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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 21.04.2004
Aktenzeichen: 11 U 81/02
Rechtsgebiete: HGB
Vorschriften:
HGB § 25 |
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Anlage zum Protokoll vom 21.04.2004
Verkündet am 21.04.2004
In dem Rechtsstreit
hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 10.03.2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Pastor sowie die Richter am Oberlandesgericht Dr. Küpper und Borzutzki-Pasing
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 14.03.2002 (15 O 362/01) wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
I.
Die Klägerin hat gegen den geschiedenen Ehemann des Beklagten, S M jun., ein Versäumnisurteil des Landgerichts Köln erwirkt, durch das dieser zur Zahlung vom 146.020,83 DM nebst Zinsen verurteilt worden ist. Die Vollstreckung führte nicht zum Erfolg. Herr M jun. betrieb bis zum Jahre 2000 unter der Anschrift W Straße 1394 in L ein Unternehmen, das den Handel von Gebrauchtfahrzeugen sowie die Verwertung und Verschrottung alter Fahrzeuge zum Gegenstand hatte. Das Betriebsgelände hatte er von seinem Vater, S M sen., gepachtet, der unter der gleichen Anschrift auf einem benachbartem Gelände ein Unternehmen führt, das den Handeln und die Verwertung von LKW, PKW und Baumaschinen zum Gegenstand hat. Die Beklagte betreibt auf dem früher von ihrem geschiedenen Ehemann genutzten Gelände einen Autohandel. Die Klägerin nimmt die Beklagte aus § 25 Abs. 2 HGB auf Zahlung der in dem Versäumnisurteil titulierten Forderung nebst Zinsen und Kosten in Anspruch. Sie hat behauptet, die Beklagte habe das Unternehmen ihres geschiedenen Ehemannes übernommen und führe dessen Firma im Kern fort.
Die Klägerin hat den Antrag gestellt, die Beklagte zu verurteilen, wegen der aus dem Versäumnisurteil vollstreckbaren Forderung den vorgenannten Betrag nebst Zinsen und festgesetzter Kosten sowie weiterer Zwangsvollstreckungskosten zu zahlen (vgl. Bl. 1 d. A.). Nachdem gegen sie am 29.11.2001 ein klageabweisendes Versäumnisurteil ergangen ist, hat sie form- und fristgerecht Einspruch eingelegt und beantragt, der Klage stattzugeben.
Das Landgericht hat das klageabweisende Versäumnisurteil aufrechterhalten. Zur Begründung hat es ausgeführt, § 25 HGB greife schon deshalb nicht ein, weil die Beklagte nicht die frühere Firma ihres geschiedenen Ehemannes fortführe.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Sie behauptet, die Beklagte führe das frühere Handelsgeschäft ihres früheren Ehemannes unter einer im Kern gleichen Firma fort. Sie sei nahtlos in den Mietvertrag, den ihr geschiedener Ehemann geschlossen gehabt habe, eingetreten, so dass ihr die auf dem Mietgelände befindlichen Aufbauten zur kontinuierlichen Nutzung zugefallen seien. Sie verfolge einen vergleichbaren Firmenzweck. Der geschiedene Ehemann arbeite in dem Geschäftsbetrieb weiter mit. Außerdem seien das Personal sowie das Büro einschließlich der Ausstattung identisch geblieben. Ferner sei davon auszugehen, dass sie den Warenvorrat von ihrem ehemaligen Ehemann übernommen habe. Das Unternehmen firmiere unter im wesentlichen gleich gebliebener Bezeichnung mit identischen Rufnummern und unter der gleichen Anschrift.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und nach dem Klageantrag zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bestreitet, das Handelsgeschäft ihres geschiedenen Ehemannes fortzuführen. Sie habe weder Personal noch Geschäftseinrichtung oder Warenvorräte, insbesondere Fahrzeuge, übernommen. Mit dem Vermieter, Herrn S M sen., habe sie lediglich einen Mietvertrag geschlossen, der demjenigen mit ihrem geschiedenen Ehemann entspreche. Der Zeuge E, der früher bei ihrem geschiedenen Ehemann gearbeitet habe, sei von ihr nicht übernommen, sondern neu angestellt worden. Dass sie die Telefonnummer weiterführe, beruhe allein darauf, dass der Telefonbuchverlag frühere Einträge in die neueren Telefonbücher einfach übernommen habe. Die Beklagte bestreitet ferner, dass es sich bei der titulierten Forderung um eine Geschäftsschuld ihres geschiedenen Ehemannes handele.
Der Senat hat aufgrund des Beweisbeschlusses vom 23.12.2002 (Bl. 194 d. A.) Beweis über die Frage erhoben, ob das frühere Unternehmen des Herrn S M jun. von der Beklagten unter der bisherigen Firma fortgeführt werde. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 05.11.2003 (Bl. 239 ff. d. A.) sowie vom 10.03.2004 (269 ff. d. A.) Bezug genommen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien sowie die sonstigen zu den Akten gereichten Unterlagen verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Der nach allgemeinen Grundsätzen darlegungs- und beweispflichtigen Klägerin (vgl. Zimmer/Scheffel in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, § 25 Rn. 67) ist es nicht gelungen, die Voraussetzungen für eine Haftung der Beklagten nach § 25 Abs. 1 HGB zu beweisen. Nach dieser Vorschrift haftet derjenige, der ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma fortführt, für alle im Betriebe des geschäftsbegründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers. Es kann dahinstehen, ob die Beklagte die Firma des von ihrem früheren Ehemann betriebenen Handelsgeschäftes fortführt. Jedenfalls fehlt es an der weiteren Voraussetzung des § 25 Abs. 1 HGB, dass die Beklagte das Handelsgeschäft selbst fortführt. Dafür ist zwar nicht erforderlich, dass das Geschäft in seinen sämtlichen Teilen übernommen wird. Die Rechtsfolge des § 25 Abs. 1 HGB greift aber nur dann ein, wenn der den Schwerpunkt des Unternehmens bildende wesentliche Kern desselben übernommen wird, so dass sich der nach außen für den Rechtsverkehr in Erscheinung tretende Tatbestand als Weiterführung des Unternehmens in seinem wesentlichen Bestand darstellt (vgl. BGHZ 18, 248, 250; NJW 1982, 1647; NJW 1992, 911; Baumbach/Hopt, HGB, 31. Aufl., § 25 Rn. 6 m. w. N.). Ob das Unternehmen in seinem Kern übernommen worden ist, richtet sich im wesentlichen nach folgenden Kriterien: Übernahme von Personal, Betriebsräumen oder -gegenständen, Übernahme von Warenbeständen, Eintritt in Aufträge und bestehende Kunden- und Lieferantenverträge, Übereinstimmung im Unternehmensgegenstand (vgl. BGH NJW 1992, 911, NJW 1986, 581; OLG Celle MDR 1994, 263, 264; OLG Düsseldorf NJW-RR 1993, 45; NJW-RR 2000, 332; OLG München Betriebs-Berater 1996, 1682, 1683; Zimmer/Scheffel in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, § 25 Rn. 46; Koller/Roth/Morck, HGB, 4. Aufl., § 25 Rn. 5). Der Umstand, dass dieselbe Adresse oder dieselbe Telefon- und Telefaxnummer verwandt wird, ist für sich betrachtet ebensowenig wie die Weiterverwendung der Büroräume ein ausreichendes Indiz für die Fortführung des Unternehmens (vgl. OLG Hamm NJW-RR 1995, 734, 735; OLG Celle MDR 1994, 263, 264).
Nach diesen Kriterien ist der Klägerin der Beweis nicht gelungen, dass die Beklagte das Unternehmen ihres geschiedenen Ehemannes, S M jun., übernommen hat. Zwar hat der von der Klägerin benannte Zeuge L bekundet, sowohl räumlich (in der Ausstattung) als auch personell habe sich nichts geändert; nach wie vor sei Herr M jun. im Büro anwesend, während er die Beklagte dort nie gesehen habe. Auch habe ihm der Zeuge E öfter gesagt, dass sich "nichts geändert" habe. Er bekomme weiterhin sein Gehalt wie zuvor. Und alles werde wie bisher durch Herrn M jun. bezahlt. Die Aussage des Zeugen, der als Zedent der streitgegenständlichen Forderungen im übrigen ein eigenes Interesse am Ausgang des Rechtsstreites hat, ist schon ihrem objektiven Gehalt nach ohne Beweiskraft. Dass er in dem Büro lediglich den Zeugen N jun. und nicht die Beklagte persönlich angetroffen haben mag, ist kein erhebliches Indiz für eine Unternehmensfortführung. Gleiches gilt für die von dem Zeugen angeführte allgemeine Angabe des Zeugen E, es habe sich "nichts geändert". Allein der durch keinerlei näheren Umstände objektivierte Hinweis darauf, dass der Zeuge M jun. alles bezahle, würde keinen Schluss darauf zulassen, dass die Beklagte das Unternehmen übernommen habe.
Die vagen Angaben des Zeugen L sind auch nicht durch den ebenfalls von der Klägerin benannten Zeuge E bestätigt und konkretisiert worden. Dieser Zeuge hat hat den Sachverhalt im Gegenteil wie folgt geschildert: Er sei aus dem Betrieb des Zeugen M jun. deshalb ausgeschieden, weil dieser ihm erklärt habe, dass er die erforderliche Genehmigung für die Entsorgung von Altfahrzeugen nicht bekomme. Es sei so gewesen, dass nach und nach keine Fahrzeuge mehr da gewesen seien und auch das Büro habe Herr M jun. "leergeräumt". Als der Zeuge M jun. seinen Betrieb nicht mehr habe fortführen wollten, habe er - der Zeuge E - sich damit schon abgefunden. Dann sei die Beklagte auf ihn zugekommen und habe gefragt, ob er nicht bei ihr arbeiten wolle, denn sie wolle einen An- und Verkauf von PKW betreiben, denn dafür gäbe es ja eine "Genehmigung" für das Gelände. Der Zeuge M jun. habe sich nicht weiterhin wie früher in dem Betrieb betätigt; es sei keineswegs so, dass er etwa der "geheime Chef", geblieben sei. Er - der Zeuge E - habe dem Zeugen L daher auch keineswegs erklärt, dass sich an der Fortführung im Betrieb "nichts geändert" habe.
Die Bekundung des Zeugen E stimmt im wesentlichen mit den Aussagen der Zeugen S M sen. und S M jun. Der Zeuge S M sen. hat berichtet, dass er mit der Beklagten, seiner Schwiegertochter, einen neuen Miet- oder Pachtvertrag geschlossen habe, nachdem sein Sohn seinen Betrieb aufgegeben habe. Zu diesem Zeitpunkt habe in dem Büro eigentlich nichts gestanden; das Gelände um das Büro sei leer gewesen. Er könne zwar nicht beurteilen, ob die Beklagte das Geschäft im "rechtlichen Sinne" übernommen habe oder nicht. Er hat aber darauf hingewiesen, dass sein Sohn ein Geschäft betrieben habe, das (wegen der Verschrottung) genehmigungsbedürftig gewesen sei, während die Beklagte nun ein nichtgenehmigungspflichtiges Gewerbe führe; sie "mache" nur Autoverkauf. Sein Sohn sei nunmehr bei ihm beschäftigt und erhalte im Monat 1.000,00 €.
Der Zeuge S M jun. hat ausgesagt, er habe das Büro, als er es verließ, ausgeräumt und auch das Betriebsgelände seinem Vater übergeben. Dieser habe mit der Beklagten einen neuen Miet- oder Pachtvertrag abgeschlossen. Er selbst halte sich in diesen Büroräumen auch nicht mehr auf, sondern sei bei seinem Vater angestellt, bei dem er 1.000,00 € verdiene. Geschäftsunterlagen habe er der Beklagten nicht überlassen. Kundenkarteien oder sonstiges habe es auch gar nicht gegeben. Die von ihm betriebene Autoverwertung habe er aufgegeben, weil er Schulden gehabt und die nach neuem Recht bestehenden Auflagen nicht habe erfüllen können oder wollen. Die Beklagte betreibe demgegenüber nur noch den An- und Verkauf von Fahrzeugen.
Nach den Aussagen der Zeugen kann nicht festgestellt werden, dass die für eine Fortführung des Unternehmens maßgebenden Kriterien erfüllt sind. Es ist nicht bewiesen, dass der Gegenstand des früheren und des jetzigen Unternehmens im wesentlichen gleich ist. Die Beklagte betreibt einen Autohandel, während das Geschäft des Zeugen S M jun. zumindest in erster Linie die Verwertung von Altfahrzeugen betraf. Ebenfalls nicht bewiesen ist, dass die Beklagte Betriebsvermögen, Einrichtungsgegenstände, Warenbestände oder Auftrags- und Vertragsverhältnisse übernommen hätte. Fest steht lediglich, dass sie das gleiche Gelände und Büro von dem Zeugen S sen. angemietet, den Zeugen E, der zuvor bei ihrem geschiedenen Ehemann angestellt war, zunächst weiterbeschäftigt hat und dass die Telefonnummer des Geschäftes gleich geblieben ist. Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass sie den den Schwerpunkt des frühren Unternehmens bildenden wesentlichen Kern des selben in dem Sinne übernommen hat, dass sich der nach außen für den Rechtsverkehr in Erscheinung tretende Tatbestand als Weiterführung des Unternehmens in seinem wesentlichen Tatbestand darstellen würde.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die hierfür nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO erforderlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind.
Berufungsstreitwert: 79.673,35 € (= 155.827,52 DM; vollstreckbare Hauptforderung aus dem Versäumnisurteil nebst als Hauptforderung geltend gemachte Kosten und Zinsen).
Ende der Entscheidung
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