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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 04.12.2006
Aktenzeichen: 6 W 700/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91 a
Ermessensgesichtspunkte bei der Kostenentscheidung nach § 91 a ZPO.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ BESCHLUSS

Geschäftsnummer: 6 W 700/06

In Sachen

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Sartor, denRichter am Oberlandesgericht Ritter und den Richter am Oberlandesgericht Grünewald

am 04.12.2006

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Koblenz vom 13.10.2006 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Der Beschwerdewert wird auf 14.000,00 Euro festgesetzt. Gründe:

Gegenstand des Rechtsstreits waren Zahlungsansprüche der Klägerin, denen die Beklagte im Wege der Hauptaufrechnung bestimmte eigene Forderungen entgegensetzte. Nach Erlass eines Vorbehaltsurteils und Einleitung der Beweisaufnahme über die Voraussetzungen der von der Beklagten geltend gemachten Ansprüche hat die Beklagte erklärt, dass ihre zur Abwendung der Zwangsvollstreckung geleisteten Zahlungen nunmehr als Erfüllung gelten sollten, und auf ihre Ansprüche verzichtet, wo­rauf die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben.

Das Landgericht hat durch den angefochtenen Beschluss die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben.

Hiergegen hat die Klägerin sofortige Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist zulässig (§ 91 a ZPO), hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Die Entscheidung des Landgerichts ist nicht zu beanstanden. Unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes waren nach billigem Ermessen die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufzuheben (§ 91 a ZPO).

Nach allgemeiner Rechtsprechung sind im Falle einer übereinstimmenden Erledigungserklärung die Kosten des Rechtsstreits grundsätzlich demjenigen aufzuerlegen, der bei Fortführung des Rechtsstreits voraussichtlich unterlegen wäre. Ist eine notwendige Beweisaufnahme nicht oder nicht vollständig durchgeführt worden, so kann das vermutliche Ergebnis dieser Beweisaufnahme berücksichtigt werden. Lassen sich jedoch die Prozessaussichten nicht prognostizieren, so ist eine Kostenaufhebung angezeigt (vgl. z. B. Beschluss des 5. Zivilsenats vom 25.09.1998, NJW-RR 1999, 943; OLG Celle NJW-RR 1986, 1061 f.). Ein solcher Fall ist, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, hier gegeben.

Die Beklagte hat die Ansprüche, mit denen sie aufgerechnet hat, darauf gestützt, dass das von der Klägerin gelieferte Bindemittel nicht die vertragsgemäße Zusammensetzung aufgewiesen habe und dadurch Mängel an den von der Beklagten produzierten Fallschutzplatten verursacht worden seien. Der vom Gericht beauftragte Sachverständige hat hierzu erklärt, es sei grundsätzlich möglich, in einem Analyseverfahren festzustellen, welches Bindemittel bei der Herstellung der Platten verwendet worden sei, und die Einhaltung der vereinbarten Spezifikation zu überprüfen. Die in dem technischen Informationsblatt der Klägerin aufgeführten Parameter seien jedoch ausschließlich am unverarbeiteten Bindemittel innerhalb garantierter Zeitgrenzen überprüfbar. Sofern Rückstellproben nicht mehr zur Verfügung gestellt werden könnten, seien die in einem analytischen Verfahren erhaltenen Befunde deshalb nur eingeschränkt verwertbar, da sich ggf. bestimmbare Abweichungen nur zu dem aus der derzeitigen Produktion stammenden Bindemittel herleiten ließen. Dem hat das Landgericht zu Recht entnommen, dass der Beweis mangelnder Vertragsgemäßheit des von der Klägerin gelieferten Bindemittels nicht ausgeschlossen war, sondern auch im Falle des Fehlens von Rückstellproben eine Beweisaufnahme - ggf. unter Heranziehung von Zeugenaussagen - möglich gewesen wäre. Dem Landgericht ist des Weiteren darin zuzustimmen, dass das Ergebnis einer solchen Beweisaufnahme offen war.

Der Senat ist nicht der Auffassung, dass die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits tragen müsse, weil sie die Klageforderung freiwillig erfüllt und auf ihre Ansprüche verzichtet hat. Dieser Umstand ist nur insoweit beachtlich, als er einen Hinweis auf den - hypothetischen - Verlauf geben könnte, den der Prozess bei Fortführung des Parteistreits genommen hätte. Erwägungen in dieser Richtung sind hier indessen nicht weiter ergiebig. Die Beklagte hatte nämlich - unabhängig von einer etwa fehlenden Erfolgsaussicht ihrer Rechtsverteidigung - plausible wirtschaftliche Motive für ihr Verhalten vorgetragen: Sie entschloss sich zur Herbeiführung der Erledigung, weil die weitere Beweisaufnahme sehr aufwendig und mit erhebliche Kosten verbunden gewesen wäre. Angesichts dieser Sachlage ist weiterhin von einem offenen Ausgang des Rechtsstreits auszugehen (vgl. dazu auch 5. Zivilsenat aaO.; Zöller / Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 91 a Rdnr. 25).

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist nicht die Rechtsprechung einschlägig, wonach im Falle übereinstimmender Erledigterklärung die Prozesskosten derjenigen Partei aufzuerlegen sind, die den Rechtsstreit mutwillig begonnen oder das erledigende Ereignis willkürlich herbeigeführt hat. Ein solcher Fall liegt nicht vor. Die Erklärung der Aufrechnung gegen die Klageforderung war, wie die Einleitung der Beweisaufnahme durch das Gericht zeigt, Erfolg versprechend. Die spätere Erfüllung der Klageforderung war keineswegs willkürlich, sonder beruhte, wie bereits ausgeführt, auf durchaus plausiblen Erwägungen.

Die Klägerin hält zu Unrecht den Rechtsgedanken des § 306 ZPO für anwendbar. Denn anders als bei einem Verzicht auf die Klageforderung wurden im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für eine Beendigung des Rechtsstreits nicht durch den Verzicht auf die zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen geschaffen; auch hätte der Verzicht bei Fortführung des Prozesses kein Unterliegen der verzichtenden Partei zur Folge gehabt. Vielmehr war bereits durch die Erfüllung der mit der Klage geltend gemachten Zahlungsansprüche Entscheidungsreife herbeigeführt worden. Da die Klage infolge der Erfüllung unbegründet geworden war, war die Klägerin, wollte sie eine Klageabweisung unter Aufhebung des Vorbehaltsurteils abwenden, gezwungen, den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären. Denn im Nachverfahren ist das Gericht nicht daran gehindert, Einwendungen - so auch die Erfüllung - zu berücksichtigen, die erst nach Schluss der dem Vorbehaltsurteils zugrunde liegenden mündlichen Verhandlung entstanden sind (Rechtsgedanke des § 767 Abs. 2 ZPO; vgl. Thomas / Putzo, ZPO, 27. Aufl., § 302 Rdnr. 8; Zöller § 302 Rdnr. 7; AK-ZPO / Fenge, § 302 Rdnr. 24).Da diese Prozesssituation unabhängig von dem Verzicht der Beklagten auf ihre Gegenforderungen eingetreten war, stellte es lediglich ein prozessrechtlich irrelevantes Entgegenkommen der Beklagten dar, dass sie dem Verlangen der Klägerin entsprach und auf die eigenen Forderungen verzichtete.

Unabhängig davon ist hier aber auch, wie das Landgericht richtig gesehen hat, zu berücksichtigen, dass der Verzicht der Beklagten im Rahmen einer Entscheidung nach billigem Ermessen (§ 91 a ZPO) deshalb keine nachteilige Wirkung für die Beklagte haben kann, weil es zu der Verzichtserklärung und deren Annahme durch die Klägerin allein aufgrund eines entsprechenden Verlangens der Klägerin kam, nachdem die Beklagte den Rechtsstreit bereits für erledigt erklärt bzw. einer Erledigungserklärung der Klägerin im voraus zugestimmt hatte. Es stand also bereits vor dem Verzicht fest, dass die Beklagte ihre Gegenforderung im vorliegenden Verfahren nicht mehr geltend machen werde, d. h., der Klageforderung nicht mehr die Einwendung der Aufrechnung entgegensetzen wollte. Die Vereinbarung eines Verzichts war daher nur außerprozessual von Bedeutung, indem sie die Klägerin vor einer möglichen Klage aufgrund der von der Beklagten geltend gemachten Ansprüche schützte.

Die sofortige Beschwerde war nach allem zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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