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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 10.01.2000
Aktenzeichen: 8 W 810/99
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 494 a Abs. 2 Satz 2 | |
ZPO § 569 | |
ZPO § 577 | |
ZPO § 494 a | |
ZPO § 269 Abs. 3 |
OLG Koblenz, Beschluß vom 10.01.2000 mit dem Az. 8 W 810/99
Geschäftsnummer: 8 W 810/99 4 OH 24/99 LG Koblenz
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ
BESCHLUSS
In Sachen
Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin,
- Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte
gegen
Antragsteller und Beschwerdegegner,
- Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Hölzer, den Richter am Oberlandesgericht Grüning und die Richterin am Oberlandesgericht Krumscheid am 10. Januar 2000 beschlossen:
Tenor:
I. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 10. November 1999 aufgehoben. Den Antragstellern werden die Kosten des Beweissicherungsverfahrens auferlegt.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens bei einem Gegenstandswert von 20.000 DM.
Gründe:
I.
Das Landgericht hat durch den angefochtenen Beschluss den Antrag der Antragsgegnerin, den Antragstellern die Kosten des Beweissicherungsverfahrens aufzuerlegen, nachdem diese mit Schriftsatz vom 9. August 1999 ihren Antrag auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens zurückgenommen hat, unter Hinweis auf eine Entscheidung des hiesigen 11. Zivilsenates mit der Begründung zurückgewiesen, das Gesetz sehe die begehrte Rechtsfolge nicht vor. Gegen diesen, ihr am 17. November 1999 zugestellten Beschluss richtet sich die am 22. November 1999 bei dem Landgericht Koblenz eingegangene sofortige Beschwerde, die die Entscheidung und die dieser zugrundeliegende Ansicht des Landgerichts für falsch hält.
II.
Die gemäß § 494 a Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen, §§ 569, 577 ZPO, zulässige sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Das Rechtsmittel führt deshalb unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zur antragsgemäßen Auferlegung der Kosten des selbständigen Beweisverfahren zu Lasten der Antragsteller.
1) Das Landgericht hat zu Unrecht den entsprechenden Antrag der Antragsgegnerin zurückgewiesen, den Antragstellern die Kosten aufzuerlegen, nach dem diese ihren Antrag auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens zurückgenommen haben. Denn die Antragsgegnerin hat ein Recht auf eine Kostenentscheidung gegen die Antragsteller.
2) Die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen im selbständigen Beweisverfahren außer in den Fällen des § 494 a ZPO eine Kostenentscheidung möglich ist, ist in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten (vgl. zur Streitfrage Zöller-Herget, ZPO, § 91 Rdnr. 13 "selbständiges Beweisverfahren"; Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann, ZPO, § 91 Rdnr. 21 "selbständiges Beweisverfahren").
a) Während die weit überwiegende Meinung im Fall einer Antragsrücknahme den Erlass einer Kostenentscheidung entsprechend 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO für zulässig und geboten erachtet (OLG Köln in MDR 94, 315; OLG München in MDR 94, 624; OLG Nürnberg in MDR 94, 623; OLG Karlsruhe in NJW-RR 96, 1343; Brandenburgisches OLG in BauR 96, 584; OLG Celle in OLGR 1995, 136; OLG Hamm in OLGR 1993, 263; Pfälzisches OLG in OLGR 93, 263; OLG Köln - 19. Zivilsenat - in OLGR 1994, 359; LG Halle in JurBüro 97, 531; Zöller-Herget a.a.0.; Lindacher in JR 99, 278; Stein-Jonas-Leipold, ZPO, Anm. III vor § 485; Münchener Kommentar/Schreiber, ZPO, § 485 Rdnr. 21, ThomasPutzo, ZPO, § 494 a Rdnr. 6), hält eine Minderheit (vgl. OLG Koblenz - 9. Zivilsenat - in MDR 96, 101; OLG Köln - 27. Zivilsenat - in OLGR 1992, 125; Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann, ZPO, 5 91 Rdnr. 193) eine solche Kostenentscheidung für unzulässig.
b) Richtig ist zwar, dass das Gesetz im selbständigen Beweisverfahren eine Kostenentscheidung - ausdrücklich - nur unter den Voraussetzungen des § 494 a ZPO vorsieht, wenn also der Antragsteller nach Beendigung der Beweiserhebung, ohne dass ein Hauptprozess bereits anhängig ist, der Anordnung des Gerichts nicht nachkommt, binnen einer zu bestimmenden Frist Klage zu erheben.
Dieser Fall liegt hier zwar ersichtlich nicht vor. Gleichwohl ist aber nach der Ansicht des Senates eine Kostenentscheidung nach anderen Vorschriften, insbesondere eine solche entsprechend § 269 Abs. 3 ZPO nicht ausgeschlossen. Sie ist vielmehr geboten; denn es besteht dafür ein nach der Überzeugung des Senates zwingendes Regelungsbedürfnis. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dem Gesetzgeber sei bei Schaffung des Rechtspflegevereinfachungsgesetzes vom 1. April 1991, durch das die Vorschriften über das Beweissicherungsverfahren neu gefasst worden sind, der schon zuvor streitige Meinungsstand bekannt gewesen, weshalb anzunehmen sei, dass eine Kostenentscheidung von dem Fall des von ihm ausdrücklich geregelten 494 a ZPO abgesehen, nicht habe getroffen werden sollen (so OLG Köln - 27. Zivilsenat - in OLGR 92, 125), eine Gesetzeslücke also gar nicht bestehe (so aber OLG Koblenz - 9. Zivilsenat - in MDR 96, 101). Vielmehr ist nach der Überzeugung des Senates nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit einer Kostengrundentscheidung zu erlassen, nicht bewusst auf die Fälle des § 494 a ZPO beschränkt hat. Gegenteiliges läßt sich auch nicht den Gesetzesmaterialien entnehmen (ebenso OLG Celle a.a.0.). Die Neuregelung des § 494 a ZPO ist vielmehr ersichtlich nicht abschließend (vgl. Pfälz. OLG Zweibrücken in OLGR 98, 116; Gerold/Schmidt/v.Eicken, BRAGO, 13. Auflage, § 48 BRAGO Anm. 11 b). Letzlich entscheidend erscheint dem Senat hierbei, dass das Beweisverfahren nach Rücknahme des Beweisantrages vor Durchführung der Beweisaufnahme auf einen späteren Rechtsstreit in der Hauptsache keinen Einfluss mehr haben kann. Das Verfahren verliert so seinen Charakter als vorbereitender Verfahrensabschnitt für das eigentliche Prozessrechtsverhältnis und gewinnt damit ein zusätzliches Maß an prozessualer Selbständigkeit. Es besteht mithin auch nicht mehr die Gefahr, dass im Rahmen der nunmehr zu treffenden Kostenentscheidung Wertungen des Beweisergebnisses dem Hauptsacheverfahren vorweggenommen werden müssen (vgl. auch OLG Köln - 22. Zivilsenat - in OLGZ 94, 237). Dann aber besteht kein Hindernis für die gebotene entsprechende Anwendung des § 269 Abs. 3 ZPO, und es ist gerechtfertigt, dem Antragsteller bei einer Rücknahme seines Antrages auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens auf Antrag des Gegners die Kosten aufzuerlegen.
Im Übrigen besteht dafür nach der Ansicht des Senates auch ein dringendes praktisches Bedürfnis. Es wäre völlig unverständlich, wenn im Rahmen eines eingeleiteten selbständigen Beweisverfahrens der Antragsteller aber vor Abschluss des Verfahrens seinen Antrag zurücknimmt und der Antragsgegner deshalb auf seinen - außergerichtlichen - Kosten "sitzen bleiben" müsste, nur weil der Gesetzgeber eine entsprechende Kostenentscheidung nicht ausdrücklich vorgesehen hat und obwohl diese Kosten durch einen nicht mehr weiterverfolgten Antrag des Gegners veranlasst sind. Darüberhinaus gäbe es keinen Sinn, einen Antragsteller, der seine Rechtsverfolgung schon vor der Beweiserhebung aufgibt, besser zu stellen als einen solchen, der es unterlässt, Hauptsacheklage zu erheben (ebenso OLG Hamm in OLGZ 94, 230; OLG Celle in OLGR 1995, 136).
Dass ein offensichtliches Bedürfnis nach einer Kostengrundentscheidung im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens besteht, ergibt sich schließlich auch daraus, dass anderenfalls der Antragsgegner zu keinem Titel für seine - allein - vom Antragsteller verursachten Kosten käme. Mangels nachfolgenden Hauptsacheprozesses kann er nämlich dort seine Kosten nicht geltend machen; andererseits hat er nur in Ausnahmefällen eine Möglichkeit, seine Kosten aufgrund eines materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs einzuklagen (ebenso OLG Frankfurt/Main, a.a.0.).
III.
Nach alledem war auf die sofortige Beschwerde der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Kosten des Beweisverfahrens dem Antragsteller aufzuerlegen.
Ende der Entscheidung
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