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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 06.06.2002
Aktenzeichen: 9 WF 358/02
Rechtsgebiete: BGB, BvormVG, FGG


Vorschriften:

BGB § 1836 a
BGB § 1835 Abs. 1
BGB § 1835 Abs. 4
BGB § 1908 i Abs. 1
BvormVG § 1
FGG § 50
FGG § 50 Abs. 5
FGG § 67 Abs. 3
FGG § 50 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ BESCHLUSS

Geschäftsnummer: 9 WF 358/02

in der Familiensache

weiter am Verfahren beteiligt:

hier: Beschwerde der Verfahrenspflegerin gegen die Festsetzung ihrer Vergütung.

Der 9. Zivilsenat - 2. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Krüger, die Richterin am Oberlandesgericht Peters und den Direktor des Amtsgerichts Nelles am 6. Juni 2002

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Verfahrenspflegerin gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Trier vom 24. April 2002 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass zusätzlich eine Vergütung in Höhe von 78,84 EUR festgesetzt wird.

Gründe:

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, hat jedoch ganz überwiegend keinen Erfolg.

Die Rechtspflegerin ist bei der Festsetzung der Vergütung der Verfahrenspflegerin im wesentlichen von den zutreffenden rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen ausgegangen. Lediglich ein Betrag von 78,84 EUR ist zusätzlich zu vergüten.

Der Verfahrenspfleger hat gem. §§ 50 Abs. 5, 67 Abs. 3 FGG, 1908 i Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen und nach § 1835 Abs. 1, 4 BGB auf Vergütung seiner Tätigkeit entsprechend §§ 1836 a BGB, 1 BvormVG. Dabei ist der Aufwand und diejenige Tätigkeit zu vergüten, die zur Erfüllung der dem Verfahrenspfleger übertragenen Aufgabe erforderlich waren ( KG Berlin KGR 2001, 383, OLG Brandenburg FamRZ 2002, 626 ). Was erforderlich ist, bestimmt sich nach der in § 50 FGG umrissenen Aufgabe des Verfahrenspflegers. Dieser soll "als Anwalt" des Kindes sein Interesse gegenüber dem Gericht vertreten, wenn zu befürchten ist, dass dieses zu den Interessen der Eltern in einem erheblichen Gegensatz steht. Der Gesetzgeber wollte Defiziten des Verfahrens, die bei der Wahrung der Interessen des Kindes trotz des Amtsermittlungsgrundsatzes und der Einschaltung des Jugendamtes auftreten können, Rechnung tragen und dem Kind, welches im Verfahren anders als die Eltern regelmäßig nicht vertreten wird, die Möglichkeit geben, dem Gericht seinen Willen und sein Interesse möglichst authentisch zur Kenntnis zu bringen (vgl. BT-Drucks. 13/4899, 129f.). Damit umfasst die Aufgabe des Verfahrenspflegers die Ermittlung dieses subjektiven Kindeswillens und diesen vor dem Gericht zur Geltung zu bringen, aber auch die Begleitung des Kindes zu dem Gerichtstermin. Darauf beschränkt sich die Aufgabe des Verfahrenspflegers indes auch. Er hat sich nicht darüber hinaus an der Erforschung der dem objektiven Kindeswohl am besten dienenden Entscheidung zu beteiligen ( OLG Brandenburg aaO., OLG Schleswig OLGR 2000, 177; KG FamRZ 2000, 1300 ). Er hat keine Sachverständigenfunktion und ist kein Mediator, mag das auch objektiv nützlich sein und möglicherweise zu der Konfliktlösung beitragen. Er hat auch keine sonstigen pflegerischen Aufgaben für das Kind wahrzunehmen wie zum Beispiel Begleitung zu Umgangskontakten.

Das bedeutet indes nicht, dass die Aufgabe des Verfahrenspflegers derjenigen eines Rechtsanwalts gleichkommt ( so aber OLG Frankfurt FamRZ 1999, 1293, 1294 ) und er, wie es dessen Aufgabenbild entspricht, sich darauf beschränken darf und damit im Sinne des Erforderlichkeitsprinzips darauf beschränken muss, soll die Tätigkeit erstattungsfähig sein, allein mit dem Kind zu sprechen, um dann dessen Willen zu formulieren. Ein derart beschränkter Aufgabenkreis wird zwar nahegelegt durch § 50 Abs. 3 FGG, wonach die Bestellung eines Verfahrenspflegers unterbleiben und aufgehoben werden soll, wenn die Interessen des Kindes durch einen Rechtsanwalt oder einem anderen geeigneten Verfahrensbevollmächtigten angemessen vertreten werden ( KG KGR 2001, 383,384 ). Jedoch sieht der Gesetzgeber auch die Möglichkeit, dass die Interessen des Kindes durch einen Rechtsanwalt nicht ausreichend vertreten werden. Dann kann das Gericht daneben einen Verfahrenspfleger für das Kind bestellen. Mithin ist der Aufgabenkreis des Verfahrenspflegers doch im Einzelfall weiter, als es der Verpflichtung des Rechtanwalts entspricht. Das ist dann der Fall, wenn Anhaltspunkte dafür da sind, dass der verbal durch das Kind geäußerte Wille nicht seinem tatsächlichen Willen entspricht, oder wenn das Kind diesen nicht äußert. In diesen Fällen entspricht es nicht anwaltlichen Aufgaben, den wahren Willen "des Mandanten" zu erforschen. Das heraus zu finden, ist aber nach der gesetzgeberischen Vorstellung Aufgabe des Verfahrenspflegers. Mithin muss es nach Auffassung des Senats auch zur Kompetenz des Verfahrenspflegers gehören, die Plausibilität des geäußerten Kindeswillens durch Ermittlungen in dessen Umfeld durch außergerichtliche Gespräche zu überprüfen ( ebenso OLG Karlsruhe OLGR 2001, 435; FamRZ 2001, 1166, vgl. auch Luthin FamRZ 2001, 1167; Dormann / Spangenberg FamRZ 1999, 1294 ). Hierzu gehört immer auch ein Gespräch mit den Eltern, um den Konflikt, in dem das Kind steht, im Einzellfall verstehen zu können ( a.A. KG KGR 2001, 383, 384 ). Der Senat hält es weiter für in die pflichtgemäße Entscheidung des Verfahrenspflegers gestellt, sich ein Bild von Äußerungen des Kindes in Schule oder Kindergarten zu machen.

Ausgehend von diesen Voraussetzungen, ist die angefochtene Entscheidung der Rechtspflegerin ganz überwiegend nicht zu beanstanden.

Die Rechtspflegerin hat es abgelehnt, eine Vergütung dafür festzusetzen, dass die Verfahrenspflegerin Kontakt zu Lebensberatung und Jugendamt aufgenommen und dort die Hilfemaßnahmen, die das Kind und seine Familie bisher durch die Einrichtungen erfahren haben, erörtert und zukünftige Hilfemaßnahmen durchgesprochen hat. Das ist richtig. Eine solche psychosoziale Exploration und Erarbeitung von am Kindeswohl orientierten Lösungsvorschlägen gehört nicht zu den Aufgaben des Verfahrenspflegers. Es handelt sich um Sachverständigentätigkeit.

Dasselbe gilt im Ergebnis für die Zeit, die die Verfahrenspflegerin aufgewandt hat, um mit der Leiterin des Hortes zu sprechen, in den das Kind nachmittags zur weiteren Betreuung nach der Schule geht. Insoweit wäre es zwar von ihrem Aufgabenkreis umfasst gewesen, Willensäußerungen des Kindes in früherer Zeit zu eruieren. Hier hat die Verfahrenspflegerin, wie sich aus ihrem Tätigkeitsnachweis ergibt, die Rücksprache geführt, um abzuklären, ob die Hortmaßnahme ausreicht oder ob weitere flankierende Maßnahmen zu ergreifen sind. Damit hat die Verfahrenspflegerin Aufgaben des Jugendamtes übernommen. Das ist nicht erstattungsfähig.

Der Senat ändert die Entscheidung der Rechtspflegerin ab, soweit diese es auch abgelehnt hat, eine Besprechung mit dem Kind als Zeitaufwand anzuerkennen ( 193 Minuten und 18 Kilometer Fahrtstrecke). Allerdings handelt es sich sicherlich um einen Grenzfall. Im Tätigkeitsnachweis ist diesbezüglich notiert "C..... für Lösungsvorschläge gewinnen". Insofern ist es richtig, dass die Verfahrenspflegerin nur die Aufgabe hat, den authentischen Kindeswillen zu erfragen, zu formulieren und im Verfahren zur Geltung zu bringen. Ob dieser Wille dem Kindeswohl entspricht, dies zu entscheiden ist Aufgabe des Gerichts, wozu es sich gegebenenfalls sachkundiger Hilfe durch das Jugendamt und eines Sachverständigen bedienen kann. Jedoch hat die Verfahrenspflegerin sich darüber schlüssig zu werden, ob der Wille, den das Kind äußert, tatsächlich ihrem Willen entspricht und nicht lediglich Folge einer augenblicklichen Befindlichkeit ist. Das kann aber möglicherweise nur festgestellt werden, wenn mit dem Kind auch einmal andere Alternativen durchgesprochen werden. Deshalb hält der Senat den Aufwand für erstattungsfähig.

Festzusetzen sind damit zusätzlich 18 x 0,27 EUR und 193 x 0,383 EUR = 78,84 EUR.

Die Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Ende der Entscheidung

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