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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 22.11.2000
Aktenzeichen: 11 U 65/00
Rechtsgebiete: BGB, SGB VII, ZPO


Vorschriften:

BGB § 823 Abs. 1
BGB § 847
SGB VII § 104
SGB VII § 105
SGB VII § 2 Abs. 2
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 713
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 U 65/00 9 O 460/99 LG Aachen

Anlage zum Protokoll vom 22.11.2000

Verkündet am 22.11.2000

Bourguignon, J.A. als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 25. Oktober 2000 durch den Richter am Oberlandesgericht Zoll, die Richterin am Oberlandesgericht Opitz und den Richter am Landgericht Frohn

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 13. März 2000 verkündete Urteil des Einzelrichters der 9. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 9 O 460/99 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht und mit fehlerfreien Erwägungen, denen der Senat beitritt (§ 543 ZPO), hat das Landgericht die auf §§ 823 Abs. 1, 847 BGB gestützte Klage abgewiesen. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, kann nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme nicht festgestellt werden, dass die Beklagte durch unzureichende Vorkehrungen gegen Schnee- und Eisglätte auf ihrem Betriebshof ihre Verkehrssicherungspflicht gegenüber dem Kläger verletzt hat und es deshalb zu dem Unfall am 08.12.1998 gekommen ist.

Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung:

1.

Das Landgericht hat offen gelassen, ob zu Gunsten der Beklagten das Haftungsprivileg der §§ 104, 105 SGB VII in Verbindung mit § 2 Abs. 2 SGB VII eingreift, ob der Kläger zur Unfallzeit also wie ein Beschäftigter der Beklagten (beim Abladevorgang) tätig geworden war oder (bei der Vorbereitung zur Weiterfahrt) eine bloße Arbeitsberührung vorlag. Auch nach Ansicht des Senats bedarf diese Frage keiner Entscheidung, da sich die Unbegründetheit der Klage bereits aus anderen Erwägungen ergibt.

2.

Wer einen Schadensersatzanspruch auf eine Verletzung der Streupflicht stützt, hat zu beweisen, dass der andere gegen diese Pflicht verstoßen hat und zwischen dem Verstoß und dem eingetretenen Schadensereignis ein ursächlicher Zusammenhang besteht (BGH, NJW 1984, 432 [433]). Diesen ihm obliegenden Beweis vermag der Kläger nicht zu führen.

Der einzige unmittelbare Unfallzeuge, der Zeuge C., hat die Behauptung des Klägers, dass er gerade deshalb von der Leiter gestürzt sei, weil der Boden des Betriebshofs an dieser Stelle eisglatt gewesen und die Leiter auf dem Glatteis weggerutscht sei, nicht bestätigt. Nach der Bekundung des Zeugen war der Boden an der Unfallstelle nicht glatt oder vereist, sondern nur nass; wie der Zeuge weiter angegeben hat, geriet die Leiter nach seinem Eindruck auch nicht auf glattem Boden ins Rutschen, sondern drehte sich weg, weil die Plane der Zugmaschine nachgab, an die der Kläger die Leiter gelehnt hatte.

Entgegen der Auffassung der Berufung ist die Aussage des Zeugen C. nicht in sich widersprüchlich. Wenn der Zeuge um 10.00 Uhr mit seiner Arbeit begann, kann er ohne weiteres schon kurz vorher einen Unimog der Beklagten beim Streuen abtauender Mittel gesehen haben; dass er auf Nachfrage angab, den Unimog während des gesamten Vormittags insgesamt dreimal beim Streuen gesehen zu haben, steht damit nicht im Widerspruch. Im übrigen hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 12.10.2000 zuletzt unwidersprochen vorgetragen, ausweislich der Stempelkarte des Zeugen, die den Aufdruck 9.23 Uhr trage, müsse der Zeuge spätestens gegen 9.10 Uhr auf dem Betriebsgelände eingetroffen sein. Den Unfallhergang hat der Zeuge anschaulich und detailreich, entsprechend seiner um 50 bis 60 Meter entfernten Beobachterposition aber auch zurückhaltend geschildert. Soweit der Kläger nunmehr behauptet und unter Sachverständigenbeweis stellt, dass das Schließen der Plane nur bei hochgeklappten Seitenteilen erfolgen könne und die Runge (die seitlich an der Ladefläche befestigte schmale senkrechte Stütze) nicht mehr sichtbar sei, wenn die Plane herabgelassen und versucht wurde, das Seil durch die Ösen zu führen, ist dies nicht geeignet, die Angaben des Zeugen in Zweifel zu ziehen; weder hat der Zeuge bekundet, die Runge hinter der heruntergelassenen Plane gesehen zu haben, noch ist nach dem Vorbringen des Klägers auszuschließen, dass sich die (auch nach der Unfallrekonstruktion des Klägers, Bl. 63-64 d.A.) in Höhe der Runge an die Plane gelehnte Leiter seitlich weggedreht haben kann, als der Kläger - um das Seil durch die Ösen zu führen - auf die unteren Sprossen der Leiter trat. Soweit der Zeuge schließlich eine gewisse allgemeine Voreingenommenheit gegenüber LKW-Fahrern zu erkennen gegeben haben mag, lässt sich allein daraus keine unsachliche Belastungstendenz seiner konkreten Unfallschilderung ableiten.

Aber selbst wenn der Aussage des Zeugen C. nicht gefolgt werden könnte, wäre der dem Kläger obliegende Beweis nicht erbracht:

Die Aussagen der Zeugen S. und T. tragen hierzu nichts bei, weil sie erst geraume Zeit nach dem Unfall von ihrem Arbeitsplatz in D. aus auf dem Betriebsgelände der Beklagten in Sch. eintrafen, um auf Veranlassung ihres Arbeitgebers den Lastzug abzuholen, während der Kläger im Klinikum A. behandelt wurde. Zu der entscheidenden Frage, ob sich zur Unfallzeit Glatteis neben dem LKW gebildet hatte (den der Zeuge C. nach seinen Angaben inzwischen an eine andere Stelle versetzt hatte), konnten sie naturgemäß keine Angaben machen. Wie bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, haben die Zeugen aber auch die Bodenverhältnisse zur Zeit ihres Eintreffens auf dem Betriebshof nur so ungenau beschrieben, dass sich daraus keine Rückschlüsse auf den Zustand der Unfallstelle zur Zeit des Sturzes ziehen lassen.

Soweit der Kläger sich schließlich für seine Behauptung, dass der Betriebshof zu unterschiedlichen Zeiten glatt gewesen sei, auf das Zeugnis des für den Winterdienst der Beklagten zuständigen Einsatzleiters R. bezieht, ist dieser - auf eine unzulässige Ausforschung hinauslaufende - Beweisantritt schon wegen fehlenden Bezugs zur konkreten Unfallstelle und Unfallzeit nicht geeignet zum Nachweis seiner Unfallschilderung.

3.

Bereits nach dem eigenen Vorbringen des Klägers träfe diesen zudem ein so hohes Mitverschulden an dem Unfallereignis (§ 254 Abs. 1 BGB), dass ein - hier nicht nachgewiesener - unfallursächlicher Pflichtverstoß der Beklagten daneben nicht erheblich ins Gewicht fallen würde.

Nach seinen eigenen Angaben (Bl. 77R d.A.) war dem Kläger die Eisglätte des Bodens bekannt; er war von dem Zeugen C. sogar davor gewarnt und gebeten worden, sein Fahrerhaus nicht zu verlassen. Dennoch hantierte er an der von ihm selbst angefahrenen, ebenfalls vereisten Stelle mit der völlig ungesicherten Leiter.

Ein Mitverschulden trifft bei Glatteisunfällen denjenigen, der sich bewusst in Gefahr begibt, ohne Vorsorge zu treffen, durch diese Gefahr nicht zu Schaden zu kommen (BGH, NJW 1985, 482 [483]). Wer - wie hier der Kläger - als LKW-Fahrer seinen Lastzug auf einer als eisglatt erkannten Fläche abstellt, eine gerade Leiter an die mit einer Plane abgedeckte Ladefläche des Lastzuges anlehnt und zum seitlichen Verschließen der Abdeckplane die Leiter betritt, ohne sich zur Sicherung der Standfestigkeit der Leiter der Hilfe einer weiteren Person zu bedienen, verletzt in so hohem Maße die Sorgfalt, die ein vernünftig Handelnder zum Schutze der eigenen Gesundheit (und des eigenen Lebens) anzuwenden pflegt, dass dahinter der Sorgfaltsverstoß des für die Beseitigung der Eisglätte verantwortlichen Verkehrssicherungspflichtigen jedenfalls unter den im Streitfall vorgetragenen Umständen vollständig zurücktritt.

4.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Streitwert für die Berufungsinstanz und Beschwer des Klägers: 20.500,00 DM

Ende der Entscheidung

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