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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 07.06.2001
Aktenzeichen: Ausl 6/01
Rechtsgebiete: IRG, StPO


Vorschriften:

IRG § 25 I
IRG § 34 I
StPO § 116 IV
StPO § 135 S. 2
Leitsatz:

Statt einer nur unter den Voraussetzungen des § 116 Abs. 4 StPO möglichen Invollzugsetzung eines Auslieferungshaftbefehls und des Erlasses eines Durchführungsbefehls kann auch - als milderes Mittel - ein Vorführungsbefehl in Betracht kommen, um die Durchführung der Auslieferung sicherzustellen.


(1) Ausl. -III- 6/01

In der Auslieferungssache

wegen Unterschlagung

hier: Durchführung der Auslieferung

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht von Tzschoppe, den Richter am Oberlandesgericht Summa und die Richterin am Landgericht Schmitz am 7. Juni 2001 beschlossen:

Tenor:

Gegen den Verfolgten wird zum Zwecke der Durchführung der Auslieferung an die Republik Österreich ein Vorführungsbefehl erlassen, der frühestens am Vortag der beabsichtigten Übergabe an die österreichischen Behörden vollstreckt werden darf.

Der weitergehende Antrag der Generalstaatsanwaltschaft wird als unbegründet zurückgewiesen.

Gründe:

Die Republik Österreich ersucht um die Auslieferung des Verfolgten zum Zwecke der Strafverfolgung.

Am 19. März 2001 hatte der Senat einen Auslieferungshaftbefehl erlassen und gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt.

Mit Beschluss vom 3. Mai 2001 hat der Senat die Auslieferung für zulässig erklärt und den außer Vollzug gesetzten Haftbefehl aufrechterhalten.

Am 23. Mai 2001 hat der Minister der Justiz des Landes Rheinland-Pfalz die Auslieferung bewilligt. Ein Termin für die Übergabe an die österreichischen Behörden steht noch nicht fest.

Nunmehr beantragt die Generalstaatsanwaltschaft,

"den Auslieferungshaftbefehl des Senats vom 19. März 2001 zum Zwecke der Auslieferung des Verfolgten in Vollzug zu setzen"

und führt zur Begründung aus, da der Verfolgte mit seiner Auslieferung nicht einverstanden sei und sich auf freiem Fuß befinde, müsse er zwecks Durchführung der Auslieferung in Haft genommen werden.

Der Antrag ist abzulehnen und statt dessen ein Vorführungsbefehl zu erlassen.

1.

Die Invollzugsetzung des Auslieferungshaftbefehls gemäß §§ 25 Abs. 1 IRG, 116 Abs. 4 StPO kommt nicht in Betracht.

Für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 116 Abs. 4 Nr. 1 und Nr. 2 StPO gibt es keine Anhaltspunkte. Es sind auch keine neu hervorgetretenen Umstände ersichtlich, die eine Verhaftung erforderlich machen würde (§ 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO). Dass der Verfolgte mit einer Auslieferung nicht einverstanden ist, hat er bereits in einer richterlichen Vernehmung vom 14. März 2001 erklärt. Allein die Tatsache, dass die Auslieferung inzwischen bewilligt wurde, macht die Verhaftung nicht erforderlich.

2.

Der Erlass eines - von der Generalstaatsanwaltschaft nicht beantragten - Durchführungshaftbefehls (§ 34 Abs. 1 IRG) scheidet ebenfalls aus. Er setzt voraus, dass die Durchführung der Auslieferung auf andere Weise nicht gewährleistet wäre. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet die Prüfung, ob ein - im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehener, als milderes Mittel aber nie ausgeschlossener - Vorführungsbefehl ausreicht (Schomburg/Lagodny, IRG, 3. A., § 34 Rdnr. 9; BGHSt 23, 380, 387 zu § 30 DAG). Ob diese Möglichkeit "versehentlich nicht in das IRG übernommen" oder mangels praktischer Bedeutung "vergessen" wurde (Wilkitzki in: Grützner/Pötz, IRG, § 34 Rdnrn. 30, 31) kann dahinstehen. Entgegen der Auffassung von Wilkitzki (a.a.O.) ist eine Vorführung zum Zwecke der Übergabe des Verfolgten an den ersuchenden Staat keineswegs deshalb "unsinnig", weil "die mit dem Vollzug eines Vorführungsbefehls verbundene Freiheitsentziehung für den Verfolgten exakt dieselbe wäre, wie beim Vollzug eines Haftbefehls". In entsprechender Anwendung des § 135 S. 2 StPO bewirkt der Vorführungsbefehl - anders als ein vollzogener Haftbefehl - nämlich nur eine zeitlich eng begrenzte Freiheitsbeschränkung (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. A., § 135 Rndr. 2). Er ist deshalb ein milderes Mittel, durch das im Einzelfall die Durchführung der Auslieferung auf andere Weise gewährleistet werden kann.

Nach Auskunft des Sachbearbeiters bei der Generalstaatsanwaltschaft ist die Übergabe des Verfolgten an einem deutsch-österreichischen Grenzübergang sofort und ohne vorherige Terminsabsprache üblich und problemlos durchführbar. Es genügt folglich, einen Vorführungsbefehl zu erlassen, der entsprechend § 135 S. 2 StPO frühestens am Vortage der Übergabe vollstreckt werden darf.

Ende der Entscheidung

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