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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 17.10.2001
Aktenzeichen: 9 U 166/01
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, BewG


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 1
BGB § 2329
BGB § 291
BGB § 2325
BGB § 2325 Abs. 2
BGB § 818 Abs. 2
BGB § 2330
BGB § 2328
BewG § 14
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Koblenz Im Namen des Volkes Urteil

- abgekürzt gemäß § 543 Abs. 1 ZPO -

Geschäftsnummer: 9 U 166/01

Verkündet am 17. Oktober 2001

in dem Rechtsstreit

wegen Pflichtteilsergänzung.

Der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Krüger, die Richterin am Oberlandesgericht Peters und den Richter am Oberlandesgericht Eck

auf die mündliche Verhandlung vom 05. September 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Schlussurteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 12. Dezember 2000 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin über den Ausspruch im Teilanerkenntnisurteil vom 21. Juni 2000 hinaus weitere 11.901,54 DM nebst 4% Zinsen seit dem 26. Januar 2000 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden zu 7/10 der Klägerin und zu 3/10 der Beklagten auferlegt. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Klägerin zu 2/5 und der Beklagten zu 3/5 zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

A.

Die Klägerin ist die einzige Tochter des am 2. Februar 1999 verstorbenen R F aus dessen erster Ehe, die Beklagte war dessen zweite Ehefrau und ist aufgrund Erbvertrages vom 20. Dezember 1974 seine Alleinerbin. Durch notariellen Vertrag vom 6. Oktober 1998 hatte der Erblasser einer Tochter der Beklagten eine Eigentumswohnung übertragen, sich selbst und zugunsten der Beklagten jedoch einen lebenslangen unentgeltlichen Nießbrauch vorbehalten; die Stieftochter übernahm eine lebenslange Pflegeverpflichtung zugunsten des Erblassers und der Beklagten sowie eine mit 23.402,00 DM valutierende Grundschuld, darüber hinaus wurde ein - unter bestimmten Bedingungen wirksam werdender - Rückübertragungsvorbehalt vereinbart.

Mit vorliegende Klage nimmt die Klägerin die Beklagte auf Pflichtteilsergänzung in Anspruch. Das Landgericht hat die Beklagte durch Teilanerkenntnisurteil vom 21. Juni 2000 zur Zahlung von 20.000 DM nebst Zinsen verurteilt und mit Schlussurteil vom 12. Dezember 2000 die weitergehende Klage abgewiesen.

B.

Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung ist in förmlicher Hinsicht nicht zu beanstanden und hat in der Sache teilweise Erfolg. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung weiterer 11.901,54 DM nebst Prozesszinsen aus §§ 2329, 291 BGB.

Nach § 2329 BGB kann ein Pflichtteilsberechtigter, wenn der Erblasser einem Dritten eine den Pflichtteil beeinträchtigende Schenkung gemacht hat, von diesem Ausgleich der Bereicherung fordern, soweit der Erbe zur Ergänzung des Pflichtteils nicht verpflichtet ist. Diese Voraussetzungen sind hier im Umfang des Urteilsausspruchs gegeben.

I.

Die Klägerin ist als Tochter des Erblassers pflichtteilsberechtigt, weil sie durch den Erbvertrag vom 20. Dezember 1974 von der Erbfolge ausgeschlossen ist (§ 2303 BGB). Gemäß § 2325 BGB kann sie Ergänzung ihres Pflichtteils verlangen, soweit dieser durch eine Schenkung des Erblassers beeinträchtigt ist. Der Begriff der "Schenkung" im Sinne dieser Vorschrift umfasst auch gemischte Schenkungen, Schenkungen unter Auflagen und auch so genannte "unbenannte Zuwendungen" unter Eheleuten (vgl. BGH NJW 1992, 564). Insoweit kommen im vorliegenden Fall sowohl die Übertragung der Eigentumswohnung an die Stieftochter als auch die Zuwendung des Nießbrauchs und des Anspruchs auf Pflege an die Beklagte als ausgleichspflichtige Schenkungen in Betracht.

1.

Zutreffend weist die Beklagte indes daraufhin, dass es sich bei der Übertragung der Eigentumswohnung an die Stieftochter nicht um eine gemischte Schenkung handelt. Eine solche liegt vor, wenn der Wert der Leistung des einen dem Wert der Leistung des anderen nur zum Teil entspricht, die Vertragsparteien dies wissen und übereinstimmend wollen; dass der überschießende Wert unentgeltlich gegeben wird (BGH NJW-RR 1996, 754; OLG Düsseldorf OLGR 1999, 349). Ausschlaggebend hierfür ist, ob Leistung und Gegenleistung in der maßgebenden subjektiven Wertung der Vertragsparteien gleichwertig sind (BGH MDR 1995, 500; OLG Düsseldorf a.a.O.); nur bei auffallend grobem Missverhältnis zwischen dem wirklichen Wert von Leistung und Gegenleistung ist von teilweise unentgeltlicher Zuwendung auszugehen (BGHZ 59, 132).

Hiernach kann die Übertragung der Eigentumswohnung auf die Stieftochter nicht als - teilweise - unentgeltlich angesehen werden. Nach den Vorstellungen der Vertragschließenden hatte die Eigentumswohnung einen Wert von 180.000 DM. Der Wert dieser Leistung des Erblassers mindert sich von vornherein um den Wert des vorbehalten Nießbrauchs (OLG Düsseldorf a.a.O.; BGH NJW-RR 1990, 1158 unter Ablehnung entgegenstehender Literaturstimmen), der im Übertragungsvertrag mit 110.000 DM in Ansatz gebracht ist. Den verbleibenden 70.000 DM stehen von der Stieftochter übernommene Gegenleistungen in mindestens gleicher Höhe gegenüber. Hierbei handelt es sich um die mit 23.402 DM valutierende Schuldübernahme, die von den Vertragsparteien mit 40.000 DM bewerteten Pflegeverpflichtungen und den im Übertragungsvertrag ebenfalls als "Gegenleistung" ausbedungenen Rückübertragungsvorbehalt, der mit bis zu 10% des Verkehrswertes der Eigentumswohnung zu bewerten ist.

Die Pflegeverpflichtung ist entgegen der Ansicht der Klägerin unabhängig davon in die Bewertung mit einzubeziehen, ob der Erblasser oder die Beklagte im Zeitpunkt des Abschlusses pflegebedürftig waren, dies später wurden, oder ob die Beklagte dies jemals sein wird. Wie bereits oben ausgeführt, ist insoweit entscheidend die subjektiven Wertung der Parteien bei Vertragsschluss. Wenn diese das zu dieser Zeit nicht überschaubare Risiko künftiger Pflegebedürftigkeit des Erblassers und der Beklagten durch die von der Stieftochter übernommene Verpflichtung absichern wollten, handelt es sich hierbei um eine entgeltliche Gegenleistung, die mit dem von den Vertragschließenden angenommenen Wert in den Äquivalenzvergleich von Leistung und Gegenleistung einzustellen ist (vgl. BGH MDR 1995, 500; OLG Oldenburg FamRZ 1998, 516; OLG Köln OLGR 1993, 43).

Auch der Rückübertragungsvorbehalt ist in die Bewertung mit einzubeziehen. Er setzte die Erwerberin dem Risiko aus, das Wohneigentum wieder zurückübertragen zu müssen und hindert diese daran, die Eigentumswohnung bis zum Tod der Beklagten wirtschaftlich sinnvoll zu verwerten oder gar zu veräußern. Dieser wirtschaftliche Nachteil ist mit bis zu 10% des Verkehrswertes zu veranschlagen (vgl. OLG Düsseldorf OLGR 2999, 349).

Dass die Bewertungen der Vertragschließenden in einem auffälligen Missverhältnis zum wirklichen Wert der von der Stieftochter übernommenen Gegenleistungen stehen, ist nicht ersichtlich. Zwar vermutet die Klägerin, dass der Verkehrswert der Immobilie in der notariellen Urkunde "eher im unteren Bereich" angesetzt sei (BB S. 4, Bl. 100 d.A.), in der in diesem Zusammenhang in Bezug genommenen Klageschrift (dort S. 2) hatte sie jedoch den in der Urkunde angegebenen Wert von 180.000 DM durch Sachverständigengutachten unter Beweis gestellt. Der vorbehaltene Nießbrauch ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs mit dem kapitalisierten Wert der hieraus zu ziehenden Nutzungen in Ansatz zu bringen (BGH NJW-RR 1996, 705 m. w. N.). Zur Kapitalisierung ist der jährliche Nettoertrag des Nießbrauchs mit der Lebenserwartung des Nießbrauchers auf der Grundlage des Vervielfältigungsfaktors gemäß Anlage 9 zu § 14 BewG zu multiplizieren (Reiff, vorweggenommene Erbfolge und Pflichtteilsergänzung, NJW 1992, 2857 ff, Fußn. 41). Der im Übertragungsvertrag angenommene Jahreswert des Nießbrauchs von 10.000 DM entspricht einer Monatsmiete von rund 833 DM. Dies erscheint für eine 80 m² große Eigentumswohnung mit Garage in R mit einem Verkehrswert von 180.000 DM nicht überzogen. Der Vervielfältigungsfaktor ist an der statistischen Lebenserwartung der Beklagten zu orientieren, weil - auch aus damaliger Sicht - nach der statistischen Wahrscheinlichkeit davon auszugehen war, dass diese den fast zehn Jahre älteren Erblasser überlebte. Dieser Faktor liegt für die bei Vertragsschluss fast 64-jährige Beklagte zwischen 10,197 und 11,484, sodass die Bewertung des Nießbrauchsvorbehalts im Vertrag vom 6. Oktober 1998 mit 110.000 DM nicht zu beanstanden ist.

Dieser Vervielfältigungsfaktor gilt auch für die Bewertung der Pflegeverpflichtungen und führt bei dem im Übertragungsvertrag angenommenen Jahreswert von 3.600 DM zu dem dort in Ansatz gebrachten Wert von 40.000 DM. Soweit die Klägerin bestreitet, dass das Recht auf Pflege im Falle der Krankheit oder Gebrechlichkeit mit 3.600 DM pro Jahr - dies entspricht einem Monatswert von 300 DM - zu bewerten sei, ist ihr Vorbringen unsubstantiiert, weil sie für das Vorliegen eines auffälligen Missverhältnisses zwischen dem vertraglichen Wertansatz und dem tatsächlichen Wert darlegungspflichtig ist.

2.

Mit Erfolg beruft sich die Klägerin aber hilfsweise darauf, dass es sich bei der Zuwendung des Nießbrauchs und des Pflegerechts an die Beklagte um ergänzungspflichtige Schenkungen handelt. Auch der Erbe selbst kann "Dritter" im Sinne von § 2325 BGB sein (vgl. Palandt/Edenhofer, BGB, 60. Aufl., § 2325 Rdnr. 7).

Die der Beklagten insoweit zugeflossenen Zuwendungen sind mit 130.000 DM zu bewerten. Hierbei handelt es sich um nicht verbrauchbare Sachen, die nach § 2325 Abs. 2 BGB mit dem Wert in Ansatz zu bringen sind, den sie zur Zeit des Erbfalls haben; hatten sie zur Zeit der Schenkung einen geringeren Wert, ist dieser maßgebend (so genanntes "Niederstwertprinzip").

Hiernach ist der Wert des Nießbrauchs mit 110.000 DM in Ansatz zu bringen. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist hiervon nicht der wirtschaftliche Wert des zunächst dem Erblasser zustehenden Nießbrauchs abzusetzen. Dies wäre nur dann richtig, wenn für die Bewertung des Nießbrauchs der Zeitpunkt des Abschlusses des notariellen Vertrages maßgebend wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall. Der Zeitpunkt der Schenkung im Sinne des Niederstwertprinzips ist der Tag des Schenkungsvollzugs. Dieser fällt bei einer auf den Todesfall aufschiebend bedingten Schenkung mit dem Erbfall zusammen (BGH NJW 1993, 2737 m. w. N.). Im Zeitpunkt des Erbfalls spielt der dem Erblasser eingeräumte Nießbrauch für die Bewertung keine Rolle mehr. Allein entscheidend ist der zu diesem Zeitpunkt zu ermittelnde Wert der Zuwendung, hier also der nach der statistischen Lebenserwartung zu errechnende Wert des der Beklagten zugewandten Nießbrauchs. Dieser ist im Hinblick darauf, dass der Erblasser bereits drei Monate nach Vertragsschluss gestorben ist, mit dem von den Vertragsparteien vereinbarten Wert gleichzusetzen. Für eine abweichende Bewertung ist kein Raum, wenn sich die Bewertung der Partner eines Übertragungsvertrages - wie hier - in einem vernünftigen Rahmen hält (vgl. OLG Köln OLGR 1993, 43).

Gleiches gilt für das der Beklagten - anders als der Nießbrauch - im Vertrag vom 6. Oktober 1998 ohne aufschiebende Bedingung sofort zugewandte Pflegerecht. Allerdings ist insoweit zu berücksichtigen, dass der von den Vertragspartnern in Ansatz gebrachte Jahreswert von 3.600 DM das - zeitlich unabhängig voneinander nebeneinander bestehende - Risiko einer Pflegebedürftigkeit sowohl des Erblassers wie auch der Beklagten umfasste. Den hierin enthaltenen Wert der allein auf die Beklagte bezogenen Pflegeverpflichtung schätzt der Senat auf 1.800 DM jährlich (§ 287 ZPO). Hieraus errechnet sich mit Hilfe des o. a. Kapitalisierungsfaktors auf der Grundlage der statistischen Lebenserwartung ein Gesamtwert von rund 20.000 DM. Auch wenn diese Leistung der Beklagten nicht unmittelbar aus dem Vermögen des Erblassers zugeflossen ist, sondern von ihrer Tochter versprochen wurde, handelt es sich dennoch um eine Schenkung im Sinne des § 2325 BGB, weil der Erblasser sie durch Übertragung der Eigentumswohnung "erkauft" hat (vgl. die Entscheidung des BGH FamRZ 1982, 165, in welcher eine entsprechende Einordnung der Übernahme von Rentenzahlungen an den überlebenden Ehegatten durch einen Dritten seitens des Berufungsgerichts gebilligt wurde).

Hieraus errechnet sich ein Pflichtteilsergänzungsanspruch in Höhe von 11.901,54 DM:

Unstreitig belief sich der Aktivbestand des Nachlasses auf 10.882,54 DM (Bl. 24 und 31 d.A.). Dem standen anzuerkennende Nachlassverbindlichkeiten in Höhe von 13.276,37 DM gegenüber, so dass der Nachlass mit 2.393,83 DM überschuldet war. Von der Aufstellung der Beklagten (Bl. 31 f d.A.) in Höhe von 14.397,36 DM abzusetzen sind die Kosten der Todesanzeige (438,48 DM) und der Danksagung (142,51 DM) sowie die Mehrkosten für ein Doppelgrab, welche der Senat ausweislich der Anlage B 2 zu Schriftsatz vom 1. März 2000 mit 540 DM ermittelt hat. Zwar gehören die Kosten einer Todesanzeige und von Danksagungen grundsätzlich zu den aus dem Nachlass zu zahlenden Beerdigungskosten (§ 1968 BGB). Jedoch können diese im vorliegenden Fall der Klägerin nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht entgegengehalten werden, weil die Beklagte ihr die Aufnahme ihres Namens in die Todesanzeige verwehrte, sodass die Klägerin eine eigene Anzeigen schalten musste. Die Kosten des Ankaufs einer Grabstelle sind grundsätzlich als Nachlassverbindlichkeiten anzuerkennen, auch wenn eine Grabanlage der Familie des Erblassers bereits vorhanden war, weil es einem Ehegatten zuzugestehen ist, eine gemeinsame Grabstätte mit dem Erblasser zu errichten. Jedoch sind die durch die Anlage eines Doppelgrabes entstandenen Mehrkosten nicht zu berücksichtigen, weil es sich hierbei nicht um Kosten der Beerdigung des Erblassers handelt (BGHZ 61, ff 238).

Unter Hinzurechnung der Pflichtteilsergänzungen ist somit von einem fiktiven Nachlassbestand von 127.606,17 DM (110.000,00 DM + 20.000,00 DM - 2.393,83 DM) auszugehen. Der der Klägerin zustehende Pflichtteil von einem Viertel (§§ 1931, 1371, 1924, 2303 BGB) beläuft sich auf 31.901,54 DM. Unter Berücksichtigung der durch das Teilanerkenntnisurteil zuerkannten 20.000 DM hat die Kl. somit Anspruch auf Zahlung weiterer 11.901,54 DM.

Diesem Anspruch gegenüber erhebt die Beklagte indes im Hinblick auf die Überschuldung des Nachlasses mit Erfolg die Einrede der Dürftigkeit (§ 1990 BGB). Zwar führt diese Einrede in der Regel nur zur Aufnahme eines Vorbehalts der Haftungsbeschränkung auf den Nachlass in den Tenor (§ 780 ZPO). Jedoch gilt dies dann nicht, wenn im Erkenntnisverfahren - wie hier - bereits feststeht, dass der Nachlass unzulänglich ist; dann ist der Anspruch auf Pflichtteilsergänzung zu versagen (Palandt/Edenhofer, a.a.O., § 1990 Rdn. 12).

II.

Da die Beklagte hiernach als Erbin zur Ergänzung des Pflichtteils nicht verpflichtet ist, kann die Klägerin von ihr die Herausgabe der Geschenke zum Zweck der Befriedigung wegen des fehlenden Betrages nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern (§ 2329 Abs. 1 BGB). Weil der Wert des Nießbrauchs und der Pflege nicht herausgegeben werden können, hat die Klägerin nach § 818 Abs. 2 BGB Anspruch auf Wertersatz (vgl. Palandt/Edenhofer, § 2329 Rdn. 6).

Ohne Erfolg beruft die Beklagte sich demgegenüber auf die Vorschrift des § 2330 BGB. Nach dieser Bestimmung findet § 2329 BGB keine Anwendung auf Schenkungen, durch die einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprochen wird. Die Unterhaltsverpflichtung des Erblassers der Beklagten gegenüber endete mit dessen Tod (§§ 1360 a Abs. 3, 1615 Abs. 1 BGB). Zwar werden Unterhaltszahlungen für nahe Verwandte und überlebende Ehegatten vielfach als klassisches Beispiel einer Pflichtschenkung angesehen, weil der Erblasser hierdurch einer sittlichen Verpflichtung entspricht. Jedoch besteht auch eine sittliche Pflicht, das Pflichtteilsrecht eines Abkömmlings nicht auszuhöhlen. Daher ist abzuwägen zwischen der sittlichen Pflicht zur Alterssicherung und zur Dankbarkeit gegenüber der Ehefrau und langjährigen Lebensgefährtin einerseits sowie der zur Erhaltung einer Mindestbeteiligung am Nachlass gegenüber dem einzigen leiblichen Kind andererseits. Trotz der grundsätzlichen Testierfreiheit besteht dem pflichtteilsberechtigten Kind gegenüber eine sittliche Pflicht, den Pflichtteil nicht durch rechtlich noch im Rahmen des Zulässigen bleibende Maßnahmen zu entwerten; das Pflichtteilsrecht verdient entschiedenen Schutz (BGH NJW 1984, 2939). Aufgrund dessen erfolgt eine Schenkung nicht schon dann aus sittlicher Pflicht, wenn sie im Rahmen des sittlich noch zu Rechtfertigenden bleibt, sondern nur, wenn sie in der Weise sittlich geboten war, dass ein Unterlassen der Zuwendung dem Erblasser als Verletzung der für ihn bestehenden sittlichen Pflicht zur Last zu legen wäre (BGH. a.a.O.; OLG Naumburg OLGR 2000, 433). Dem wird das Vorbringen der Beklagten nicht gerecht. Zwar behauptet sie, infolge ihres Alters und einer seit 1978 bestehenden Erkrankung auf Unterhalt in Form der Wohnungsgewährung und der Pflegeleistungen angewiesen zu sein, jedoch fehlt es trotz des Hinweises des Senates in der mündlichen Verhandlung auf die vorzitierte Rechtsprechung an der Darlegung konkreter Tatsachen, die dem Senat eine Überprüfung dieses Vorbringens ermöglichten. Daher können die Zuwendungen des Erblassers an die Beklagte das Pflichtteilsrecht der Klägerin nicht einschränken.

Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte schließlich auf § 2328 BGB. Hiernach kann der Erbe die Ergänzung des Pflichtteils soweit verweigern, dass ihm sein eigener Pflichtteil mit Einschluss dessen verbleibt, was ihm zur Ergänzung des Pflichtteils gebühren würde. Zwar ist diese Vorschrift auf den Anspruch aus § 2329 entsprechend anwendbar (BGH NJW 1983, 1485), jedoch verbleibt der Beklagten unter Berücksichtigung der ihr zugewandten Werte von insgesamt 130.000 DM auch nach Zahlung von 31.901,54 DM an die Klägerin mehr als der ihr gebührende Pflichtteil, der sich auf den gleichen Betrag beläuft (§§ 1931, 1371; 2303 Abs. 2 BGB).

III.

Zinsen kann die Klägerin erst ab Rechtshängigkeit (26. Januar 2000) beanspruchen, weil nicht dargetan ist, dass sie die Beklagte zu einem früheren Zeitpunkt in Verzug gesetzt hat (§§ 291, 284 BGB).

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 19.712,94 DM festgesetzt. Die Beschwer der Klägerin beträgt 7.808,40 DM, diejenige der Beklagten 11.901,54 DM.

Ende der Entscheidung

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