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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 20.04.2000
Aktenzeichen: 1 U 101/99
Rechtsgebiete: AGB-Gesetz, BGB, ZPO
Vorschriften:
AGB-Gesetz § 3 | |
BGB § 284 Abs. 1 S. 2 | |
BGB § 288 Abs. 1 | |
BGB § 288 Abs. 2 | |
BGB § 812 Abs. 1 | |
ZPO § 92 | |
ZPO § 708 Nr. 10 | |
ZPO § 713 |
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
1 U 101/99 15 0 96/99 LG Köln
Anlage zum Protokoll vom 20.04.2000
Verkündet am 20.04.2000
Lingnau, JHSin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
pp.
hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch die Richter am Oberlandesgericht Gundlach und Schmitz-Justen sowie die Richterin am Oberlandesgericht Göhler-Schlicht auf die mündliche Verhandlung vom 16. März 2000
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 30.09.1999 - 15 0 96/99 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 12.582,55 DM nebst 4,8 % Zinsen seit dem 21.04.1999 (Rechtshängigkeit) zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 40 % und die Beklagte 60 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
(Gemäß § 543 Abs. 1 ZPO ohne Tatbestand)
Entscheidungsgründe:
Auf die in förmlicher Hinsicht unbedenkliche Berufung war das angegriffene landgerichtliche Urteil teilweise abzuändern.
1.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von 12.582,55 DM gemäss § 812 Abs. 1 BGB wegen zu Unrecht einbehaltener Vorfälligkeitsentschädigung zu. Nachdem im Juli 1996 zustande gekommenen Darlehensvertrag war der Kläger nämlich berechtigt, das Darlehen entschädigungslos zurückzuführen. Soweit die Darlehensurkunde vom 13.06.1996 abweichende Regelungen enthält, sind diese nach § 3 AGB-Gesetz rechtlich unbeachtlich.
Nach § 3 AGB-Gesetz sind formularmäßige Vereinbarung in Geschäftsbedingungen dann als unwirksam anzusehen, wenn der Vertragspartner mit einer derartigen Bestimmung vernünftigerweise nicht rechnen musste. Dabei kommt es nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH MDR 1994, 770 mit zahlreichen weiteren Nachweisen) auf die individuellen Umstände des Vertragsschlusses an. Eine Klausel ist damit vor dem Hintergrund der konkreten Vertragsverhandlungen insbesondere dann überraschend, wenn sie von dem abweicht, "was der Vertragspartner des Verwenders als seine Vorstellungen und Absichten bei der Vertragsverhandlung zum Ausdruck gebracht hat, ohne dass ihm darin widersprochen wurde" (BGH a.a.O.).
Vor dem Hintergrund des vorangegangenen, zwischen den Parteien geführten Schriftwechsels, der zu einem Darlehensvertrag mit weitgehend freier Rückzahlung geführt hatte, war die Vertragsurkunde vom 13.06.1996, die im Gegensatz dazu eine Vorfälligkeitsentschädigung vorsah, überraschend. Der Kläger, der darauf vertrauen durfte, die Darlehensurkunde enthalte nur eine körperliche Zusammenfassung dessen, was bereits bis dahin in zwei schriftlichen, für das Zustandekommen eines Vertrages genügenden Erklärungen fixiert worden war, musste durch die Abweichung in einem wirtschaftlich wichtigen, nur aus den formularmäßigen Darlehensbedingungen ersichtlichen Punkt überrumpelt werden.
Wie aus den ersten beiden Verträgen, die zum Teil prolongiert wurden, ersichtlich war, kam es dem Kläger auf die Möglichkeit flexibler Teilrückzahlungen an. Die Erstverträge enthielten insofern eine "besondere Vereinbarung", die dem Kläger die kostenlose Teilrückzahlung während der Zinsbindungsfrist ermöglichte. In dem Schreiben vom 03.04.1996 hat die Beklagte dem Kläger angeboten, das auslaufende Darlehen "bei ansonsten unveränderten Bedingungen" zu den aus dem anliegenden Merkblatt ersichtlichen Konditionen fortzuführen. Sie hat dem Kläger zugleich ein bereits vorbereitetes, mit "Annahme des Prolongationsangebotes" überschriebenes Formular zugeleitet, das eine Einziehungsermächtigung enthielt. Aus Sicht des Klägers war nach seiner Unterschrift unter diese ihm zugeleitete Erklärung alles für eine Prolongation des Darlehens Erforderliche getan. Er mußte dabei davon ausgehen, dass durch seine Vertragserklärung auch aus Sicht des Empfängers eine verbindliche Vereinbarung zustande gekommen war. Dies folgt schon aus dem Wortlaut der Überschrift und insbesondere aus der auf dem Formular enthaltenen Einziehungsermächtigung. Diese machte nur Sinn, wenn es mit der "Annahme des Prolongationsangebotes" ernst war. Nachdem mit Schreiben vom 05.06.1996 die Beklagte erklärt hatte, "ab dem 01.07.1996 wird das Darlehen zu folgenden Bedingungen weiter geführt", war aus Sicht des Klägers ein Vertrag mit den alten Bedingungen und lediglich geänderten Zinskonditionen zustande gekommen. An dieser Sicht änderte der Hinweis auf einen zu schließenden Vertrag im Schreiben vom 03.04.1996 nichts. Vor dem Hintergrund des Schriftwechsels bestand für ihn jedenfalls kein Anlass, damit zu rechnen, dass in den ihm anschliessend zugegangenen "Anschlussvertrag" gegenüber den schriftlichen Absprachen abweichende Erklärungen enthalten sein könnten. Er musste sich vielmehr darauf verlassen können, dass die Beklagte ihm nicht überraschend einen Vertrag mit neuen Nebenbestimmungen zu seinen Lasten unterschob. Aus seiner Sicht diente die Zusendung der Vertragsurkunde nur der übersichtlichen einheitlichen körperlichen Zusammenfassung des bereits vorher in separaten Vertragserklärungen Vereinbarten. Eine Abänderung des zuvor Vereinbarten scheidet danach aus.
Die Beklagte hat nach alledem zu Unrecht eine Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 12.582,55 DM einbehalten, die sie unter Bereicherungsgesichtspunkten an den Kläger auszuzahlen hat.
Der Anspruch auf die zuerkannten Zinsen steht dem Kläger vom Zeitpunkt der den Verzug auslösenden Rechtshängigkeit aus §§ 284 Abs. 1 S. 2, 288 Abs. 1, 2 BGB zu. Ein darüber hinaus gehender Verzugszeitraum ist nicht hinreichend dargetan.
2.
Anders liegen die Dinge bei dem im Jahre 1992 geschlossenen Darlehensvertrag. Nach diesem Vertrag ist der Kläger zur Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung bei vorzeitiger Rückzahlung verpflichtet.
Gegen die Wirksamkeit der dem Vertrag zugrundeliegenden formularmässigen "Bedingungen für Festdarlehen", die eine vorzeitige Rückzahlung ausschlossen bzw. eine Vorfälligkeitsentschädigung ausdrücklich vorsahen (Ziff. 4 in Verbindung mit Ziff. 10 der Vertragsbedingungen), bestehen keine rechtlichen Bedenken.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Zusatz auf dem beim Kläger verbliebenen Vertragsexemplar "Sondertilgungen erwünscht wie Vorverträge". Zum einen hat diese Erklärung schon ihrem Wortlaut nach keine den Vertrag ändernde rechtliche Bedeutung. Sie drückt vielmehr lediglich eine Wunschvorstellung des Klägers aus, die - auch wenn sie in beiden Vertragsurkunden niedergelegt worden wäre - an deren rechtsgeschäftlichen Gehalt nichts ändern würde. Der Kläger hat nicht etwa erklärt, dass der Vertragsschluss mit der Möglichkeit entschädigungsfreier Sondertilgungen stehen und fallen sollte. Seinem objektiven Bedeutungsgehalt nach beinhaltet der Zusatz lediglich die Bitte an die Beklagte, ähnlich zu verfahren wie in den anderen Verträgen. Es handelt sich also der Sache nach um einen Appell an die Kulanz, nicht aber um eine Vertragserklärung des Klägers.
Aber selbst wenn man dies anders sähe, könnte der - nach Behauptung des Klägers vom Darlehensvermittler angebrachte - Zusatz den Vertragsinhalt nicht ändern. Nach der Schriftformvereinbarung des Darlehensvertrages hätte die Erklärung des Klägers der Beklagten schriftlich zugehen müssen. Dabei hätte dem Kläger klar sein müssen, dass für den Zugang seiner schriftlichen Erklärung im Sinne von Ziffer 12 der allgemeinen Darlehensbedingungen nur ein Schriftstück genügt, das den zur Vertragsunterzeichnung Berechtigten zur Kenntnis gelangt. Diesen Anforderungen genügt ein vom bloßen Vermittler schriftlich in einer Vertragsurkunde niedergelegter Hinweis nicht.
Der Vertrag aus dem Jahre 1992 ist demnach zu den "üblichen" Darlehenskonditionen zustande gekommen, nach denen der Kläger zur Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung verpflichtet ist.
Die Vorfälligkeitsentschädigung ist von der Beklagten zutreffend berechnet worden.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Berechnung des Nichterfüllungsschadens bei vorzeitiger Ablösung von Darlehen ist im Ausgangspunkt die Bank berechtigt, ihren Nachteil auf unterschiedliche Weise zu ermitteln (BGH NJW 1997, 2875; BGH NJW 1997, 2878). Sie darf dabei insbesondere auch den sogenannten Zinsverschlechterungsschaden geltend machen, der dann entsteht, wenn die Bank das vorzeitig zurückerhaltene Darlehenskapital für die Restlaufzeit des abgelösten Darlehens nur zu einem niedrigeren als dem Vertragszins ausleihen kann. Zusätzlich zu berücksichtigen ist bei dieser Rückrechnung eine Risikoprämie. Der Zinsverschlechterungsschaden ist darüber hinaus auf den Zeitpunkt der Zahlung der Vorfälligkeit abzuzinsen (a.a.O.). Diesen Grundsätzen entspricht die nunmehr mit der Berufungserwiderung vorgelegte Berechnung, gegen die der Kläger keine durchgreifenden Einwände geltend gemacht hat.
Der Kläger kann sich gegenüber der Schadensberechnung insbesondere nicht auf Ziff. 10.3 der Allgemeinen Darlehensbedingungen berufen. Diese Klausel, die auf eine einvernehmliche Vertragsauflösung abzielt, ist ersichtlich nicht einschlägig. Die Beklagte hat sich nämlich nicht "entgegenkommenderweise" auf die Rückzahlung des Darlehens eingelassen. Dies wäre nur dann anzunehmen, wenn es zu einer einvernehmlichen Aufhebung des Darlehensvertrages gekommen wäre. Tatsächlich war jedoch Hintergrund der vorzeitigen Rückzahlung der Umstand, dass der Kläger die beliehenen Grundstücke veräußert hatte. In diesen Fällen ist von der Rechtsprechung anerkannt, dass nach Treu und Glauben die Bank eine vorzeitige Rückzahlung gegen Erstattung des entgangenen Gewinns zulassen muss (BGH NJW 1997 a.a.O). Es liegt also gerade keine einvernehmliche, auf freier Vertragsentscheidung beruhende Aufhebung des Kreditvertrages vor. Insoweit war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO.
Die übrigen prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Ende der Entscheidung
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