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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 02.10.2002
Aktenzeichen: 7 U 1426/01
Rechtsgebiete: BGB, DÜG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 117
BGB § 117 Abs. 1
BGB § 139
BGB § 313
BGB § 313 Satz 1 S. 1
BGB § 814
DÜG § 1
ZPO § 91
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Koblenz IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Aktenzeichen: 7 U 1426/01

Verkündet am: 2. Oktober 2002

Der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Jahn sowie die Richter am Oberlandesgericht Trueson und Dr. Fischer auf die mündliche Verhandlung vom 11. September 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Das Versäumnisurteil des Senats vom 29. Mai 2002 bleibt aufrechterhalten.

II. Die weiteren Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; die Beklagten können die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung von 60.000 EUR abwenden, sofern die Klägerinnen nicht zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leisten.

Tatbestand:

Die Klägerinnen verlangen von den Beklagten die Rückzahlung von 85.000 DM und begehren weiterhin die Feststellung, dass der zwischen den Parteien abgeschlossene Grundstückskaufvertrag vom 20. Oktober 2000, UrkRNr. ..17/00, Notar Dr. S....... B....... nichtig ist. Die Beklagten sind Eigentümer des Hausanwesens B..-....-S...., O......... Straße .. Sie beabsichtigten, dieses Hausanwesen zu veräußern. Ende Juli 2000 erteilten sie der Immobilienabteilung der .....bank B...... den Auftrag über das Hausgrundstück ein Exposé zu fertigen. Von dem bei der .....bank B...... beschäftigten Zeugen T...... wurde etwa Ende Juli 2000 ein Exposé erstellt (vgl. GA Bl. 112), in dem es u.a. heißt: "Komplette Renovierung in 2000". Der Kaufpreis betrug nach dem Exposé 290.000 DM. Am 4. September 2000 wurde das Exposé den Klägerinnen übergeben (GA Bl. 113). Am 20. Oktober 2000 veräußerten die Beklagten das Hausanwesen an die Klägerinnen für 205.000 DM (Vertrag UrkRNr: ..17/00, Notar Dr. S....... B....... GA Bl. 8 ff.). Bereits am 16. Oktober 2000 hatten die Klägerinnen an die Beklagten 85.000 DM gezahlt (Quittung GA Bl. 7). An dem Tag, an dem der notarielle Vertrag abgeschlossen wurde, trafen die Parteien weiterhin folgende Vereinbarung:

"Hiermit bestätigen wir - Familie K... U....... - dem Käufer des Hauses in B......-S...., O............., folgende Fertigstellung der unten aufgeführten Positionen bis zur Grundbucheintragung fertigzustellen,

Positionen

Im Haus:

- Türen in den Schlafzimmern einsetzen

- Duschkabine einsetzen

- Wand im Flur ausbrechen

Vorderhof und Hinterhof befestigen; Rolltor einsetzen; Boden auffüllen; Heizung abnehmen lassen;"

Die Kläger haben geltend gemacht, der notarielle Vertrag vom 20. Oktober 2000 sei nichtig, weil statt des tatsächlichen Kaufpreises von 290.000 DM lediglich ein Betrag von 205.000 DM beurkundet worden sei.

Die Beklagten haben demgegenüber vorgetragen, die Klägerinnen hätten sich in der zweiten Julihälfte 2000 das Haus angesehen, als dort Fliesenarbeiten ausgeführt worden seien. Einige Tage danach hätten sich die Klägerinnen mit dem Beklagten zu 2) am Haus getroffen und sich kaufinteressiert gezeigt. Wenige Tage später habe man sich erneut vor Ort getroffen. Auf Vorschlag der Klägerinnen habe man sich geeinigt, dass für bestimmte Reparatur- und Umbaumaßnahmen 85.000 DM gezahlt werden und der Kaufpreis 205.000 DM betrage. Da am 20. Oktober 2000 noch nicht alle Arbeiten erledigt gewesen seien, habe man an diesem Tag eine Vereinbarung über die noch auszuführenden Arbeiten getroffen.

Das Landgericht hat nach einer Beweisaufnahme die Klage mit der Begründung abgewiesen, der notarielle Kaufvertrag vom 20. Oktober 2000 sei kein Scheingeschäft gemäß § 117 Abs. 1 BGB. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei davon auszugehen, dass von den Parteien gewollt war, dass für das Haus 205.000 DM und für die Umbauarbeiten 85.000 DM gezahlt werden.

Hiergegen wenden sich die Klägerinnen mit der Berufung. Sie machen weiterhin geltend, der Betrag von 85.000 DM sei Teil eines einheitlichen Kaufpreises von 290.000 DM gewesen. Der notarielle Vertrag sei daher unwirksam, weil der tatsächliche Kaufpreis nicht beurkundet worden sei. Im Übrigen sei der Werkvertrag über 85.000 DM Teil eines einheitlichen Grundstücksgeschäfts und hätte daher nach § 313 BGB ebenfalls notariell beurkundet werden müssen.

Die Beklagten tragen demgegenüber vor, für die Beurkundungsbedürftigkeit des Werkvertrags reiche es nicht aus, dass dieser vom Kaufvertrag abhänge. Vielmehr müsse der Grundstücksvertrag mit dem Bauvertrag so verbunden sein, dass nach den Vorstellungen der Parteien des Grundstücksvertrags dieser abgeschlossen werde, um die Ausführungen des Bauvertrags zu ermöglichen. Davon könne vorliegend schon wegen des zeitlichen Ablaufs nicht ausgegangen werden. Sollte man jedoch von einer Unwirksamkeit der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen ausgehen, stünde dem Rückzahlungsverlangen der Klägerinnen § 814 BGB entgegen.

Durch Versäumnisurteil des Senats vom 29. Mai 2000 wurde das Urteil des Landgerichts abgeändert wie folgt:

1. Es wird festgestellt, dass der zwischen den Parteien abgeschlossene Kaufvertrag mit Auflassung vom 20. Oktober 2000, Notar Dr. S....... B....... UrkRNr.: ..17/2000 nichtig ist und den Beklagten keine weiteren Ansprüche aus diesem Vertrag gegen die Klägerinnen zustehen.

2. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerinnen 85.000 DM nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basissatz nach § 1 des Diskontüberleitungsgesetzes vom 9. Juni 1998 seit 3. Januar 2001 zu zahlen.

Gegen dieses Versäumnisurteil haben die Beklagten rechtzeitig Einspruch eingelegt.

Die Klägerinnen beantragen:

Das Versäumnisurteil des Senats vom 29. Mai 2002 aufrechtzuerhalten.

Die Beklagten beantragen:

Unter Aufhebung des Versäumnisurteils des Senats vom 28. Mai 2000 die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf deren Schriftsätze, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerinnen ist begründet. Der notarielle Kaufvertrag vom 20. Oktober 2000 sowie die zwischen den Parteien getroffene Werkleistungsvereinbarung sind unwirksam. Den Klägerinnen steht daher gegen die Beklagten ein Rückzahlungsanspruch in Höhe von 85.000 DM nebst Zinsen zu. Darüber hinaus ist der Antrag der Klägerinnen festzustellen, dass der am 20. Oktober 2000 zwischen den Parteien vor dem Notar Dr. S....... B....... abgeschlossene Kaufvertrag nichtig ist, begründet. Das Versäumnisurteil des Senats vom 29. Mai 2002 ist daher aufrechtzuerhalten (§ 543 ZPO).

Der Senat hält bereits die Wertung des Landgerichts, die Aufspaltung des ursprünglich für das Hausanwesen verlangten Kaufpreises von 290.000 DM in einen Anspruch aus Werkvertrag in Höhe von 85.000 DM und in einen Kaufpreisanspruch in Höhe von 205.000 DM stelle kein Scheingeschäft i.S. von § 117 BGB dar, für nicht zutreffend. Schon der Umstand, dass der Betrag von 85.000 DM von den Beklagten als "Vorabzahlung" bezeichnet wird (vgl. GA Bl. 19), zeigt einen Zusammenhang mit dem Kaufpreis auf. Hinzu kommt, dass die Vereinbarung über die Differenzierung zwischen Kaufpreis und Werklohn in Zusammenhang mit dem Aushandeln des Preises für das Haus getroffen wurde. Nach dem Vorbringen der Beklagten, das durch die Aussage des Zeugen S...... bestätigt wurde, machten die Klägerinnen den Vorschlag "für die Arbeiten im Hof 85.000 DM zu übernehmen" (vgl. GA Bl. 104). Obwohl die Klägerinnen Wert darauf legten, dass vor dem Erwerb noch wesentlich umfangreichere Arbeiten an dem Haus von den Beklagten durchgeführt werden, soll sich der Betrag von 85.000 DM nur auf Arbeitsleistungen am Hof beziehen. Der Zeuge erklärte zwar auf Nachfragen, der Betrag von 85.000 DM habe sich neben der Hofbefestigung auf Anstrich, Tor, Türen, Dach, Heizung usw. bezogen. Diese Erklärungen des Zeugen zeigen, dass der Umfang der Werkleistung nur in groben Zügen zwischen den Parteien festgelegt wurde. Zudem erfolgte keine schriftliche Fixierung des Werkvertrags, was im Hinblick auf die Höhe des Werklohns von 85.000 DM als sehr ungewöhnlich anzusehen ist. Weiterhin war eine werkvertragliche Gewährleistung der Beklagten gegenüber den Klägerinnen offensichtlich nicht gewollt. Jedenfalls wurde nicht abgesprochen, dass die Beklagten für Mängel an den Umbaumaßnahmen "haften". Im Rechtsstreit haben sich die Beklagten darauf berufen, die Klägerinnen hätten das Anwesen "wie gesehen" gekauft, Gewährleistungsansprüche bestünden daher nicht (vgl. GA Bl. 38). Darüber hinaus macht der Abschluss eines Werkvertrags zwischen den Parteien Ende Juli/Anfang August 2000 nur dann einen Sinn, wenn er unter der Bedingung des Hauserwerbs durch die Klägerinnen erfolgte. Auch hierüber ist nach den Angaben des Zeugen S...... bei Abschluss des Werkvertrags nicht gesprochen worden. Letztlich wurde der Betrag von 85.000 DM von den in baulichen Angelegenheiten völlig unerfahrenen Klägerinnen und nicht von den die Arbeiten ausführenden Beklagten im Zusammenhang mit der Festlegung des Kaufpreises für das Objekt vorgeschlagen (vgl. GA Bl. 36), um Notarkosten und Grunderwerbssteuer "zu sparen", und der Betrag später "bar" ausgehändigt. Die dargelegten Umstände zeigen zur Überzeugung des Senats, dass ein Werkvertrag zwischen den Parteien tatsächlich nicht gewollt war; vielmehr sollte der Kaufpreis für das Hausgrundstück 290.000 DM betragen.

Selbst wenn man entgegen der dargelegten Auffassung von einem Werkvertrag über 85.000 DM und einem Grundstückskaufvertrag über 205.000 DM ausgeht, sind die zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen unwirksam, weil sich das notarielle Beurkundungserfordernis auf die Vereinbarungen im Ganzen und damit auch auf den Werkvertrag erstreckt hätte.

Nach ständiger Rechtsprechung (BGHZ 78, 346; BGH NJW-RR 1993, 1421; BGH NJW 2000, 951; BGH NJW 2002, 2559) erstreckt sich der Beurkundungszwang bei einer Grundstücksveräußerung auf alle Vereinbarungen, aus denen sich nach dem Willen der Parteien das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft zusammensetzt. Dem Beurkundungszwang unterliegen demnach auch solche Vereinbarungen, die zwar für sich allein gesehen nicht beurkundungsbedürftig wären, aber mit dem Grundstücksgeschäft eine rechtliche Einheit bilden, weil sie nach dem Willen der Vertragsparteien "miteinander stehen und fallen". Gegenstand des Werkvertrags waren umfangreiche Renovierungsarbeiten an dem Hausanwesen, die zum Teil auf die individuellen Wünsche der Klägerinnen zugeschnitten waren (vgl. GA Bl. 38). Da diese Arbeiten am 20. Oktober 2000, als der notarielle Kaufvertrag abgeschlossen wurde, nur teilweise erledigt waren, trafen die Parteien "zur Sicherheit der Klägerinnen" (vgl. GA Bl. 37) schriftlich die Vereinbarung über die noch auszuführenden Renovierungsarbeiten (GA Bl. 40). Die vorliegende Fallkonstellation entspricht somit derjenigen, die den Entscheidungen BGH NJW-RR 1993, 1421 und OLG Naumburg OLGR 2002, 264 zugrundelag. Es wurde jeweils am gleichen Tag ein Grundstückskaufvertrag und ein Vertrag über die Durchführung von Renovierungsarbeiten an dem veräußerten Objekt abgeschlossen. Sowohl der BGH als auch das OLG Naumburg bejahen in derartigen Fällen eine Geschäftseinheit und damit das Beurkundungserfordernis über die Absprachen der noch zu erbringenden Bauleistungen. Dem schließt sich der Senat an.

In zwei neueren Entscheidungen (BGH NJW 2000, 951; BGH NJW 2002, 2559) wird aus dem Normzweck des § 313 Satz 1 S. 1 BGB hergeleitet, dass bei einer Abhängigkeit des Grundstücksgeschäfts vom Bauvertrag das Formerfordernis des § 313 BGB auf den Bauvertrag zu erstrecken ist. Maßgeblich für das Erfordernis der notariellen Beurkundung auf das grundsätzlich formfreie Rechtsgeschäft ist somit, ob nach den Vorstellungen der Parteien des Grundstücksvertrags dieser geschlossen wurde, um die Ausführungen des Bauvertrags zu ermöglichen. Diese Abhängigkeit zwischen Grundstücks- und Bauvertrag ist vorliegend gegeben. Der Senat hat bereits im Beschluss vom 19. August 2002 (GA Bl. 303, 304) darauf hingewiesen, dass den Klägerinnen nach den Vereinbarungen der Parteien das Haus nicht in dem bei Abschluss des notariellen Vertrags am 20. Oktober 2000 bestehenden Zustand übergeben werden sollte, sondern in einem durch zusätzliche Arbeiten verbesserten Zustand. Im Übrigen waren die Renovierungsarbeiten teilweise nach individuellen Wünschen der Klägerinnen auszuführen. Die Baumaßnahmen waren daher nur infolge eines Erwerbs des Grundstücks durch die Klägerinnen sinnvoll. Es liegt somit ein zur Formunwirksamkeit des Bauvertrags führender Beurkundungsmangel vor. Die Nichtigkeit des Bauvertrags erfasst nach § 139 BGB auch den notariellen Grundstücksvertrag. Der auf die Unwirksamkeit des notariellen Kaufvertrags bezogene Feststellungsantrag ist somit begründet. Darüber hinaus sind die Beklagten aus ungerechtfertigter Bereicherung verpflichtet, an die Klägerinnen den Betrag von 85.000 DM zurückzuzahlen.

Dem Rückforderungsanspruch in Höhe von 85.000 DM steht nicht der Einwand des § 814 BGB entgegen. Die Vorschrift setzt eine Leistung in Kenntnis der Nichtschuld voraus. Erforderlich ist positive Kenntnis der Rechtslage im Zeitpunkt der Leistung. Dazu, dass den Klägerinnen die Rechtslage im Zahlungszeitpunkt bekannt war, beispielsweise weil sie rechtlich beraten wurden, haben die Beklagten nichts vorgetragen. Angesichts der dargelegten komplexen Rechtslage kann auch nicht von einer allgemeinen Kenntnis der Klägerinnen, die in den Senatssitzungen den Eindruck hinterlassen haben, in rechtlichen Angelegenheiten unerfahren zu sein, nicht ausgegangen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Streitwert sowie die Beschwer der Beklagten beträgt 290.000 DM.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Ende der Entscheidung

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