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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 25.10.1999
Aktenzeichen: 10 UF 78/99
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 1696
BGB § 1672 a. F.
BGB § 1671 a. F.
BGB § 1671 Abs. 2 Nr. 2
ZPO § 621 e
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
10 UF 78/99 24 F 240/97 AG Aachen

OBERLANDESGERICHT KÖLN

BESCHLUSS

In der Familiensache

pp.

hat der 10. Zivilsenat - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Köln

am 25.10.1999

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird die in dem Verbundurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Aachen vom 19.03.1999 (24 F 240/97) getroffene Entscheidung über die elterliche Sorge aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens übertragen wird.

Dem Antragsgegner wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin F. in K. bewilligt.

Gründe:

Die Antragstellerin ist Deutsche, der Antragsgegner iranischer Staatsangehöriger. Aus der am 22.07.1994 geschlossenen Ehe der Parteien sind der am 14.09.1992 geborene Sohn A. und die am 14.12.1994 geborene Tochter D. hervorgegangen. Die Kinder leben seit der im Juli 1996 vollzogenen Trennung der Parteien bei der Mutter. Durch Beschluss vom 09.10.1996 - 24 F 245/96 - hat das Amtsgericht die elterliche Sorge für die Zeit des Getrenntlebens der Parteien auf die Antragstellerin übertragen. Die Antragstellerin hat diese Regelung auch in dem im August 1997 eingeleiteten Scheidungsverfahren angestrebt und hieran nach Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes (Kind RG) am 01.07.1998 festgehalten. Der Antragsgegner hat beantragt, den Parteien die elterliche Sorge gemeinsam zu übertragen.

In dem Verbundurteil vom 19.03.1999 hat das Amtsgericht den Sorgerechtsantrag des Antragsgegners zurückgewiesen und hierzu ausgeführt, die für die Trennungszeit getroffene Entscheidung gelte nach Scheidung der Ehe fort. Zu einer Abänderung nach § 1696 BGB bestehe keine Veranlassung, weil sich die Parteien über Grundfragen der Erziehung der Kinder nicht einigen könnten und es mithin an einer Grundvoraussetzung der gemeinsamen Sorgerechtsausübung mangele.

Die hiergegen gerichtete, gem. § 621 e ZPO zulässige Beschwerde des Antragsgegners führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache.

Das Amtsgericht ist der in der Rechtsprechung teilweise vertretenen Ansicht gefolgt, wonach eine gem. § 1672 BGB a. F. für die Zeit des Getrenntlebens getroffene Entscheidung über die elterliche Sorge nach Inkrafttreten des Kind RG wegen der Aufhebung des Unterschiedes zwischen den §§ 1671 und 1672 BGB a. F. über die Rechtskraft der Ehescheidung hinaus Bestand hat und nur unter den Voraussetzungen des § 1696 BGB abgeändert werden kann (OLG Frankfurt FamRZ 1999, 612; OLG Stuttgart FamRZ 1999, 804; OLG Zweibrücken FamRZ 1999, 807; AG Freyung FamRZ 1999, 806). Dieser Auffassung vermag sich der Senat nicht anzuschließen, weil sie den Regelungsgehalt der Entscheidung nach § 1672 BGB a. F. außer Acht lässt. Diese Vorschrift bot lediglich eine Rechtsgrundlage für die Übertragung der elterlichen Sorge für die Trennungszeit und ermächtigte das Familiengericht nicht zu einer über die Ehescheidung hinaus wirkenden Regelung. Für die Zeit nach der Ehescheidung war eine im Verbundverfahren zu treffende Entscheidung nach § 1671 BGB a. F. vorgesehen. Deshalb sind die Sorgerechtsregelungen nach § 1672 BGB a. F. stets - und so auch hier - in der Erwartung einer anschießenden endgültigen Entscheidung im Verbundverfahren getroffen worden. Ihnen kommt daher nur die Bedeutung einer vorläufigen, bis zur Rechtskraft der Ehescheidung geltenden Regelung zu. Daran hat sich durch das KindRG rückwirkend nichts geändert, weil dessen Übergangsvorschriften (Artikel 15) keine Bestimmung über die Fortwirkung von nach altem Recht getroffenen Sorgerechtsentscheidungen über die Trennungszeit hinaus enthalten. Aus der der Ursprungsentscheidung immanenten zeitlichen Begrenzung folgt, dass in den Übergangsfällen ab Rechtskraft der Scheidung die nach dem neuen Recht vorgesehene gemeinsame elterliche Sorge in Kraft tritt, falls diese Regelung nicht durch eine im Verbundverfahren getroffene Entscheidung nach § 1671 BGB n. F. ersetzt wird. Demgegenüber errichtet die Gegenmeinung, wonach die Ursprungsentscheidung nur unter den erschwerten Voraussetzungen des § 1696 BGB abgeändert werden kann, für den die gemeinsame Sorge begehrenden Elternteil eine Hürde, für die eine gesetzliche Grundlage nicht besteht. Wie hier OLG Hamm FamRZ 1998, 1315; AG Groß Gerau FamRZ 1998, 1465; OLG Bamberg FamRZ 1999, 805; OLG Köln - 26. Senat - FamRZ 1999, 613; OLG Nürnberg FamRZ 1999, 614; AG Bergheim FamRZ 1999, 611).

Da das Amtsgericht die durch das KindRG geschaffene Rechtslage nicht hinreichend beachtet hat, ist die den Antrag auf Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge zurückweisende Entscheidung aufzuheben und dem Amtsgericht Gelegenheit zu geben, über den Antrag der Antragstellerin auf Übertragung des alleinigen Sorgerechts nach § 1671 BGB n. F. zu befinden. Hierzu weist der Senat auf folgendes hin:

Nach § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB kann dem antragstellenden Elternteil mangels Zustimmung des Anderen die alleinige elterliche Sorge übertragen werden, wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und ihre Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Dies kann im Regelfall nur dann angenommen werden, wenn zwischen den Eltern erhebliche Streitigkeiten bestehen und aufgrund mangelnder Kooperationsbereitsschaft zu erwarten ist, dass sich ihre Konflikte nach der Scheidung fortsetzen und zum Nachteil der Kinder auswirken werden. Dabei muss sich die fehlende Bereitschaft zum Zusammenwirken auf Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung beziehen (OLG Hamm FamRZ 1999, 38 f.; Senatsbeschluss vom 19.07.1999 - 10 UF 42/99 -). Dies kann nach dem bisherigen Sachvortrag nicht festgestellt werden. Die zwischen den Par- teien bestehenden Spannungen erwachsen im wesentlichen aus dem Wunsch des Antragsgegners, die Beziehungen der Kinder zu seinem orientalischen Kulturkreis zu erhalten bzw. auszubauen, wobei sein Wille, ihnen die Unterrichtung in persischer Sprache zu ermöglichen, wegen der damit verbundenen zusätzlichen schulischen Belastung am ehesten zu weiteren Auseinandersetzungen der Parteien führen kann. Die Differenzen erscheinen jedoch bei beiderseits gutem Willen nicht unüberbrückbar, zumal sich auch dem Vorbringen der Antragstellerin nicht hinreichend entnehmen lässt, dass der Antragsgegner weiterhin auf seinem Standpunkt beharrt. Überdies reichen unterschiedliche Erziehungsvorstellungen für sich allein als Gründe für die Übertragung des alleinigen Sorgerechts in der Regel nicht aus, da sich solche Meinungsverschiedenheiten auch in einer intakten Familie nicht vermeiden lassen und die Eltern den Kindern nicht immer als geschlossene Einheit gegenübertreten können. Unter diesen Gesichtspunkten wird durch ergänzende Anhörung der Parteien, ggf. auch im Wege eines Vermittlungsversuches des Jugendamtes und der Anhörung der Kinder (§ 50 b FGG), zu klären sein, in welchem Maße die Parteien trotz der bestehenden Differenzen im Interesse der Kinder zusammenzuwirken bereit und in der Lage sind.

Beschwerdewert: 2.000,00 DM.

Ende der Entscheidung

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