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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 01.03.2001
Aktenzeichen: 1 U 112/00
Rechtsgebiete: StVO, BGB, ZPO


Vorschriften:

StVO § 9 Abs. 3
BGB § 249 S. 2
BGB § 286
ZPO § 92 Abs. 2
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 713
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 112/00 15 O 651/99 LG Köln

Anlage zum Protokoll vom 01.03.2001

Verkündet am 01.03.2001

Lingnau, JHS als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 01.02.2001 durch die Richter am Oberlandesgericht Schmitz-Justen und Dr. Richter sowie die Richterin am Oberlandesgericht Statthalter

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 24.08.2000 - 15 O 651/99 - sowie die Anschlussberufung der Beklagten werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Berufung und Anschlussberufung sind zulässig, haben in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Das Landgericht hat zu Recht festgestellt, dass die Beklagten dem Grunde nach in vollem Umfang für die Unfallfolgen einstandspflichtig sind. Bei einem Zusammenstoß zwischen einem Linksabbieger und einem entgegenkommenden Geradeausfahrer trifft in der Regel den Linksabbieger die volle Haftung, da er das Vorrecht des anderen Verkehrsteilnehmers aus § 9 Abs. 3 StVO missachtet hat (vgl. Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 6. Aufl., Seite 211). Umstände, die ausnahmsweise eine Mithaftung des geradeaus fahrenden Klägers begründen könnten, haben die Beklagten nicht substantiiert vorgetragen. Insofern wird auf die zutreffenden Ausführungen im landgerichtlichen Urteil Bezug genommen.

Über den vom Landgericht zu Recht zuerkannten Betrag hinausgehende Ansprüche stehen dem Kläger nicht zu. Auch insoweit kann zunächst auf die Ausführungen im Urteil des Landgerichts verwiesen werden. Ergänzend ist im Hinblick auf die weiteren Darlegungen der Parteien im Berufungsverfahren wie folgt anzumerken:

Von einem merkantilen Minderwert des KFZ i.H.v. 700,00 DM kann bereits ausweislich des vom Kläger eingeholten Sachverständigengutachtens nicht ausgegangen werden. Der Senat sieht keinen Anlass, an der Einschätzung des Sachverständigen, dass eine Wertminderung dem Fahrzeug weder in technischer noch in merkantiler Hinsicht verbleiben werde, wenn die Unfallreparatur gemäß beiliegender Kalkulation fachgerecht abgeschlossen werde, zu zweifeln. Bei dem beschädigten Fahrzeug handelt es sich um einen VW Golf und damit um einen erfahrungsgemäß stark nachgefragten Fahrzeugtyp - ein Umstand, der bei der Frage, ob ein merkantiler Minderwert eingetreten ist, von nicht unerheblicher Bedeutung ist. Vor allem macht der Markt bei Unfallfahrzeugen angesichts des hohen technischen Reparaturstandards kaum noch Preisabschläge (vgl. Palandt-Heinrichs, Kommentar zum BGB, 60. Aufl., § 251 Rz. 24 a.E.). Es war nach alledem Sache des Klägers, eine Wertminderung durch Veranlassung einer fachgerechten Reparatur auszuschließen.

Soweit der Kläger eine höhere Nutzungsausfallentschädigung verlangt, weil die Reparatur erst am 09.04.1999 habe beginnen können, ist ihm entgegenzuhalten, dass angesichts des konkreten Schadens auch für ihn als Laien die Reparaturwürdigkeit des Fahrzeugs offensichtlich war. Zudem hat der Sachverständige das Fahrzeug noch am Unfalltag besichtigt, so dass der Kläger sich angesichts der offensichtlich zu Tage tretenden Verhältnisse bezüglich Wert des Wagens und Umfang des Schadens bei dem Sachverständigen über die grundsätzliche Reparaturwürdigkeit Gewissheit verschaffen konnte.

Im übrigen hat der Kläger weder eine Reparaturrechnung vorgelegt noch überhaupt vorgetragen, in welchem Umfang das Fahrzeug repariert worden ist. Die Grundlage für eine weitergehende Nutzungsausfallentschädigung ist von daher auch nicht substantiiert vorgetragen.

Die geltend gemachten sogenannten Nachtragsreparaturkosten bezüglich der nach seiner Behauptung aufgrund des Unfalls abgerissenen Zusatzwasserpumpe i.H.v. 198,00 DM kann der Kläger bereits aus Rechtsgründen nicht verlangen.

Der Kläger rechnet seinen unfallbedingten Substanzschaden auf fiktiver Basis, d.h. auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens und nicht nach den tatsächlich entstandenen Reparaturkosten ab. Dabei verbietet sich die fiktive, auf einer Schätzung des Sachverständigen beruhende Abrechnung nachträglich um einzelne Kostenpositionen zu ergänzen, die sich angeblich erst bei der anschließend durchgeführten Reparatur herausgestellt haben. Die Abrechnung auf fiktiver Basis kann mit der Abrechnung auf der Grundlage einer tatsächlich durchgeführten Reparatur nicht beliebig verquickt werden. Dies würde nämlich im Ergebnis dazu führen, dass der Geschädigte nicht nur den gem. § 249 S. 2 BGB geschuldeten Ersatzbetrag verlangen kann, sondern an dem Unfall noch tatsächlich verdienen könnte. Dazu im Einzelnen:

Naturgemäß kann der Sachverständige, der den für die Herstellung erforderlichen Reparaturaufwand ermitteln soll, nur eine bloße Schätzung der Kosten vornehmen, die von den tatsächlich erforderlichen Kosten nach oben oder nach unten abweichen kann. Es unterliegt auch keinem Zweifel, dass der Geschädigte statt der zunächst vom Sachverständigen vorveranschlagten Reparaturkosten die tatsächlich aufgewandten Kosten erstattet verlangen kann, wenn die effektiven Aufwendungen bei vollständiger Reparatur in einer Fachwerkstatt den Schätzungsbetrag des Sachverständigen übersteigen. Er muss sich dann nicht etwa am Gutachten festhalten lassen, sondern kann den Schaden entsprechend der Rechnung der Reparaturwerkstatt ersetzt verlangen (Himmelreich/Klimpe, Schadensregulierung im Kfz-Recht, Loseblattkommentar, Rz. 725). Umgekehrt stellt sich bei einer tatsächlichen Reparaturdurchführung häufig erst heraus, dass etwa bestimmte Teile nicht beschädigt oder erneuerungsbedürftig sind, die der Sachverständige in seine Schadensschätzung einbezogen hat, ein Mängelverdacht unbegründet ist oder Einzelschäden sich im Zusammenhang weniger aufwändig beseitigen lassen. Bleiben die tatsächlichen Reparaturkosten hinter den im Gutachten ausgewiesenen Werten zurück, kann der Geschädigte jedenfalls faktisch nach wie vor auf Gutachtenbasis abrechnen, da der Ersatzpflichtige - solange ihm dies vom Geschädigten nicht offenbart wird - von dem geringeren Herstellungsaufwand in aller Regel nichts erfährt. Wollte man nun dem Geschädigten gestatten, einerseits auf fiktiver Basis nach dem Schätzgutachten abzurechnen, andererseits - nach tatsächlich durchgeführter Reparatur - einzelne, vom Sachverständigen nicht erkannte Schadenspositionen nachzuschieben, würde dies in dem Fall, dass der Sachverständige den voraussichtlichen Reparaturaufwand etwa wegen sonstiger, sich bei Reparaturdurchführung als nicht existent herausstellender Schadenspositionen zu hoch eingeschätzt hat, dazu führen, dass der Geschädigte den ohnehin bestehenden finanziellen Vorteil der Abrechnung auf Gutachtenbasis noch weiter erhöhen könnte. Dies würde indes auf eine nicht gerechtfertigte, dem Zweck des § 249 S. 2 BGB nicht mehr entsprechende Besserstellung des Geschädigten hinauslaufen. Eine nachträgliche "Korrektur" des Sachverständigengutachtens infolge einer tatsächlich durchgeführten Reparatur kann daher nicht einseitig zugunsten des Geschädigten punktuell hinsichtlich einzelner, von diesem bestimmter Schadenspositionen vorgenommen werden. Denn mangels Vorlage der Reparaturrechnung ließe sich nicht ausschließen, dass der Sachverständige umgekehrt hinsichtlich weiterer Positionen zu hoch kalkuliert hat. Heben sich solche Prognosefehler des Sachverständigen gegeneinander auf, so kommt das Schätzungsgutachten in der Summe ohnehin zu einem angemessenen Ergebnis. Ebenso ist denkbar, dass der vom Sachverständigen prognostizierte Aufwand nach Arbeitszeit, Material und Leistungsumfang in der Gesamtschau in Wirklichkeit trotz dem Sachverständigen verborgen gebliebener Mängel niedriger ist. Dann würde der an sich fiktiv abrechnende Geschädigte bei isolierter Berücksichtigung weiterer Mängel mehr erhalten, als ihm nach dem Gesetz zusteht. Der Geschädigte, so auch vorliegend der Kläger, muss sich daher entscheiden, ob er auch nach durchgeführter Reparatur am Sachverständigengutachten als Grundlage der Schadensberechnung festhalten oder nach Maßgabe der tatsächlichen Reparaturkosten abrechnen will.

Einen unfallbedingten Schaden im Hinblick auf die geltend gemachten Überziehungszinsen hat der Kläger nach wie vor nicht substantiiert und schlüssig vorgetragen. Der vorgelegten Bescheinigung der K. Köln lässt sich nicht einmal entnehmen, in welcher Höhe der Kläger einen Überziehungskredit überhaupt in Anspruch genommen hat. Abgesehen davon käme als Anspruchsgrundlage für die Erstattung der angefallenen Zinslast lediglich § 286 BGB in Betracht. Einen Verzug der Beklagten hat der Kläger allerdings gerade nicht schlüssig vorgetragen.

Ebenso wenig kann der Kläger die angeblich doppelt gezahlte Miete für 11/2 Monate i.H.v. 1.125,00 DM erstattet verlangen. An der zutreffenden Beurteilung des Landgerichts ändert auch das Vorbringen des Klägers nichts, es sei geplant gewesen, nach Abgabe der Hausarbeit am 01.04.1999 umfängliche Renovierungsarbeiten in der neu zu beziehenden größeren Wohnung im 1. Obergeschoss durchzuführen; unfallbedingt sei er nicht in der Lage gewesen, die Renovierungsarbeiten zügig voranzutreiben. Wenn denn die nach Darstellung des Klägers beabsichtigten Arbeiten, insbesondere die Installation einer Fußbodenheizung samt Verlegung von Granitfliesen im April 1999 durchgeführt werden sollten, ist nicht nachzuvollziehen, weshalb dies nicht auch plangemäß so hätte erfolgen können, zumal der Vater des Klägers zugleich Vermieter der Wohnung ist und in dieser Funktion sich erforderlichenfalls um die Arbeiten, etwa in Form der Einweisung, Überwachung und Kontrolle der Handwerker hätte kümmern können.

Das zu zahlende Schmerzensgeld hat das Landgericht angesichts der erlittenen Gesundheitsbeeinträchtigung des Klägers mit 2.500,00 DM angemessen festgesetzt. Soweit die Beklagten eine Unfallbedingtheit der geschilderten Beschwerden des Klägers in Abrede stellen, ist dieses Bestreiten angesichts des von der beklagten Versicherung selbst angeforderten ärztlichen Berichts vom 11.05.1999, in dem der Untersuchungsbefund eindeutig und objektivierbar dargelegt ist, unsubstantiiert und damit unerheblich.

Den Feststellungsantrag bezüglich des Verdienstausfalls hat das Landgericht ebenfalls mit zutreffender Begründung abgewiesen. Der Kläger war infolge des Unfalles ca. 5 Wochen arbeitsunfähig. Das bedeutet aber, dass ihm nach Abklingen der gesundheitlichen Beeinträchtigung noch über die Hälfte des Sommersemesters zur Verfügung stand, die er - selbst wenn er auf den Erwerb des "kleinen" öffentlichen Scheins im Sommersemester 1999 meinte verzichten zu müssen - für die Examensvorbereitung hätte nutzen können. Dass dem Kläger nach der einschlägigen Ausbildungs- und Prüfungsordnung (§ 18 a II JAG) bei der Berechnung der Semesterzahl für einen sog. Freiversuch ein Urlaubssemester nicht anerkannt worden wäre, ist in der mündlichen Verhandlung ausführlich dargelegt worden. Im übrigen kann der Kläger - jedenfalls nicht zu Lasten des Schädigers - so tun, als ob auch die nicht unerhebliche restliche Zeit des Semesters nach Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit für ihn verloren gewesen sei.

Die Nebenentscheidungen beruht auf §§ 92 Abs. 2, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Wert des Berufungsverfahrens: 33.978,50 DM

Ende der Entscheidung

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