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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 23.02.2000
Aktenzeichen: 11 U 155/99
Rechtsgebiete: GmbHG, ZPO


Vorschriften:

GmbHG § 30
GmbHG § 31
GmbHG § 32a
GmbHG § 32b
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 101 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 U 155/99 9 O 410/98 LG A.

Anlage zum Terminsprotokoll vom 23.02.2000

Verkündet am 23.02.2000

Biermann, J.A. als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 14.01.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Pastor, den Richter am Oberlandesgericht Zoll und den Richter am Landgericht Wurm

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 21.05.1999 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts A. - 9 O 410/98 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Nebenintervention fallen dem Kläger zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch den Beklagten und durch den Streithelfer durch Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 7.000,00 DM abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in der genannten Höhe leistet. Beide Parteien dürfen die Sicherheit durch selbstschuldnerische Bürgschaft eines als Zoll- und Steuerbürgen zugelassenen Kreditinstituts erbringen.

Tatbestand

Der Kläger nimmt als Konkursverwalter der Firma C. Datensysteme GmbH den Beklagten als früheren Gesellschafter der Gemeinschuldnerin auf Zahlung in Anspruch, weil der Beklagte nach seiner Ansicht durch die Rückführung von Bankdarlehen aus dem Gesellschaftsvermögen zu Lasten der Gemeinschuldnerin von eigenkapitalersetzenden Bürgschaften befreit wurde.

Die Gemeinschuldnerin, die die Neu- und Weiterentwicklung von Rechnern und Programmen im Automatisierungsbereich betrieb, wurde 1987 mit einem Stammkapital von 450.000,00 DM gegründet. 1991 wurde das Stammkapital zuletzt auf 600.000,00 DM erhöht. Der Beklagte war daran mit einem Geschäftsanteil von 275.000,00 DM beteiligt. Schon 1993 war er beruflich außerhalb der Gesellschaft tätig. Im März 1997 veräußerte er seinen Geschäftsanteil für 1,00 DM (GA 23 ff.). Im September 1997 wurde das Konkursverfahren über das Vermögen der Gemeinschuldnerin eröffnet. Die Jahresabschlüsse der Gemeinschuldnerin weisen seit 1991 Bilanzverluste auf, die sich von 323.555,10 DM im Jahre 1991 auf 2.373.665,85 DM im Jahre 1996 steigerten. Auf die Zusammenstellung in dem Bericht des Klägers vom Oktober 1997 (GA 13, 14) sowie auf die Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen nebst Erläuterungen und Lageberichten für 1992 (GA 7, 8, 9 ff., 12), 1993 (GA 176, 177, 178 ff., 181), 1994 (GA 182, 183, 184 ff., 187), und 1995 (GA 189, 190, 191 ff., 193) wird Bezug genommen.

Die Gemeinschuldnerin unterhielt bei der Volksbank E. eG verschiedene Geschäftskonten. Der Beklagte übernahm für die Konten Nr. ......, ...... und ...... eine Ausfallbürgschaft über 50.000,00 DM. Ferner übernahm er eine selbstschuldnerische Bürgschaft für das Konto Nr. ...... zweckgebunden für den Erhöhungsbetrag von 90.000,00 DM (vgl. GA 20). Am 11.10.1993 wiesen das Konto Nr. ...... ein Debetsaldo von 41.875,50 DM, das Konto Nr. ...... ein Debetsaldo von 12.818,67 und das Konto ...... ein Debetsaldo von 46.988,62 DM auf. Die Salden wurden an diesem Tag zurückgeführt. Die Rückführung erfolgte aus Geldern, die die Herren E. und L. der Gemeinschuldnerin darlehensweise zur Verfügung stellten; für diese Darlehen übernahm der Beklagte keine Kreditsicherheit. Beide Herren beteiligten sich im Jahre 1994 als stille Gesellschafter an der Gemeinschuldnerin mit einer Einlage von jeweils 300.000,00 DM. Streitig ist zwischen den Parteien, ob die im Jahre 1993 gewährten Darlehen sich bereits auf jeweils 300.000,00 DM beliefen und 1994 in stille Einlagen umgewandelt wurden oder ob die stillen Einlagen 1994 durch erneute Mittelzuführung in der genannten Höhe geleistet wurden, während sich die Darlehenssumme auf einen niedrigeren Betrag belief.

In erster Instanz haben die Parteien auch über die Zahlungspflicht des Beklagten hinsichtlich einer durch Rückführung von Verbindlichkeiten bei der Sparkasse A. erloschenen Bürgschaft gestritten; dieser Sachverhalt ist nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens, da der Kläger das insoweit klageabweisende Urteil des Landgerichts nicht angegriffen hat.

Der Kläger hat geltend gemacht, die Gemeinschuldnerin sei seit dem 31.12.1992 wegen des nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrages von 909.043,41 DM, der sich nachfolgend erhöht habe, überschuldet und nicht mehr kreditwürdig gewesen. Durch die Darlehenstilgung sei der Beklagte von der Bürgschaft, die eigenkapitalersetzenden Charakter gehabt habe, befreit worden, so dass er zur Rückzahlung des Betrages nach den Rechtsprechungsgrundsätzen zu den §§ 30, 31 GmbHG verpflichtet sei. Unerheblich sei, dass die Mittel zur Darlehenstilgung von den Herren E. und L. gestammt hätten. Buchungstechnisch seien diese Mittel zunächst der Gemeinschuldnerin als Darlehen zugeflossen, die Darlehenstilgung sei also aus Mitteln der Gemeinschuldnerin erfolgt.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 151.682,79 DM nebst 4% Zinsen seit Rechtshängigkeit (11.09.1998) zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat geltend gemacht, die Gemeinschuldnerin sei nicht überschuldet gewesen. Dies ergebe sich schon aus der Darlehensgewährung durch die Herren E. und L. Ende 1993. Jedenfalls seien die Darlehensforderungen der Volksbank aus deren Mitteln, nicht aus Mitteln der Gemeinschuldnerin getilgt worden; es liege ein Darlehenstausch, keine Rückzahlung aus dem Stammkapital vor.

Durch die angefochtene Entscheidung hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung - soweit diese für das Berufungsverfahren von Interesse ist - im wesentlichen ausgeführt: Im Oktober 1993 hätten gewichtige Anhaltspunkte dafür gesprochen, dass sich die Gemeinschuldnerin in der Krise befunden habe und von dritter Seite zu marktüblichen Bedingungen keinen Kredit mehr erhalten hätte. Die Kreditablösung aus Mitteln der Herren E. und L. sei als Zahlung aus Gesellschaftsmitteln anzusehen, weil durch die Aufnahme des anderen Darlehens die Überschuldung aufrecht erhalten worden sei. Gleichwohl habe der Kläger keinen Erstattungsanspruch. Denn unstreitig seien die Kredite der Herren E. und L. in stille Einlagen umgewandelt worden; der Gesellschaft sei also neues Kapital anstelle der Darlehen der Volksbank zugeflossen. Demnach sei durch die Rückführung der Darlehen der Volksbank die bestehende Überschuldung oder Unterdeckung nicht vergrößert worden. Eine Pflicht zur Kapitalerhaltung habe die stillen Gesellschafter nicht getroffen. Die Darlehensgewährung in der Krise mit der Absicht, notfalls stille Beteiligungen zu bilden, könne nicht als normale Darlehensgewährung angesehen werden. Behandele man die neuen Darlehen dagegen als austauschbare Darlehen, scheitere der Anspruch des Klägers daran, dass die Gemeinschuldnerin im Oktober 1993 nicht kreditunwürdig gewesen sei.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes in erster Instanz und der Ausführungen des Landgerichts wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Gegen das seinen erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten am 18.06.1999 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 19.07.1999 (Montag) beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mit einem am 20.09.1999 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Der Kläger wiederholt und ergänzt im Rahmen des Berufungsangriffs sein erstinstanzliches Vorbringen. Er macht im Wesentlichen geltend:

Richtig sei der rechtliche Ausgangspunkt des Landgerichts zur Funktion kapitalersetzender Bürgschaften. Zu Recht habe das Landgericht auch die Kreditunwürdigkeit der Gemeinschuldnerin im Oktober 1993 bejaht. Nicht haltbar sei aber das Argument, die von den Herren E. und L. für die Darlehensablösung zur Verfügung gestellten Mittel seien später in stille Einlagen umgewandelt worden. Diese Annahme sei aktenwidrig. Nach der Behauptung des Beklagten habe es sich um bloße Darlehen der Herren gehandelt. Stille Einlagen seien erst später aufgrund weiterer Mittel der Herren von je 300.000 DM gebildet worden. Dies ergebe sich auch daraus, dass die Mittel für die Darlehensablösung für diesen Zweck ausgegeben worden seien und daher als Einlage nicht zur Verfügung gestanden hätten (Verweisung auf GA 14, 47). Darlehen stiller Gesellschafter hätten keine eigenkapitalersetzende Funktion, ebensowenig werde der typische stille Gesellschafter durch die stille Einlage in die Haftungsverantwortung genommen. Neues Kapital sei der Gemeinschuldnerin demgemäß nicht zugeführt worden. Die Überschuldung und Kreditunwürdigkeit der Gemeinschuldnerin sei im übrigen für 1993 auch dann zu bejahen, wenn man dir Mittel der Herren E. und L. als Eigenkapitalersatz ansehe.

Der Kläger beantragt,

unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu verurteilen, an ihn 101.682,79 DM nebst 4% Zinsen ab Rechtshängigkeit (11.09.1998) zu zahlen, und Sicherheitsleistung durch Bankbürgschaft zu gestatten.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und Sicherheitsleistung durch Bankbürgschaft zu gestatten.

Er wiederholt und vertieft gleichfalls sein erstinstanzliches Vorbringen. Er macht im Wesentlichen geltend:

Wenn es sich bei den Mitteln der Herren E. und L. um Darlehen gehandelt habe, könne die Gemeinschuldnerin nicht als kreditunwürdig bezeichnet werden, da sie tatsächlich Kredit erhalten habe. Wenn es sich bei den Mitteln um Haftkapital gehandelt habe, habe die Gemeinschuldnerin durch die Tilgung der Fremdverbindlichkeit gegenüber der Volksbank kein Eigenkapital verloren, da ihr Mittel in entsprechender Höhe zugeflossen seien. Im übrigen habe 1993 keine Kredit-unwürdigkeit vorgelegen. Die bilanzielle Überschuldung reiche nicht aus. Die Fortführungsprognose der Gemeinschuldnerin sei positiv gewesen. 1993, 1994 und 1995 habe sie Fördermittel in Höhe von mehreren hunderttausend Mark erhalten (GA 201). Die Verlustvorträge seien als Anlaufverluste der jungen Gesellschaft eingeschätzt worden. Dass sich die Prognose aufgrund der Konkurseröffnung im September 1997 letztlich als unrichtig herausgestellt habe, stehe dem nicht entgegen. Zudem seien der Gemeinschuldnerin 1993 und 1994 neue Kredite, u.a. von der Sparkasse A., gewährt worden. Die Mittelzuführung der Herren E. und L. sei so zu bewerten, dass die Tilgung der Kredite nicht aus Mitteln der Gemeinschuldnerin erfolgt sei; wirtschaftlich habe lediglich ein Gläubigerwechsel zwischen Volksbank und den Herren E. und L. stattgefunden (GA 203 f.). Die stille Einlage habe durch Umwandlung der Darlehensforderung bewirkt werden können. Die Hingabe des Geldes zur Darlehenstilgung habe mithin der Bildung stiller Einlagen nicht entgegen gestanden. Entgegen den Ausführungen der Berufung sei bereits 1993 beabsichtigt gewesen, die zur Darlehenstilgung gegebenen Mittel in stille Einlagen umzuwandeln.

Der Streithelfer schließt sich dem Berufungsantrag des Beklagten an. Er macht im Wesentlichen geltend:

Im Zeitpunkt der relevanten Darlehensablösung habe nur noch die Ausfallbürgschaft des Beklagten in Höhe von 50.000,00 DM bestanden; die zweckgebundene Bürgschaft über 90.000 DM für den Kontokorrentkredit sei bereits erloschen gewesen. Die Annahme des Landgerichts, die Gemeinschuldnerin sei zum 31.12.1992 und im November 1993 überschuldet und kreditunwürdig gewesen, sei unrichtig. Es habe sich um eine rein bilanzielle Überschuldung gehandelt. Eine rechnerische Überschuldung habe nicht vorgelegen. 1991 sei ein Ertrag erwirtschaftet worden. Auch 1992 sei kein ungedeckter Betriebsverlust entstanden. Die Fortbestehensprognose sei bis Ende 1994 positiv gewesen. Dies ergebe sich aus den Zuflüssen der Herren E. und L.. Diese hätten in der Folge noch Kredite der D. Bank und anderer Kreditinstitute besichert und sich 1994 still beteiligt. Noch bis 1997 sei über den Beitritt Herrn E.s als Gesellschafter mit weiterem Kapital gesprochen worden. In der Bilanz 1994 seien die stillen Beteiligungen ausgewiesen gewesen. Aus der Bilanz für 1995 ergebe sich für dieses Jahr ein Betriebsgewinn sowie eine Verringerung des Fehlbetrages. Die Werte des Anlagevermögens seien höher gewesen als die bilanziell ausgewiesenen Restbuchwerte. Das Auftragsvolumen, u.a. zwei öffentlich geförderte Projekte, habe bei ca. 1,9 Mio. DM gelegen. Bis Juni 1997 habe die Gemeinschuldnerin ihre fälligen Verpflichtungen erfüllt. Die Herren E. und L. hätten die Darlehensverbindlichkeiten der Gemeinschuldnerin direkt, also nicht über deren Konten, getilgt. Jedenfalls liege lediglich ein Darlehenstausch vor. Der Beklagte und ein weiterer Gesellschafter hätten ausweislich des Anhangs zur Bilanz 1995 im Jahre 1995 je 50.000,00 DM an verlorenen Zuschüssen eingebracht. Die Herren E. und L. hätten die Mittel zur Tilgung der Darlehen nach dem Vortrag des Beklagten in stille Beteiligungen umgewandelt. Da sie als atypisch stille Gesellschafter die Geschicke der Gemeinschuldnerin mitbestimmt hätten, habe der Kläger keine Ansprüche der beiden im Konkursverfahren anerkannt.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Vortrags in zweiter Instanz wird auf die Schriftsätze und die überreichten Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung in Höhe des noch geltend gemachten Betrages nach den Rechtsprechungsgrundsätzen zu den §§ 30, 31 GmbHG.

1. Dies folgt in Höhe von 51.682,79 DM schon daraus, dass im Oktober 1993 nur noch eine Bürgschaft des Beklagten für die drei hier in Frage stehenden Konten in Höhe von 50.000,00 DM bestand. Der Streithelfer hat in seiner Berufungserwiderung (Seite 2 f. = GA 166 f.) vorgetragen, die selbstschuldnerische Bürgschaft über 90.000,00 DM für das Konto Nr. ...... habe sich nur auf den den Basisbetrag von 50.000,00 DM übersteigenden Betrag bezogen. Dies wird bestätigt durch das vom Streithelfer in Bezug genommene Schreiben der Volksbank E. vom 20.05.1996 (GA 20), in dem es heißt, die Bürgschaftsübernahme sei zweckgebunden gewesen für "den Erhöhungsbetrag von DM 90.000,-- für Kontokorrentkredit Konto Nr. ......". Der Kläger ist diesem Vortrag nicht entgegengetreten; in der Klageschrift (Seite 3 = GA 3) ist auch ausdrücklich vorgetragen, die selbstschuldnerische Bürgschaft betreffe das Konto Nr. ....... Er macht auch nicht geltend, dass die Tilgung des Erhöhungsbetrages in einer die Haftung des Beklagten analog den §§ 30, 31 GmbHG begründenden Weise erfolgt sei. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass diese Bürgschaft am 11.10.1993, als das Konto Nr. ...... ein Debetsaldo von nur noch 41.875,50 DM auswies, bereits erloschen war.

2. Im übrigen und hinsichtlich des Restbetrages von 50.000,00 DM gilt Folgendes:

a) Der Kläger macht nicht geltend, die Bürgschaft sei von dem Beklagten zu einem Zeitpunkt gegeben worden, als sich die Gemeinschuldnerin bereits in der Krise befand. Die Haftung des Beklagten kann sich demgemäß nur daraus ergeben, dass er die Bürgschaft in der Krisensituation hat stehen lassen. Dies läßt sich indes nach dem Vortrag des Klägers nicht feststellen.

b) Richtig ist allerdings, dass die Gemeinschuldnerin ab 1992 bilanziell überschuldet war. Für die Anwendung der Rechtsprechungsregeln zum Eigenkapitalersatz analog §§ 30, 31 GmbHG (bzw. der §§ 32a, 32b GmbHG) reicht indes eine bilanzielle Unterdeckung oder Überschuldung nicht aus; erforderlich sind vielmehr rechnerische Überschuldung und negative Fortbestehensprognose (vgl. BGHZ 119, 201, 213 f.; BGH ZIP 1999, 1524, 1525).

c) Für eine rechnerische Überschuldung Ende 1992 hat der Kläger nicht ausreichend vorgetragen. Der Streithelfer macht geltend, eine rechnerische Überschuldung habe 1992 nicht vorgelegen. 1991 sei, wie schon der Beklagte erstinstanzlich geltend gemacht hat (GA 45), ein positiver Ertrag erwirtschaftet worden. Die Abschreibungen seien rein steuerlich fiktive Posten, der Verlustvortrag in Höhe von 455.000,00 DM sei ein steuerlich rein bilanzieller Verlust gewesen, der ebenfalls im Wesentlichen durch hohe Abschreibungen entstanden gewesen sei. Der Jahresfehlbetrag in Höhe von 323.555,00 DM sei deshalb bei der Berechnung der rechnerischen Überschuldung nicht zu berücksichtigen. Entsprechendes gelte für die Abschreibungen für 1992 in Höhe von 433.036,13 DM. Dazu verweist der Streithelfer auf seinen Lagebericht als Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin für das Geschäftsjahr 1992, erstellt im September 1994, wonach im Geschäftsjahr bisher aktivierte eigenerstellte Softwareprodukte und hierfür aktivierte Fremdleistungen in Höhe von insgesamt 410.759,44 DM abgeschrieben werden mussten, da die Entwicklungen nicht auftragsbezogen erfolgten (GA 12). Diesen Ausführungen ist der Kläger nicht entgegengetreten, so dass von den vom Streithelfer vorgetragenen Tatsachen auszugehen ist. Folgt man dessen Berechnung, verbleibt ein Betriebsverlust von ca. 540.000,00 DM, der durch das Eigenkapital allerdings gedeckt war.

d) Wohl ergibt sich aus dem unstreitigen Vortrag, dass sich der Jahresfehlbetrag Ende 1993 auf ca. 292.000,00 DM belief (GA 177, 181), der nur teilweise durch Eigenkapital gedeckt war. Der Beklagte und der Streithelfer machen allerdings mit Erfolg geltend, dass die Fortbestehensprognose der Gesellschaft Ende 1993 und auch noch darüber hinaus positiv gewesen sei, eine rechtliche Überschuldung mithin nicht vorgelegen habe.

Eine günstige Fortbestehensprognose setzt voraus, dass die Finanz- und Ertragsplanung die überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür ergibt, dass mittelfristig nicht mit dem Eintritt einer Zahlungsunfähigkeit, sondern damit zu rechnen ist, dass die Gesellschaft in überschaubarer Zeit ihre fälligen Verpflichtungen erfüllen wird (vgl. BGH NZI 1999, 320, 321 f., 322). Der Beklagte und der Streithelfer verweisen darauf, dass die Gesellschaft im Jahre 1993 davon ausging, aus den damaligen Projekten der Softwareentwicklung, die teilweise von der Europäischen Gemeinschaft gefördert wurden, in wenigen Jahren Gewinne erwirtschaften zu können. 1993 sei von der Europäischen Gemeinschaft ein Forschungsprojekt mit einem Fördervolumen für die folgenden drei Jahre in Höhe von 600.000,00 DM bewilligt worden. Sowohl die Geschäftsführung der Gesellschaft als auch die Herren L. und E., welche ihr 1993 Kredit gegeben und sich 1994 still beteiligt hätten, seien deshalb davon ausgegangen, die Gesellschaft werde ihre fälligen Verpflichtungen mittelfristig erfüllen können. Diese Prognose habe sich auch zunächst bestätigt. 1994 und 1995 hätten Fördermittel des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie in Höhe von 700.000,00 DM für drei Jahre erlangt werden können. Die Fördermittel der Europäischen Union seien auf 900.000,00 DM erhöht worden, eine vielversprechende Kooperation mit der Firma S. und mit dem Lehrstuhl für Fertigungsmeßtechnik und Qualitätssicherung der Universität A. sei vereinbart worden. Noch 1995 hätten zwei öffentlich geförderte Projekte einen Umsatz von 511.000,00 DM garantiert. 1996 hätten Aufträge über 1.098.000,00 DM vorgelegen. Bis Juni 1997 seien die fälligen Verpflichtungen der Gemeinschuldnerin jeweils erfüllt worden.

All dem ist der Kläger nicht entgegen getreten. Er hat auch nicht bestritten, dass Softwareentwicklungsgesellschaften wie die Gemeinschuldnerin eine gewisse Durststrecke zu durchlaufen haben, bevor die Forschungsarbeiten in konkrete, finanziell gewinnbringende Projekte münden. Dass Liquiditätsschwierigkeiten erst ab Ende 1996 auftraten und die Gesellschaft erst 1997 zahlungsunfähig wurde, ergibt sich aus dem Bericht des Klägers vom Oktober 1997 (GA 13, 15). Aufgrund des danach unstreitigen Sachverhalts war nach Auffassung des Senats die Ende 1993 offensichtlich von allen Beteiligten angestellte positive Prognose subjektiv und objektiv gerechtfertigt. Unerheblich ist dabei, dass das Überleben der Gesellschaft zunächst durch die Mittel der Herren E. und L. sichergestellt werden sollte. Denn deren ganz erhebliche finanzielle Leistungen erfolgten ohne jede bestehende Verpflichtung offensichtlich in der Erwartung einer positiven Entwicklung der Gesellschaft. Unerheblich ist dabei auch, ob die Herren E. und L. zunächst nur Darlehen zur Verfügung stellten und dann weitere Beträge als stille Einlagen leisteten oder ob die Darlehen später in stille Einlagen umgewandelt wurden.

e) Ohne Erfolg beruft sich der Kläger darauf, die Gemeinschuldnerin sei im Oktober 1993 kredit-unwürdig gewesen. Eine auf Kreditunwürdigkeit beruhende Krise der Gesellschaft liegt vor, wenn sie von dritter Seite einen zur Fortführung des Unternehmens erforderlichen Kredit zu marktüblichen Bedingungen nicht erhält und sie deshalb ohne die Gesellschafterleistung liquidiert werden müsste (BGHZ 119, 201, 206; BGH ZIP 1999, 1524, 1526).

Nach dem vom Kläger nicht bestrittenen Sachvortrag des Beklagten und des Streithelfers fehlte es bereits an der ersten Voraussetzung. Denn danach hat die Gemeinschuldnerin 1993 und 1994 Kredite von der D. Bank, der Sparkasse A. und anderen Kreditinstituten erhalten. Der Kläger selbst hat mit Schriftsatz vom 27.01.1999 vorgetragen, per 30.05.1995 sei ein neues Darlehen der Sparkasse A. in Höhe von 50.000,00 DM zur Rückführung eines bestehenden Kredits gewährt worden.

Hinzu kommt, dass die Herren E. und L. tatsächlich Mittel zur Verfügung stellten, die nach dem Vortrag des Klägers im Berufungsverfahren ausschließlich als Darlehen ohne die Absicht der späteren Umwandlung in stille Beteiligungen gewährt wurden. Selbst wenn man - entgegen dem Klägervortrag - davon ausgeht, dass diese Darlehen nicht unter marktüblichen Bedingungen, sondern in der Absicht späterer Beteiligung gewährt wurden, so ist jedenfalls festzustellen, dass die Gesellschaft Ende 1993 nicht wegen des Mangels an marktüblichen Krediten ohne die Bürgschaft des Beklagten liquidiert werden musste. Die Liquidation der Gesellschaft stand 1993 offensichtlich für niemanden in Frage; diese zur Vermeidung seiner Haftung zu veranlassen, konnte auch dem Beklagten unter den gegebenen Umständen nicht angesonnen werden. Demgemäß sind die Geschäfte noch jahrelang mit erheblichem Umsatzvolumen und unter Gewährung öffentlicher Fördermittel weiterbetrieben worden. Unerheblich ist, dass sich die damalige positive Erwartung nachträglich als unbegründet herausgestellt hat. Denn die Kreditunwürdigkeit der Gesellschaft ist nicht rückblickend, sondern allein aufgrund der Umstände im Zeitpunkt der Gewährung oder Belassung der möglicherweise eigenkapitalersetzenden Leistung zu beurteilen (BGHZ 119, 201, 206 ff.; BGH WM 1987, 1488, 1489).

3. Darauf, ob den streitentscheidenden Überlegungen des Landgerichts und den weitergehenden Argumenten des Beklagten und des Streithelfers gefolgt werden kann, kommt es danach nicht an.

Die Kostenentscheidung beruht auf den § 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Beschwer des Klägers übersteigt 60.000,00 DM.

Berufungsstreitwert: 101.682,79 DM

Ende der Entscheidung

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