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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 29.12.1986
Aktenzeichen: 6 U 1469/86
Rechtsgebiete: PAngV, UWG, ZPO
Vorschriften:
PAngV § 1 Abs. 1 | |
PAngV § 1 | |
UWG § 1 | |
ZPO § 139 | |
ZPO § 322 Abs. 2 | |
ZPO § 97 Abs. 1 |
Oberlandesgericht Koblenz Im Namen des Volkes Urteil
Verkündet am 29. Dezember 1986
in dem Verfahren der einstweiligen Verfügung
Der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Ulrich, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Dirks und den Richter am Oberlandesgericht Brannekämper auf die mündliche Verhandlung vom 18. Dezember 1986
für Recht erkannt:
Tenor:
I. Die Berufung der Antragstellerin gegen das Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Koblenz vom 28. Oktober 1986 wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten der Berufungsinstanz hat die Antragstellerin zu tragen.
Tatbestand:
Beide Parteien befassen sich mit dem Vertrieb von Computer und Computerzubehör.
Die Antragsgegnerin veröffentlichte in der Zeitschrift "vom 3. September 1986 eine Anzeige, in der sie zahlreiche Computer, Computerzubehörteile und Software jeweils unter Angabe von Einzelpreisen aufführte. Lediglich bei den Artikeln und hat sie keine Preise angegeben, allerdings bei dem erstgenannten Artikel das Stichwort "Anfrage" hinzugesetzt.
Die Antragstellerin sieht in den fehlenden Preisangaben eine unzulässige Wettbewerbshandlung. Sie hat beantragt, der Antragsgegnerin unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verbieten, künftig im geschäftlichen Verkehr und anzubieten, ohne den Endpreis anzugeben.
Das Landgericht hat durch Urteil vom 28. Oktober 1986 den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen, da der Antrag nicht hinreichend bestimmt sei. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Antragstellerin. Sie rügt Verletzung der richterlichen Aufklärungspflicht; sie wiederholt ihren früheren Sachvortrag und ergänzt ihn.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt des angefochtenen Urteils, die Schriftsätze der Parteien und die zu Protokoll der gerichtlichen Verhandlungen getroffenen Feststellungen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Antragstellerin ist nicht begründet.
Der von der Antragstellerin beanstandete Teil der Zeitungsanzeige vom 3. September 1986 stellt keinen Verstoß der Antragsgegnerin gegen § 1 Abs. 1 § 1 der Verordnung zur Regelung der Preisangaben vom 14. März 1985 - BGBl I S. 580 (PAngV) - und deshalb auch keine unzulässige Wettbewerbshandlung im Sinne des § 1 UWG dar.
1. § 1 Abs. 1 § 1 PAngV erfaßt zwei verschiedene Tatbestände:
Er bestimmt einmal, daß derjenige, der Letztverbrauchern gewerbs- oder geschäftsmäßig Waren oder Leistungen anbietet, die Preise anzugeben hat, die einschließlich alter Preisbestandteile zu zahlen sind. Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, der in Zeitungen, Zeitschriften etc. unter der Angabe von Preisen gegenüber Letztverbrauchern wirbt. Die (neue) PAngV unterscheidet damit, wie schon die PAngV vom 10. Mai 1973 - BGBl I S. 461 - zwischen einem "Anbieten" und einer "Werbung mit Preisen" gegenüber Endverbrauchern. Bedenkenfrei können deshalb die Grundsätze herangezogen werden, die die Rechtsprechung zu der (alten) PAngV 1973 entwickelt hat.
2. Außer Streit ist, daß der Begriff des "Anbietens" nicht dem bürgerlich-rechtlichen Begriff des "Angebots" (§ 145 BGB) entspricht. Unter "Anbieten" versteht die PAngV nicht nur Anträge, die gerichtet sind auf den Abscnluß eines Vertrages, sondern darüber hinaus ein Ansprechen des Kunden, das zwar noch rechtlich unverbindlich ist, aber tatsächlich auf den Kauf einer Ware zielt (vgl. u.a. BGH - Urteil vom l6.1.1980 I ZR 25/78 - GRUR 1980, 304 = WRP 1980 328 = NJW 1980, 1388 - effektiver Jahreszins; Urteil vom 4.3.1982 - I 212 30/80 - GRUR 1982, 493, 495 - WRP 1982, 411, 412 - Sonnenring; Baumbach Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 14. Aufl., Anhang V zu § 3 UWG S. 1240 f.; Gimbel/Boest, Die neue Preisangabenverordnung, 1985, § 1 Anm. 8 a). Daraus kann, wie der Bundesgerichtshof ausdrücklich betont hat, nicht hergeleitet werden, daß jede Erklärung, mit der sich der Kaufmann wegen Verkaufs seiner Ware an den Kunden wendet und seine Bereitschaft zum Abschluß eines Vertrages zum Ausdruck bringt, als ein "Anbieten" zu verstehen ist. Andernfalls wäre kein Raum für eine von einem "Anbieten" zu unterscheidende Tätigkeit des "Werbens" im Sinne von § 1 Abs. 1 PAngV (Urteil vom 23.6.1983 - I ZR 109/81 GRUR 1983, 658, 660 - WRP 1983, 556, 557 - Herstellerpreisempfehlung).
Gerade der Gesichtspunkt, daß der Verordnungsgeber zwischen "Anbieten" und "Werbung" differenziert, ist ausschlaggebend für die Auslegung und die Abgrenzung im Einzelfall. Ein "Anbieten" liegt demnach nur vor, wenn von einer "reinen" Werbung nicht mehr gesprochen werden kann (vgl. Gimbel/Boest, a.a.O., § 1 Anm 8 c). Deshalb setzt ein "Anbieten" voraus, daß die Ankündigung so konkret gestaltet ist, daß sie aus der Sicht des Kunden den Abschluß eines Vertrages ohne weiteres zuläßt. Als Beispiel hat der Bundesgerichtshof genannt: Die Übersendung von Warenkatalogen mit beigefügten Bestellzettel, die Zusage, Kredite auf Abruf lediglich gegen Einsendung einer Werbepostkarte zur Verfügung zu stellen (Urteil vom 23.6.1983 - I ZR 109/81 - GRUB 1983, 658, 660 = WRP 1983, 556, 557).
Ist eine Ankündigung so unbestimmt, daß für den Abschluß eines Vertrages wesentliche Angaben fehlen, kann sie von den angesprochenen Verkehrskreisen nicht als ein "Anbieten" verstanden werden. Bedarf eine Kündigung der ergänzenden Angaben für den Kunden oder weiterer Verhandlungen, liegt lediglich eine "Werbung" vor.
3. Im Einzelfall kommt es deshalb auf die jeweilige Ware - ob etwa Immobilie, Kraftfahrzeug oder Gegenstand des täglichen Bedarfs -, die besonderen Umstände der gesamten Ankündigung sowie die angesprochenen Verkehrskreise an. Vorliegend ist nicht zu übersehen, daß die Anzeige der Antragsgegnerin in einer Computerfachzeitschrift veröffentlicht worden ist: sie richtete sich daher in erster Linie in Personen, die ein besonderes Interesse an der Computertechnik haben und zum großen Teil über entsprechende Erfahrungen verfügen. Die Antragstellerin hat in der Berufungsinstanz eidesstattliche Erklärungen von zwei Personen mit dem Datum vom 24.11.1986 vorgelegt; hierin wird gleichlautend versichert, "daß ich die Anzeige von P in dahingehend verstanden habe, daß die Produkte unmittelbar zum Kauf angeboten werden, ohne daß Weitere Angaben zur Bestimmung des Kaufgegenstandes notwendig sind". Aus den eidesstattlichen Erklärungen können Folgerungen zugunsten der Antragstellerin nicht gezogen werden; dies gilt nicht nur wegen der Formelhaftigkeit des Inhalts, sondern weil jede nähere Angabe fehlt, um welche Personen es sich im einzelnen handelt und welche besonderen Erfahrungen sie mit Computern im allgemeinen und hinsichtlich der Antragstellerin im besonderen haben.
Dem Senat jedenfalls erscheint es zweifelhaft, ob die von der fraglichen Anzeige angesprochenen Personen sich darüber im klaren sein konnten, worum es sich bei den fraglichen Artikeln handelte und - vor allem - ob ihnen ohne jede weitere Rückfrage und nähere Aufklärung eine Bestellung möglich gewesen wäre. Die Zweifel gründen sich nicht zuletzt darauf, daß die Antragsgegnerin bei allen anderen, mehr als 100 aufgeführten Artikeln jeweils die Preise angegeben hat. Die Grunde, warum dies bei und anders war, sind nicht ersichtlich. Der gesamte Inhalt der Anzeige mußte den Eindruck hervorrufen, daß bei den beiden genannten Artikeln "besondere Umstände" vorlagen, die eine Rückfrage und nähere Aufklärung unerläßlich machten.
Der Anzeige war mit Sicherheit nur zu entnehmen, daß die beiden ohne Preise angeführten Waren bei der Antragsgegnerin erworben werden konnten, mehr nicht.
Offen blieb, ob es sich etwa um veraltete Artikel, Waren mit Mängeln oder besonderen Eigenarten handelte, ob die garen möglicherweise nicht sofort lieferbar waren oder nur im beschränkten Umfange zur Verfügung standen. Deshalb aber verbietet sich die Annahme, die Antragsgegnerin habe die beiden fraglichen Artikel "angeboten" im Sinne des § 1 Abs. 1 PAngV.
Für diese Artikel hat die Antragsgegnerin zwar geworben; dabei war sie aber nur Verpflichtet, die Endpreise anzugeben, wenn sie überhaupt Preise angab. Es war ihr unbenommen, bei bestimmten Artikeln von einer Preisangabe abzusehen.
4. Auch aus keinem anderen rechtlichen Gesichtspunkt kann die Werbung der Antragsgegnerin als eine unerlaubte Wettbewerbshandlung angesehen werden.
5. Da mangels Wettbewerbsverstoßes der Antragstellerin kein Unterlassungsanspruch zusteht, konnte sie mit ihrem Rechtscnutzbegehren keinen Erfolg haben. Dabei kann es auf sich beruhen, ob das Landgericht unter Verletzung von § 139 ZPO den Antrag aus formellen Gründen zurückgewiesen hat; nach dem Protokoll ist der Prozeßbevollmächtigte der Antragstellerin jedenfalls darauf hingewiesen worden, "daß möglicherweise sein Antrag nicht bestimmt genug sei, da er mit dem Wort "anbieten" lediglich den Gesetzestext wiedergibt, ohne die konkrete Verletzungshandlung zu bestimmen."
Da Entscheidungen in Verfahren der einstweiligen Verfügung nicht die Rechtakraftwirkungen des § 322 Abs. 2 ZPO haben, können Fragen, die die Zulässigkeit des Verfahrens und des Antrages betreffen, offenbleiben, wenn der Antrag sachlich unbegründet ist (vgl. Senatsurteil vom 11. März 1982 - 6 U 1412/81 - in: Traub, Wettbewerbsrechtliche Verfahrenspraxis, 1984, S. 68).
Um jedes Mißverständnis auszuschließen:
Der im ersten Rechtszug gestellte Antrag, der dem Hauptantrag der Antragstellerin im Berufungsverfahren entspricht, war nicht hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO); dies zeigen nicht zuletzt die Schwierigkeiten, die sich bei der Auslegung des Begriffes des "Anbietens" im konkreten Fall ergeben.
Die Berufung war daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Der Streitwertbeschluß vom 11. Dezember 1986 (10.000,-- DM) wird aufrechterhalten.
Ende der Entscheidung
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