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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 09.08.2000
Aktenzeichen: 11 U 211/99
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 638
BGB § 637
BGB § 142
BGB § 779
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 U 211/99 18 O 211/98 LG Köln

Anlage zum Terminsprotokoll vom 09.08.2000

Verkündet am 09.08.2000

Bourguignon, J.A. als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 21.06.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Pastor, den Richter am Oberlandesgericht Zoll und die Richterin am Oberlandesgericht Opitz

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen das am 20.08.1999 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 18 O 211/98 - wird zurückgewiesen:

Die Kosten der Berufung fallen den Klägern zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,00 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in der genannten Höhe leistet. Beide Parteien dürfen die Sicherheit durch selbstschuldnerische Bürgschaft eines als Zoll- und Steuerbürgen zugelassenen Kreditinstituts erbringen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte den Klägern als Eigentümern des Objekts B. I und II in R. Schadensersatz wegen mangelhafter Erstellung der Tiefgarage des Objekts in den Jahren 1978 bis 1979 zu leisten hat.

Mit Generalunternehmervertrag vom 10.03.1978 (Anlage K 3) übertrug die Gemeinschaft der R. R. B., H.straße , der Beklagten die kompletten Arbeiten zur schlüsselfertigen Erstellung des Objekts "R. R. B. ". Mit Schreiben vom 14.12.1979 (Anlage K 4) teilte die Beklagte mit, dass die Abnahme für alle Bauteile der Bauherrengemeinschaft I und II durchgeführt sei, und wies darauf hin, dass die fünfjährige Gewährleistungsfrist damit am 31.12.1984 ablaufe.

In den folgenden Jahren zeigten sich an der Wohnungseigentumsanlage verschiedene Mängel. Aus diesem Grund wurden mehrere Gutachten eingeholt.

Am 16.10.1985 schlossen die Parteien eine Vereinbarung (Anlage K 8), in der es u.a. heißt:

"...

1. Zur Abgeltung sämtlicher Ansprüche der Gemeinschaft und sonstiger etwaig aus dem in der Vorbemerkung genannten Generalunternehmervertrag Berechtigter gegen den Generalunternehmer auf Gewährleistung für Mängel am Gesamtbauwerk zahlt der Generalunternehmer einen Abfindungsbetrag in Höhe von DM 300.000,-- ...

2. Mit Leistung des Abfindungsbetrages .. sind sämtliche wechselseitigen Ansprüche aus dem in der Vorbemerkung bezeichneten Generalunternehmervertrag vom 20.03.1978 in der Fassung der Vertragsnachträge ausgeglichen, insbesondere ist der Generalunternehmer aus jeglicher Gewährleistungspflicht aus dem Generalunternehmervertrag in Ansehung jeglicher Mängel am Gesamtbauwerk entlassen.

..."

Der Abschluss der Vereinbarung, die von dem HausverW. , dem Zeugen H. J. S. , als Vertreter der Kläger unterzeichnet worden war, wurde durch Beschluss der Eigentümerversammlung vom 16.10.1985 genehmigt.

Die der Beklagten vorliegenden Bauunterlagen des Objekts sind in der Zeit nach Abschluss des Vergleichs vernichtet worden.

Mit Schreiben vom 24.11.1994 (Anlage K 10) trat der VerW. an die Beklagte heran und teilte mit, im Bereich der Tiefgarage müssten bestimmte Betonträger abgestützt und im Frühjahr 1995 Sanierungsmaßnahmen eingeleitet werden; da die Beklagte das Objekt aus ihrer Bautätigkeit bestens kenne, werde sie um Veranlassung der erforderlichen Absicherungsarbeiten und die Erarbeitung eines Sanierungskonzepts auf der Grundlage des Gutachtens eines eingeschalteten Sachverständigen gebeten. Die Beklagte wurde daraufhin im Rahmen von Abstützungsmaßnahmen tätig. Mit Schreiben vom 16.01.1995 teilte sie dem VerW. mit, die Kosten müssten in Rechnung gestellt werden; die Ortsbesichtigung habe ergeben, dass der Schaden auf ein Verschließen der Hochwasserflutöffnungen mit Edelstahlplatten und dadurch bedingte erhebliche Auf- und Abtriebbewegungen der Bodenplatten und tragenden Bauelemente während der letzten Rheinhochwässer verursacht worden sein dürfte und dass eine Entfernung der Abdeckungen angeraten werde.

Unter dem 16.05.1995 erstellte der Sachverständige Prof. Dr.-Ing. K. ein Gutachten zu den Rissbildungen in Bauteilen der Tiefgarage (Anlage K 12).

Unter Hinweis auf dieses Gutachten forderten die Kläger die Beklagte durch Anwaltsschreiben vom 24.05.1996 (Anlage K 13) unter Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung zur Durchführung von Nachbesserungsarbeiten auf und machten geltend, der Ablauf der Gewährleistungsfristen und der am 16.10. 1985 geschlossene Vergleich stünden der Verpflichtung zur Nachbesserung nicht entgegen; bei ordnungsgemäßer Überwachung und Überprüfung habe seinerzeit erkannt werden müssen, dass der Bau den statischen Anforderungen nicht entspreche und zum Teil erheblich von den Vorgaben der Ausführungspläne abweiche. Mit Schreiben vom 05.06.1995 (Anlage K 14) wies die Beklagte den geltend gemachten Nachbesserungsanspruch zurück, bestritt die zur Bauausführung erhobenen Vorwürfe und führte den Schaden auf die zweimalige Überflutung des Objekts durch Rheinhochwasser zurück.

Die Kläger ließen in der Folgezeit Sanierungsarbeiten durch die Firma W. GmbH unter der Bauleitung der K. K. Planungsgesellschaft mbH durchführen. Die entstandenen Kosten beziffern sie auf insgesamt 308.058,39 DM.

Die Kläger haben geltend gemacht: Die Beklagte habe ,die von dem Sachverständigen Prof. Dr. K. festgestellten Mängel der Tiefgarage bei Abschluss des Abfindungsvergleichs arglistig verschwiegen. Sie habe den Fertigstellungsprozess nicht ordnungsgemäß überwacht und deshalb nicht festgestellt, dass die ausgeführten Arbeiten den statischen Anforderungen nicht entsprachen und zum Teil sogar erheblich von den Vorgaben der Ausführungspläne abwichen. Die Beklagte habe für die nun festgestellten Mängel der Bausache aufgrund fehlerhafter Organisation einzustehen; Gewährleistungsansprüche seien nicht nach § 638 BGB verjährt; die Vereinbarung vom 16.10.1985 sei gemäß § 637 BGB nichtig.

Die Kläger haben beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 308.058,39 DM nebst 4% Zinsen ab Klagezustellung zu zahlen;

2) festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihnen über den mit dem Antrag zu 1 geltend gemachten Betrag hinaus jegliche Aufwendungen zu ersetzen, die ihr infolge der mangelhaften Leistungen der Beklagten in Zusammenhang mit Planung und Ausführung der Tiefgarage in der Wohnungseigentumsanlage B. I und II, H.straße, K. - R. noch entstehen werden.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat geltend gemacht, ursächlich für die eingetretenen Schäden seien nicht Fehler bei der Bauausführung, sondern die letzten Rheinhochwässer, möglicherweise auch das Erdbeben im Jahre 1992. Sie habe weder arglistig gehandelt noch sei ihr ein Organisationsverschulden zur Last zu legen; die Baustelle sei mit sorgfältig ausgewähltem, hochqualifizierten Bauleitungspersonal besetzt gewesen.

Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben, Einwendungen zur Schadensberechnung erhoben und hilfsweise die Aufrechnung mit der von ihr gezahlten Vergleichssumme erklärt.

Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Es hat im Wesentlichen ausgeführt:

Es könne dahinstehen, ob die werkvertraglichen Gewährleistungsansprüche der Klägerin verjährt seien, denn den von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzansprüchen stehe jedenfalls die zwischen den Parteien am 16.10.1985 geschlossene Vereinbarung entgegen. Die Abfindung sei zur Abgeltung sämtlicher Ansprüche der Gemeinschaft auf Gewährleistungshaftung für Mängel am Gesamtbauwerk gezahlt worden; damit seien sämtliche wechselseitigen Ansprüche aus dem Generalunternehmervertrag ausgeglichen, insbesondere sei der Generalunternehmer aus jeglicher Gewährleistungspflicht aus dem Generalunternehmervertrag in Ansehung jeglicher Mängel am Gesamtbauwerk entlassen worden. Die Vereinbarung sei nicht gemäß § 637 BGB wegen arglistigen Verschweigens von Mängeln nichtig. Der Vortrag der Kläger dazu sei völlig pauschal und ins Blaue hinein erfolgt, konkrete Tatsachen seien, auch hinsichtlich etwaiger Wissensvertreter oder Erfüllungsgehilfen, nicht vorgetragen. Es könne dahinstehen, ob es sich bei den von den Klägern behaupteten Mängeln um gravierende Mängel an besonders wichtigen Gewerken oder um besonders augenfällige Mängel an weniger wichtigen Bauteilen im Sinne der Rechtsprechung zum Organisationsverschulden des Bauunternehmers handele. Ein Organisationsverschulden könne der Beklagten nicht vorgeworfen werden, da sie die Baustelle unstreitig mit sorgfältig ausgewähltem, hochqualifizierten Bauleitungspersonal besetzt gehabt habe, nämlich mit einem Oberbauleiter, zwei Bauleitern und einem Polier; dass darüber hinaus organisatorische Maßnahmen geboten gewesen wären, hätten die Kläger nicht vorgetragen. Eine detailliertere Darstellung der innerbetrieblichen Organisation des Herstellungsprozesses hinsichtlich Überwachung und Überprüfung könne von der Beklagten nicht verlangt werden, da sämtliche Bauunterlagen, insbesondere die Bautagebücher von der Beklagten im Vertrauen auf den Zeitablauf und den im Jahre 1985 geschlossenen Vergleich von der Beklagten zwischenzeitlich vernichtet worden seien. Beweisschwierigkeiten, die auf den die vereinbarte Verjährungsfrist überschreitenden Zeitraum zurückgeführt werden müssen, seien dem Auftragnehmer nicht zuzurechnen. Unabhängig davon müsse die Gleichstellung von Arglist und Organisationsverschulden restriktiv gehandhabt werden; auf § 637 BGB sei sie nicht zu übertragen. Unabhängig von alledem sei nicht unter Beweis gestellt, dass die die Sanierung betreffenden Rechnungen von den Klägern bezahlt worden seien. Auch greife die Hilfsaufrechnung der Beklagten mit dem Anspruch auf Rückzahlung der Vergleichssumme, falls der Vergleich unwirksam sein sollte.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes in erster Instanz und der Ausführungen des Landgerichts wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Gegen das ihren erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten am 03.09.1999 zugestellte Urteil haben die Kläger mit einem am 04.10.1999 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mit einem am 20.01.2000 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Sie wiederholen und ergänzen ihr erstinstanzliches Vorbringen und machen im Wesentlichen geltend:

Da das Gebäude im Rheinhochwasserbereich liege, sei auf die Installation der genau errechneten Flutungsöffnungen und der Drainage unterhalb der Bodenplatte besonders zu achten gewesen. Nach den Feststellungen des Sachverständigen K. sei die Zahl der Flutungsöffnungen erheblich unterschritten worden, ein Drainagesystem sei nicht installiert worden. Bei einer einfachen Überwachung hätten diese Mängel der Beklagten bzw. dem Bauleiter nicht verborgen bleiben können. Offenbar habe die Beklagte wegen der nur außergewöhnlich schwierigen nachträglichen Feststellungsmöglichkeit zur fehlenden Drainage und in der Hoffnung, es werde - innerhalb der Verjährungsfrist - kein dem Gebäude schädliches Rheinhochwasser eintreten, bewusst entgegen den Planvorgaben kostensparend gearbeitet. Entgegen den Planvorgaben seien auch als Lagerkörper für Lagerfugen zwischen den Druckplattenstiegen und den Streifenkonsolen der Ortbetonwände keine Gummilager, sondern - ungeeignete - Bleche verwendet worden. Während der Sanierungsarbeiten seien weitere Mängel entdeckt worden. Es beruhe allenfalls auf einem glücklichen Zufall, wenn die Bauausführung einmal mit den Planvorgaben übereinstimme. Insgesamt habe sich die Beklagte aus Kostengründen bewusst über die Planvorgaben hinweggesetzt; oder aber es seien jedenfalls keinerlei geeignete Kontrollmechanismen vorgesehen gewesen. Gerade diesem Fall trage die Rechtsprechung zum Organisationsverschulden Rechnung. Die Auffassung des Landgerichts, der Unternehmer habe bereits hinreichend organisiert, wenn er überhaupt eine Bauleitung eingesetzt habe, sei falsch. Nicht auf die formale Einsetzung einer Bauleitung, sondern auf die Organisation einer effizienten Kontrolle komme es an. Eine solche Kontrolle könne angesichts der Qualität der hier aufgetretenen Versäumnisse offensichtlich nicht stattgefunden haben. Falls bewusst über die Mängel hinweggesehen worden sei, liege Arglist im engeren Sinne vor. Zur Organisation habe die Beklagte nichts Konkretes vorgetragen. Sie sei beweispflichtig entsprechend den zum groben Behandlungsfehler entwickelten Grundsätzen. Der Vergleich aus dem Jahre 1985 schließe die Haftung nicht aus. Er betreffe andere Mängel. Die Vergleichssumme habe deutlich unter dem Betrag gelegen, der seinerzeit für die Beseitigung dieser Mängel gefordert worden sei; künftige Mängel hätten nicht abgegolten werden sollen. Die Abgeltungsklausel in dem Vergleich sei gemäß § 637 BGB nichtig. Die Objektivierung des Arglist-Begriffs durch die Rechtsprechung zum Organisationsverschulden gelte auch im Rahmen dieser Vorschrift.

Die Kläger beantragen,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils entsprechend ihren erstinstanzlichen Schlussanträgen zu erkennen und Sicherheitsleistung durch Bankbürgschaft zu gestatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie macht im Wesentlichen geltend:

Vor Abschluss des Vergleichs 1985 sei das Objekt von 5 Sachverständigen auf Mängel untersucht worden. Der Sachverständige M. habe vor Ablauf der Verjährungsfrist Mängel gesucht und ein ganzes Buch darüber zusammengeschrieben. Der Sachverständige Kr. habe nach dem Klagevortrag in der Tiefgarage Ausbrüche und Risse gefunden. Die Funktionsfähigkeit der Flutungsöffnungen sei seinerzeit Streitpunkt gewesen. Dem gemäß seien einige der jetzt in größerem Umfang aufgetretenen Mangelerscheinungen schon seinerzeit bekannt gewesen, aber nicht gerügt worden. Die hier streitigen Mängel und Mangelursachen seien nicht bekannt gewesen. Auf Organisationsverschulden komme es im Rahmen des § 637 BGB nicht an. Der Arglistbegriff sei durch den Bundesgerichtshof nicht erweitert worden, vielmehr sei das Organisationsverschulden der Arglist gleichgestellt worden. Arglist bei Vergleichsabschluss könne der Beklagten nicht vorgeworfen werden. Herstellungsmängel habe sie nicht gekannt. Dies ergebe sich aus der Fülle der Sachverständigen, die diese seinerzeit auch nicht erkannt hätten. Ein Organisationsverschulden habe sich die Beklagte bei der Abnahme und 1985 nicht zurechnen lassen müssen, weil die Baustelle mit Fachpersonal besetzt gewesen sei (Oberbauleiter B. , Bauleiter N. und H. , Polier R. ), die qualifiziert und erfahren und ständig auf der Baustelle anwesend gewesen seien. Die Rechtsprechung zum groben Behandlungsfehler könne nicht herangezogen werden. Eine Baufirma unterliege keiner Dokumentationspflicht; auch seien die Unterlagen nach Vergleichsabschluss vernichtet worden; dagegen hätten keine Bedenken bestanden, da der Vergleichstext von den Anwälten der Kläger formuliert gewesen sei. Aus den Mängeln ergebe sich kein Organisationsverschulden. Es werde bestritten, dass die reduzierte Anzahl der Flutungsöffnungen für die aufgetretenen Schäden ursächlich sei. Mängel der Flutungsöffnungen seien auch bei Vergleichsabschluss bekannt gewesen. Das Gleiche gelte für die Drainage. Diese sei überflüssig gewesen, weil das Bauvorhaben auf Uferkies gegründet worden sei. Das Fehlen der Gummilager sei kein gravierender Mangel; Stahlbleche seien ebenfalls geeignet und seinerzeit ständig eingebaut worden. Gummilager seien auch nicht in der Lage gewesen, die aufgetretenen Verdrehungen und Verkantungen abzufedern. Die aufgetretenen Schäden beruhten auf zuvor unbekanntem Setzungsverhalten des Bodens, möglicherweise durch Hochwasser oder Erdbeben. Sie seien deshalb auch erst nach dem Rheinhochwasser Ende 1993 und dem Erdbeben vom 13.04.1992 aufgetreten. Auch die bei der Sanierung vorgefundenen Mängel seien nicht derart erheblich, dass sie auf ein Organisationsverschulden schließen ließen. Der Beklagten sei unbekannt, wann die Flutungsöffnungen fest verschlossen worden seien; ihre Funktionsfähigkeit sei aber durch die Versprödung der Vergussfugen inzwischen auch weniger wichtig geworden.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes in zweiter Instanz wird auf die Schriftsätze und die überreichten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Kläger haben gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen aufgetretener Mängel der Tiefgarage.

Zutreffend nimmt das Landgericht an, dass Ansprüche der Kläger auf Grund der Vereinbarung vom 16.10.1985 ausgeschlossen sind. Die Vereinbarung sieht vor, dass die Beklagte mit der - erfolgten - Zahlung des Abfindungsbetrages von 300.000,00 DM aus jeglicher Gewährleistungspflicht in Ansehung jeglicher Mängel am Gesamtbauwerk entlassen ist. Die Vereinbarung ist wirksam und erfasst auch die hier in Rede stehenden Bauwerksmängel. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen.

1. Bei der Vereinbarung vom 16.10.1985 handelt es sich um einen Vergleich. Der Streit der Parteien über bestehende Mängel und die Verantwortlichkeit der Beklagten (zuletzt Schreiben des VerW. s vom 28.12.1985 und der Beklagten vom 11.02.1985, Anlagen K 7 und K 8) sollte im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt werden. Dies ist in der Vorbemerkung der Vereinbarung ausdrücklich festgehalten.

2. Die Vereinbarung ist wirksam.

a) Die Kläger haben die Vereinbarung nicht angefochten. Sie machen zwar geltend, die Beklagte habe "arglistig" gehandelt. Darin kann eine stillschweigende Anfechtung indes nicht gesehen werden. Denn offensichtlich wollen die Kläger, dass ihnen die seinerzeit von der Beklagten geleistete Abfindungszahlung verbleibt, also eine - bei Nichtigkeit der Gesamtvereinbarung gemäß § 142 BGB erforderliche - Rückabwicklung vermieden wird.

b) Dem gemäß haben sich die Kläger lediglich darauf berufen, die Vereinbarung sei nach § 637 BGB unwirksam. Nach dieser Vorschrift ist eine Vereinbarung, durch welche die Verpflichtung des Unternehmers, einen Mangel des Werkes zu vertreten, erlassen oder beschränkt wird, nichtig, wenn der Unternehmer den Mangel arglistig verschweigt. Dabei gehen die Kläger davon aus, dass das behauptete arglistige Verhalten der Beklagten eine auf die Entlassung aus der Gewährleistungsverpflichtung beschränkte Unwirksamkeit des Vergleichs nach sich ziehe (Seite 12 der Berufungsbegründung). Ob dem zu folgen ist, erscheint zweifelhaft, da nach dem Wortlaut des Vertrages die Zahlung des Ausgleichsbetrages und die Entlassung aus der Gewährleistungsverpflichtung untrennbar zusammenhängen. Näher liegt die Annahme, dass die Beklagte, sofern sie arglistig gehandelt hat, verpflichtet ist, die Kläger im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, wie sie ohne das arglistige Verhalten stehen würden, also von der Durchführung der Vereinbarung abzusehen, soweit sie die Kläger daran hindert, ansonsten bestehende Ansprüche durchzusetzen (vgl. BGH NJW 1998, 302, 303 ff.; 898 f.; 2000, 1254, 1256 jeweils mit weiteren Nachweisen). Der Frage muss nicht näher nachgegangen werden, weil jedenfalls eine die genannten Rechtsfolgen auslösende Arglist der Beklagten nicht ausreichend dargelegt ist (dazu nachfolgend 3).

c) Eine Unwirksamkeit des Vergleichs nach § 779 BGB machen die Kläger nicht geltend. Sie liegt auch nicht vor. Es ist nicht ersichtlich, dass der seinerzeit außerhalb des Streits der Parteien als feststehend zu Grunde gelegte Sachverhalt nicht der Wirklichkeit entsprach und dass der Streit bei Kenntnis beider Parteien von den jetzt von den Klägern vorgetragenen Umständen nicht entstanden wäre.

3. Ein arglistiges Verhalten der Beklagten, welches das Klagebegehren unter den oben (2 b) erörterten rechtlichen Voraussetzungen rechtfertigt, ist nicht festzustellen.

a) Die Kläger tragen in der Berufungsbegründung vor, der vom Sachverständigen Prof. K. festgestellte Befund lasse darauf schließen, dass die Beklagte aus Gründen der Kostenersparnis in erheblichem Umfang von den Planvorgaben abgewichen sei und minderwertige Arbeit erbracht habe, darauf vertrauend, dass kein Rheinhochwasser das Objekt erreiche und etwaige Ersatzansprüche ohnehin mit Ablauf des Jahres 1984 verjährten. Danach kommt ein arglistiges Verhalten (im eigentlichen Sinne) in Betracht. Der dahingehende Vortrag geht jedoch über eine bloße Vermutung nicht hinaus. Der angebotene Beweis (Anhörung des Sachverständigen Prof. K. ) ist auch zur Feststellung der behaupteten Tatsache ungeeignet. Als Privatgutachter der Kläger könnte Prof. K. als Zeuge zu dem von ihm vorgefundenen Zustand des Bauwerks bekunden. Über die seinerzeitigen Arbeitsabläufe und Entscheidungsprozesse im Bereich der Beklagten hat er ersichtlich keine Kenntnis. Ein ausreichend sicherer Rückschluss von dem vorgefundenen Bauzustand auf ein planmäßiges Vorgehen der Beklagten ist nicht möglich. Auch ein Anscheinsbeweis ist insoweit ausgeschlossen.

b) Ohne Erfolg berufen sich die Kläger auch auf "Arglist" im Sinne der Rechtsprechung zum Organisationsverschulden des Bauunternehmers (vgl. BGHZ 117, 318 = NJW 1992, 1754 f.; ferner: Senat, BauR 1995, 107 f.; Brandenburgisches OLG, BauR 1999, 1191, 1193 f.; OLG Düsseldorf, BauR 1998, 1021 f.; OLG Hamm, BauR 1999, 767 f.; OLG München, BauR 1998, 129, 130: OLG Oldenburg, BauR 1995, 105, 106; OLG Stuttgart, BauR 1997, 317 f.; Holzbeger/Puhle, BauR 1999, 106 ff. mit weiteren Nachweisen). Danach hat der Unternehmer, der die Überwachung und Prüfung des Werkes nicht oder nicht richtig organisiert hat und den Mangel bei richtiger Organisation entdeckt hätte, den Besteller so zu stellen, als wäre ihm der Mangel bei Ablieferung des Werkes bekannt gewesen; in diesem Fall verjähren die Gewährleistungsansprüche des Bestellers erst nach dreißig Jahren. Dabei hat zwar grundsätzlich der Besteller die Voraussetzungen darzulegen, die zur dreißigjährigen Verjährungsfrist führen; er genügt seiner Darlegungslast aber gegebenenfalls schon dann, wenn er Tatsachen vorträgt, wonach der Unternehmer die Überwachung des Herstellungsprozesses nicht oder nicht richtig organisiert hat, so dass der Mangel nicht erkannt worden sei, wobei die Art des Mangels ein so überzeugendes Indiz für eine fehlende oder nicht richtige Organisation sein kann, dass es weiterer Darlegung hierzu nicht bedarf. Unter Berufung darauf machen die Kläger geltend, die von dem Sachverständigen Prof. K. festgestellten Mängel seien so gravierend, dass sie den Schluss auf eine mangelhafte Organisation der Überwachung und Überprüfung zuließen. Ob dies der Fall ist oder ob die dagegen von der Beklagten erhobenen Einwände durchgreifen, was ohne sachverständige Beratung nicht beurteilt werden könnte, kann offenbleiben. Auf die Klärung dieser Frage kommt es nicht entscheidend an.

Ein etwaiges Organisationsverschulden der Beklagten führt weder zur Geltung der dreißigjährigen Verjährungsfrist noch zu einer Unwirksamkeit der Vereinbarung über die Entlassung der Beklagten aus ihrer Gewährleistungspflicht, denn die Parteien haben sich hier erst nach langwierigen Auseinandersetzungen über (etwaige) Mängel des Objekts und nach Einholung mehrerer Gutachten dazu im Wege des Vergleichs auf eine umfassende Ausgleichsregelung geeinigt. Danach sind sämtliche wechselseitigen Ansprüche aus dem Generalunternehmervertrag ausgeglichen, insbesondere ist die Beklagte aus jeglicher Gewährleistungspflicht in Ansehung jeglicher Mängel am Gesamtbauwerk entlassen. Der Inhalt dieser Vereinbarung ist eindeutig dahin gehend, dass eine Haftung der Beklagten auch für noch nicht entdeckte Mängel ausgeschlossen sein soll. Dabei kann unterstellt werden, dass - wie die Kläger vortragen und unter Beweis stellen - der von der Beklagten zu zahlende Ausgleichsbetrag auf der Grundlage der im Zeitpunkt der Vereinbarung unstreitigen und streitigen Mängel errechnet worden war.

Mit der - unstreitig von den anwaltlichen Beratern der Kläger - vorformulierten Ausgleichsklausel übernahmen diese das Risiko, dass sich weitere, bisher unentdeckte Mängel herausstellten, für die die Beklagte keine Gewähr mehr zu leisten hatte. Innerhalb des durch eine umfassende Ausgleichsklausel übernommenen Risikobereichs muss aber der Vertragspartner auch erhebliche Opfer, die sich später herausstellen, tragen (vgl. BGH NJW 1984, 115 f.). Möglich ist lediglich der Einwand unzulässiger Rechtsausübung, wenn sich auf Grund des Eintritts nicht vorhergesehener, völlig unerwarteter Umstände ein so krasses Missverhältnis zwischen der Vergleichssumme und dem Schaden ergibt, dass der Anspruchsgegner gegen Treu und Glauben verstößt, wenn er an dem Vergleich festhalten will (vgl. etwa OLG Düsseldorf, MDR 1992, 41; OLG Hamm, OLGR 1993, 141).

Im Bereich des Bauvertragsrechts kommt dies nach Auffassung des Senats nur ausnahmsweise unter besonderen Umständen in Betracht, die im Streitfall nicht vorliegen:

Das von der Beklagten erbrachte Auftragsvolumen belief sich auf ca. 14,5 Mio. DM (S. 27 des Generalunternehmervertrages). Im Anschluss an die Fertigstellung des Objekts rügten die Kläger unter Einschaltung von Sachverständigen zahlreiche Mängel. Dass auf Grund der erstatteten Gutachten davon ausgegangen werden durfte, weitere Mängel würden nicht auftreten, ist nicht vorgetragen. Mangelerscheinungen im Bereich der Tiefgarage, wie Risse im Mauerwerk und Unzulänglichkeiten der Flutungsöffnungen, waren bereits Gegenstand der vor Vergleichsabschluss getroffenen Feststellungen; gleichwohl entließen die Kläger die Beklagte zur Beilegung der bestehenden Streitigkeiten aus ihrer gesamten Gewährleistungsverpflichtung gegen Zahlung eines Betrages, der etwa 2% des Auftragsumfangs ausmacht. Ist die Schadensberechnung der Klägerin zutreffend, so fällt durch die jetzt erforderlich gewordene Sanierung ein Betrag in Höhe von etwa weiteren 2% der Auftragssumme an.

Dies tangiert nach Auffassung des Senats die von den Klägern hinzunehmende Opfergrenze auch dann nicht, wenn man davon ausgeht, dass die Beklagte die Verantwortung für die jetzt festgestellten Schäden trägt und dass ein ihr zur Last zu legendes Organisationsverschulden dazu geführt hat, dass die schadensursächlichen Mängel bis zum Vergleichsabschluss unentdeckt geblieben sind. Die Rechtsprechung stellt zwar das Organisationsverschulden in Bezug auf die Verjährungsfolgen rechtlich der Arglist gleich. Bei der Ausgrenzung des vom Besteller mit einer umfassenden Ausgleichsklausel vergleichsweise übernommenen Risikos darf aber nicht unberücksichtigt bleiben, dass es letztlich um ein bloß fahrlässiges Fehlverhalten des Unternehmers geht; jedenfalls dann, wenn - wie im Streitfall - die dadurch unentdeckt gebliebenen Werkmängel auch bei umfangreichen vom Besteller veranlassten Untersuchungen nicht festgestellt werden, besteht kein Anlass, diesem Fehlverhalten gegenüber dem vom Besteller vergleichsweise übernommenen Risiko ein durchschlagendes Gewicht beizumessen.

Die Berufung kann danach keinen Erfolg haben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Berufungsstreitwert und Beschwer der Kläger: 320.000,00 DM

Ende der Entscheidung

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