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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 14.12.2005
Aktenzeichen: 11 U 109/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 195
BGB § 765
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 U 109/05

Anlage zum Protokoll vom 14.12.2005

Verkündet am 14.12.2005

In dem Rechtsstreit

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 26.10.2005 durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Caesar sowie die Richter am Oberlandesgericht Dr. Küpper und Borzutzki-Pasing

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 32. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 20.05.2005 (32 O 491/04) dahin abgeändert, dass die Klage als unzulässig verworfen wird.

2. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt die Klägerin. 3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Klägerin beantragt - aus übergegangenem Recht der T Grundstücksentwicklungs GmbH - festzustellen, dass die Bürgschaft, die die Beklagte am 17.03.1999 gegenüber der T Grundstücksentwicklungs GmbH in Höhe von 232.000 € zur Absicherung von Gewährleistungsansprüchen wegen des Bauteils Tiefgarage gegen die Bauunternehmung E. I GmbH übernommen hat, Zahlungsansprüche der Klägerin gegen diese Bauunternehmung wegen der im selbständigen Beweisverfahren vor dem Landgericht Frankfurt/Oder (11 OH 8/03) geltend gemachten Bauwerksmängel am Bauteil Tiefgarage absichert. Sie hat das Feststellungsinteresse damit begründet, dass die Erhebung der Feststellungsklage zur Unterbrechung einer etwaigen nach § 195 BGB n.F. nur noch dreijährigen Verjährung erforderlich sei. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiterverfolgt. Sie rügt, ein Feststellungsinteresse der Klägerin bestehe nicht. Voraussetzung hierfür sei, dass der Anspruch der Klägerin zu verjähren drohe. Dies sei von ihr jedoch nicht schlüssig dargelegt. Zudem erfasse die Bürgschaft nur Mängelansprüche für fertiggestellte, unbeanstandete und vorbehaltlos abgenommene Arbeiten. Dass es sich bei den Mängeln, die die Klägerin in dem selbständigen Beweisverfahren geltend mache, um solche handele, sei unklar und werde bestritten. Im übrigen wiederholt und vertieft die Beklagte ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Auch sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das angefochtene Urteil, die Schriftsätze der Parteien sowie die sonstigen zu den Akten gereichten Unterlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache mit der Maßgabe Erfolg, dass die Klage als unzulässig zu verwerfen ist.

1.

§ 256 Abs. 1 ZPO verlangt für die Zulässigkeit einer Feststellungsklage ein Feststellungsinteresse; der Kläger muss ein rechtliches Interesse daran haben, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Ein solches Interesse besteht, wenn dem Recht oder der Rechtslage des Klägers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht und das Urteil auf die Feststellungsklage mit seiner rein ideellen Rechtskraftwirkung geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (BGH NJW 1986, 2507; Stein/Jonas-Schumann, ZPO, 21. Aufl., § 256 Rdnr. 63 jew. m.w.N.).

Die gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit kann dadurch entstehen, dass der Beklagte das Recht des Klägers ernstlich bestreitet (BGH NJW 1986, 2507; Stein/Jonas-Schumann § 256 Rdnr. 64 ff.; Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 256 Rdnr. 7). Das Interesse an der alsbaldigen Feststellung kann sich allerdings auch daraus ergeben, dass durch die Klage der drohende Eintritt der Verjährung gehemmt (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB) werden soll (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 63. Aufl., § 256 Rdnr. 98 Stichwort "Verjährung; Musielak/Foerste, ZPO, 4. Aufl., § 256 Rdnr. 33 Stichwort "Verjährung"; Münchener Kommentar/Lüke, ZPO, 2. Aufl., § 256 Rdnr. 46; Stein/Jonas-Schumann, § 256 Rdnr. 76; Zöller/Greger § 256 Rdnr, 8a). Nach diesen Maßstäben ist ein Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin zu verneinen.

a)

Das Landgericht hat das Feststellungsinteresse angenommen, weil die Erhebung der Feststellungsklage im Dezember 2004 geboten gewesen sei, um die Verjährung des Anspruchs der Klägerin gegen die Beklagte zum 31.12.2004 zu hemmen. Die für die Bürgschaft ursprünglich geltende dreißigjährige Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB a.F. habe nach § 198 BGB a.F. mit Kenntnisnahme der Kläger von den Mängeln zu laufen begonnen. Dies sei bereits im Jahre 2001 der Fall gewesen. Nach Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 2 BGB sei die Verjährung ab dem 01.01.2002 unter Anwendung des § 195 BGB n.F., nach dem die Verjährungsfrist nur noch drei Jahr betrage, zu berechnen gewesen, so dass die Verjährung zum 31.12.2004 eingetreten wäre.

Dem ist nicht zu folgen. Die Verjährung beginnt frühestens mit der Fälligkeit der Bürgschaftsforderung; das ergibt sich aus § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB bzw. § 198 BGB a.F. (vgl. etwa Mansel in: Anwaltkommentar, Schuldrecht, § 771 Rdnr. 3; Erman/Herrmann, BGB, 11. Aufl., § 771 Rdnr. 1; Münchener Kommentar/Habersack, BGB, 4. Aufl., § 765 Rdnr. 82; Palandt/Sprau, BGB, 65. Aufl., § 765 Rdnr. 26). Die Problematik liegt in der Frage, wann die Bürgschaftsschuld fällig wird. Hierzu werden zwei Auffassungen vertreten: Einerseits wird auf die Fälligkeit der Hauptschuld abgestellt (so Hohmann, WM 2004, 757, 760; Schmitz/Vogel, ZfIR 2002, 509, 518 ff.; Lubojanski, IBR 2004, 420; Münchener Kommentar/Habersack, § 765 Rdnr. 82). Nach anderer Ansicht wird die Bürgschaft erst mit einer Leistungsaufforderung des Gläubigers an den Bürgen (Inanspruchnahme) fällig (so Staudinger/Horn, BGB, 13. Bearbeitung, § 765 Rdnr. 112; zum neuen Recht ebenfalls Mansel in: Anwaltkommentar, § 771 Rdnr. 3; Joussen in: Ingestau/Korbion, VOB, 15. Aufl., § 17 Nr. 4 VOB/B Rdnr. 103; Gay, NJW 2005, 2585 ff., die zum bisherigen Recht allerdings über § 199 BGB a.F. die Fälligkeit der Hauptforderung für maßgebend erachtet, a.a.O. 2587, dabei indes übergeht, dass diese Norm über den hier nicht vorliegenden Fall der Kündigung hinaus nicht verallgemeinert werden darf, vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl. §§ 199, 200 Rdnr. 2 m.w.N.; zu erwägen wäre allenfalls eine Heranziehung der Rechtsprechung zum Verjährungsbeginn bei verhaltenen Ansprüchen; dazu BGH NJW-RR 1988, 902, 904; 2000, 647 und zum neuen Recht Palandt-Heinrichs § 199 Rdn. 8 m.w.N.) Diese Auffassung stützt sich auch auf - wenngleich eher beiläufige - Aussagen in der Rechtsprechung des BGH (vgl. BGHZ 92, 295, 300 = NJW 1985, 45; NJW 1989, 1284, 1285; NJW 1991, 100). In einem neueren Urteil des IX. Zivilsenat des BGH findet sich freilich eine - gleichfalls eher beiläufige - Bemerkung, wonach die Bürgschaftsschuld mit der Hauptforderung fällig werde (BGH NJW-RR 2004, 1190, 1191).

Nach beiden Auffassungen drohte im vorliegenden Fall eine Verjährung der Bürgschaftsschuld nicht. Lässt man die Fälligkeit der Bürgschaft von einer Leistungsaufforderung des Gläubigers abhängen, so ist die Bürgschaft noch nicht fällig geworden und folglich auch keine Verjährung eingetreten. Eine konkrete auf Leistung gerichtete Inanspruchnahme der Beklagten durch die Klägerin ist unstreitig noch nicht erfolgt.

Zu einem anderen Ergebnis kommt man auch nicht, wenn man der Ansicht folgt, nach der die Bürgschaft mit der Hauptschuld fällig wird. Handelt es sich - wie hier - um eine Gewährleistungsbürgschaft, so kommt es maßgebend darauf an, ob der Gläubiger nach dem Inhalt des Bürgschaftsvertrages und der zugrundeliegenden Sicherungsabrede, die der Bürge dem Gläubiger über § 768 BGB entgegenhalten darf, den Bürgen in Anspruch nehmen kann. Dient die Gewährleistungsbürgschaft dazu, dem Sicherungsnehmer die Verfügung über Geld zu eröffnen, dann tritt der Sicherungsfall nicht schon dann ein, wenn die fällige Forderung nicht auf Geld gerichtet ist, sondern erst dann, wenn der Anspruch in eine Geldforderung übergegangen und diese Forderung fällig geworden ist (vgl. Thode ZfBR 2002, 4, 5; Schmitz/Vogel, ZfIR 2002, 509, 519; Joussen in: Ingenstau/Korbion, § 17 Nr. 4 VOB/B Rdnr. 89). Gewährleistungsbürgschaften sind in der Regel dahin auszulegen, dass der Sicherungsfall erst dann vorliegt, wenn ein auf Geldzahlung gerichteter Gewährleistungsanspruch entsteht (BGH BauR 2001, 109 = NJW-RR 2001, 307 = ZfIR 2000, 952; BGHZ 148, 151, 154 = BauR 2001, 1893 = NJW 20001, 3629; Joussen in: Ingenstau/Korbion, § 17 Nr. 1 VOB/B Rdnr. 9; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 11. Aufl., Rdnr. 1252). Das gilt auch im vorliegenden Fall; die Bürgschaftsurkunde enthält die ausdrückliche Einschränkung, dass die Beklagte nur auf Zahlung von Geld in Anspruch genommen werden kann. Die gesicherten Geldansprüche setzen eine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung (§§ 634, 635 BGB a.F.) oder zumindest eine verzugsbegründende Mahnung (§ 633 Abs. 3 BGB a.F.) oder eine Aufforderung zur Mängelbeseitigung mit Fristsetzung (§ 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B) voraus. Die Klägerin beruft sich insoweit lediglich auf ein Schreiben der T Grundstücksentwicklungs GmbH vom 03.11.2002, in dem diese die Hauptschuldnerin zur Beseitigung der in der angefügten Fotodokumentation festgehaltenen Schäden bis zum 30.11.2002 aufgefordert habe (Anlage 14 zum Schriftsatz vom 25.04.2005, Anlageband Bl. 146). Unabhängig davon, ob und in welchem Umfang dieses Schreiben eine Aufforderung zur Mängelbeseitigung der in dem Beweissicherungsverfahren geltend gemachten Mängel enthält, hat es den Sicherungsfall noch nicht ausgelöst. Ein Anspruch auf Erstattung von Mängelbeseitigungskosten nach § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B war noch nicht entstanden, da die Mängel nicht beseitigt worden sind. Ein etwaiger Anspruch auf Kostenvorschuss hätte zur Inanspruchnahme der Bürgschaft nur dann berechtigt, wenn der Kostenvorschuss beziffert worden wäre. Der bloße Fristablauf, ohne Konkretisierung einer auf Geld gerichteten Hauptforderung begründet noch kein Recht zur Inanspruchnahme der Bürgschaft (abw. Schmitz/Vogel, ZfIR 2002, 509, 519; Lubojanski, IBR 2004, 420). Das Schreiben vom 03.11.2002 enthielt keine Bezifferung eines Kostenvorschuss- oder sonstigen auf Geld gerichteten Gewährleistungsanspruches, so dass es mangels Auslösung des Sicherungsfalles die Bürgschaft in Bezug auf die geltend gemachten Mängel nicht hat fällig werden lassen.

b)

Das Feststellungsinteresse ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt zu bejahen, dass die Beklagte sich zu Unrecht auf den Eintritt der Verjährung berufen habe. Sie hat lediglich eingewendet, sie könne nicht beurteilen, ob eine Verjährung eingetreten sei; sie halte dies für eher unwahrscheinlich. Das reicht für die Annahme eines Feststellungsinteresses der Klägerin jedoch nicht aus.

2.

Im Berufungsverfahren hat sich neben der Problematik der Verjährung der Streit der Parteien auch dahin ausgeweitet, ob die Bürgschaft zur Absicherung sämtlicher im Klageantrag aufgeführter Gewährleistungsansprüche dient oder entsprechend ihrem Wortlaut lediglich für "fertiggestellte, unbeanstandete und vorbehaltlos abgenommene Arbeiten" gilt. Die Klägerin meint, aufgrund der mit der Hauptschuldnerin getroffenen Sicherungsabrede sei die Bürgschaft dahin auszulegen, dass sie sämtliche Mängel erfasse, die Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens sind. Hierbei berücksichtigt sie aber nicht, dass für die Auslegung in erster Linie nicht die Sicherungsabrede zwischen den Parteien des Werkvertrages, sondern die Erklärungen der Parteien des Bürgschaftsvertrages maßgebend sind, diese können die Bürgschaft entsprechend einschränken (vgl. dazu OLG Hamburg NJW-RR 1991, 1304 = BauR 1990, 745; OLG Frankfurt NJW-RR 1987, 82 = BauR 1987, 101; ferner OLG Köln - 17. Zivilsenat - OLGR 2005, 597). Darauf kommt es allerdings ebenso wenig an wie auf die Behauptung der Klägerin, sämtliche in dem selbständigen Beweisverfahren geltend gemachten Mängel seien erst nach der Abnahme des Werkes aufgetreten. Denn auch insoweit fehlt es an einem rechtlichen Interesse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO daran, dass das Rechtsverhältnis "alsbald" festgestellt wird. Es ist nicht Sinn eines Bürgschaftsprozesses, derartige Fragen zu klären, deren rechtliche und tatsächliche Tragweite sich nicht vor Beendigung des zur Feststellung der Mangelverantwortlichkeit schwebenden selbständigen Beweisverfahrens beurteilen lässt.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die dafür nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO erforderlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind. Die möglicherweise rechtsgrundsätzliche Frage des Beginns der Verjährung einer (Gewährleistungs-)Bürgschaft rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht, weil die Unterschiede in den hierzu vertretenen Meinungen nicht entscheidungserheblich sind.

Berufungsstreitwert: 94.895,77 €

Ende der Entscheidung

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