits zitierten Urteil bei einem vergleichbaren Sachverhalt verneint und die Unterlassungsklage abgewiesen (Bl. 138 -- 143 GA).
Dem dürfte jedoch ein Missverständnis zugrunde liegen. Der geforderte Wille muss sich nach Auffassung des erkennenden Senats auf das Handeln, nicht jedoch auf die Beeinträchtigung beziehen (so Pleyer in AcP 156, 291, 293 Fn. 7 und Herrmann "Der Störer nach § 1004 BGB" Seite 38 m.w.N.). Verlangte man eine willentliche Beeinträchtigung, wäre Vorsatz (Wissen und Wollen des Erfolges) erforderlich, eine Voraussetzung, die nicht zur actio negatoria gehört.
Dass der Beklagte beispielsweise nicht mittelbarer Störer wäre, wenn ihm die Plakate ohne sein Zutun entwendet worden wären, versteht sich von selbst.
Daher hat Herrmann (Seite 39 aaO) nach Auffassung des erkennenden Senats zu Recht bemerkt, das Merkmal des Störerwillens erweise sich letztlich als überflüssig, indem es das eigentlich tragende Kriterium der Kausalität verdunkele (vgl. zum Ganzen auch Herrmann in JuS 1994, 273 ff m.w.N.).
Andererseits kann auch nach Auffassung des erkennenden Senats die Kausalität allein nicht ausreichen, um die mittelbare Störerhaftung zu begründen. Ansonsten müsste man auch denjenigen, der die Werbeplakate lediglich gedruckt hat, oder gar den Hersteller des Papiers als mittelbaren Störer ansehen. Das wäre viel zu weitgreifend.
Herrmann ("Der Störer nach § 1004 BGB" Seiten 523, 524) hat daher vorgeschlagen, ähnlich wie im Schadensersatzrecht nach den Grundsätzen der sogenannten Unterbrechung des Kausalzusammenhangs zu prüfen, ob zwischen dem Ersthandeln und dem rechtswidrigen. Erfolg der innere Zusammenhang gewahrt ist oder ob sich das Zweithandeln (der unmittelbaren Störer) als ein neuer und selbständiger Geschehensabschnitt darstellt, der dem Erstverursacher bei wertender Beurteilung nicht angelastet werden kann.
Auch danach kann hier die Störereigenschaft des Beklagten nicht verneint Werden. Das Landgericht hat daher richtig entschieden.
5. Der Tenor des angefochtenen Urteils ist allerdings zu weit gefasst. Da der Beklagte selbst keine Plakate geklebt hat und er dies in Fällen der Weitergabe der Plakate an die jeweiligen Veranstalter (vgl. Bl. 42 GA) auch nicht beabsichtigt, besteht kein Anlass, ihm das Plakatieren zu untersagen. Die Urteilsformel war vielmehr dahin zu fassen, dass der Beklagte beim Verteilen der Plakate durch geeignete Maßnahmen eine Verletzung des Besitz- und Nutzungsrechts der Klägerin durch die Plakatkleber verhindern muss.
Das bedeutet nicht, dass der Beklagte hiernach bei künftigen Verstößen der Plakatkleber in jedem Fall der Verhängung eines Ordnungsgeldes ausgesetzt ist. Nach § 890 ZPO kann ein Ordnungsgeld vielmehr nur dann verhängt werden, wenn der Beklagte selbst schuldhaft gegen das ihm auferlegte Gebot verstoßen hat (BGHZ 106, 236).
6. Der Berufungserfolg ist derart geringfügig, dass dem Beklagten die gesamten Kosten des Rechtsstreits auferlegt werden konnten (§ 92 Abs. 2 ZPO). Davon waren die Kosten auszunehmen, die durch die Säumnis der Klägerin im Termin vom 9. November 2000 entstanden sind (§§ 523, 344 ZPO).
Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
7. Der Senat hat die Revision zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 546 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Klärungsbedürftig ist, ob die mittelbare Störerhaftung eine Willensbetätigung voraussetze und ob diese sich erforderlichenfalls nur auf das Handeln oder auch auf den Erfolg beziehen muss.
Streitwert und Beschwer des Beklagten: 20.000 DM
Ende der Entscheidung
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