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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 31.10.2002
Aktenzeichen: 6 U 1166/01
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 208
BGB § 478
BGB § 639
BGB § 639 Abs. 2
ZPO § 711
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 543 Abs. 2 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Koblenz IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Aktenzeichen: 6 U 1166/01

Verkündet am: 31. Oktober 2002

in dem Rechtsstreit

Der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Sartor, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Schwarz und die Richterin am Landgericht Buder

auf die mündliche Verhandlung vom 12.9.2002

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 13. Juni 2001 wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 1.600 EUR abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger hat ein Haus in E....... H.....weg, errichten lassen. Mit den Architektenleistungen für den Neubau eines Wohnhauses mit unterkellerter Doppelgarage hat er den Beklagten beauftragt gemäß Architektenvertrag vom 19.4.1991. In diesem Vertrag ist in Ziffer 9 die Gewährleistungs- und Haftungsdauer für Leistungen des Beklagten vereinbart auf "5 Jahre nach Bezugsfertigkeit".

Im November 1992 bezog der Kläger das Haus.

Im Jahre 1996 entdeckte der Kläger an der Innenwand der Küche links in der Ecke unterhalb des Balkons des ersten Obergeschosses einen feuchten Fleck in der Größe eines Rechteckes von 10 x 5 cm. Auf Veranlassung des Klägers besichtigte der Beklagte den Fleck. Nach der Behauptung des Klägers hat der Beklagte dabei die Ansicht geäußert, es handele sich um die Folgen einer Kältebrücke. Er habe deshalb empfohlen, in der Küche besser zu lüften.

Der Kläger gab sich mit dieser Auskunft des Beklagten zufrieden; in der Folgezeit verschwand der feuchte Fleck.

Im Dezember 1997 bemerkte der Kläger unterhalb des Balkons im ersten Obergeschoss zwei nasse Streifen von ca. 20 cm Länge. Er behauptet, zwischen Weihnachten und Silvester 1997 sei es deshalb zu einer erneuten Ortsbesichtigung mit dem Beklagten gekommen. Hierbei haben der Beklagte die feuchten Streifen darauf zurückgeführt, dass Wasser von der Hauswand zwischen Wandanschluss und Putzkante des Balkons eindringen konnte. Zur Beseitigung dieser feuchten Streifen habe der Beklagte geraten, die sichtbaren Ritzen zwischen den Fliesen des Balkonbelages und dem Putz mit Silikon zu verschließen. Dieser Empfehlung sei er nachgekommen. Ende des Jahres 1998 habe sich aber wiederum das gleiche Schadensbild am Balkon gezeigt. Auch eine von dem ursprünglich mitverklagten Dachdecker empfohlene Abdichtungsmaßnahme sei fehlgeschlagen.

Das von dem Kläger in Auftrag gegebene Gutachten des Sachverständigenbüros I..... vom 8.9.2000 kommt zu dem Ergebnis, die Aufkantung der Abdichtung an den Konstruktionswänden sei nicht fachgerecht hochgeführt, zudem fehle ein zweiter Ablauf.

Für die Beseitigung der Planungs- und Ausführungsfehler sei ein Kostenaufwand von 21.560,03 DM erforderlich. Unter Einbeziehung der Sachverständigenkosten begehrt der Kläger von dem Beklagten die Zahlung von 24.408,53 DM.

Der Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung.

Er bestreitet, bei der Besichtigung des feuchten Fleckes in der Küche im Sommer 1996 die von dem Kläger behauptete Erklärung abgegeben zu haben. Er habe die Vermutung geäußert, dass es sich hierbei um die Folge eines undichten Wandanschlusses handele. Der Kläger habe daraufhin erklärt, er werde die ordnungsgemäße Verfügung selbst herstellen. An der von dem Kläger behaupteten Ortsbesichtigung zwischen Weihnachten und Silvester 1997 habe er nicht teilgenommen. Diese Ortsbesichtigung sei ihm auch unbekannt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen mit der Begründung, etwaige Ansprüche des Klägers wegen fehlerhafter Bauplanung und Bauüberwachung seien verjährt.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Berufung, mit der er sein Klagebegehren weiterverfolgt.

Er trägt nunmehr vor, die Verjährung der Ansprüche sei deswegen nicht eingetreten, weil das Haus im November 1992 noch nicht bezugsfertig gewesen sei. Die in dem Haus vorgesehene Souterrainwohnung habe zu diesem Zeitpunkt noch keinen zumutbaren separaten Zugang von außen gehabt. Zu dieser Wohnung bestehe ein Gefalle von 2,94 m, das mittels einer Treppenanlage zu überwinden sei. Diese Treppenanlage sei erst in der zweiten Jahreshälfte 1993 errichtet worden.

Zwar habe die Souterrainwohnung im Rohbau bereits einen Zugang vom Treppenhaus des Hauses her gehabt. Da die ursprünglich geplante Nutzung der Souterrainwohnung durch seinen Vater aber nicht mehr in Betracht gekommen sei, habe er sich entschlossen, die Souterrainwohnung fremd zu vermieten. Daher sei er mit dem Beklagten übereingekommen, den im Rohbau bereits errichteten Zugang vom Treppenhaus her mittels Spanplatten und Pfosten verschließen zu lassen. Dies sei am 24.9.1992 geschehen. Der Zugang zu der Souterrainwohnung vom Haus her könne allenfalls noch durch die Kellerräume des Klägers erfolgen.

Der Beklagte ist dem entgegengetreten.

Beide Parteien wiederholen ihr bisheriges Vorbringen und ergänzen es.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Urkunden sowie das angefochtene Urteil verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung hat keinen Erfolg.

Etwaige Ansprüche des Klägers aus Fehlern des Beklagten bei der Bauplanung und Bauüberwachung sind verjährt.

Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung bestehen nicht.

1.

Gemäß Ziffer 9 des Architektenvertrages beträgt die vertraglich vereinbarte Gewährleistungs- und Haftungsdauer 5 Jahre nach Bezugsfertigkeit.

Der Beginn der Verjährungsfrist ist damit die Bezugsfertigkeit des zu errichtenden Hauses. Dieses war im November 1992 bezugsfertig.

a) Bezugsfertig ist ein Haus, wenn sein Bezug dem Erwerber auch zugemutet werden kann. Das ist der Fall, wenn z.B. ein sicherer Zugang zum Haus besteht. Darüber hinaus muss davon ausgegangen werden, dass - mit Ausnahme der Außenanlage und der Beseitigung von Mängeln, die nicht die Sicherheit des Wohnens beeinträchtigen - das gesamte Objekt fertiggestellt ist (vgl. Pastor, Der Bauprozess, 10. Aufl., Rn. 1235).

Im Streitfall bestand im November 1992 jedenfalls zum Erdgeschoss hin ein sicherer Zugang zu dem Haus. Dass der Bezug dem Kläger zugemutet werden konnte, wird schon deutlich dadurch belegt, dass der Kläger tatsächlich im November 1992 das Haus bezogen hat. Besser als durch diesen tatsächlichen Einzug konnte die Bezugsfertigkeit des Hauses kaum dokumentiert werden. Das Haus war auch - abgesehen von den Außenanlagen - insgesamt fertiggestellt. Dies gilt auch hinsichtlich der Souterrainwohnung. Der Kläger hat insoweit die Behauptung des Beklagten, diese Wohnung sei einschließlich Bodenbelag im November 1.992 bezugsfertig gewesen, nicht substantiiert bestritten. Allein die Behauptung, die Souterrainwohnung sei im November 1992 noch nicht fertiggestellt gewesen, genügt den Anforderungen an ein substantiiertes Bestreiten nicht.

b) Bei der Auslegung des im Architektenvertrag gewählten Begriffs der Bezugsfertigkeit ist zudem zu berücksichtigen, dass als Anknüpfungspunkt für den Beginn der Verjährung gerade nicht die Fertigstellung aller Bauleistungen gewählt wurde. Das bedeutet, dass mit der Bezugsfertigkeit ein davor liegender Zeitpunkt vereinbart wurde. Daraus folgt aber, dass bei Annahme der Bezugsfertigkeit durchaus noch Bauleistungen ausstehen konnten.

Mit dem Begriff der Bezugsfertigkeit soll nicht nur ein bestimmter Zeitpunkt festgelegt werden. Es sollen auch weitere Verzögerungen - eventuell durch einen Nichteinzug - ausgeschlossen werden. Die Bezugsfertigkeit ist zudem vor dem Hintergrund zu sehen, dass mit dem Einzug das Bauwerk in die Hände des Bauherrn übergeben wird und dieser nunmehr die Möglichkeit hat, Mängel des Bauwerkes festzustellen. Dies rechtfertigt es, ab diesem Zeitpunkt, dem tatsächlichen oder jedenfalls möglichen Einzug, die Verjährung von Gewährleistungsansprüchen beginnen zu lassen.

c) Mit dem tatsächlichen Einzug des Klägers ist - wie dargelegt - auch die Bezugsfertigkeit dokumentiert. Der Kläger hatte ab dem Bezug des Hauses die Möglichkeit, eventuelle Mängel des Bauwerks festzustellen und geltend zu machen. Dies gilt nicht nur für den von dem Kläger tatsächlich selbst bewohnten Teil des Hauses. Es gilt für das gesamte Haus, das der Kläger - einschließlich der Souterrainwohnung - mit seinem Einzug in Besitz genommen hat. Dabei ist es unerheblich, ob die Souterrainwohnung beim Fehlen der Außenanlage bereits vermietet werden konnte oder nicht. Ein Zugang zur Souterrainwohnung war für den Kläger durch die Kellerräume des Hauses jedenfalls möglich. Es ist daher auch gerechtfertigt, mit dem Einzug die in dem Architektenvertrag vereinbarte fünfjährige Verjährungsfrist beginnen zu lassen.

d) Auch wenn man mit dem Kläger davon ausgeht, die Souterrainwohnung sei wegen des nicht zumutbaren Zugangs durch die Kellerräume des Klägers bzw. der noch nicht hergestellten Treppenanlage nicht vermietbar und damit nicht bezugsfertig gewesen, führt das jedenfalls nicht dazu, die Bezugsfertigkeit des Hauses insgesamt zu verneinen.

Wie dargelegt hat der Kläger mit dem Bezug des Hauses jedenfalls hinsichtlich des von ihm bezogenen Teils des Hauses die Möglichkeit erhalten, dort auftretende Mängel des Bauwerks festzustellen. Es entspricht daher dem Sinn der von den Parteien vereinbarten Verjährungsregelung, die Verjährung für die Mängel, die den von dem Kläger bezogenen Teil des Hauses betreffen, mit dem Einzug beginnen zu lassen. Unzweifelhaft betrifft der von dem Kläger geltend gemachte Mangel diesen von ihm bezogenen Teil des Hauses.

2.

Ausgehend von einem Verjährungsbeginn im November 1992 ist Verjährung eingetreten. Eine Unterbrechung oder Hemmung der Verjährung liegt nicht vor.

a) Durch die Besichtigung des feuchten Flecks und das Gespräch zwischen den Parteien im Sommer 1996 ist die Verjährung weder gehemmt noch unterbrochen worden.

Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass es sich hierbei um eine unverbindliche Besichtigung des feuchten Flecks und nicht um eine Mängelanzeige im Sinne von §§ 639, 478 BGB handelte. Auf diese Ausführungen wird Bezug genommen.

Mit der Besichtigung des Flecks unterzog sich der Beklagte auch nicht einer einvernehmlichen Überprüfung seiner Leistung im Sinne des § 639 Abs. 2 BGB. Hierfür reichte die bloße Besichtigung des feuchten Flecks nicht aus (vgl. BGH-Urteil vom 27.9.2001 - VII ZR 320/00).

Aus den gleichen Gründen kommt auch eine Unterbrechung der Verjährung gemäß § 208 BGB nicht in Betracht.

b) Die von dem Kläger behauptete Ortsbesichtigung zwischen Weihnachten und Silvester 1997 konnte die Verjährungsfrist nicht mehr hemmen oder unterbrechen, weil zu diesem Zeitpunkt die Verjährung bereits eingetreten war.

3.

Die Ansprüche des Klägers sind auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Sekundärhaftung des Beklagten begründet.

Eine Sekundärhaftung des Beklagten wäre nur dann gegeben, wenn der Beklagte bei der Besichtigung des feuchten Flecks im Sommer 1996 es pflichtwidrig unterlassen hätte, eine Haftung des Dachdeckers in Betracht zu ziehen und auf die drohende Verjährung der Gewährleistungsansprüche gegen diesen hinzuweisen (vgl. BGH NJW 1978, 1311, 1312). Eine solche pflichtwidrige Unterlassung liegt nicht vor.

Zum einen drohte im Sommer 1996 noch keine Verjährung der Gewährleistungsansprüche gegen den die Dachdeckungsarbeiten ausführenden Handwerker. Ausweislich des Bauvertrages über die Dachdeckungsarbeiten vom 15.4.1991 betrug die Gewährleistungsfrist 5 Jahre. Sie war - wie das Landgericht in dem angefochtenen Urteil ausgeführt hat- frühestens im November 1997, also erst weit über ein Jahr später abgelaufen. Es gab daher für den Beklagten noch keinen Anlass auf eine drohende Verjährung hinzuweisen.

Zum anderen war es im Sommer 1996 angesichts des nach Augenschein nicht gerade erheblichen Mangels nicht angezeigt, umfangreiche Untersuchungen nach der Schadensursache anzustellen etwa - wie es bei der Erstellung des Sachverständigengutachtens geschah - die Fliesen um den Flachdachablauf nebst Estrich sowie eine Sockelfliese zu entfernen. Es war sachangemessen, zunächst mit einfachen Behebungsmaßnahmen die Schadensbeseitigung zu versuchen. Falls dies nicht funktioniert hätte, hätte sich der Kläger mit dem Hinweis melden können, es müsse eine andere Schadensursache vorliegen. Unstreitig hat sich aber der Kläger jedenfalls weit über ein Jahr nicht mehr bei dem Beklagten wegen des Mangels gemeldet. Der Beklagte konnte daher zu Recht davon ausgehen, dass die von ihm vorgeschlagene einfache Maßnahme zur Schadensbehebung erfolgreich war und für eine weitere Tätigkeit kein Anlass bestand.

Es kommt daher auch nicht weiter darauf an, ob der Beklagte zur besseren Lüftung der Küche oder zur Abdichtung sichtbarer Risse auf dem Balkon mit Silikon geraten hatte.

4.

Eine Haftung des Beklagten kommt auch nicht deswegen in Betracht, weil er sich einer weiteren positiven Vertragsverletzung dadurch schuldig gemacht haben könnte, dass er es bei der Besichtigung des feuchten Flecks im Sommer 1996 unterließ, den Ursachen nachzugehen und dem Kläger rechtzeitig ein zutreffendes Bild der technischen und rechtlichen Möglichkeiten der Schadensbehebung zu verschaffen, so dass es zur Verjährung der gegen ihn selbst gerichteten Gewährleistungsansprüche kam (vgl. BGH a.a.O.). Zu einer solchen umfassenden Untersuchung und Beratung bestand - wie oben dargelegt - im Sommer 1996 keine Veranlassung.

II.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Streitwert und Wert der Beschwer betragen 12.479,88 EUR (= 24.408,53 DM).

Die Zulassung der Revision beruht auf § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.

Ende der Entscheidung

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