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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 16.02.2005
Aktenzeichen: 11 U 87/04
Rechtsgebiete: ZPO, VOB/B


Vorschriften:

ZPO § 263
ZPO § 529 Abs. 1
ZPO § 531 Abs. 2
ZPO § 531 Abs. 2 Nr. 3
VOB/B § 8 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 17.03.2005 verkündete Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 14 O 497/02 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen,

a) dass die Beklagten den vom Landgericht ausgeurteilten Betrag nebst Zinsen an Frau C. K., geb. L., T.-weg 8, xxxxx F., zu zahlen haben,

b) und die Kostenentscheidung für das erstinstanzliche Verfahren dahin berichtigt wird, dass der Kläger 35 % und die Beklagten 65 % dieser Kosten zu tragen haben.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden den Beklagten auferlegt.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I. Hinsichtlich des Sachverhalts und der im ersten Rechtszug gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Gegen das Urteil des Landgerichts, auf das auch wegen aller weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, wendet sich die Berufung der Beklagten, die an ihrem Antrag auf Klageabweisung festhalten.

Die Beklagten machen geltend, das Landgerichts sei rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass sie keinen hinreichenden Grund zur Aufkündigung des Werkvertrags dargetan hätten. Nunmehr müssten Tatsachen in den Rechtsstreit eingeführt werden, bei deren Kenntnis das Landgericht die Klage vollumfänglich abgewiesen hätte.

Die Beklagten behaupten, aufgrund der desolaten wirtschaftlichen Situation des Klägers sei es zu einer massiven Störung des vertraglichen Vertrauensverhältnisses gekommen. Der Kläger habe ihnen offenbart, die Beklagten sollten die einzelnen Handwerkeraufträge selbst vergeben, weil er zahlungsunfähig sei. Die betreffenden Unternehmen hätten sich auch geweigert, auf Rechnung des Klägers zu arbeiten. Herr Dipl.-Ing. M., der die Statik, Standsicherheitsnachweise und Bewährungspläne habe erstellen sollen, habe sich geweigert, für den Kläger zu arbeiten, weil dieser ihm noch aus früheren Aufträgen Geld schuldete. Desgleichen habe der Vermesser Krieger von ihnen persönlich beauftragt und vergütet werden müssen. Entsprechendes gelte für die Einrichtung des Kranplatzes und das Ausheben der Baugrube durch den Werkunternehmer S.. Der Kläger habe außerdem vergessen gehabt, den Bauantrag zu stellen. Insoweit hätten sie den Zeugen M. persönlich beauftragen und vergüten müssen. Dasselbe gelte für den Entwässerungsantrag. Darüber hinaus habe sich auch die Firma L. geweigert, auf Rechnung des Klägers Arbeiten durchzuführen. Soweit der Zeuge L. im ersten Rechtszug bekundet habe, der Kläger sei deshalb nicht zahlungsfähig gewesen, weil Abschlagszahlungen der Beklagten ausgeblieben seien, so stehe inzwischen fest, dass dies falsch sei.

Die schlechte wirtschaftliche Situation des Klägers ergebe sich auch daraus, dass dieser am 25.06.2002 und 19.05.2003 die eidesstattliche Versicherung habe abgeben müssen. Am 11.02.2003 sei ein Haftbefehl gegen ihn ergangen. Der Kläger erhalte bei keiner Bank mehr Kredit und habe sich in den Jahren 2001 und 2202 nur mit Darlehen aus der Verwandtschaft über Wasser gehalten, bei der er ebenfalls mit 50.000,00 € verschuldet sei. Die hier streitige Forderung habe er - was unstreitig ist - an Frau C. L. abgetreten.

Die Beklagten beantragen,

die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Der Kläger bestätigt die Abtretung zugunsten von Frau C. K., geb. L., und beantragt,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Beklagten den ausgeurteilten Betrag nebst Zinsen an Frau C. K., geb. L., T.-weg 8, xxxxx F., zu zahlen haben.

Der Kläger macht geltend, die von den Beklagten zum Vorliegen eines Kündigungsgrundes nachgeschobenen Umstände seien nicht zu berücksichtigen. Es handele sich insgesamt um neuen Prozessvortrag, den die Beklagten erstinstanzlich aus Nachlässigkeit verabsäumt hätten.

Der Kläger ist der Auffassung, ein Recht zur Kündigung des Werkvertrags aus wichtigem Grunde habe den Beklagten nicht zugestanden. Gegen ihn sei kein Insolvenzverfahren eingeleitet worden sei. Eine Zahlungseinstellung sei ebenfalls nicht erfolgt. Er habe vielmehr in den Jahren 1996 bis März 2001 eine Vielzahl von Bauvorhaben finanziert und abgeschlossen. Es treffe nicht zu, dass der Zeuge M. für ihn keine Leistungen mehr habe erbringen wollen. Auch habe er den Vermesser selbst beauftragt. Der Zeuge S. habe nicht erklärt, dass er für ihn (den Kläger) nicht arbeiten wolle. Er habe von ihm auch keine Vorauszahlung verlangt. Desgleichen sei der Zeuge M. nicht von den Beklagten beauftragt worden. Gleiches gelte für den Entwässerungsantrag. Die Beklagten hätten es allerdings darauf angelegt, Werkunternehmer unmittelbar zu beauftragen, weil dies für sie kostengünstiger gewesen sei.

Wegen aller weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II. Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Urteil des Landgerichts ist lediglich wegen der zwischenzeitlich erfolgten Abtretung der Klageforderung antragsgemäß zu modifizieren, ohne dass der Umfang wechselseitigen Obsiegens bzw. Unterliegens hiervon berührt wird.

Die Feststellungen des Landgerichts zu der Frage, ob die Beklagten einen wichtigen Grund zur Aufkündigung des Werkvertrags hatten, sind verfahrensfehlerfrei zustande gekommen und damit für den Senat gemäß § 529 Abs. 1 ZPO grundsätzlich bindend. Neue Tatsachenfeststellungen sind nicht geboten. Die erstmals im Berufungsverfahren vorgebrachten Tatsachen reichen - soweit sie im Berufungsverfahren unstreitig geworden sind - nicht als Kündigungsgrund aus. Im Übrigen bleibt das neue Vorbringen der Beklagten gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO unberücksichtigt, denn sie haben es im ersten Rechtszug aus Nachlässigkeit verabsäumt, ihren Tatsachenvortrag entsprechend zu substantiieren.

Das Landgericht hat die Voraussetzungen für ein Kündigungsrecht gemäß § 8 Nr. 2 VOB/B zutreffend verneint. Eine Zahlungseinstellung im Sinne der bezeichneten Vorschrift ist von den Beklagten nicht dargetan worden. Die Zahlungseinstellung ist ein Zeichen der materiellen Insolvenz, denn sie dokumentiert in aller Regel die Zahlungsunfähigkeit (§ 102 Abs. 2 KO, § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO), die Eröffnungsgrund für das Insolvenzverfahren ist (§ 102 Abs. 1 KO, § 17 Abs. 1 InsO). Eine Zahlungseinstellung liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn der Schuldner wegen eines voraussichtlich dauernden Mangels an Zahlungsmitteln seine fälligen und von den entsprechenden Gläubigern ernsthaft eingeforderten Verbindlichkeiten im allgemeinen nicht mehr erfüllen kann und dieser Zustand mindestens für die beteiligten Kreise nach außen hin erkennbar geworden ist (vgl. RGZ 100, 65; BGH, LM KO § 30 Nr. 6; Heidland, BauR 1998, 643, m.w.N.). Hat der Auftragnehmer die Zahlungen eingestellt und damit die Zahlungsunfähigkeit dokumentiert, bietet er nicht mehr die Gewähr dafür, dass er einen Werkvertrag ordnungsgemäß erfüllen wird. Um für die sich daraus ergebenden Dispositionen frei zu sein, kann der Auftraggeber nach § 8 Nr. 2 VOB/B den Bauvertrag kündigen, ohne abwarten zu müssen, ob das Insolvenzverfahren auf Antrag des Auftragnehmers oder eines Gläubigers eröffnet wird (vgl. Heidland, a.a.O.).

Erstinstanzlich haben sich die Beklagten mit ihrer Klageerwiderung vom 17.02.2003 darauf beschränkt zu behaupten, der Kläger habe sie wegen Zahlungsunfähigkeit aufgefordert, die Aufträge selbst zu vergeben und zu bezahlen. Dementsprechend hätten sie bis auf die Bodenplatte die anfallenden Gewerke selbst auf eigene Rechnung vergeben. Diesem Vorbringen ist der Kläger mit Schriftsatz vom 11.04.2003 (Bl. 47 ff. d.A.) entgegengetreten und hat im Einzelnen bestritten, dass er zahlungs- und leistungsunfähig gewesen sei. Die Beklagten hätten sich vielmehr unter Umgehung seiner Person unmittelbar an einzelne Unternehmer gewandt, weil sie nicht in der Lage gewesen seien, ihn wie vereinbart zu bezahlen. Tatsächlich habe sich keiner der beauftragten Werkunternehmer geweigert, Leistungen für ihn zu erbringen. Bauantrag, Statik, Standsicherheitsnachweise mit Positions- und Bewährungsplänen sowie Wärmeschutznachweise habe er selbst veranlasst. Seinen vertraglichen Verpflichtungen sei er insgesamt nachgekommen, während die Beklagten ihm gegenüber in Zahlungsverzug geraten seien.

Demgegenüber haben die Beklagten im ersten Rechtszug allein das Zeugnis des Werkunternehmers M. L. dafür angeboten, dass dieser es abgelehnt habe, für den Kläger zu arbeiten. Die Bekundungen dieses Zeugen hat das Landgericht im Einzelnen herangezogen und gewürdigt, gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts, die weder Widersprüche noch Verstöße gegen Denk- oder gesicherte Erfahrungssätze aufweist, wendet die Berufung auch nichts ein. Das Beweisanerbieten der Beklagten auf Vernehmung des Klägers als Partei haben die Beklagten im ersten Rechtszug zurückgezogen (Bl. 106 d.A.). Bei dieser Sachlage durfte das Landgericht bedenkenfrei davon ausgehen, dass den Beklagten kein hinreichender Kündigungsgrund zur Seite steht. Einen konkreten, nachvollziehbaren Lebenssachverhalt, der in dem bereits aufgezeigten Sinne die Tatsache erfolgter Zahlungseinstellung belegen könnte, haben die Beklagten weder vorgetragen noch bewiesen. Weitere Feststellungen zum Vorliegen eines Kündigungsgrunds waren dem Landgericht nach dem erstinstanzlichen Sach- und Streitstand schon mangels entsprechenden Tatsachenvortrags versagt.

Auch das Berufungsvorbringen verhilft der Rechtsverteidigung der Beklagten nicht zum Erfolg. Zwar ist im Berufungsverfahren unstreitig geworden, dass der Kläger in den Jahren 2003 und 2003 zweimal zur Ableistung der eidesstattlichen (Schuldner-) Versicherung herangezogen wurde und dass im Februar 2003 ein Haftbefehl gegen ihn erging. Unabhängig von der Frage, ob den Beklagten bei frühzeitiger angestellten Erkundigungen nicht schon erstinstanzlich entsprechender Sachvortrag zumutbar möglich gewesen wäre und ob neues Vorbringen des Berufungsführers im Rahmen von § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO dann zugelassen werden kann, wenn es unbestritten bleibt (vgl. dazu BGH, NJW 2004, 1458), gestattet allein die Tatsache, dass gegen den Schuldner das Verfahren auf Leistung der eidesstattlichen Versicherung betrieben wurde, jedenfalls noch nicht den Rückschluss auf eine Zahlungseinstellung im Sinne von § 8 Nr. 2 VOB/B. Die Zahlungseinstellung muss sich aus den tatsächlichen Gesamtumständen des Einzelfalls ergeben (vgl. BGH, NJW 1991, 980). Die selbst zweimalige Ableistung der eidesstattlichen Versicherung gibt aber weder konkreten Aufschluss über die Dauerhaftigkeit eines Mangels an Zahlungsmitteln noch über ein allgemein vorliegendes Leistungsunvermögen, das für die beteiligten Kreise auch offenkundig wurde. Die Behauptung des Klägers, bis in den hier in Rede stehenden Zeitraum hinein vielfältige Bauvorhaben erfolgreich abgewickelt und finanziert zu haben, wird durch die Ableistung der Versicherung nicht widerlegt. Allenfalls im Zusammenspiel mit weiteren Umständen, die das Leistungsvermögen des Klägers betreffen, könnte das Verfahren zur Ableistung der eidesstattlichen Versicherung mit dazu beitragen, die Annahme erfolgter Zahlungseinstellung zu rechtfertigen (vgl. OLG Köln, BauR 1996, 257; zur untergeordneten Rolle der eidesstattlichen Versicherung im Rahmen der Glaubhaftmachung eines Konkurs- oder Insolvenzgrundes vgl. Heidland, a.a.O.).

Tatsachen zur Untermauerung des geltend gemachten Kündigungsrechts können jedoch nicht festgestellt werden. Das neue Berufungsvorbringen zu den wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Klägers ist vom Kläger bestritten worden; dieses Vorbringen ist gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO zurückzuweisen. Ein erst in zweiter Instanz nachgeschobener Sachvortrag beinhaltet auch dann neue Angriffs- oder Verteidigungsmittel im Sinne von § 531 Abs. 2 ZPO, wenn ein ganz allgemein gehaltener Sachvortrag aus erster Instanz erstmals im Berufungsverfahren konkretisiert und substantiiert wird (vgl. BGH, NJW, 2004,2825; BGH, NJW-RR 2003, 1321). So liegt es auch hier. Die Berufungsbegründung zielt darauf ab, die Rechtsverteidigung der Beklagten auf einen gänzlich neuen Tatsachenzusammenhang zu stützen, der im erstinstanzlichen Vorbringen keine Entsprechung findet. Die Beklagten tragen erstmals im Berufungsverfahren zu den aufgetretenen Schwierigkeiten mit einzelnen Handwerkern und zu gravierenden Unzulänglichkeiten in der Vertragsabwicklung vor, was die wirtschaftliche Situation des Klägers - im Falle der Erweislichkeit in einem gänzlich anderen Licht darstellen würde, als dies nach dem erstinstanzlichen Sachvortrag und Beweisergebnis der Fall war. Die Verabsäumung einer entsprechenden Rechtsverteidigung im ersten Rechtszug beruht auf Nachlässigkeit, denn für die anwaltlich vertretenen Beklagten war bereits aus erstinstanzlicher Sicht klar, dass ein auf Zahlungseinstellung gestützter Kündigungsgrund angesichts der widerstreitenden Einlassung des Klägers die Darlegung von Tatsachen veranlasste, die ein solche Kündigungsrecht erhärten konnten. Seitens der Beklagten ist nichts dazu dargetan worden, weshalb sie erstinstanzlich schuldlos daran gehindert gewesen sein könnten, die nunmehr behaupteten Tatsachen vorzutragen.

Die Verurteilung der Beklagten ist mithin nach Maßgabe des klägerischen Gegenantrags zu bestätigen. Bei der die Zession berücksichtigenden Antragsumstellung handelt es sich weder um eine Klageänderung im Sinne von § 263 ZPO, noch um eine mit der Anschlussberufung zu verfolgende Abänderung der angefochtenen Entscheidung, sondern lediglich um eine verfahrensmäßig statthafte Modifizierung des Klageantrags (vgl. nur Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 265 Rz. 6 a, m.w.N.).

Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Kostenentscheidung für den ersten Rechtszug war mit Rücksicht auf die Abänderung des Streitwerts im Beschluss des Landgerichts vom 03.05.2004 gemäß § 319 ZPO zu berichtigen. Der Kläger hat zutreffend geltend gemacht, dass die streitwerterhöhende - Wirkung der Hilfsaufrechnung (§ 19 Abs. 1 GKG) dazu führt, dass sich auch das Verhältnis des wechselseitigen Obsiegens bzw. Unterliegens im Rahmen der nach § 92 Abs. 1 ZPO zu bildenden Kostenquote verändert.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Es sind keine Gründe gegeben, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Gegenstandswert für die Berufung: 47.825,32 €

Ende der Entscheidung

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