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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 14.07.2006
Aktenzeichen: 6 W 390/06
Rechtsgebiete: HaustürWG
Vorschriften:
HaustürWG § 1 | |
HaustürWG § 1 Abs. 1 Nr. 1 |
Zur Feststellung der Voraussetzungen der Widerruflichkeit nach § 1 HaustürWG ist im Falle des sofortigen Abschlusses nicht zu prüfen, ob die Haustürsituation im konkreten Fall mit einem Überrumpelungseffekt verbunden war.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ BESCHLUSS
Geschäftsnummer: 6 W 390/06
In Sachen
hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Richter am Oberlandesgericht Ritter als Einzelrichter
am 14.07.2006
beschlossen:
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin zu 1) wird der Beschluss der 3. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Koblenz vom 01.06.2006 teilweise abgeändert:
Der Klägerin zu 1) wird für die erste Instanz Prozesskostenhilfe gewährt.
Gleichzeitig wird der Klägerin aufgegeben, monatlich 350,00 EUR, beginnend am 01.08.2006, zu zahlen, solange das Gericht nichts anderes bestimmt.
Unabhängig von der Zahl der Rechtszüge sind in einem Rechtsstreit jedoch nicht mehr als 48 Monatsraten zu zahlen.
Der Klägerin zu 1) wird Rechtsanwalt G..., ... als Prozessbevollmächtigter zu den Kosten eines beim Landgericht Koblenz zugelassenen Rechtsanwalts beigeordnet.
Die sofortige Beschwerde des Klägers zu 2) wird zurückgewiesen. Gründe:
Die Kläger verlangen mit ihrer Klage die Rückabwicklung eines am 01.09.1997 mit der Beklagten abgeschlossenen Darlehensvertrages, nachdem sie Widerruf gemäß § 1 HaustürWG erklärt haben.
Das Landgericht hat durch den angefochtenen Beschluss den Antrag der Kläger auf Gewährung von Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht zurückgewiesen.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Dass Rechtsmittel der Klägerin zu 1) hat auch in der Sache Erfolg. Die sofortige Beschwerde des Klägers zu 2) ist unbegründet.
Der Klägerin zu 1) war Prozesskostenhilfe zu gewähren, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 114 ZPO).
Die Kläger haben dargetan, dass sie durch mündliche Verhandlungen im Bereich ihrer Privatwohnung zum Abschluss des Darlehensvertrages vom 17.09.1997 bestimmt wurden, aufgrund dessen die Beklagte ihnen Kredit in Höhe von 47.600,00 EUR gewährte (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 HaustürWG).
Unstreitig verhandelte ein Mitarbeiter der Firma G... Vermittlung von Finanzdienstleistungen GmbH, B..., der Zeuge F..., mit den Klägern am 18.09.1997 in deren Wohnung über den Abschluss des mit Datum vom 17.09.1997 versehenen Darlehensvertrages, den diese am selben Tage in ihrer Wohnung unterzeichneten, und zwar zusammen mit einer Beitrittserklärung zu der S...ges. mbH F... Nr. 2 Projekt D... KG. Zu dem Termin war es aufgrund eines Telefonanrufes des Zeugen F... gekommen. Damit sind die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 HaustürWG gegeben.
Der Auffassung des Landgerichts, die Kläger seien durch die Verhandlungen in ihrer Wohnung zum Vertragsschluss nicht i. S. des § 1 Abs. 1 HaustürWG bestimmt worden, ist nicht zu folgen. Der Umstand, dass die Kläger bereits am 27.03.1997 einen - später widerrufenen - ähnlichen Darlehensvertrag mit der ... Bank AG aufgrund Vermittlung des Zeugen F... unterzeichnet hatten, nimmt dem am 18.09.1997 unterschriebenen Vertrag nicht den Charakter eines Haustürgeschäfts.
§ 1 Abs. 1 Nr. 1 HaustürWG setzt voraus, dass der Kunde durch die mündlichen Verhandlungen am Arbeitsplatz oder im Bereich einer Privatwohnung zu seiner späteren Vertragserklärung "bestimmt" worden ist. Das ist bereits dann der Fall, wenn die Verhandlungen in dieser besonderen Situation für die Vornahme des Rechtsgeschäfts nur mitursächlich wurden. Es genügt, dass die Verhandlungen in der Privatwohnung einen unter mehreren Beweggründen ausmachen, sofern nur ohne sie der später geschlossene Vertrag nicht oder nicht so wie geschehen, zustande gekommen wäre (BGH NJW 1996, 926, 928; Münchener Kommentar / Ulmer, BGB, 4. Aufl., § 312 Rdnr. 29). Für eine solche Kausalität spricht bei engem zeitlichem Zusammenhang zwischen Haustürsituation und Vertragsabschluss - insbesondere, wie hier, bei Abschluss am selben Tag innerhalb der Wohnung - eine tatsächliche Vermutung (vgl. z. B. OLG Frankfurt WM 2002, 545, 547) oder auch der Beweis des ersten Anscheins (so Münchener Kommentar aaO. Rdnr. 32). Dieser Beweis ist durch die Besonderheiten des vorliegenden Falles nicht entkräftet.
Dass die Kläger sich bereits seit mehren Monaten mit dem Gedanken einer Fondsbeteiligung getragen hatten und aufgrund des am 27.03.1997 getätigten Rechtsgeschäfts möglicherweise mit der Materie vertraut waren, beseitigt die Mitursächlichkeit der Vertragsverhandlungen vom 18.09.1997 nicht. Es werden keine Tatsachen dafür vorgetragen, dass es auch ohne die Vermittlung durch den Zeugen F... zum Abschluss des Vertrages in dieser Form und gerade mit der Beklagten gekommen wäre, zumal im März die Finanzierung des Beteiligungsgeschäfts durch eine andere Bank hatte vorgenommen werden sollen. Soweit in dem angefochtenen Beschluss darauf abgestellt wird, die Haustürsituation am 18.09.1997 sei nicht mit einen Überrumpelungseffekt verbunden gewesen, führt das Gericht, wie die Kläger zu Recht geltend machen, ein zusätzliches Tatbestandsmerkmal ein, welches vom Gesetz nicht vorgesehen und auch kraft Auslegung nicht in die Bestimmung hineinzulesen ist.
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 HaustürWG ist Voraussetzung für die Widerruflichkeit, dass der Erklärende zu seiner Willenserklärung bestimmt worden ist "durch mündliche Verhandlungen an seinem Arbeitsplatz oder im Bereich einer Privatwohnung". Das Gesetz fordert also nicht etwa, dass der Erklärende bei den mündlichen Verhandlungen in der Privatwohnung mit einem Angebot unvorbereitet konfrontiert worden ist oder dass die Verhandlungen in einer bestimmten - 'überrumpelnden' - Weise geführt wurden. Vielmehr wird vom Gesetzgeber bereits die Haustürsituation an sich als typisch gefährlich für den Verbraucher angesehenen und deshalb als Voraussetzung für das Widerrufsrecht nicht mehr als deren Ursächlichkeit für das Rechtsgeschäft verlangt (vgl. Münchener Kommentar aaO. Rdnr. 28). Das Fortwirken eines Überrumpelungseffekts wird in der Rechtsprechung allein in solchen Fälle geprüft , in denen wegen eines größeren zeitlichen Abstands die Kausalität der Haustürsituation für die Willenserklärung nicht ohne Weiteres indiziert ist und deshalb hierfür ein zusätzliches Kriterium gesucht werden muss (vgl. z. B. OLG Düsseldorf, Urt. v. 02.04.2004 - I-16 U 92/03 - jurisRspr). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor.
Die Beklagte muss sich die Haustürsituation zurechnen lassen. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes bedarf es hierzu nicht der für die Zurechnung der arglistigen Täuschung gemäß § 123 Abs. 2 BGB notwendigen Voraussetzungen. Vielmehr muss sich nach der bindenden Auslegung des europäischen Rechts durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in seinem Urteil vom 25.10.2005 (WM 2005, 2086) die Bank die Haustürsituation bereits dann zurechnen lassen, wenn sie bei Abschluss des Darlehensvertrages objektiv vorgelegen hat (BGH NJW 2006, 1340).
Die Kläger hatten also gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 HaustürWG das Recht, den mit der Beklagten geschlossenen Vertrag zu widerrufen. Die einwöchige Widerrufsfrist war nicht in Gang gesetzt worden, da die dem Darlehensvertrag beigefügte Widerrufsbelehrung nicht der Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 2 und 3 HaustürWG entspricht. Vielmehr enthält sie den in § 2 Abs. 1 Satz 2 HaustürWG nicht vorgesehenen Satz: "Der Widerruf gilt als nicht erfolgt, wenn der Kreditnehmer nach Empfang des Darlehens dieses nicht binnen zwei Wochen nach Erklärung des Widerrufs bzw. nach Auszahlung des Darlehns zurückzahlt." Eine derartige Widerrufsbelehrung genügt nicht den Anforderungen des § 2 HaustürWG, weil sie eine "andere" - zudem noch unrichtige - Erklärung enthält (BGH NJW 2004, 2731, 2733). Das Widerrufsrecht der Kläger ist auch nicht gemäß § 2 Abs. 1 Satz 4 HaustürWG in der bis 30.09.2000 geltenden Fassung erloschen, da der Kredit nicht voll zurückgezahlt worden ist und die vertraglichen Leistungen daher nicht vollständig von beiden Seiten erbracht wurden.
Die Ausübung des Widerrufsrechts ist nicht rechtsmissbräuchlich. Der relativ lange Zeitablauf zwischen Vertragsschluss und Widerrufserklärung begründet für sich allein eine solche Einwendung nicht, da mangels korrekter Belehrung nach dem aus dem Haustürwiderrufsgesetz hervorgehenden Willen des Gesetzgebers, solange der Vertrag nicht in vollem Umfang durchgeführt ist, für den Widerruf keine Befristung bestehen soll. Besondere Umstände, welche die Ausübung des Widerrufsrechts im konkreten Fall als Rechtsmissbrauch erscheinen ließen, sind nicht ersichtlich.
Nach dem wirksamen Widerruf der Kläger ist jeder Teil verpflichtet, dem anderen Teil die empfangenen Leistungen zurückzuzahlen (§ 3 Abs. 1 HaustürWG). Das sind auf Seiten der Beklagten die von den Klägern gezahlten Zinsen sowie die auf die Beklagte übertragene Lebensversicherung. Die Kläger andererseits schulden der Beklagten die Übertragung ihrer Rechte aus der Beteiligung an der S...ges. mbH F... Nr. 2 Projekt D... KG.
Wenn der Darlehensnehmer den Kredit nicht empfangen hat oder der Darlehensvertrag und das finanzierte Geschäft ein verbundenes Geschäft bilden mit der Folge, dass der Widerruf des Darlehensvertrags zugleich auch der Wirksamkeit des finanzierten Geschäfts entgegensteht, hat der Verbraucher nicht die Valuta an die Bank zurückzugewähren. Die Rückabwicklung hat in diesem Falle vielmehr unmittelbar zwischen dem Kreditgeber und dem Partner des finanzierten Geschäfts zu erfolgen (BGH NJW 2006, 1788). Eine wirtschaftliche Einheit i. S. von § 9 I 2 VerbrKrG wird unwiderleglich vermutet, wenn der Kreditvertrag nicht auf Grund eigener Initiative des Kreditnehmers zu Stande kommt, der von sich aus die Bank um Finanzierung seines Anlagegeschäfts ersucht, sondern deshalb, weil der Vertriebsbeauftragte des Anlagevertreibers dem Interessenten zugleich mit den Anlageunterlagen einen Kreditantrag des Finanzierungsinstituts vorgelegt hat, das sich zuvor dem Anlagevertreiber gegenüber zur Finanzierung bereit erklärt hatte (BGH aaO. S. 1789). Das war nach dem unstreitigen Sachverhalt hier der Fall.
Da die Klage somit ausreichende Erfolgsaussicht hat, war der Klägerin zu 1) die beantragte Prozesskostenhilfe zu gewähren. Die Festsetzung der Zahlungspflicht beruht auf § 115 ZPO.
Die sofortige Beschwerde des Klägers zu 2) war zurückzuweisen, da er nicht bedürftig ist.
Bei einem bereinigten Einkommen des Klägers nebst Mieteinnahmen und Kindergeld von mehr als 3.000,00 EUR wäre die zu erbringende monatliche Zahlung gemäß § 115 ZPO höher als 1.000,00 EUR, so dass die Kosten der Prozessführung bei einem Streitwert von 13.100,34 EUR vier Monatsraten nicht übersteigen (§ 115 Abs. 3 ZPO)
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO).
Ende der Entscheidung
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