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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 31.03.2008
Aktenzeichen: 6 U 472/07
Rechtsgebiete: AktG
Vorschriften:
AktG § 92 Abs. 2 |
Ein möglicher Neugläubigerschaden kann nur von den Neugläubigern, die darauf vertraut haben, mit einer solventen Gesellschaft einen Vertrag abzuschließen, und nicht von der Gesellschaft geltend gemacht werden.
Die Gesellschaft kann aber in dem Zeitraum zwischen Eintritt der Insolvenzreife und der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen verbotswidriger Zahlungen nach § 92 Abs. 2 AktG Schadensersatzansprüche gegen ihre Vorstände geltend machen. Dann muss sie diese Zahlungen aber konkret darlegen und beweisen und kann sich insoweit nicht allein auf die Erhöhung der Überschuldung berufen.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Geschäftsnummer: 6 U 472/07
Verkündet am 31. März 2008 In dem Rechtsstreit hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Sartor, den Richter am Oberlandesgericht Ritter und den Richter am Landgericht Groß auf die mündliche Verhandlung vom 14. Februar 2008 für Recht erkannt: Tenor:
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 12. Zivilkammer - 2. Kammer für Handelssachen - des Landgerichts Mainz vom 1. März 2007 abgeändert. Das Versäumnisurteil der 12. Zivilkammer - 2. Kammer für Handelssachen - des Landgerichts Mainz vom 14.10.2004 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. 2. Der Beklagte trägt die in der ersten Instanz durch seine Versäumnis veranlassten Kosten. Die Kosten des Rechtsstreits im Übrigen trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Gründe: Die Klägerin verlangt mit der Klage Ersatz des Schadens, den ihr der Beklagte durch die Verletzung seiner Pflichten als ihr Vorstand angeblich zugefügt hat. Der Beklagte war (zumindest) seit 1999 und bis zum 5.11.2003 als alleiniger und alleinvertretungsberechtigter Vorstand der Klägerin tätig. Der Warenbestand der Gesellschaft hatte ausweislich der Bilanzen zum 31.12.2001 und zum 31.12.2002 einen Wert von 2.143.122, 51 Euro bzw. 2.015.748, 09 Euro. Die Wertangaben in den Bilanzen waren unzutreffend. Das beruhte nach dem Eingeständnis des Beklagten darauf, dass er zur Verschleierung von Verlusten in den Wirtschaftsjahren 2001 und 2002 in den Bilanzen nicht vorhandene Warenbestände fingierte. Nach Darstellung des Beklagten betrug der (verschleierte) Verlust des Wirtschaftsjahres 2001 800.000 Euro und derjenige des Wirtschaftsjahres 2002 600.000 Euro. Durch rechtskräftiges Versäumnisurteil der 10. Zivilkammer - 2. Kammer für Handelssachen - des Landgerichts Mainz vom 07.06.2005 (10 HK.O 02/04) wurde der Beklagte bereits zur Zahlung eines Schadensersatzes in Höhe von 230.202,09 EUR nebst Zinsen an die Klägerin verurteilt. Die Klägerin, die bislang keinen Insolvenzantrag gestellt hat, hält den Beklagten für verpflichtet, ihr Schadensersatz in Höhe von wenigstens 1,4 Mio. EUR nebst Zinsen zu bezahlen. Denn durch die unstreitigen Bilanzmanipulationen habe der Beklagte ihr einen Schaden in zumindest dieser Höhe zugefügt. Er habe, statt pflichtgemäß Insolvenzantrag zu stellen, die schon seit 1999 bestehende Überschuldung der Gesellschaft verschleiert. Für die weitere Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft durch die pflichtwidrige Fortführung der Geschäfte sei er deshalb verantwortlich.
Durch Versäumnisurteil des Landgerichts vom 14. Oktober 2004 ist der Beklagte verurteilt worden, 1.400.000 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.09,2004 an die Klägerin zu zahlen. Mit seinem hiergegen eingelegten Einspruch hat der Beklagte Aufhebung des Versäumnisurteils und Abweisung der Klage beantragt. Seine Haftung für die Verluste der Geschäftsjahre 2002 und 2003 hat er mit der Begründung bestritten, dass sein pflichtwidriges Verhalten nicht in der Herbeiführung, sondern lediglich in der Verschleierung der Verluste liege. Nur einen Schaden, welcher der Klägerin durch die Verschleierung der Verluste eventuell entstanden sei, habe er unter der Voraussetzung eines konkreten Schadensnachweises zu ersetzen. Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht nach Beweisaufnahme das ergangene Versäumnisurteil aufrechterhalten. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beklagte durch die Bilanzmanipulation seine Pflichten als Vorstand verletzt und der Klägerin einen Schaden von 1.400.000 Euro, wahrscheinlich sogar in Höhe von 2.000.000 Euro, zugefügt habe. Der Beklagte sei deshalb gemäß § 92 Abs. 3 AktG verpflichtet, der Klägerin diesen Schaden zu ersetzen. Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten. Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Ergänzend macht er geltend, dass die Klägerin den Zeitpunkt der Insolvenzreife der Gesellschaft und die von diesem Zeitpunkt an unter seiner Verantwortung ausgeführten verbotswidrigen Zahlungen aus dem Vermögen der Gesellschaft darzulegen und zu beweisen habe. Denn nicht alle Zahlungen während der Insolvenzreife einer Gesellschaft seien nach dem Gesetz verboten. Der Beklagte beantragt,
dass am 1.03.2007 verkündete Urteil des Landgerichts Mainz aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen. Sie macht geltend, dass sie den konkreten Zeitpunkt des Eintritts der Überschuldung nicht angeben könne, da der Beklagte die Buchhaltung manipuliert und insbesondere die Buchungsunterlagen für die Jahre 2001 und 2002 aus der EDV gelöscht habe. Es bedürfe allerdings ohnehin nicht einer auf den Zeitpunkt des Eintritts der Insolvenzreife bezogenen Bilanz, da ausweislich des in einem Parallelverfahren erstellten Gutachtens des Wirtschaftsprüfers Dr. S... vom 30. November 2006 eine Überschuldung von 370.000 Euro zum Zeitpunkt des 31.12. 1999 dargestellt und nachgewiesen werden könne. Jedenfalls sei aber von einer Überschuldung der Gesellschaft spätestens für den 30. Juni 2001 auszugehen, da bis dahin das gesamte Grundkapital in Höhe von 260.000,00 EUR verloren gewesen sei. Da von dem Wirtschaftsprüfer Sch... per 31.12.2003 ein Gesamtverlust in Höhe von 3.262,389,43 EUR festgestellt worden sei, könne im Übrigen auch unter Berücksichtigung des der Klägerin bereits rechtskräftig zuerkannten Schadensersatzes und unter Berücksichtigung von Gegenansprüchen des Beklagten aus Vermietung von einem verbliebenen Mindestschaden in Höhe von 1,4 Mio. EUR ausgegangen werden. Mit Verfügung vom 19. Oktober 2007 sind der Klägerin Hinweise erteilt und ist ihr Gelegenheit gegeben worden, ihren Vortrag unter Berücksichtigung der Hinweise zu ergänzen. Die Klägerin hat darauf innerhalb der bis zum 10. Dezember 2007 verlängerten Frist einen Schriftsatz eingereicht. In der mündlichen Verhandlung vom 14.02.2008 hat der Senat weitere Hinweise erteilt, zu denen der Klägerin die Einreichung eines Schriftsatzes bis zum 6. März 2008 nachgelassen worden ist. Die Klägerin hat innerhalb dieser Frist einen Schriftsatz eingereicht. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze, die vorgelegten Urkunden und die in den Sitzungsniederschriften getroffenen Feststellungen verwiesen.
II. Die zulässige Berufung des Beklagten hat auch in der Sache Erfolg. Das angefochtene Urteil ist abzuändern und die Klage unter Aufhebung des ergangenen Versäumnisurteils abzuweisen.
Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht gegen den Beklagten der geltend gemachte Schadensersatzanspruch nach § 93 Abs.2, 3 AktG nicht zu. 1. Zwar hat der Beklagte ohne Zweifel durch die von ihm zugestandene Bilanzmanipulation - Verschleierung von Verlusten aus der Vergangenheit durch Vortäuschen eines in Wahrheit nicht vorhandenen Warenbestandes - seine Pflicht als Vorstand der Klägerin, bei der Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden (§ 93 Abs. 1 AktG), (grob) verletzt. Dass ihr durch diese Pflichtverletzung ein Schaden in Höhe von 1.400.000 Euro entstanden ist, hat die Klägerin aber nicht schlüssig dargetan. Die Klägerin behauptet selbst nicht (mehr), dass der Beklagte den ausweislich der Bilanzen zum 31.12.2001 und zum 31.12.2002 vorhandenen Warenbestand unterschlagen hatte. Im Übrigen wäre die Weiterführung eines unterschlagenen Warenbestandes in der Bilanz auch kaum ein geeignetes Mittel, um die Unterschlagung zu verschleiern. Ist damit unstreitig (geworden), dass die Bilanzmanipulation nicht zur Verschleierung einer Unterschlagung, sondern zur Verschleierung von Verlusten aus der Vergangenheit vorgenommen wurde, dann können diese Verluste nicht (erst) durch die Bilanzmanipulation herbeigeführt worden sein. Der Auffassung des Landgerichts, der Beklagte habe durch die Bilanzmanipulation die Verluste der Klägerin in den Jahren 2001 und 2002 von mindestens 1.400.000 Euro, wahrscheinlich sogar von 2.000.000 Euro, verschuldet, vermag der Senat deshalb nicht zu folgen. 2. Dass der Beklagte bei der Vornahme einzelner Geschäfte nicht die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anwendete und dadurch die Verluste der Jahre 2001 und 2002 verschuldete, behauptet die Klägerin nicht. Aus einer solchen Pflichtverletzung ist ein Anspruch der Klägerin aus § 93 Abs. 2 AktG daher ebenfalls nicht herzuleiten. 3. Eine (weitere) Pflichtverletzung des Beklagten sieht die Klägerin allerdings darin, dass er zu dem Zeitpunkt, als er erkennen musste, dass ein Verlust in Höhe der Hälfte des Grundkapitals bestand, nicht die Hauptversammlung der Klägerin einberief und ihr dies anzeigte (§ 92 Abs. 1 AktG). Die Klägerin hat aber nicht dargetan, dass bei einem pflichtgemäßen Verhalten des Beklagten die Verluste der Jahre 2001 und 2002 hätten verhindert werden können und verhindert worden wären. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Hauptversammlung der Klägerin die Einstellung des Geschäftsbetriebs beschlossen hätte. Denn die Klägerin führte den Geschäftsbetrieb sogar dann noch fort, als sie Ende 2003/Anfang 2004 die wahre wirtschaftliche Situation erkannte. Einen Insolvenzantrag stellte sie nicht, obwohl die Gesellschaft ihrer Darstellung nach ohne Zuführung von Kapital insolvent war. 4. Die eigentliche Pflichtverletzung des Beklagten, die seine Haftung begründe, sieht die Klägerin darin, dass er nach Eintritt der Überschuldung im Jahre 1999 (spätestens aber im Jahre 2001) keinen Insolvenzantrag gestellt (§ 92 Abs. 2 AktG), sondern den Geschäftsbetrieb der Gesellschaft weiter geführt habe. Der von dem Beklagten zu ersetzende Schaden liege in der fortschreitenden Überschuldung in den Jahren 2001 und 2002. Dem vermag sich der Senat ebenfalls nicht anzuschließen. Ob der Beklagte gegen seine Verpflichtung verstieß, nach Eintritt der Überschuldung der Gesellschaft innerhalb von drei Wochen Insolvenzantrag zu stellen, kann offen bleiben. Das Landgericht hat zu der Frage, ob und gegebenenfalls wann sich eine Überschuldung der Gesellschaft ergeben hatte, keine Feststellungen getroffen. Ob sich solche Feststellungen auf der Grundlage der bisherigen Verhandlung und Beweisaufnahme nachholen ließen, erscheint fraglich. Darauf kommt es allerdings nicht an, weil die Klägerin nicht schlüssig dargetan hat, welcher Schaden ihr aus der (unterstellten) Verletzung der Insolvenzantragspflicht des Beklagten entstanden ist. Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt ein ersatzfähiger Schaden der Gesellschaft nicht darin, dass seit dem Zeitpunkt, zu dem der Beklagte nach der Behauptung der Klägerin wegen Überschuldung der Gesellschaft Insolvenzantrag hätte stellen müssen, die bilanzielle Überschuldung zugenommen hatte. Zwar kann grundsätzlich auch bei einer bereits überschuldeten Gesellschaft durch pflichtwidriges Handeln des Vorstands ein weiterer Schaden hinzukommen (Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 4, 3. Aufl., § 26 R 7, mwN). Dass sich nach Insolvenzreife die Überschuldung der Gesellschaft durch Eingehung neuer Verbindlichkeiten erhöht, stellt einen Schaden in diesem Sinne aber gerade nicht dar. Darauf hat der Senat die Klägerin bereits mit Verfügung vom 19.10.2007 hingewiesen und hieran hält er gegen die von der Klägerin erhobenen Bedenken fest. Die Klägerin kann für ihre gegenteilige Auffassung zwar das Urteil des Reichsgerichts vom 7. Juni 1939 (RGZ 161, 129, 147/148) für sich in Anspruch nehmen. In dieser Entscheidung, die eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung betraf, sah das Reichsgericht in der Zunahme der Überschuldung nach Insolvenzreife einen Schaden der Gesellschaft, soweit in deren Folge ihre Mittel zur Befriedigung der Gläubiger nicht ausreichten (RGZ aaO). Das ist aber nach Auffassung des Senats nicht der richtige Ansatzpunkt. Wenn eine Gesellschaft nach Insolvenzreife statt Insolvenzantrag zu stellen den Geschäftsbetrieb fortführt und neue Verbindlichkeiten eingeht, werden hierdurch die Gläubiger geschädigt, die darauf vertraut hatten, ein Geschäft mit einer solventen Gesellschaft abzuschließen. Es handelt sich insoweit um einen sogenannten Neugläubigerschaden. Einen Neugläubigerschaden gegenüber dem Vorstand geltend zu machen, der pflichtwidrig nach Eintritt der Insolvenzreife keinen Insolvenzantrag gestellt hatte, ist weder die Gesellschaft noch (nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens) der Insolvenzverwalter legitimiert. Das ist vielmehr ausschließlich Sache der betroffenen Neugläubiger (so zum problemgleichen GmbH-Recht ausdrücklich BGHZ 138, 211, 216). Gegenteiliges lässt sich nicht damit rechtfertigen, dass man auf die Gesellschaft abstellt und (wie das Reichsgericht aaO) einen ihr entstandenen Schaden darin sieht, dass sie infolge der Insolvenzverschleppung "nicht mehr die Quote prästieren kann, die sie bei rechtzeitigem Insolvenzantrag geboten hätte" (BGHZ aaO). Ein Anspruch der Gesellschaft wegen der Belastung ihres Vermögens mit neuen Verbindlichkeiten bzw. Neugläubigerforderungen würde deren Gleichstellung mit "Zahlungen" im Sinne von § 92 Abs. 3 AktG (bzw. im Sinne von § 64 Abs. 2 GmbHG bei der Gesellschaft mit beschränkter Haftung) voraussetzen. Eine solche Gleichstellung ist jedoch abzulehnen (BGHZ aaO). Für § 92 Abs. 3 AktG entspricht dies im Übrigen der h.M. (BGHZ aaO unter Hinweis auf Hüffer, AktG, 3. Aufl. § 92 R 14 m.w.N.). Es bleibt mithin dabei, dass der sogenannte Neugläubigerschaden allein von den betroffenen Neugläubigern geltend zu machen ist. Vorliegend kommt, worauf der Senat in der mündlichen Verhandlung ergänzend hingewiesen hat, hinzu, dass ein Insolvenzantrag auch nach dem Ausscheiden des Beklagten als Vorstand der Klägerin bislang nicht gestellt worden ist. Es fragt sich daher in der Tat, wessen Schaden und welchen Schaden die Klägerin aktuell gegenüber dem Beklagten geltend macht. Da die Klägerin sich nach wie vor nicht in Insolvenz befindet, ist nicht ersichtlich, dass es überhaupt zu einem Neugläubigerschaden infolge des von dem Beklagten nicht gestellten Insolvenzantrags gekommen ist. Jedenfalls hat die Klägerin keinen Vortrag dazu gehalten, durch welche neuen Forderungen welcher Gläubiger die Überschuldung der Gesellschaft nach dem Eintritt der Insolvenzreife zugenommen hatte und welches Schicksal diese Forderungen nach dem Ausscheiden des Beklagten genommen hatten. Ob ein durch das behauptete Fehlverhalten des Beklagten verschuldeter Schaden der Gesellschaft anzunehmen wäre, falls die Neugläubigerforderungen durch zu verzinsende Gesellschafterdarlehen oder Darlehen Dritter befriedigt worden sein sollten, kann offenbleiben. Denn hierzu ist von der Klägerin ebenfalls nichts vorgetragen worden. Ein Schaden, den die Klägerin legitimiert ist geltend zu machen, kann deshalb allenfalls in dem Gesamtbetrag der verbotswidrigen Zahlungen liegen, die der Beklagte nach dem (unterstellten) Eintritt der Insolvenzreife der Gesellschaft zu verantworten hatte. Zwar handelt es sich auch insoweit um einen Gläubigerschaden. Denn die Vornahme von Zahlungen ist dem Vorstand einer Aktiengesellschaft nach Eintritt der Insolvenzreife verboten (§ 92 Abs. 3 AktG), weil sie zu einer Privilegierung einzelner Gläubiger führen würden und dies dem nachfolgenden Insolvenzverfahren, das auf die gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger entsprechend ihrer Insolvenzquote ausgerichtet ist, zuwiderlaufen würde. Zur Verfolgung dieses Schadens ist vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens aber (auch) die Aktiengesellschaft berechtigt (§ 93 Abs. 3 Nr. 7 AktG), während das nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens allein der Insolvenzverwalter ist (§ 93 Abs. 5 Nr. 4 AktG). Die Klägerin, die insoweit die Darlegungs- und Beweislast trifft, hat aber nicht vorgetragen, welche Zahlungen der Beklagte ab dem von ihr behaupteten Zeitpunkt der Insolvenzreife aus dem Vermögen der Gesellschaft leistete. Der Umfang der geleisteten Zahlungen ergibt sich aus der von der Klägerin angegebenen Zunahme der bilanziellen Überschuldung gerade nicht. Im Gegenteil spiegelt eine Zunahme der (nicht erfüllten) Verbindlichkeiten wieder, dass zunehmend keine Zahlungen erfolgten. Die Eingehung neuer Verbindlichkeiten ist auch nicht rechtlich Zahlungen aus dem Vermögen der Gesellschaft gleichzustellen (s.o.). Den neuen Vortrag der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 6.3.2008 zu den (angeblichen) Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife berücksichtigt der Senat nicht mehr, da er erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung erfolgt ist (§§ 525, 296 a S. 1 ZPO). Aus den §§ 139 Abs. 5, 156, 283 ZPO, die nach § 296 a S. 2 ZPO unberührt bleiben, ergibt sich nichts anderes. Der Klägerin ist zwar die Nachreichung eines Schriftsatzes bis zum 6. März 2008 nachgelassen worden. Dies ist aber, wie sich aus dem Sitzungsprotokoll eindeutig entnehmen lässt, ausschließlich mit Rücksicht auf die ergänzenden rechtlichen Hinweise des Senats in der mündlichen Verhandlung geschehen. Sie betreffen, wie im Protokoll nachzulesen ist, die Problematik, die sich daraus ergibt, dass nach dem Ausscheiden des Beklagten nach wie vor ein Insolvenzantrag nicht gestellt worden ist. Dagegen ist der Klägerin nicht nachgelassen worden, erstmals zu den (angeblichen) Zahlungen des Beklagten nach Eintritt der Insolvenreife vorzutragen. Hierzu hat auch kein Anlass bestanden. Der Senat hat die Klägerin bereits mit Verfügung vom 19. Oktober 2007 darauf hingewiesen, dass sie keinen Vortrag dazu gehalten hat, welche verbotswidrigen Zahlungen der Beklagte aus dem Vermögen der Gesellschaft nach Eintritt der Insolvenzreife leistete. Der Klägerin ist Gelegenheit zu der notwendigen Ergänzung ihres Vortrags mit einer Frist bis zum 26. November 2007, die in der Folge auf Antrag bis zum 10. Dezember 2007 verlängert worden ist, gegeben worden. Gleichwohl hat die Klägerin in ihrem innerhalb der gesetzten Frist eingereichten Schriftsatz vom 7. Dezember 2007 und auch in ihrem weiteren Schriftsatz vom 6. Februar 2008 keinen Vortrag zu verbotswidrigen Zahlungen des Beklagten gehalten. Dass die Klägerin die Hinweise des Senats nicht verstanden hätte und der unterbliebene Tatsachenvortrag darauf beruhte, ist nicht ersichtlich. Vielmehr hat die Klägerin in ihren Schriftsätzen vom 7. Dezember 2007 und 5. Februar 2008 auf ihrem Rechtsstandpunkt beharrt, dass sie Ihrer Darlegungslast genüge, wenn sie die Zunahme der bilanziellen Überschuldung angebe. Der Klägerin musste deshalb klar sein, welches prozessuale Risiko sie einging, wenn der Senat (wie geschehen) bei seiner Auffassung bleiben würde, dass ein Vortrag zur fortschreitenden bilanziellen Überschuldung nicht ausreichend ist. Letztlich ist auch nicht erkennbar, dass die Klägerin den Vortrag zu Zahlungen des Beklagten nach Eintritt der Insolvenzreife, den sie in ihrem Schriftsatz vom 6. März 2008 gehalten hat, nicht schon dem Schriftsatz vom 7. Dezember 2007 hätte halten können. Aus den gleichen Gründen ergibt sich eine Verpflichtung zur Berücksichtigung des neuen Vortrags der Klägerin auch nicht aus § 139 Abs. 5 ZPO und sieht der Senat keinen Anlass, die ordnungsgemäß geschlossene mündliche Verhandlung wiederzueröffnen (§ 156 ZPO). Keiner Entscheidung bedarf nach Vorstehendem die Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der neue Vortrag der Klägerin dazu geeignet ist, den geltend gemachten Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten in Höhe von 1.400.000 Euro zu begründen. Ergänzend bleibt allerdings darauf hinzuweisen, dass sich auch bezüglich des fraglichen Schadens durch verbotswidrige Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife durchgreifende Bedenken aus dem Umstand ergeben, dass nach dem Ausscheiden des Beklagten über einen Zeitraum von mittlerweile mehr als vier Jahren ein Insolvenzantrag immer noch nicht gestellt worden ist. Da die Gesellschaft damit offenbar nicht (mehr) insolvent ist, vermag der Senat nicht zu erkennen, dass ihr ein Betrag in Höhe der angeblich verbotswidrigen Zahlungen aus den Jahren 2001 und 2002 zugeführt werden müsste, um in einem nachfolgenden Insolvenzverfahren eine gleichmäßige Befriedigung aller Gesellschaftsgläubiger entsprechend ihrer Insolvenzquote zu gewährleisten. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 344 ZPO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 1,4 Mio. EUR festgesetzt.
Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen. Die Sache ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist bereits entschieden, dass die Eingehung neuer Verbindlichkeiten nach Eintritt der Insolvenzreife der Gesellschaft den Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife nicht gleichgestellt werden kann.
Ende der Entscheidung
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