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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 11.07.2001
Aktenzeichen: 11 U 177/00
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 823 Abs. 1
BGB § 847 Abs. 1
ZPO § 713
ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 U 177/00

Anlage zum Protokoll vom 11.07.2001

Verkündet am 11.07.2001

In dem Rechtsstreit

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 16. Mai 2001 durch den Richter am Oberlandesgericht Zoll als Vorsitzenden, die Richterin am Oberlandesgericht Opitz und den Richter am Landgericht Ernst

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 01.09.2000 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 9 O 112/00 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, an den Kläger 50.000,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 16.09.1999 zu zahlen.

Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden dem Kläger zu 35 % und der Beklagten zu 65 % auferlegt. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 67 % und die Beklagte 33 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat zu einem Teil Erfolg.

Der Kläger hat gegen die Beklagte gemäß §§ 823 Abs. 1, 847 Abs. 1 BGB, 3 PflVersG einen Anspruch auf Zahlung von weiteren 50.000,00 DM Schmerzensgeld, insgesamt also einen Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 100.000,00 DM. Eine Schmerzensgeldrente kann er daneben nicht verlangen; auch steht ihm ein höheres Schmerzensgeldkapital nicht zu.

1.

Abweichend von der Entscheidung des Landgerichts, welches ein Schmerzensgeld von insgesamt 80.000,00 DM als angemessen angesehen hat, hält der Senat die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes in Höhe von insgesamt 100.000,00 DM für geboten.

Das Schmerzensgeld soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für diejenigen Schäden, die nicht vermögensrechtlicher Art sind, gewähren und zugleich dem Genugtuungsbedürfnis des Geschädigten Rechnung tragen (BGHZ 18, 149 ff., 156 f.; BGH NJW 1993, 781; BGH NJW 1996, 1591).

Bei der Schätzung des angemessenen Ausgleichs (§ 287 ZPO) sind die Schwere und Dauer der erlittenen Schmerzen, Umfang und Dauer der bleibenden Beeinträchtigungen und die aus dem Unfall herrührenden gesundheitlichen Zukunftsrisiken zu berücksichtigen.

Der Kläger hat infolge des Unfalles eine Vielzahl von Frakturen, insbesondere im Bereich des rechten Unterarms, des Beckens sowie der Unter- und Oberschenkel beider Beine erlitten. Diese Verletzungen waren gravierend. Zu ihrer Behandlung musste sich der Kläger über sechs Monate stationär im Krankenhaus aufhalten und weitere fünf Monte teilstationär. Er wurde in zum Teil lang andauernden Operationen bislang sechs Mal operiert; hierbei waren über 30 Blutübertragungen notwendig.

Die verbleibenden Beeinträchtigungen des Klägers sind schwerwiegend. Sein rechter Arm, insbesondere aber beide Beine sind erheblich auf Dauer in ihrer Funktionsfähigkeit gemindert. Das linke Bein des Klägers ist um 2 cm verkürzt; dies ruft ein hinkendes Gangbild hervor. Der Kläger muss darüber hinaus mit einer Vielzahl unschöner Narben und Weichteildefekten, besonders im Bereich der Beine leben.

Der seitens des Klägers erlittene Dauerschaden liegt ausweislich des Gutachtens der E.-Klinik in M. vom 01.06.1999 (Bl. 35 ff. GA) bei 70 %; der Kläger hat mit Verschlimmerungen der Unfallfolgen in Form von arthrotischen Veränderungen mit weiteren Funktionsstörungen zu rechnen.

Bei der Schmerzensgeldbemessung war zudem zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Kläger um einen zum Unfallzeitpunkt erst 18-jährigen jungen Mann handelt. Ihn treffen die geschilderten Unfallfolgen in besonderer Weise. So kann er den angestrebten Beruf als Kfz-Mechaniker nicht ausüben; ihm ist eine altersgemäße Lebensgestaltung, wie das Sporttreiben, Tanzen, der unbefangene Besuch eines Schwimmbades und ähnliches, nicht oder nur eingeschränkt möglich. Die Bedeutung dieser Benachteiligung ist für einen Menschen im Alter von 18 Jahren hoch zu veranschlagen, weil sie sich für die gesamte Lebensdauer auswirkt.

Schließlich war bei der Ermittlung des angemessenen Schmerzensgeldes die ihm zukommende Genugtuungsfunktion einzubeziehen. Denn der Kläger ist durch einen grob fahrlässigen Verkehrsverstoß des Versicherungsnehmers der Beklagten verletzt worden; dieser hat mit seinem Pkw die von dem Kläger mit seinem Motorroller ordnungsgemäß befahrene Gegenfahrbahn benutzt und hat dadurch den Unfall verursacht.

Nach Auffassung des Senats erfordert die Gesamtheit der geschilderten Beeinträchtigungen unter Berücksichtigung der Genugtuungsfunktion schon ein Schmerzensgeld in Höhe von 100.000,00 DM. Der Senat bewegt sich mit der Zuerkennung dieses Schmerzensgeldes innerhalb der Größenordnung der für vergleichbare Beeinträchtigungen zuerkannten Schmerzensgeldbeträge (vgl. OLG München, Zfs 1992, 264; OLG Hamm, VersR 1997, 1108; LG Köln, VersR 1993, 1539).

Soweit der Kläger weitere, zum Teil streitige Beeinträchtigungen geschildert hat, stehen diese jedenfalls in Zusammenhang mit den schon berücksichtigten gravierenden Funktionsstörungen der Beine und des erlittenen Dauerschadens; sie fallen deshalb bei der Bemessung des Schmerzensgeldes nicht weiter ins Gewicht.

2.

Neben dem - an der oberen Grenze - zugesprochenen Schmerzensgeldkapital ist keine Schmerzensgeldrente zuzuerkennen. Wie bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, kommt eine Schmerzensgeldrente neben einer Kapitalabfindung nur in engen begrenzten Ausnahmefällen in Betracht, so bei schweren voraussichtlichen lebenslangen Dauerschäden (BGH VersR 1997, 65). Die Rente soll dem Geschädigten die Möglichkeit geben, sein beeinträchtigtes Lebensgefühl stets von neuem durch zusätzliche Erleichterungen und Annehmlichkeiten zu heben (BGH VersR 1993, 113). Dies ist nur bei schwersten lebenslangen Beeinträchtigungen und ständigen starken Schmerzen sowie einer erheblichen Beeinträchtigung der Lebensqualität der Fall (OLG Frankfurt RuS 1992, 91; OLG Düsseldorf, VersR 1997, 65). Im Streitfall bewegen sich die Dauerfolgen, die der Kläger aufgrund des Unfalls hinzunehmen hat, jedoch noch in einem Rahmen, der eine einmalige Abfindung als ausreichend erscheinen lässt.

3.

Soweit der Kläger mit dem Hilfsantrag ein über 100.000,00 DM hinausgehendes Schmerzensgeld verlangt hat, ist dies unbegründet. Nach den vorstehenden Ausführungen ist ein Schmerzensgeld in einer Gesamthöhe von 100.000,00 DM angemessen aber auch ausreichend.

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Beschwer keiner Partei übersteigt 60.000,00 DM.

Der Berufungsstreitwert beträgt 60.000,00 DM

19 Abs. 1 S. 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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