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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 28.11.2001
Aktenzeichen: 9 U 719/01
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 291 | |
BGB § 288 |
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Geschäftsnummer: 9 U 719/01
Verkündet am 28. November 2001
in dem Rechtsstreit
Der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Krüger, die Richterin am Oberlandesgericht Peters und den Richter am Oberlandesgericht Mille auf die mündliche Verhandlung
vom 31. Oktober 2001
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 23. März 2001 abgeändert und der Beklagte verurteilt, an die Klägerin 38.518,20 DM nebst 8 % Zinsen seit dem 6. Oktober 2000 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 60.000 DM abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheit kann auch durch eine selbstschuldnerische, unwiderrufliche und unbefristete Bürgschaft einer deutschen Bank oder Sparkasse erbracht werden.
Tatbestand:
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Schadensersatz wegen unrichtiger Begutachtung in Anspruch.
Wegen des weitergehenden Sachverhalts wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils vom 23. März 2001 (Bl. 67-69) Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage mit der wesentlichen Begründung abgewiesen, der von dem Beklagten gegenüber der Unfallversicherung abgegebene Todesfallbericht sei kein Gutachten. Die Grundsätze eines Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte gälten hier nicht. Auf die Entscheidungsgründe (Bl. 69-71) wird zur weitergehenden Sachdarstellung ebenfalls Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die im Wesentlichen ihren erstinstanzlichen Sachvortrag wiederholt.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Trier vom 23. März 2001 nach dem Klageantrag erster Instanz gegen den Beklagten zu erkennen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen;
hilfsweise,
dem Beklagten Vollstreckungsnachlass durch Bürgschaft einer Bank oder Sparkasse zu gewähren.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Die Akte 11 O 324/96 Landgericht Trier lag vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist begründet. Der Beklagte haftet der Klägerin aus Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte wegen der fahrlässig fehlerhaften gutachterlichen Äußerung vom 22. November 1996 in Höhe von 38.518,20 DM.
Der Senat ist anders als das Landgericht der Auffassung, dass der sogenannte "Todesfallbericht" (Bl. 16/17), den der Beklagte am 22. November 1996 für die Frankfurter Versicherung erstellte, ein Gutachten ist, welches Schadensersatzansprüche auslösen kann, wenn es fahrlässig fehlerhaft erstattet worden ist. In den Schutzbereich des Vertrages zwischen dem Beklagten und der Versicherung, die das Gutachten u.a. zur Feststellung der Todesursache in Auftrag gegeben hat, ist die Klägerin einbezogen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, von der das Landgericht im Grundsatz zutreffend ausgeht, sind Dritte dann in den Schutzbereich eines Vertrages auf Erstattung eines Sachverständigengutachtens einbezogen, wenn für den Gutachter erkennbar ist und er damit rechnen musste, dass der Auftraggeber gegenüber dem Dritten von der sachverständigen Äußerung Gebrauch machen wird (vgl. BGH NJW 2001, 3115, 3116 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Für den Beklagten war, als er seine gutachtliche Äußerung abgab, ersichtlich, dass die Versicherung deshalb um seine Bewertung der Todesursache gebeten hatte (Bl. 50), um entsprechend mit dem durch die Versicherung Begünstigten abzurechnen. Es entspricht ständiger Versicherungspraxis, wie es auch hier geschehen ist, dass die Versicherung sich bei ihrer Abrechnung auf die Bewertung des Arztes bezieht und diese bei ihrer Argumentation für sich ins Feld führt. Damit war die gutachtliche Äußerung für den Beklagten erkennbar nicht nur für innerbetriebliche Zwecke der Versicherung gedacht (so auch OLG Celle, OLGR 1994, 229).
Hier gilt nicht deshalb etwas anderes, weil der Beklagte als behandelnder Arzt von der Versicherung nur gebeten wurde, seine Auffassung zu dem Fall durch Ausfüllen eines teilweise vorformulierten Fragenkatalogs niederzulegen (Bl. 50, 16/17) und der Beklagte hierfür nur den Betrag von 27,80 DM von der Versicherung erhielt. Gleichwohl handelt es sich um eine gutachterliche Äußerung, denn der Arzt sollte die Versicherung nicht lediglich über äußere Fakten informieren, sondern die Frage der Todesursache medizinisch bewerten. Er hatte also eine sachverständige Äußerung abzugeben.
Allerdings wird die Einbeziehung des Dritten in den Gutachtervertrag mit dem besonderen Vertrauen begründet, dass dem Gutachten eines Sachverständigen im Geschäftsverkehr beigemessen wird (BGH a.a.O.). Dadurch bestehe die begründete Erwartung, das Gutachten werde nach bestem Wissen und Gewissen erstellt und der Gutachter werde deshalb auch gegenüber Dritten hierfür einstehen. Diese Kriterien treffen jedoch auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt zu. Das besondere Vertrauen, welches der Rechtsverkehr einer gutachtlichen Äußerung eines leitenden Arztes beimisst, entfällt nicht dadurch, dass es wie hier handschriftlich mittels eines Fragebogens erstattet wird und hierfür nur quasi eine Auslagenerstattung seitens der Versicherung gezahlt wird. Auch dass das Gutachten "Todesfallbericht" genannt wird, ist unerheblich. Allerdings legen diese äußeren Umstände auch für einen Dritten die Annahme nahe, dass der Arzt seine Stellungnahme nur auf Grund seines Untersuchungsergebnisses, seiner Kenntnis des Behandlungsverlaufs und der ihm vorliegenden Unterlagen abgibt. Sowohl für die Versicherung, die den Arzt beauftragt, wie für den Versicherungsnehmer, der mit dem ausgefüllten Bericht konfrontiert wird, liegt auf der Hand, dass der Arzt keine weitergehenden unterlagen hinzuzieht als die, die ihm sowieso vorliegen. Dies rechtfertigt es jedoch nicht, derartige gutachtliche Äußerungen anders als die Fallgruppen zu beurteilen, bei denen die höchstrichterliche Rechtsprechung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung eine Schutzwirkung zu Gunsten des Dritten angenommen hat. Der medizinischen Stellungnahme eines Chefarztes eines Krankenhauses wird zweifellos besonderes Vertrauen entgegen gebracht. Der Rechtsverkehr geht davon aus, dass dieser seine Antworten auf Grund seiner besonderen Sachkunde und nach bestem Wissen und Gewissen abgibt, wenn auch ohne Beiziehung weiterer Unterlagen. Der Versicherungsnehmer bzw. der durch die Versicherung Begünstigte ist deshalb in den Vertrag als Dritter einbezogen. Er ist schutzwürdiger Dritter, der auf die besondere Sachkunde des Gutachters regelmäßig vertraut.
Der Beklagte hat ein fehlerhaftes Gutachten abgegeben. Die Frage, ob der Tod allein auf die Unfallverletzungen zurückzuführen ist, verneinte er und führte aus, sie gehe zu 75 % auf einen Unfall vor ca. 30 Jahren zurück. Dabei kann an dieser Stelle dahinstehen, ob der Tod des Ehemannes der Klägerin tatsächlich überwiegend auf die Verletzungen, die er durch den Unfall vom 20. November 1995 davon getragen hat oder auf die des Unfalls vom 31. August 1962 zurückzuführen ist. Fehlerhaft ist die gutachtliche Äußerung, weil sie in dieser Bestimmtheit nur hätte gemacht werden können, wenn der Beklagte die ärztlichen Unterlagen über den Unfall im Jahr 1962 und die Behandlungsunterlagen der darauf folgenden Jahre beigezogen hätte. Dann wäre möglicherweise die Bewertung gerechtfertigt gewesen, dass die alten Unfallverletzungen überwiegend todesursächlich waren. Stattdessen gab der Beklagte, der (nach seinem eigenen Vorbringen) mit dem Verstorbenen nicht selbst gesprochen hatte (Bl. 108) und der nichts Näheres über die Verletzungen bei dem Unfall im Jahr 1962 wissen konnte, die genannte Beurteilung ohne eine Einschränkung ab. Richtigerweise hätte diese Frage entweder offen gelassen werden müssen, weil wichtige Unterlagen nicht vorliegen oder es hätte eine einschränkende Antwort in dem Sinne abgegeben werden müssen, dass die Bewertung nicht auf einer näheren Kenntnis des alten Unfalls und seiner Folgen fußt. Zwar weiß die Versicherung und auch der Versicherungsnehmer, dass der Arzt, der gutachtliche Äußerungen im Rahmen eines "Todesfallberichts" abgibt, keine Unterlagen speziell für den Bericht beizieht. Jedoch muss der Adressat des Gutachtens bei einer derart uneingeschränkten Äußerung annehmen, die Bewertung, der alte Unfall sei überwiegend ursächlich, ergebe sich zweifelsfrei aus dem Untersuchungsbefund, wobei die Befunde aus dem Jahre 1962 und eine Anamnese der Krankengeschichte dieses Ergebnis nicht in Frage stellen werde. Gerade das Gegenteil war aber richtig, wie das Gutachten des Beklagten vom 1. Februar 1990 (Bl. 7-15) zeigt, welches die genannten Kriterien in die gutachtliche Überlegung einbezieht. Demnach ist festzustellen, dass der Beklagte bei der Erstattung des Gutachtens nicht die erforderliche Sorgfalt aufgewandt hat.
Hierdurch ist der Klägerin, die nach den obigen Ausführungen in den Schutzbereich des Vertrags zwischen der Versicherung und dem Beklagten einbezogen war, auch ein Schaden entstanden. Die Klägerin hätte die volle Versicherungsleistungen und nicht nur jeweils einen Teil derselben erhalten, wenn der Beklagte bei Abgabe seiner gutachtlichen Äußerung die erforderliche Sorgfalt eingehalten hätte. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Versicherung, wenn der Beklagte in dem Todesfallbericht deutlich gemacht hätte, dass der Verursachungsanteil des alten Unfalls am Tod des Ehemannes der Klägerin offen ist, die Klägerin voll abgefunden hätte. Die Versicherung hatte nämlich, nachdem der Tod in nahem zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfall und der hierdurch erforderlichen Operation eingetreten war, die Beweislast dafür, dass und in welchem Umfang Vorerkrankungen an den Folgen des Unfalls mitgewirkt haben (vgl. Grimm, AUB-Kommentar, 3. Aufl, § 8 Nr. 7). Sie hatte die Klägerin voll abzufinden, wenn die Vorerkrankung zu weniger als 25 % ursächlich für die Unfallfolge war (§ 8 AUB).
Ohne Erfolg macht der Beklagte hiergegen geltend, in dem Verfahren 11 O 324/96 Landgericht Trier habe die Klägerin erfolglos versucht, weitere 16.375 DM aus der Privat-Unfallversicherung Nr. 90/503/21...... die auch Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist, einzuklagen. Der Gutachter Prof. Dr. V..., der in jenem Verfahren das Gutachten erstattet habe, sei ebenfalls zu dem Ergebnis gekommen, dass nur 25 % der Unfallfolgen auf das Geschehen vom 21.11.1995 zurückzuführen seien. Es kann dahinstehen, ob das Gutachten überzeugend begründet ist. Immerhin hält es auch dieser Gutachter nicht für beweisbar, dass der Unfall aus dem Jahr 1962 noch ursächlich für den Tod war (S. 21-23 des Gutachtens Prof. V... in 11 O 324/96 LG Trier). Für den Senat steht aber fest, dass die Versicherung die Klägerin voll abgefunden hätte, wenn der Beklagte den Tod nicht überwiegend auf den Unfall von 1962 zurückgeführt hätte. Dann wäre es zu dem Klageverfahren gar nicht gekommen.
Der von dem Kläger verursachte Schaden beläuft sich jedenfalls auf 38.518,20 DM.
Unstreitig hatte der Ehemann der Klägerin folgende Unfallversicherungen, wobei die Klägerin als Begünstigte jeweils 80 % der Versicherungssumme geltend macht:
1) Unfallzusatzversicherung zu der Lebensversicherung Nr. 1130.....,
Versicherungssumme 26.684,-- DM 80 % hiervon 21.347,20 DM Zahlung der Versicherung 13.342,-- DM Schaden 8.005,20 DM
2) Privatunfallversicherung Nr. 90/503/21.....,
Versicherungssumme 32.750,-- DM davon 80 % 26.200,-- DM von der Versicherung bezahlt 8.187,-- DM Schaden 18.013,-- DM
3) Insassenunfallversicherung Nr. BKR 90/110/07 ...../660,
Versicherungssumme 50.000,-- DM hiervon 80 % 40.000,-- DM von der Versicherung bezahlt 27.500,-- DM Schaden 12.500,-- DM.
Das ergibt einen Gesamtschadensbetrag in Höhe von 38.518,20 DM.
Der Zinsausspruch beruht auf den §§ 291, 288 BGB.
Der Beklagte ist durch das Urteil in Höhe von 38.518,20 DM beschwert. Der Streitwert des Berufungsrechtszugs wird ebenfalls auf 38.518.20 DM festgesetzt.
Der Senat lässt die Revision zu, weil die Frage, ob der Arzt, der gegenüber einer Versicherung gutachtliche Äußerungen im Rahmen eines Todesfallberichts abgibt, gegenüber dem Versicherungsnehmer nach den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter auf Schadensersatz haftet, von erheblicher Bedeutung und bisher höchstrichterlich nicht entschieden ist.
Ende der Entscheidung
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