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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 19.07.2006
Aktenzeichen: 11 U 139/05
Rechtsgebiete: VOB/B, BGB


Vorschriften:

VOB/B § 4 Nr. 3
VOB/B § 13 Nr. 1
VOB/B § 13 Nr. 3
BGB § 631
BGB § 633
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 7. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln vom 21.06.2005 (87 O 86/03) unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels wie folgt abgeändert:

Die Klage ist dem Grunde nach zu 50 % begründet.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Hinsichtlich des Betrages des Anspruches und der Kostenentscheidung - auch über die Kosten des Berufungsverfahrens - wird das Verfahren an das Landgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Die Klägerin beauftragte die Beklagte mit der Ausführung von Pfahlgründungsarbeiten an dem Bauvorhaben "Showroom/H Gebäude xx" auf dem sogenannten N Filmstudiogelände in J. Dem auf der Grundlage der VOB/B erteilten Auftrag lag ein Angebot der Beklagten vom 17.04.1998 zu Grunde. Dieses Angebot stützte sich auf die der Beklagten übergebenen Pfahllasten und Bodenprofile. Bei seiner Abgabe lag der Beklagten das der Firma V von der Klägerin beauftragte Bodengutachten noch nicht vor. Sie vermerkte in ihrem Begleitschreiben:

"Unsere Angebote entwickeln sich durch den von Ihnen vorgegebenen Lastplan. Die vorliegenden Baugrundaufschlüsse sind mit dem Aufschluss der tragenden Bodenschichten nicht ausreichend. Wir empfehlen ergänzende Aufschlüsse durch Drucksondierungen und setzen entsprechend tragfähigen Baugrund entsprechend DIN 1043 bzw. DIN 4014 voraus."

Nach Erteilung des Auftrages erstellte die V am 27.04.1998 ihre gutachterliche Stellungnahme. Dabei war ihr bekannt, dass die Klägerin eine Tiefgründung des Gebäudes mit Verdrängungspfählen plante. Sie ermittelte im Show-Room-Bereich Auffüllungen von mindestens 16 m Mächtigkeit und führte aus:

"Bei der Aufschüttung kann es sich um eine ehemalige aufgefüllte Sand-Kiesgrube handeln. Die Grube ist in den untersuchten Bereichen zum größten Teil mit einem weichem bis breiigem Material (fettige Paste) aufgefüllt .... Am westlichen Rand der Grube und in den oberen Auffüllschichten sind Sandkies, bindiger Boden und Bauschutt durchbohrt worden."

Zu den Bodenkenngrößen und den bodenmechanischen Kennwerten enthält das Gutachten folgende Stellungnahme:

"Die Aufschüttung im Untersuchungsbereich ist bodenmechanisch ein inhomogen zusammengesetzter Boden, der zur Auffüllung der ehemaligen Kiesgrube eingebracht worden ist. Seine Tragfähigkeit bzw. Lagerungsdichte ist, laut durchgeführten Rammsondierungen, als sehr gering einzuschätzen (breiig bis weich, locker).

Nach DIN 18 300 ist der vorliegende Auffüllboden unter fließende, leicht bis schwer lösbare Bodenarten der Bodenklasse 2-5 einzustufen. In den aufgefüllten Horizonten wird groberer Bauschutt (Felsklasse 6) erwartet. Auf der ehemaligen Kiesgrubensohle sind Gesteinsblöcke oder grobe Betonbruchstücke, die der Felsklasse 7 einzuordnen sind, nicht auszuschließen.

Nach DIN 18 196 ist die angetroffene Auffüllung als bindiger bis grobkörniger bzw. gemischtkörniger Boden mit Kurzzeichen A zu klassifizieren.

Für solch inhomogen zusammengesetzte Böden kann gemäß bisherigem Untersuchungsumfang und den festgestellten Eigenschaften keine Bodenkenngrößen nach DIN 1055 angegeben werden."

In der Zusammenfassung der gutachterlichen Stellungnahme heißt es u. a.:

"Für die Errichtung der Gebäude in den tief aufgefüllten Grundstücksbereichen wird vom Unterzeichner eine Tiefgründung auf den tragfähigen Kiessand des Untergrundes empfohlen. Eine Einbindetiefe von mind. 0,5 bis 1 m im tragfähigem Untergrund ist bei den geplanten Verdrängungspfählen zu erreichen... .

Für die anstehenden Bodenlagen wurden die entsprechenden Bodenkenngrößen und die zulässigen Bodenpressungen in Abhängigkeit von der Fundamentform und -Größe bei einer Flachgründung ermittelt. Für eine Tiefgründung ist der Pfahlspitzenwiderstand für sehr dicht gelagerten Kiessanduntergrund nach DIN 4014 angegeben.

Entsprechend den durchgeführten Untersuchungen sind die anstehenden Bodenschichten als tragfähiger und unproblematischer Baugrund einzustufen. Die Gründung von tragenden Fundamenten mit hohen Belastungen sollte möglichst innerhalb der Kiessandschicht ausgeführt werden."

Der Leistungsbereich der Beklagten reichte bis zur Oberkante des jeweils zu erstellenden Betonpfahls. Das Köcherfundament wurde anschließend von der Klägerin aufbetoniert. Die ihr übertragenen Arbeiten ließ die Beklagte von der Streithelferin ausführen. Diese erstellte entsprechend den Bohrprotokollen in der Zeit vom 04.05. bis 08.05.1998 35 Pfähle her. Die Klägerin nahm das Werk ab. Anfang 2000 zeigten sich im Bereich der Stütze Achse D 6 Setzerscheinungen in der Weise, dass sich die Stütze von der Erdgeschossdecke zunehmend nach unten bewegte, was zu einem sich stetig vergrößernden Spalt zwischen Unterkante Erdgeschossdecke/Wandscheibe 1. Obergeschoss und Oberkante Stütze führte. Grund dafür war, dass der dortige Betonpfahl in einer Tiefe zwischen 3,00 m bis 3,30 m unterhalb des Hallenbodens eine Fehlstelle aufwies und deshalb die aus dem Köcherfundament abgeleiteten Lasten nicht aufnehmen konnte.

Die Klägerin nimmt die Beklagte deshalb auf Schadensersatz in Höhe von 323.273,57 € in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin trage die Beweislast für die Schadenshaftung, weil sie die Leistung der Beklagten abgenommen habe. Es sei nicht auszuschließen, sogar wahrscheinlich, dass das unstreitig fehlerhafte Bodengutachten V für den Schaden verantwortlich sei. Da das Gutachten von der Klägerin in Auftrag gegeben worden sei, müsse sie sich die Mängel des Gutachtens im Verhältnis zur Beklagten zurechnen lassen. Die Beklagte und die Streithelferin hätten auf das Gutachten V vertrauen dürfen. Sie seien nicht verpflichtet gewesen, gegen die vereinbarte Ausführungsart Bedenken anzumelden. Ein Ausführungsfehler sei der Beklagten nicht sicher nachzuweisen, was zu Lasten der beweispflichtigen Klägerin gehe.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung. Sie rügt, entgegen der Auffassung des Landgerichts trage die Beklagte die Beweislast dafür, dass der unstreitige Mangel auf Ursachen beruhe, die von der Klägerin zu verantworten seien. Jedenfalls hafte die Beklagte, weil sie sich nicht auf das Bodengutachten V habe verlassen dürfen, sondern Bedenken hätte anmelden müssen. Das Bodengutachten habe weder einen bestimmten Pfahltyp vorgeschlagen, noch die Freigabe im Hinblick auf die anstehende Auffüllung erklärt. Die Feststellungen des Gutachtens beschränkten sich darauf, dass mit den geplanten Pfählen eine ausreichende Einbindung in den Untergrund möglich sei, und treffe keine Feststellungen dazu, ob die Zwischenschichten eine ausreichende Scherfestigkeit aufwiesen. Zudem enthalte das Gutachten keine Bodenkenngrößen. Ihm lasse sich nicht entnehmen, dass die nach der einschlägigen DIN 4014 für die Pfahlgründung ohne verlorenes Hüllrohr erforderliche Scherfestigkeit gegeben sei. Außerdem hätten sich für die Beklagte und die Streithelferin aus dem in dem Bohrprotokoll festgehaltenen Betonverbrauch Bedenken gegen die Geeignetheit des Bodens ergeben müssen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 323.273,57 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach BGB seit dem 24.06.2003 zu zahlen,

hilfsweise,

unter Aufhebung des landgerichtlichen Urteils den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte und die Streithelferin beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens das angefochtene Urteil.

Der Senat hat durch Anhörung der Sachverständigen P und L Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 24.05.2006 (Bl. 758 ff. d.A.) verwiesen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das angefochtene Urteil des Landgerichts, die Akte 14 OH 25/00 LG Köln, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, sowie die Schriftsätze der Parteien und die sonstigen zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat mit der Maßgabe Erfolg, dass der Klageanspruch in Höhe von 50 % begründet ist. Mit diesem Inhalt ist ein Grundurteil nach § 304 Abs. 1 ZPO zu erlassen und das Verfahren zur Entscheidung über die Höhe des Anspruches an das Landgericht zurückzuverweisen.

Im Einzelnen gilt folgendes:

1.

Dem Landgericht ist darin zu folgen, dass die Beklagte nicht schon wegen einer mangelhaften Herstellung des Betonpfahls D 6 an sich zum Schadensersatz verpflichtet ist. Als gewährleistungspflichtiger Mangel, für den die Beklagte nach § 13 Nr. 7 VOB/B schadensersatzpflichtig geworden sein könnte, kommt die unstreitige Fehlstelle im Betonpfahl D/6 in Betracht. Die Beklagte ist entsprechend § 13 Nr. 3 VOB/B von der Gewährleistung dann frei, wenn der Mangel auf der Bodenbeschaffenheit beruht. Dabei kann dahinstehen, ob der Besteller generell das Baugrundrisiko trägt (dazu OLG München BauR 2004, 680 = NZBau 2004, 274; OLG Zweibrücken OLGR 2005, 73 = IBR 2004, 557 m. Anm. Englert; Kuffer, NZBau 2006, 1, 4 ff.; Heiermann/Riedl/Rusam, VOB, 10. Aufl., B § 2 Rdn. 136 f.; Kleine-Möller/Merl, Handbuch des privaten Baurechts, 3. Aufl., § 10 Rdn. 318 ff.). Maßgebend dafür, welche der Vertragsparteien das Risiko trägt, ist jedenfalls in erster Linie die Auslegung des zwischen ihnen geschlossenen Vertrages (Kuffer, NZBau 2006, 1, 6; Kleine-Möller/Merl, a.a.O., § 10 Rdn. 331). Die Risikotragung durch die Klägerin ergibt sich im vorliegenden Fall daraus, dass sie nach den vertraglichen Absprachen mit der Beklagten die Bodenuntersuchung bei der V in Auftrag geben sollte; damit hat sie die Überprüfung übernommen, ob die Bodenverhältnisse für die Herstellung mit Vollverdrängungspfählen geeignet waren. In diesem Zusammenhang gingen alle Beteiligten davon aus, dass die Herstellung nicht mit sogenannten verlorenen Rohren (Hülsen) erfolgen, sondern, dass das zum Bohren verwendete Rohr wieder gezogen werden sollte. Dies entspricht - wie die beiden Sachverständigen P und L in der Anhörung durch den Senat bestätigt haben - dem in den beteiligten Verkehrskreisen üblichen Sprachgebrauch, wonach ausdrücklich darauf hingewiesen wird, wenn der Bohrpfahl in der Erde verbleiben soll. Wird die Herstellung von Vollverdrängungspfählen in Auftrag gegeben, so bedeutet das mangels entsprechenden Vorbehaltes, dass die Bohrpfähle nicht im Boden verbleiben sollen. Die Bodengutachterin hat den Boden - wie noch auszuführen ist - als für die Herstellung mit derartigen Vollverdrängungspfählen hinreichend tragfähig bezeichnet. Das Risiko, dass die Bodenverhältnisse für die Herstellung mit Vollverdrängungspfählen ohne verlorene Rohre dennoch nicht geeignet waren, liegt danach grundsätzlich bei der Klägerin

Die Klägerin behauptet allerdings, die Fehlstelle sei nicht durch die Bodenverhältnisse bedingt. Als andere Ursachen kämen Fehler im Herstellungsprozess, insbesondere das zu schnelle Herausziehen des Bohrrohrs, in Betracht. Das Landgericht hat die Klägerin insoweit als beweisfällig angesehen, weil nicht auszuschließen sei, dass das unstreitig fehlerhafte Bodengutachten für den Schaden verantwortlich sei. Hierbei hat das Landgericht die Beweislastverteilung verkannt. Richtig ist zwar, dass die Klägerin als Werkbestellerin nach der Abnahme grundsätzlich die Beweislast für das Vorliegen eines Sachmangels trägt. Sie muss beweisen, dass in dem für den Gefahrübergang maßgeblichen Zeitpunkt der Abnahme ein Sachmangel gegeben war. Besteht die Möglichkeit, dass der Sachmangel erst nach Abnahme eingetreten ist, insbesondere dass er durch andere Beteiligte verursacht worden ist, so muss der Werkbesteller dies ausräumen (vgl. BGH BauR 1998, 172; OLG Hamburg BauR 2001, 1749 m. Anm. Wirth; Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 2. Auflage, 6. Teil Rdn. 158; Wirth: Ingenstau/Korbion, VOB/B 15. Auflage, § 13 VOB/B Nr. 5 Rdn. 17 und § 13 VOB/B Nr. 7 Rdn. 75). Steht dagegen fest, dass der Mangel im Zeitpunkt der Abnahme vorlag, so hat der Werkunternehmer den Beweis zu führen, dass der Mangel durch einen nicht in seinem Verantwortungsbereich liegenden Umstand herbeigeführt worden ist, insbesondere dass die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Gewährleistung nach § 13 Nr. 3 VOB/B vorliegen (Baumgärtel, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, Band 1, 2. Auflage, § 13 VOB/B Rdnr. 6; Nicklisch/Weick, VOB/B, 3. Auflage, § 13 Rdn. 61; Weyer in: Kapellmann/Messerschmidt, VOB/B § 13 Rdn. 85). Dabei hat er zur Abwendung einer Schadensersatzhaftung nach § 13 Nr. 7 VOB/B zu beweisen, dass er die durch das Vorliegen des Sachmangels indizierte objektive Pflichtwidrigkeit nicht zu vertreten hat (Baumgärtel, a. a. O., § 13 VOB/B Rdn. 7; § 635 BGB Rdn. 13; Wirth in: Ingenstau/Korbion § 13 VOB/B Rdn. 75). So liegt es hier. Die als Mangel in Betracht kommende Fehlstelle im Betonpfahl kann nur während der Aushärtung des Betons und damit vor der Abnahme entstanden sein. Die Beklagte hat daher zu beweisen, dass dieser Mangel seine Ursache im Baugrund hat und nicht auf Fehlern im Herstellungsprozess beruht.

Es ist aber auszuschließen, dass der Mangel seine Ursache in Herstellungsfehlern hat. Wie der Sachverständige P in seinem 4. Bericht vom 02.08.2002 ausgeführt hat und wovon alle Beteiligten als unstreitig ausgehen, waren die Bodenverhältnisse für die Anwendung von Ortbeton-Bohrpfählen ungeeignet, weil die "Schmandauffüllungen" die für die Herstellung von derartigen Vollverdrängungspfählen erforderliche Scherfestigkeit nicht aufwiesen. Als einzig naheliegende Schadensursache kommt in Betracht, dass der noch flüssige Beton teilweise in die Schmandschichten eingedrungen ist, während der Beton in der darüber liegenden trockeneren Schluffschicht eher aushärtete, so dass eine Fehlstelle entstehen konnte. Dies hat der Sachverständige L in dem vom der Streithelferin eingereichten Privatgutachten vom 10.9.2004 (Bl. 314 d.A., dort S.9 ff. = Bl. 322 ff. d.A.) überzeugend ausgeführt und erklärt. Der Sachverständige P hat seine schon beim Landgericht relativierte These, nach der sich dann rucksack- oder rettungsringartige Ausdehnungen hätten bilden müssen, in seiner Anhörung vor dem Senat nicht aufrechterhalten. Auch der in den Bohrprotokollen festgehaltene Betonverbrauch von durchweg 4 bis 6 Kubikmetern ist ein Anzeichen dafür, dass der Beton in die "Schmandschicht" eingedrungen ist. Nach den Angaben des Sachverständigen P, denen sich der Sachverständige L im wesentlichen angeschlossen hat, wäre ein Verbrauch von 3 Kubikmetern pro Pfahl zu erwarten gewesen. Demgegenüber sind konkrete Anhaltspunkte für Fehler im Herstellungsprozess nicht ersichtlich. Die Klägerin hat als derartige mögliche Fehler eine Unterbrechung des Betonflusses während der Einpumpphase oder aber ein zu schnelles Ziehen des Bohrrohres angeführt. Zur ersteren Ursache hat die Streifhelferin unter Bezug auf das Privatgutachten des Grundbauinstituts X vom 25.09.2003 (Anlage N 3 Schriftsatz vom 6. 10. 2003) plausibel dargelegt, dass bei der angewendeten Einspeisungstechnik eine Unterversorgung mit Beton in der Herstellungsphase ausgeschlossen werden könne. Dem ist die Klägerin nicht mehr entgegengetreten. Ihre Behauptung, Schadensursache könne das zu schnelle Ziehen des Bohrrohres sein, hat sie auf eine Angabe des Sachverständigen P in der mündlichen Anhörung durch das Landgericht gestützt. Bei der Vernehmung durch den Senat hat der Sachverständige P in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Sachverständigen L in seinem schriftlichen Gutachten vom 10.09.2004 (Seite 28 = Bl. 341 d.A.) klargestellt, dass das Herausziehen des Rohres mit einer Geschwindigkeit von 5 Sekunden pro Meter nicht zu schnell gewesen sei. Nach alledem verbleiben keine vernünftigen Zweifel daran, dass die Fehlstelle des Betonpfahls durch die Bodenverhältnisse verursacht worden ist.

2.

Die Klägerin haftet jedoch, weil sie ihre Prüf- und Hinweispflicht nach §§ 13 Nr. 3, 4 Nr. 3 VOB/B nicht nachgekommen ist.

1.

Diese Pflicht hat die Beklagte unter zwei Gesichtspunkten verletzt: zum einen hätte sie auf Bedenken gegen das Bodengutachten der V hinweisen müssen; zum anderen hätten sich ihr Bedenken aus dem überhöhten Betonverbrauch aufdrängen müssen.

a)

Das Landgericht hat eine Pflichtverletzung der Beklagten mit der Begründung verneint, dass das Bodengutachten die anstehenden Bodenschichten ausdrücklich als tragfähigen und unproblematischen Baugrund einstufe. Auf diese nach Untersuchung der Untergrundverhältnisse abgegebene Einschätzung habe die Beklagte in Anbetracht der Sachkunde des Bodengutachters vertrauen dürfen. Dies stimmt zwar mit der Meinung überein, die die beiden Sachverständigen in ihren schriftlichen Gutachten geäußert haben. So hat sich der Sachverständige P in seinem 4. Bericht vom 02.08.2002 (dort S. 6) dahin geäußert, die Beklagte habe nach dem Gutachten V davon ausgehen können, dass der das Bohrloch umgebende Boden in der Lage war, die eingebrachte Betonsäule sicher zu stützen. Der Sachverständige L hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 17.09.2004 (dort S. 8) die Einschätzung vertreten, der Bauunternehmer - also die Beklagte - habe von der Richtigkeit des Baugrundgutachtens ausgehen können und keine Bedenken anmelden müssen. Dem ist indes nicht zu folgen.

Richtig ist allerdings, dass in dem Bodengutachten die anstehenden Bodenschichten als tragfähiger und unproblematischer Baugrund für die geplante Herstellung der Verdrängungspfähle bezeichnet worden sind. Der Einwand der Beklagten, damit sei lediglich die vertikale Tragfähigkeit der Kiessandschicht im Hinblick auf die Einbindung der Pfähle gemeint, trifft nicht zu. Die Sachverständigen haben in der Anhörung vor dem Senat übereinstimmend darauf hingewiesen, dass der Begriff der Tragfähigkeit ebenfalls die Scherfestigkeit umfasse, welche dafür maßgebend ist, ob die Bodenschichten für die Herstellung von Verdrängungspfählen ohne verlorenes Rohr geeignet sind. Mit den "anstehenden Bodenschichten" sei auch nicht nur die untere Kiesschicht gemeint gewesen; vielmehr seien darunter alle Bodenschichten bis zur Oberkante des Geländes zu verstehen.

Auf die Empfehlung des Bodengutachters durften die Beklagte und die Streifhelferin jedoch nicht vertrauen, weil sie von den ihr zugrundeliegenden Feststellungen des Gutachtens nicht getragen wurde. Grundsätzlich ist es zwar nicht Aufgabe des Bauunternehmers, eine Baugrunduntersuchung durchzuführen oder durchführen zu lassen (etwa OLG Schleswig BauR 1989, 730, 732; Oppler in: Ingenstau/Korbion, VOB/B § 4 Nr. 3 Rdn. 16; Heiermann/Riedl/Rusam, B § 4 Rdn. 49, 51). Auch kann er sich auf die Erkenntnisse eines Sonderfachmanns in der Regel verlassen (vgl. OLG Schleswig IBR 1995, 375 m. Anm. Englert; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 11. Aufl., Rdn. 1522). Der Unternehmer hat das Bodengutachten jedoch auf Plausibilität und etwaige Unvollständigkeiten oder Unrichtigkeiten zu untersuchen. Auf erkennbare Fehler und Unvollständigkeiten hat er den Auftraggeber hinzuweisen (vgl. Kleine-Möller/Merl, a.a.O., § 10 Rdn. 332; Werner/Pastor, a.a.O., Rdn. 1522; Englert, a.a.O.; OLG Celle IBR 2004, 184 m. Anm. Bolz = OLGR 2004, 290 = BauR 2004, 1302). Wie bei der Prüf- und Hinweispflicht allgemein ist maßgebend, ob dem Auftragnehmer bei der von ihm als Fachunternehmen zu erwartenden Prüfung Bedenken hätten kommen müssen (BGH BauR 1987, 79, 80 = NJW 1987, 643; BauR 2002, 945, 946; BauR 2005, 1314). Wird die Bauleistung von Fachfirmen mit besonderen Spezialkenntnissen ausgeführt, so verstärkt sich die Prüfungspflicht (Werner/Pastor, a. a. O., Rdn. 1520; Merkens in: Kapellmann/Messerschmidt, § 4 VOB/B Rdn. 70).

Nach diesen Kriterien hat die Beklagte ihre Prüf- und Hinweispflicht verletzt. Die Beklagte und die von ihr als Erfüllungsgehilfin nach § 278 BGB eingesetzte Streithelferin sind Unternehmen, die auf die Herstellung von Pfahlbauten spezialisiert sind. Ihnen hätte auffallen müssen, dass die in dem Bodengutachten enthaltenen Angaben die Einschätzung des Bodens als "tragfähig" nicht sicher stützten. Die Anforderungen an die Erkundung des Baugrundes richteten sich nach der einschlägigen DIN 4014, auf die die Beklagte in ihrem Begleitschreiben zum Angebot vom 17.04.1998 ausdrücklich hingewiesen hat. In Ziffer 6.3. schreibt die DIN 4014 vor, dass in feinkörnigen Böden mit einer Kohäsion im undrainierten Zustand von weniger als 15 kN/m² das Betonieren gegen den Boden nicht mehr zulässig ist; der Frischbeton muss danach durch Hülsen gestützt werden. Ziffer 4 der DIN 4014 stellt genaue Anforderungen an die Erkundung des Baugrundes. Dem genügte das Bodengutachten V eindeutig nicht. So wird im Abschnitt "Bodenkenngrößen und bodenmechanische Kennwerte" ausdrücklich ausgeführt, die Aufschüttung im Untersuchungsbereich sei bodenmechanisch ein inhomogen zusammengesetzter Boden. Für solche Böden könnten gemäß bisherigem Untersuchungsaufwand und den festgestellten Eigenschaften keine Bodenkenngrößen nach DIN 1055 angegeben werden (Gutachten Bl. 7 f.). Bodenkenngrößen nach DIN 4014 sind nur in Bezug auf den Pfahlspitzenwiderstand für den Kiessanduntergrund angegeben (Gutachten Bl. 14). Zudem weist das Gutachten ausdrücklich aus, dass die Grube in den untersuchten Bereichen zum größten Teil mit einem weichen bis breiigen Material (fettige Paste) aufgefüllt sei, wobei die Bezeichnung "fettige Paste", - so der Sachverständige P - kein feststehender bodengeologischer Begriff ist. Beide Sachverständigen haben bestätigt, dass in dem Bodengutachten V wesentliche Angaben zur Bodenbeschaffenheit fehlen. Auf Grund der fehlenden Angaben zu den Bodenkennwerten sowie der Beschreibung der Bodenverhältnisse hätten sich der Beklagten und der Streithelferin als Fachunternehmen Bedenken gegen die Bewertung aufdrängen müssen, dass der Boden für eine Pfahlgründung ohne verlorene Rohre geeignet war.

Die Verletzung der Prüf- und Hinweispflicht war zumindest für einen Teil des der Klägerin entstandenen Schadens ursächlich. Nach dem Grundsatz aufklärungsrichtigen Verhaltens (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 280 Rdn. 39 m.w.N.) ist davon auszugehen, dass die Klägerin auf einen entsprechenden Hinweis hin entweder eine weitere Bodenuntersuchung oder aber eine Pfahlgründung mit verlorenen Rohren in Auftrag gegeben hätte, so dass der Schaden an dem Pfahl vermieden worden wäre.

b)

Anlass zu weiteren Bedenken war der erhöhte Betonverbrauch. Nach den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten und ihrem Inhalt nach unstreitigen Bauprotokollen lag der Verbrauch durchweg bei 4 bis 6 Kubikmetern pro Bohrpfahl. Dieser Verbrauch liegt deutlich über 3 Kubikmeter, die für einen Bohrpfahl normalerweise ausgereicht hätten. Nach Einschätzung des Sachverständigen P hätte deswegen jedenfalls die Bauleitung der Streithelferin und der Beklagten Bedenken haben müssen. Der Sachverständige L ist dem zwar entgegengetreten. Der Senat hält die Bewertung des Sachverständigen P jedoch für überzeugender. Jedenfalls hätte der erhöhte Verbrauch schon deshalb Anlass für eine Überprüfung sein müssen, weil das Bodengutachten V die oben aufgezeigten Unklarheiten aufwies. Unter diesen Umständen bedurfte auch der Herstellungsprozess besonderer Sorgfalt und Kontrolle. Da der Pfahl D/6 am 05.05.1998 erst als achter Pfahl hergestellt worden ist, hätte durch eine rechtzeitige Prüfung und Bedenkenanmeldung der entstandene Schaden vermieden werden können.

In der mündlichen Verhandlung und in dem nach deren Schluss eingereichten Schriftsatz vom 23.06.2006 verweist die Klägerin darauf, dass bei den Bohrpfählen A 7 und A 8 Betonmengen von 9 und 10 Kubikmetern verbraucht worden seien. Sie ist der Ansicht, selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Bohrpfähle A 7 und A 8 zeitlich nach dem hier streitgegenständlichen Bohrpfahl hergestellt worden sind, hätten die dort verbrauchten Betonmengen Anlass gegeben, auch alle übrigen Bohrpfähle bei der Abnahme mit einer Integritätsprüfung zu kontrollieren. Sie behauptet, mit vergleichsweise geringem Aufwand hätte der Pfahl D 6 ertüchtigt werden können, so dass es zu den Folgekosten nicht gekommen wäre. Ob das richtig ist, mag dahinstehen. Für die Bewertung - auch im Rahmen der Mitverschuldensabwägung - fällt dieser Gesichtspunkt nicht entscheidend ins Gewicht .

c)

Gegenüber der damit dem Grunde nach bestehenden Schadensersatzpflicht muss sich die Klägerin die Fehlerhaftigkeit des Bodengutachtens nach § 254 BGB als Mitverschulden zurechnen lassen. Der Bodengutachter war im Verhältnis zur Beklagten Erfüllungsgehilfe der Klägerin (vgl. BGH BauR 1971, 265, 270; Kniffka/Koeble, 6. Teil Rdnr. 68 f.). Im Rahmen der Abwägung war zu Gunsten der Beklagten zu berücksichtigen, dass in dem Bodengutachten die Bodenverhältnisse für eine Herstellung von Vollverdrängungspfählen als geeignet dargestellt worden sind. Zu Lasten der Beklagten fällt ins Gewicht, dass sich ihr und der Streithelferin als Fachunternehmen die Unvollständigkeit des Gutachtens hätte aufdrängen müssen und dass sie auch bei der Herstellung in Bezug auf den Betonverbrauch die notwendige Kontrollsorgfalt hat vermissen lassen. Auf Grund dessen ist eine hälftige Teilung des Schadens angemessen.

3.

Entsprechend dem Antrag der Klägerin entscheidet der Senat über den Grund des Anspruchs vorab und verweist das Verfahren zur Höhe an das Landgericht zurück (§ 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO). Da die Schadenshöhe streitig und in vollem Umfange unaufgeklärt ist, wäre eine andere Verfahrensweise nicht sachgemäß. Bei der Frage, ob die Beklagte für alle geltend gemachten Schäden haftet, auch soweit diese - wie die Beklagte und die Streithelferin einwenden - alleine von der V verursacht worden sind, wird das Landgericht die Grundsätze zu beachten haben, die der Bundesgerichtshof zur gesamtschuldnerischen Haftung von Werkunternehmern mit verschiedenen Gewerken aufgestellt hat (BGHZ 155, 265 = NJW 2003, 2980 = BauR 2003, 1379).

4.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO dafür erforderlichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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