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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 16.11.2005
Aktenzeichen: 11 U 163/04
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB §§ 249 ff
ZPO § 287
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 U 163/04

Anlage zum Protokoll vom 16.11.2005

Verkündet am 16.11.2005

In dem Rechtsstreit

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 21. September 2005 durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Caesar sowie die Richter am Oberlandesgericht Dr. Küpper und Borzutzki-Pasing

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Köln von 05.08.2004 (8 O 143/03) abgeändert und der Beklagte unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, an den Kläger 46.016,27 € nebst Zinsen in Höhe von 4% seit dem 22.10.2001 zu zahlen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Wegen des Sachverhalts und des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Der Kläger, der den Beklagten auf Schadensersatz wegen zweier im Jahre 1999 ausgeübter Einbruchdiebstähle in sein Juweliergeschäft in Anspruch nimmt, wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Seinen bei den beiden Einbruchdiebstählen im Jahre 1999 erlittenen Schaden hat er zuletzt wie folgt berechnet:

 Warenbestand zum 31.12.1998293.978,25 DM
Wareneinkauf 1999163.531,68 DM
Warenverkauf 1999- 58.625,78 DM
Sollbestand zum 31.12.1999398.884,15 DM
Tatsächlicher Warenbestand zum 31.12.1999- 124.861,97 DM
Differenz274.022,18 DM
 (140.105,31 €).

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts vom 05.08.2004 den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 46.016,27 € nebst 5% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.10.2001 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auch er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen.

Der Senat hat aufgrund des Beweisbeschlusses vom 22.06.2005 (Bl. 374 d. A.) durch Vernehmung der Zeuginnen T H und I Q Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 21.09.2005 (Bl. 463 ff. d.A.) verwiesen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien sowie die sonstigen zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat - bis auf einen Teil des Zinsbegehrens - in der Sache Erfolg.

1.

Der Beklagte ist dem Kläger dem Grunde nach jedenfalls wegen Hehlerei aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 257 StGB zum Schadenersatz verpflichtet. Das hat das Landgericht zutreffend ausgeführt; hiergegen hat der Beklagte auch im Berufungsverfahren keine erheblichen Einwendungen mehr erhoben.

2.

Die Klage ist auch der Höhe nach in vollem Umfange begründet. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil dem Kläger nicht der Beweis gelungen sei, dass die von ihm in der Aufstellung Blatt 140 ff. d. A. bezeichneten Uhren und Schmuckstücke entwendet worden und nicht wieder an ihn zurückgelangt seien. Diese Entscheidung beruht auf einer Verkennung der Beweislast. Nach allgemeinen Grundsätzen hat der Geschädigte die Höhe des Schadens zu beweisen. Maßgebender Zeitpunkt ist dabei der Zeitpunkt der Erfüllung; verfahrensmäßig ist von der Verhandlung zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatrichter auszugehen (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 64. Auflage, Vorbemerkung vor § 249 Rdn. 174 m. w. N.). Ist dem Geschädigten dieser Beweis gelungen, so trägt der Schädiger die Beweislast hinsichtlich der Umstände, die den Schaden verringert haben. Dies gilt etwa für den Einwand des Vorteilsausgleichs (Palandt-Heinrichs a.a.O. Rdn. 123) oder den der Erfüllung (Palandt-Heinrichs § 363 Rdn. 1). Nichts anderes kann dafür gelten, ob und in welchem Umfange der durch Entwendung von Sachen entstandene Schaden dadurch verringert worden ist, dass der Geschädigte entwendete Gegenstände zurückerlangt hat. Für die Beweislastverteilung kann es nicht von Bedeutung sein, ob diese Zurückerlangung auf einer freiwilligen Handlung des Schädigers (Erfüllung) oder aber auf sonstigen Umständen beruht. Für die nach dieser Beweislastverteilung zu beurteilende Schadenshöhe gilt der Grundsatz des richterlichen Schadensermessens (§ 287 Abs. 1 ZPO). Hierfür reicht als Beweismaß eine deutlich überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit für die richterliche Überzeugungsbildung aus (BGH NJW 1993, 734; NJW 2004, 444, 445; NJW 2004, 1521, 1522; Senat NJW-RR 2005, 1042, 1044 = OLGR 2004, 424; Palandt-Heinrichs Vorbemerkung von § 249 Rdn. 172). Eine richterliche Schadensschätzung ist lediglich dann unzulässig, wenn sie mangels greifbarer Anhaltspunkte völlig in der Luft hinge (Zöller-Greger, ZPO, 25. Auflage, § 287 Rdn. 4 m. w. N.).

Unter Zugrundlegung dieser Maßstäbe ist dem Kläger der Beweis des von ihm geltend gemachten Schadens hinreichend gelungen. Nach den von ihm vorgelegten Anlagen K 3 und K 4 (Anlagen zum Schriftsatz vom 19.09.2005) betrug der Warenbestand zum 31.12.1998 293.978,25 DM und zum 31.12.1999 124.861,97 DM. Hierbei hat er den Einkaufswert angesetzt, den er mit den in der Liste angeführten Faktoren errechnet hat. Der Einkaufswert ist eine ge-eignete Grundlage für die Bemessung des Schadens. Der Senat ist aufgrund der Aussagen der Zeuginnen T H und I Q davon überzeugt, dass die Inventurlisten sorgfältig erstellt worden sind. Die beiden Zeuginnen haben an der Erstellung der Liste selbst mitgewirkt; Anhaltspunkte dafür, dass sie die Unwahrheit gesagt haben, bestehen nicht. Gleiches gilt im Hinblick auf die als Anlage K 5 (zum Schriftsatz vom 19.09.2005) eingereichte Liste über den Wareneinkauf in Höhe von insgesamt 163.531,06 DM. Auch zur Erstellung dieser Liste haben die Zeuginnen bekundet und dabei den überzeugenden Eindruck vermittelt, dass die Liste zutreffend erstellt wurde. Diese Liste weist ebenfalls den Einkaufswert aus. Schadensmindernd zu berücksichtigen ist der im Jahre 1999 erfolgte Warenverkauf. Diesen hat der Kläger mit 58.625,78 DM angegeben. Der Beklagte wendet insoweit ein, dass ausweislich der vom Kläger vorgereichten Gewinn- und Verlustrechnung für das Jahr 1999 die Umsatzerlöse nebst Mehrwertsteuer 142.195,15 DM betragen hätten. Auch wenn in der Gewinn- und Verlustrechnung der vom Kläger angegebene Betrag als Aufwendungen für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie bezogene Waren ebenfalls aufgeführt ist und der Kläger den Warenverbrauch bereits in der Anlage zum Schriftsatz vom 30.06.2003 (Bl. 58 d. A.) aufgeführt hat, legt der Senat im Rahmen der Schadensschätzung zu Gunsten des Beklagten die Umsatzerlöse in Höhe von 142.195,15 DM zu Grunde. Dieser Erlös ist allerdings in die Einkaufspreise umzurechnen. Wendet man hierbei insgesamt den für den Beklagten günstigsten Umrechnungsfaktor von 1,9 (für Uhren) an, so errechnet sich ein den Schaden vermindernder Umsatzerlös von 74.839,55 DM.

Auf dieser Grundlage ergibt sich folgende Schadensberechnung:

 Warenbestand zum 31.12.1998293.978,25 DM
Wareneinkauf 1999 163.531,68 DM
Warenverkauf 1999 - 74.839,55 DM
Ergebnis/Sollbestand zum 31.12.1999 382.670,38 DM
Tatsächlicher Warenbestand 
zum 31.12.1999- 124.861,97 DM
Schaden257.808,41 DM

Hiervon ist der Wert der vom Kläger zurückerhaltenen Gegenstände in Abzug zu bringen. Der Kläger beziffert diesen Wert auf 119.720,00 DM, so dass ein Restschaden von 138.088,41 DM (70.603,48 €) verbleibt. Dieser Betrag übersteigt den mit der Klage geltend gemachten Schaden von 46.016,72 € um mehr als 24.000,00 €.

Mit Rücksicht auf diese Differenz sind die vom Beklagten geltend gemachten Einwendungen unerheblich. Für seinen Einwand, der Kläger habe nicht alle zurückerhaltenen Gegenstände angegeben, ist er - wie ausgeführt - darlegungs- und beweispflichtig. In Anbetracht des Differenzbetrages von 24.000,00 € zwischen dem vom Kläger aufgrund der Inventur- und Einkaufslisten hinreichend nachgewiesenen Schaden und dem geltend gemachten Schadenersatz hätte der Beklagte im Rahmen des § 287 ZPO hinreichende Anhaltspunkte dafür beweisen müssen, dass der Kläger weitere Gegenstände im Wert dieser Größenordnung zurückerhalten hätte. Dies ist nicht der Fall; die Einwände des Beklagten beschränken sich auf den Rückerhalt einzelner Gegenstände in einem weit geringeren Wert.

Unbegründet ist auch sein Einwand, die Goldpreise seien entgegen den Angaben des Klägers und der Zeugin H in den letzten zehn Jahren nicht gestiegen. In dem nachgelassenen Schriftsatz vom 18.10.2005 wendet er ein, der Goldpreis sei von 1988 bis zu den Jahren 1999/2000 stetig gefallen, insbesondere in der Mitte des Jahres 1999 habe er auf einem Tiefpunkt gelegen. Erst seit dem Jahre 2001 sei er stark angestiegen und befinde sich jetzt wieder auf dem Niveau des Jahres 1988. Auch wenn man das zugrunde legt, bleibt der Einwand des Beklagten unerheblich. Maßgebend ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Nach dem vom Beklagten als Anlage zum Schriftsatz vom 18.10.2005 selbst vorgelegten Laufkursdiagramm hat der Goldpreis in dem nunmehr maßgeblichen Zeitpunkt ein Niveau erreicht, das nicht unter, sondern über dem Stand der letzten zehn Jahre liegt.

Aus der Schadensberechnung sind zu Gunsten des Beklagten auch nicht die von der Firma P mit Rechnung vom 26.05.1999 zum Einkaufspreis von 47.475,05 DM berechneten und von dem Kläger in der Zusammenstellung der Einkäufe 1999 (Anlage K 5 zum Schriftsatz vom 19.09.2005) mit diesem Betrag einbezogenen Waren herauszunehmen. Diese Waren mögen zwar entsprechend den auf der Rechnung abgedruckten Geschäftsbedingungen bis zur vollständigen Bezahlung im Eigentum der Firma P verblieben sein. Nach dem unbestrittenen Vortrag des Klägers hat die Firma P ihm die Waren aber nach dem Einbruch in Rechnung gestellt und sich vom Kläger Wechsel ausstellen lassen. An den Beklagten hat sie sich zum Zwecke der Schadenswiedergutmachung dagegen nicht gewendet. Hieraus ist zu entnehmen, dass sie dem Kläger die Warengegenstände entweder übereignet oder ihn zumindest ermächtigt hat, Schadenersatzansprüche gegen den Beklagten im eigenen Namen geltend zu machen.

III.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB a.F. Da die Klageforderung vor dem 1.5.2000 entstanden und fällig geworden ist, kommt die bis zum 30.3.2000 geltende Fassung des § 288 BGB zur Anwendung, nach der gesetzliche lediglich Zinsen in Höhe von 4% geschuldet werden (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 63. Aufl., § 288 Rdn. 1).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 711 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die dafür nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und 2 ZPO erforderlichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

Berufungsstreitwert: 46.016,27 €

Ende der Entscheidung

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