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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 08.04.2008
Aktenzeichen: 7 WF 277/08
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 124 Nr. 4 |
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ BESCHLUSS Geschäftsnummer: 7 WF 277/08
in der Familiensache wegen Ehescheidung und Versorgungsausgleichs
hier: Entziehung bewilligter Prozesskostenhilfe.
Der 7. Zivilsenat - 4. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Richter am Oberlandesgericht yyy als Einzelrichter
am 8. April 2008
beschlossen:
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Idar-Oberstein vom 13.2.2008 aufgehoben.
Gründe:
I.
Mit Beschluss vom 4.6.2002 hatte das Familiengericht dem Antragsteller Prozesskostenhilfe für das Scheidungsverfahren gegen monatliche Ratenzahlungen von 155,00 €, beginnend mit dem 1.7.2002 bewilligt. Mit Schriftsatz vom 18.11.2002 hat der Antragsteller beantragt, aufgrund veränderter Einkommensverhältnisse die Ratenzahlungsverpflichtung aufzuheben. Eine Zahlung war bis dahin nicht erfolgt. Nach Vorlage einer neuen Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hat das Familiengericht mit Beschluss vom 4.2.2004 angeordnet, dass die Ratenzahlungsverpflichtung des Antragstellers ab November 2002 entfällt.
Das zugrunde liegende Verfahren ist durch Scheidungsurteil vom 8.1.2003 - rechtskräftig seit 18.2.2003 - und Beschluss über den abgetrennten Versorgungsausgleich vom 22.7.2003 - rechtskräftig seit dem 29.8.2003 - abgeschlossen.
Erstmals mit Schreiben vom 31.5.2007 wurde der Antragsteller darauf hingewiesen, dass er mit 4 Monatsraten für die Zeit vom 01.07.2002 bis zum 31.10.2002 in Rückstand sei. Ihm wurde mit Schreiben vom 13.6.2007 angeboten, diesen Rückstand in monatlichen Raten von 30,00 € zu begleichen; zugleich wurde ihm für den Fall des Zahlungsverzugs eine Aufhebung der Prozesskostenhilfe angedroht.
Da der Antragsteller in der Folgezeit lediglich eine Zahlung von 30,00 € leistete, wurde ihm nach Gewährung erneuten rechtlichen Gehörs mit Beschluss vom 13.2.2008 die Prozesskostenhilfe entzogen. Mit seiner gegen diese Entscheidung form- und fristgerecht eingelegten Beschwerde macht der Antragsteller geltend, Ende 2007 erneut geheiratet zu haben, weshalb er jetzt einer weiteren Unterhaltspflicht ausgesetzt sei.
II.
Die in förmlicher Hinsicht nicht zu beanstandende Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Zwar sind die Anforderungen für eine Aufhebung der Prozesskostenhilfe nach § 124 Nr. 4 ZPO formal erfüllt, weil der Antragsteller mit den Monatsraten von Juli 2002 bis einschließlich Oktober 2002 in Rückstand ist und diesen Rückstand trotz mehrfacher Aufforderung unter Androhung der Entziehung der Prozesskostenhilfe nicht ausgeglichen hat. Auch trifft es zu, dass - wie in der Stellungnahme des Bezirksrevisors ausgeführt - die Beschwerdebegründung keine Rechtfertigung dafür bietet, dass der Antragsteller seiner Zahlungspflicht im Jahr 2002 nicht nachgekommen ist. Indes hat die Staatskasse das Recht zur Aufhebung der Prozesskostenhilfe verwirkt.
Nach allgemeinen Grundsätzen ist ein Recht verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht hat und der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten auch darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl., § 242 Rn. 87 m.w.N.). Die Verwirkung ist ein Fall der unzulässigen Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens und ist nach allgemeiner Meinung auch im öffentlichen Recht und im Prozessrecht (ders. a.a.O., Rn. 92, ebenfalls m.w.N.) zu beachten.
Im vorliegenden Fall ist sowohl das für die Annahme einer Verwirkung erforderliche "Zeitmoment" wie das "Umstandsmoment" erfüllt. Seit Entstehung des von Juli 2002 bis Oktober 2002 aufgelaufenen Zahlungsrückstands sind bereits über 5 Jahre vergangen, in denen der Antragsteller aufgrund des Beschlusses vom 4.2.2004 zur Zahlung weiterer Raten nicht verpflichtet war. Nachdem durch diesen Beschluss die Ratenzahlungsverpflichtung rückwirkend ab November 2002 aufgehoben worden war, ohne dass aus dem zuvor aufgelaufenen Rückstand Folgen gezogen wurden, konnte und musste der Antragsteller nicht mehr damit rechnen, nach weiteren 3 Jahren auf diesen Zahlungsrückstand wieder angesprochen zu werden. Ein Antrag auf Aufhebung einer Ratenzahlungsverpflichtung wegen Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse hat nämlich in aller Regel nur dann Erfolg, wenn der Hilfsbedürftige bis zum Eintritt der Vermögensverschlechterung seiner Zahlungspflicht nachgekommen oder zumindest mit der Zahlung nicht so lange in Rückstand ist, dass die Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach § 124 Nr. 4 ZPO aufgehoben werden könnte. Denn nach dem Sinn der gesetzlichen Regelung soll nur der Hilfsbedürftige geschützt werden, der im Rahmen des ihm Zumutbaren seinen Verpflichtungen nachkommt. Daraus folgt, dass dann, wenn die Voraussetzungen des § 124 Nr. 4 ZPO gegeben sind, i.d.R. die Prozesskostenhilfe nach dieser Vorschrift aufgehoben wird, bevor einem Antrag auf Aufhebung der Raten wegen nachträglicher Verschlechterung der Vermögensverhältnisse stattgegeben wird (vgl. OLG Stuttgart, FamRZ 1987, 403). Daher konnte der Antragsteller aus der Tatsache, dass seinem Abänderungsantrag entsprochen wurde, ohne Konsequenzen aus dem aufgelaufenen Ratenrückstand zu ziehen, entnehmen, dass der Zahlungsrückstand für ihn folgenlos bleiben werde und sich hierauf einrichten, zumal das Verfahren in der Hauptsache bereits seit 29.08.2003 abgeschlossen war. Dass er dies auch getan hat, folgt bereits daraus, dass sich seit November 2002 seine wirtschaftlichen Verhältnisse derart verschlechtert haben, dass seither die Anordnung einer Ratenzahlungsverpflichtung nicht mehr in Betracht kam. Unter diesen Umständen setzt sich die Staatskasse durch die Aufhebung der Prozesskostenhilfe aufgrund des vor über 5 Jahren entstandenen Zahlungsrückstandes in einen mit Treu und Glauben nicht zu vereinbarenden Widerspruch gegen ihr früheres Verhalten, weshalb der angefochtene Beschluss keinen Bestand haben kann.
Ende der Entscheidung
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