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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 21.12.2005
Aktenzeichen: 11 U 46/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 434
BGB § 437
BGB § 439
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 U 46/05

Anlage zum Protokoll vom 21.12.2005

Verkündet am 21.12.2005

In dem Rechtsstreit

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 26.10.2005 durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Caesar sowie die Richter am Oberlandesgericht Dr. Küpper und Borzutzki-Pasing

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 31.01.2005 (15 O 641/05) dahin abgeändert, dass die Beklagte unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt wird, an den Kläger 8.170,93 € nebst Zinsen seit dem 06.08.2004 i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu zahlen.

2. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 28 % und die Beklagte zu 72 %.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 9 % und die Beklagte zu 91 %.

Die Kosten der Streithelferin tragen der Kläger zu 28 % und die Streithelferin zu 72 %.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadenersatz wegen Lieferung nach seiner Behauptung mangelhafter Bodenfliesen in Anspruch. Er verlangt den Ersatz von Aufwendungen für Ersatzfliesen nebst Frachtkostenpauschale sowie Erstattung der Aufwendungen für die Neuverlegung der Fliesen. Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 8.966,19 € stattgegeben, wobei es Ersatz für die Neuverlegung der Fliesen in Höhe von 2.500,00 € zuerkannt hat.

Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das angefochtene Urteil, die Schriftsätze der Parteien sowie die sonstigen zu den Akten gereichten Unterlagen und die Akten 15 OH 8/03 Landgericht Köln Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache lediglich zu einem geringen Teil Erfolg.

1.

Das Landgericht hat dem Kläger dem Grunde nach zu Recht Schadenersatz statt der Leistung nach §§ 437 Nr. 3, 440, 280, 281 BGB zuerkannt. Die gelieferten Fliesen weisen - was die Beklagte in der Berufung nicht mehr in Abrede gestellt hat - einen Sachmangel i. S. d. § 434 Abs. 1 BGB auf, da sie vom Hersteller und Lieferanten nicht ordnungsgemäß poliert worden waren.

2.

Hinsichtlich der Höhe des Schadensersatzes gilt Folgendes:

a)

Die Aufwendungen für Ersatzfliesen (6.437,19 € nebst Frachtkostenpauschale i. H. v. 29,00 €) hat das Landgericht dem Kläger mit Recht zugesprochen. Da die Beklagte die Ersatzlieferung verweigert, hat sie ihre entsprechende Verpflichtung in von ihr zu vertretender Weise verletzt, so dass der Kläger die Erstattung der entsprechenden Aufwendungen im Wege des Schadenersatzes verlangen kann.

b)

Anders liegt es hinsichtlich der Aufwendungen für die Verlegung der Fliesen, die das Landgericht i. H. v. 2.500,00 € zuerkannt hat. Diese könnten als vergebliche Aufwendungen nach §§ 280, 281 BGB oder § 284 BGB nur dann zu ersetzen sein, wenn die Klägerin den Mangel der Fliesen zu vertreten hätte. Dafür ist indes nichts ersichtlich. Ein Verschulden ihrer Lieferantin - der Streithelferin erster Instanz - muss sie sich nicht zurechnen lassen, weil diese nicht ihr Erfüllungsgehilfe i. S. v. § 278 BGB ist (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 278 Rdn. 13; Palandt/Sprau, § 437 Rdn. 37; Lorenz, ZGS 2004, 408, 410). Auch eine Überprüfungspflicht bei Anlieferung der Fliesen bestand nicht, zumal davon auszugehen ist, dass die Fliesen ohnehin an die Baustelle geliefert wurden (vgl. Rechnung der Streithelferin vom 28.11.2002, Bl. 27 = Bl. 137 d. A.). Aber selbst wenn dies nicht der Fall gewesen wäre, hätte die Beklagte die Fliesen mangels konkreter Anhaltspunkte für das Vorliegen von Mängeln nach der Anlieferung nicht nochmals untersuchen müssen. Bei neuen Sachen darf der Verkäufer in der Regel davon ausgehen, dass sie nicht mit Mängeln behaftet sind.

Schadensersatz für den Einbau der Fliesen (als Kosten des Einbaus neuer mangelfreier Fliesen) könnte der Kläger daher nur unter dem Gesichtspunkt der Verweigerung der Nacherfüllung verlangen. Das würde voraussetzen, dass die Nacherfüllung auch die Verlegung der nachzuliefernden mangelfreien Fliesen umfassen würde. Diese Ansicht wird vom OLG Karlsruhe vertreten (OLGR Karlsruhe 2004, 465 = MDR 2005, 135 = BauR 2005, 109; ebenso Terrahe, VersR 2004, 680 ff.; Faust in: Bamberger/Roth, BGB, § 439 Rdn. 18). Durch die Nacherfüllung solle der Käufer in die Lage versetzt werden, mit der Sache so zu verfahren, als wäre diese mangelfrei gewesen. Damit sei auch der Zustand geschuldet, in dem sich die Sache befände, wenn sie mangelfrei gewesen wäre; zu den Aufwendungen i. S. v. § 439 Abs. 2 BGB zählten damit auch die Kosten des Ein- und Ausbaus der Fliesen. Dem ist nicht zu folgen. Die geschuldete Nacherfüllung beschränkt sich auf Nachlieferung mangelfreier Fliesen. Der Einbau und die Verlegung der Fliesen ist dagegen nicht Bestandteil der Verkäuferpflichten aus §§ 433, 434 BGB. Die gegenteilige Auffassung vermengt Kauf- und Werkvertrag (Lorenz, ZGS 2004, 408 f.). Das OLG Karlsruhe bezieht sich zur Begründung außerdem auf die zum früheren Recht ergangene Entscheidung des BGH im sog. Dachziegelfall (BGHZ 87, 104 = NJW 1983, 1479). Der BGH hat dort die Kosten für das Verarbeiten der mangelhaften Sache (Aufbringen der Ziegel) als Vertragskosten i. S. d. § 467 Satz 1 BGB a. F. eingeordnet und auf dieser Grundlage einen verschuldensunabhängigen Ersatzanspruch, der hier auf Ersatz der vergeblichen (frustrierten) Kosten für das Verlegen der mangelhaften Fliesen gerichtet wäre, angenommen. Das lässt sich für das neue Recht nicht mehr aufrechterhalten (BGH NJW 2005, 2848, 2850 f. = BGHReport 2005, 1293, 1295 zu Überführungs- und Zulassungskosten für einen Neuwagen). Die Regelung des § 467 Satz 1 BGB a. F. hat der Gesetzgeber als systemfremde Vorschrift bewusst nicht in das neue Kaufrecht übernommen. Zur Begründung hat er angeführt: Ein Anspruch folge aus § 284 i. V. m. §§ 281, 280 Abs. 1 Satz 2 BGB; dieser Anspruch hänge aber von einem Verschulden des Verkäufers ab (Begründung des Regierungsentwurfs zum Schuldrechtsmodernisierungsrechts, BT-Drucksache, 14/6040, Seite 225). Die Einbaukosten sind somit ein durch die mangelhafte Lieferung bedingter Schaden, der nicht im Rahmen der Nachbesserung, sondern lediglich im Wege des Schadensersatzes auszugleichen ist (so auch Lorenz, ZGS 2004, 408, 409 f.; ders., NJW 2005, 1889, 1895; Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, 2004, § 439 Rdn. 21; von Wilmowsky, JuS 2002, Beilage zu Heft 1, Seite 22), wobei als Anspruchsgrundlage allerdings nicht nur der in den Gesetzesmaterialien genannte § 284 BGB, sondern auch § 280 BGB in Betracht kommt (vgl. Lorenz, ZGS 2004, 408, 409). Da der Beklagten - wie ausgeführt - ein Verschulden nicht zur Last fällt, hat der Kläger weder einen Anspruch auf Ersatz der vergeblichen Kosten für das erstmalige Verlegen noch der für eine Neuverlegung mangelfreier Fliesen.

c)

Erstattungsfähig sind demgegenüber die Kosten für die Rücknahme und Entfernung der mangelhaften Fliesen. Insoweit gelten die in der Entscheidung BGHZ 87, 104 aufgestellten Grundsätze fort. Der Verkäufer hat eine Rücknahmeverpflichtung, die er am Ort der eingebauten Sache zu erfüllen hat. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, so macht er sich schadensersatzpflichtig. Das gilt auch für das neue Recht (vgl. Lorenz, ZGS 2004, 408, 410 f.).

Nach der vom Kläger vorgelegten Rechnung für die Neuverlegung der Fliesen vom 10.09.2004 (Bl. 16 d. A.) belaufen sich die Kosten für das Entfernen des Bodens und der Sockellleisten einschließlich der Gestellung eines Containers sowie Deponiekosten auf 1.469,60 € zuzüglich Mehrwertsteuer, insgesamt also auf 1.704,74 €. Diese Kosten hat die Klägerin anstelle der vom Landgericht zuerkannten 2.500,00 € zu ersetzen.

3.

Der zu ersetzende Schaden beträgt demnach insgesamt 8.170,93 € (6.437,19 €, 29,00 € und 1.704,74 €). Hierbei sind die Kosten für die mangelfreien Sockelleisten nicht außer Ansatz zu lassen; wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, bilden diese mit den Bodenfliesen eine Einheit.

4.

Der Ersatz dieses Schadens ist nicht unverhältnismäßig (§ 439 Abs. 3 BGB). Es handelt sich zwar nur um einen optischen Mangel. Aber auch den muss der Kläger bei den im Wohnbereich verlegten Fliesen nicht hinnehmen. Der Mangel lässt sich nicht anders als durch Neuverlegung beheben. Die Behauptung, der Mangel könne durch Aufbringung eines metallvernetzenden Polymers abgestellt werden, hat die Beklagte ausdrücklich aufgegeben.

Ihr Einwand, der Mangel hätte dem Beklagten bzw. dem von ihm mit den Verlegearbeiten betrauten Fliesenleger auffallen müssen, greift nicht durch. Dieser Einwand könnte unter dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens (§ 254 BGB) oder der Unverhältnismäßigkeit (§ 439 Abs. 3 BGB) von Bedeutung sein. Unter beiden Aspekten ist die Beklagte darlegungs- und beweispflichtig. Der Sachverständige F hat insoweit ausgeführt, dass der Verleger vor Ort erklärt habe, die Platten seien feucht gewesen. Treffe dies zu, wovon er ausgehe, so sei dieser Mangel während der Verlegung nicht erkennbar gewesen. Die Beklagte behauptet zwar, die Fliesen seien nicht feucht, sondern in einem trockenen Zustand verlegt worden. Dass sie eine gewisse Restfeuchte gehabt haben, bei der der Mangel nicht erkennbar gewesen ist, wird von ihr jedoch nicht substantiiert in Abrede gestellt.

5.

Schließlich meint die Beklagte, eine Schadensersatzpflicht scheide im Hinblick auf Nr. 5 ihrer allgemeinen Geschäftsbedingungen aus, wonach dem Kläger als Käufer eine Pflicht zur unverzüglichen Untersuchung und Mitteilung getroffen habe und Schadensersatzansprüche außer im Falle von Vorsatz und grober Fahrlässigkeit ausgeschlossen seien. Das verfängt nicht. Die Klausel in Nr. 5 der allgemeinen Geschäftsbedingungen stellt auf das alte Kaufrecht ab. So wird in Nr. 5 Abs. 2 auf § 459 BGB a. F. und die daraus entstehenden "gesetzlichen Gewährleistungsrechte" Bezug genommen. Die gesamte Regelung passt für das neue Kaufrecht nicht. Sie ist ungeachtet sonstiger Bedenken schon allein wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam (vgl. dazu allgemein Palandt/Heinrichs, § 307 Rdn. 16 ff.).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die dafür nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO erforderlichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

Berufungsstreitwert: 8.966,19 €

Ende der Entscheidung

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