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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 09.12.1999
Aktenzeichen: 9 W 765/99
Rechtsgebiete: ZSEG, BGB, GKG


Vorschriften:

ZSEG § 16
ZSEG § 16 Abs. 2 Satz 2
ZSEG § 15 Abs. 3
ZSEG § 3 Abs. 2
ZSEG § 16 Abs. 5
BGB § 242 B
GKG § 7
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OLG Koblenz

Beschluß

09.12.1999

9 W 765/99 11 OH 19/96 LG Trier

Der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Krüger, den Richter am Oberlandesgericht Sartor und die Richterin am Oberlandesgericht Peters am 9. Dezember 1999 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Sachverständigen Prof. Dr. G. wird der Beschluss der 11. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 15. Juni 1998 abgeändert und die dem Sachverständigen Prof. Dr. G. zu gewährende Entschädigung auf 13.367,70 DM festgesetzt.

Das Verfahren über die Beschwerde ist gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht die dem Sachverständigen zu gewährende Entschädigung nach § 16 ZSEG auf 12.118,20 DM festgesetzt. Abgesetzt worden waren entgegen der Rechnung des Sachverständigen 12,5 Stunden, die der Sachverständige für die An- und Abfahrt zum Ortstermin mit demselben Stundensatz abgerechnet hat wie seine sonstige gutachtliche Tätigkeit.

Der Beschwerde des Sachverständigen half die Kammer mit der Begründung nicht ab, dass Rechtsmittel sei unzulässig bzw. unbegründet, weil die Beschwerde und auch der Anspruch wegen Zeitablaufs als verwirkt anzusehen seien, weil die Staatskasse und auch die weiteren Verfahrensbeteiligten nach 14 Monaten auf die Rechtsbeständigkeit des angefochtenen Beschlusses hätten vertrauen können.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Der Sachverständige ist auch für die Stunden zu entschädigen, die er zur An- und Abfahrt des Ortstermin benötigte.

Das Beschwerderecht des Sachverständigen ist vorliegend nicht verwirkt. Nach § 16 Abs. 2 Satz 2 ZSEG ist die Beschwerde an keine Frist gebunden. Jedoch ist anerkannt, dass sie wie jedes unbefristete Rechtsmittel dem allgemeinen aus § 242 BGB folgenden Einwand der Verwirkung unterliegt. Danach kann die Beschwerdeführung gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn sie erst nach unangemessen langer Zeit erfolgt und sofern durch den Zeitablauf zusätzlich ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist, insbesondere wenn der Gegner sich durch die auf die erste Entscheidung geschaffene Rechtslage verlassen hat und verlassen durfte (vgl. BVerfG NJW 1972, 675; OLG Frankfurt OLGR 1992, 116; OLG Koblenz JurBüro 1986, 419). Bei der aus § 242 BGB abgeleiteten Verwirkung handelt es sich um einen Fall der unzulässigen Rechtsausübung. Die Beschwerdebefugnis kann verwirkt sein, wenn die unangemessene späte (so genanntes Zeitmoment) Einlegung des Rechtsmittels als missbräuchlich erscheint, weil die Beteiligten den durch die angefochtene Entscheidung geschaffenen Rechtszustand infolge des Ausbleibens der Beschwerde als endgültig angesehen haben und dies auch durften (so genanntes Umstandsmoment; vgl. Zöller ZPO 21. Aufl. § 567 Rn. 10; Palandt-Heinrichs BGB 58. Aufl. § 242 Rn. 93 ff., jeweils mit weiteren Nachweisen). Die Frage, welche Frist im Rahmen des § 16 Abs. 2 ZSEG für die Einlegung der Beschwerde noch als angemessen anzusehen ist, ist umstritten. Teilweise wird auf § 7 GKG - eine Frist bis zum Ablauf des nächsten Kalenderjahres nach Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung (vgl. LG Berlin FamRZ 1999, 1514) oder auf eine angemessene Frist von 1 1/2 Jahren abgestellt (so OLG Koblenz a.a.O.; OLG Düsseldorf MDR 1997, 104). Das Oberlandesgericht Saarbrücken hat das Zeitmoment bei einem Zeitraum von 9 Monaten zwischen Zugang der Entscheidung und Beschwerde nicht als ausreichend lang angesehen, um von einer Verwirkung ausgehen zu können (JurBüro 1989, 1465). Das Landgericht hat die Grenze bei einem Jahr gesehen und zur Begründung auf § 15 Abs. 2 ZSEG verwiesen, wonach eine Zeuge binnen drei Monaten nach Beendigung der Zuziehung eine Entschädigung verlangen muss. Ähnlich sehe das Gesetz in § 15 Abs. 3 ZSEG für den Sachverständigen eine von dem Gericht zu bestimmende Frist vor, innerhalb deren er seinen Anspruch geltend machen muss.

Der Senat meint mit dem 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz (a.a.O.) und dem Oberlandesgericht Düsseldorf (a.a.O.), dass in Kostensachen regelmäßig eine unangemessene Zeit für die Einlegung der unbefristeten Beschwerde verstrichen ist, wenn mehr als 18 Monate zugewartet worden sind. Es ist richtig, dass die Klärung der Frage, welche Gerichtskosten von der kostentragungspflichtigen Partei zu tragen sind, innerhalb einer angemessenen Frist zu erfolgen hat. Durch § 7 GKG, wonach Kosten (hierzu gehören auch die Auslagen des Sachverständigen) nur nachgefordert werden können, wenn der berichtigte Ansatz dem Zahlungspflichtigen vor Ablauf des nächsten Kalenderjahres, nach dem die Entscheidung Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, mitgeteilt worden ist, wird deutlich, dass diese Frist nicht unter einem Jahr anzusetzen ist. Da § 7 GKG jedoch auf die Rechtskraft der Entscheidung bzw. die anderweitige Erledigung des Verfahrens abstellt, ist es bei der Beschwerde nach § 16 ZSEG gerechtfertigt, eine Frist von 18 Monaten noch als zulässig zu erachten, denn regelmäßig wird dann die Frist des § 7 GKG, innerhalb der die Parteien noch mit Nachforderungen rechnen müssen, nicht verstrichen sein.

Aber auch das für die Annahme einer Verwirkung zu fordernde Umstandsmoment sieht der Senat hier nicht als erfüllt an. Es müssen besondere Umstände hinzutreten, aufgrund derer die verspätete Geltendmachung des Anspruchs gegen Treu und Glauben verstößt. Hierbei muss nach Auffassung des Senats ganz auf den Einzelfall abgestellt werden, denn neben dem Zeitablauf müssen besondere Umstände hinzutreten, die es rechtfertigen, den Beschwerdeführer eines ihm an und für sich zustehenden Rechts nach Treu und Glauben als verlustig anzusehen. Dabei ist hier zu bedenken, dass das Beweissicherungsverfahren noch nicht einmal abgeschlossen ist. Zwar ist der Beschwerdeführer als Sachverständiger ausgeschieden. Ein Gutachten eines anderen Sachverständigen steht aber noch aus. Deshalb kann die die Kosten tragende Partei die Angelegenheit insgesamt nicht als erledigt betrachtet haben.

In der Sache hat die Beschwerde ebenfalls Erfolg. Nach § 3 Abs. 2 ZSEG ist der Sachverständige für die zur Erstattung des Gutachtens erforderliche Zeit zu entschädigen. Mit dieser Vorschrift ist es nicht zu vereinbaren, wenn das Landgericht die für die Vorbereitung des Ortstermins erforderliche Fahrtzeit nicht entschädigen will. Die Zeit, die der Sachverständige benötigt, um zu dem Ortstermin zu fahren, gehört zu dem erforderlichen Zeitaufwand im Sinne des § 3 Abs. 2 ZSEG (vgl. Meyer/Höver/Bach, Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen, 20. Aufl. § 3 Rn. 43.). Hiergegen kann nicht eingewandt werden, für die Wegezeit könne nicht der grundsätzlich angemessene Stundensatz für die Sachverständigentätigkeit angesetzt werden, weil es sich in Wirklichkeit nicht um Sachverständigentätigkeit handele. Der Stundensatz für den Sachverständigen nach § 3 ZSEG ist einheitlich zu berechnen. Der nach dem Grad der erforderlichen Fachkenntnisse zu gewährende Stundensatz muss für die gesamte Leistung berücksichtigt werden, auch wenn der Sachverständige lediglich für die Dauer eines Teils dieser Zeit auf diese Kenntnisse zurückzugreifen hat (vgl. OLG Düsseldorf JurBüro 1998, 151, 152 unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung BT-Drucksache 7/4599/1976; so auch OLG Bamberg JurBüro 1985, 1220; Meyer/Höver/Bach a.a.O. § 3 Rn. 43.2; anderer Ansicht ohne Begründung BGH JurBüro 1984, 1177). Zum einen wären Abgrenzungsschwierigkeiten die Folge, wenn die Tätigkeit des Sachverständigen unterschiedlich vergütet würde, je nach Erforderlichkeit des mehr oder weniger großen Einsatzes seiner Fachkenntnisse. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass die Vergütung des Sachverständigen letztlich einen Mittelwert darstellt, der sämtliche Leistungen, also zum Beispiel auch den Aufwand für die notwendige Benutzung technischer Vorrichtungen abgilt, die im Einzelfall kostenträchtig angeschafft sind. Unter diesem Gesichtspunkt ist es dann auch gerechtfertigt, Teilleistungen, die im Einzelfall keine Fachkenntnis voraussetzen, ebenso zu vergüten, wie den Aufwand, der von dem Sachverständigen wegen besonderer Umstände letztlich zu einem Stundensatz erbracht werden muss, der seine wahren Kosten nicht deckt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 16 Abs. 5 ZSEG.



Ende der Entscheidung

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